P1 und das gute Gewissen

Und wer hat’s laut den Dokumenten gewusst? Der Sepp! „Nicht in Frage gestellt werden kann die Feststellung, dass die FIFA Kenntnis von Schmiergeldern an Personen ihrer Organe hatte", heißt es dort. Und die FIFA das war und ist Sepp, Während Joao damals lieber in der brasilianischen Heimat war wie Tanda feststellt, übte sein Lehrling das Tagesgeschäft des Verbands aus. Hatte also Einblick in alles. Der zu ziehende Schluss ist einfach: Blatter ist der Mitwisserschaft überführt, auch wenn die Presseausendung auf der Website FIFA.com ihren Präsidenten gänzlich unschuldig darstellt. Schlimmer noch, er hat am Donnerstag in einem Kurzinterview auf der FIFA.com-Website offen zugegeben hinter dem Kürzel P1 – „Ja, das bin ich" – im Dokument zu stehen. Diese Person wusste u.a. 1997 von einer Million Euro, die versehentlich auf ein FIFA-Konto landete statt direkt bei Joao. Sie wurde aber umgehend von einem nichtgenannten Mitarbeiter des Verbands an den heute 96-Jährigen weitergeleitet.

Und was sagt Sepp zu alledem? Gibt er den Fehler zu? Spricht er von möglichem Rücktritt? Verurteilt er seine alten Meister? In seiner typischen Manier sagt er im FIFA.com-Interview: „Damals konnte man solche Zahlungen als Geschäftsaufwand sogar von den Steuern abziehen. Heute wäre dies strafbar. Ich kann also nicht von einem Delikt gewusst haben, welches keines war." Schmiergeldzahlungen, die heißen bei Sepp und seiner Entourage dementsprechend dann auch „Provisionen". Der Franzose Jean-Marie Weber und sein Koffer reden auch gerne von „Honoraren", die parallel zum Verkauf von Rechten gezahlt wurden, wie die Weltwoche 2008 aus Vernehmungsprotokollen berichtete. Andrew Jennings, Journalist und Aufdecker, wird vom Deutschlandradio wie folgt zitiert: „Die ISL hat Fifa-Funktionäre Bestechungsgeld wie Lohn gezahlt. Das hat einer der Angeklagten im Prozess sogar bestätigt: Sie haben Schmiergeld bekommen wie andere Menschen Gehalt. Das wurde nicht im Verborgenen gemacht, da mussten nicht auf Parkplätzen Briefumschläge mit US-Dollars übergeben werden. Nein, alle sechs Monate gab es für Fußballfunktionäre Geld von Schwarzkonten in Steuerparadiesen." Bei seinem Prozess 2008 sagte Jean-Marie dann gar nichts mehr, es sei schließlich „eine Frage der Ehre". Diese „Ehre", dass war aus Sicht der Staatsanwaltschaft unter anderem Betrug, Gläubigerschädigung, betrügerischer Konkurs, mehrfaches Erschleichen von Falschbeurkundungen und Veruntreuung. Glücklicherweise für ihn standen zum damaligen Zeitpunkt Schmiergeldzahlungen in der Schweiz nicht unter Strafe. Schlussendlich wurde er zu einer Geldstrafe von 84.000 Franken wegen Veruntreuung verurteilt. Ob er es gleich aus dem Koffer gezahlt hat ist nicht überliefert.

Alles wie immer

Die Medien berichten nur verhalten über diesen endgültigen Beweis. Nur wenige Journalisten wie Tanda, Jennings, Kistner und Weinreich sorgen dafür, dass die alte Garde nicht zu gemütlich das Geld zählt. Die Fans nehmen die Nachricht achselzuckend zur Kenntnis. Für nationale Verbände wie den DFB gilt aus Eigeninteresse ein kurzer Aufschrei als höchstes aller Gefühle. Und die Protagonisten genießen gottgleiches Selbstverständnis und lasche Strafverfolgung. Ricardo, kein Mann der feinen Zurückhaltung erläuterte 2011, er könne „jede Untat begehen, die ich will". Was ihn und Joao nicht gehindert hat rechtzeitig von ihren FIFA-Posten zurückzutreten. Dafür organisiert Ricardo die Fußball-WM und prahlte damals, er kassiere bei einem Gewinn die Hälfte, bei einem Verlust würde der Verband alles tragen. Horst ist schon lange tot. 1987 holte ihn der Augenkrebs ein. Leo weilt auch nicht mehr unter uns. Jean-Marie jagt weiter über den Sport-Globus. Und Sepp spielt weiterhin „Capo die tutti Capi", den Boss aller Bosse. Im Interview mit der Schweizer Zeitung Blick fährt er seine ihm eigene Strategie der lupenreinen Weste: "Ich heisse weder Bestechung gut, noch unterstütze oder rechtfertige ich sie. Genau das wird mir jetzt vorgeworfen. [...] Ich habe nie irgendwelche Schmiergelder bekommen. Jetzt versuchen die gleichen Leute, mich auf der zweiten Ebene zu attackieren. Okay, er hat zwar kein Schmiergeld kassiert, aber er muss davon gewusst haben." Dabei schießt er Nebelbomben auf die verhaltenen Kritiker und beschuldigt Deutschland, die WM 2006 gekauft zu haben. Nichts wirklich Neues, denn die Rolle der "untätigen" Verbände ist mindestens genauso fraglich wie die FIFA an sich. Außer dass Sepp es wieder mal selber schafft sich noch weiter reinzureiten. Wenn unter ihm so munter bestochen und gekauft wurde, dann sollte ein Präsident handeln. Die eigens für solche Fälle gegründete - und kurz darauf umstrittene - Ethikkommission handelt aber nicht. So steht er selbst in der Verantwortung. Doch wird er den Skandal einmal mehr hinter seinem Schreibtisch mit Blick ins Grüne aussitzen. Er hat ja auch von den Größten gelernt. Nur dass wahre Gangster im Schatten bleiben. Sepps selbsterklärter Platz aber ist der Platz an der Sonne. So verbrennt bisher auch jeder Skandal an seiner äußeren Atmosphäre.

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