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12.12.2007 um 00:09 Uhr
So viele Probleme...
...so wenige Lösungen

Wir Pfälzer sind angeblich ein emotionales Volk. Sagt man. Ich persönlich fühle mich da eher nicht so angesprochen. Aber viele meiner "Landsleute" werden zumindest dann emotional, wenn es um den 1. FC Kaiserslautern geht, das selbsternannte "Herz der Pfalz". Und im Moment gibt es ausreichend Grund sich zu ereifern, denn der große Traditionsklub surft am Abgrund entlang. Abstieg in Liga 3 wäre gleichbedeutend mit einer Insolvenz, heißt es. Und so reden wieder alle von den Gesetzmäßigkeiten des Profisports, die bald schon greifen sollen. Und in der Vergangenheit alles nur noch schlimmer gemacht haben. Nun will ich natürlich nicht behaupten, dass ausgerechnet ich die Patentlösung parat habe. Aber weil ich glaube, dass sich die alten "Gesetzmäßigkeiten" längst überholt haben, gibt es von mir einen Gegenentwurf:


Regel Nr.1: den Trainer zu feuern ist nicht die Lösung, sondern das Problem

Der letzte FCK-Coach, der seinen Vertrag bis zum Ende erfüllt, war Karl-Heinz Feldkamp im Jahr 1992. Vor 15 Jahren. Die letzten 5 Trainer waren Kjetil Rekdal (seit 5 Monaten), Wolfgang Wolf (17 Monate), Michael Henke (4 Monate), Kurt Jara (14 Monate) und Erik Gerets (17 Monate). Die Interimstrainer habe ich einfach mal weggelassen, sonst wird es zu unübersichtlich.
Also: kein Trainer war länger als eineinhalb Jahre im Amt, keiner hatte Zeit kontinuierlich eine Mannschaft nach seinen Vorstellungen aufzubauen. Jeder neue Trainer bedeutet: eine andere Vorstellung von Fußball, deshalb auch neue Spieler für viel Geld (zumindest solange noch welches da ist).
Rekdal und vor ihm Wolf müssen es nun ausbaden. Der Verein hat kein Geld, deshalb sollen die Neuzugänge ablösefrei sein. Nur: wen bekommt man denn ablösefrei? Welcher Topspieler (außer Michael Ballack) lässt denn seinen Vertrag auslaufen, um sich dann seinen Klub auszusuchen? Eben. Das ist ungefähr so, als ob ich ein neues Sofa haben will. Wenn ich kein Geld habe, dann muss ich mich auf dem Sperrmüll bedienen. Und da bekomme ich das, was andere Leute nicht mehr wollen. Klar, manchmal habe ich Glück, aber ich kann mir eben nichts aussuchen. Der FCK bedient sich nun also auf dem Spieler-Sperrmüll und bekommt genau das, was die anderen nicht mehr wollen. Da muss man schon ein verdammt gutes Auge haben, um echte Verstärkungen zu finden. Das klappt manchmal (Hajnal, Meißner) und manchmal nicht (Hansen, Bernier). Die Lösung muss oft lauten: gebt dem Nachwuchs eine Chance. Und das führt uns zu…

Regel Nr. 2: junge Spieler sind nicht die Lösung, sondern das Problem

Zumindest wenn man zu viele davon hat. Denn jungen Spielern fehlt die Erfahrung. Und Erfahrung macht zwar weniger unbekümmert, aber dafür konstanter. Junge Spieler können mit Drucksituationen weniger gut umgehen und geraten leichter in eine Krise. Beispiel: die Hinrunde des FCK. Nach zwei passablen Leistungen gegen Mönchengladbach und 1860 kam der Absturz. Und die Schlagzeilen vom Abstiegskampf. Und die Kritik. Und die Fans, die schreien: "Ihr macht den Verein kaputt".
Wenn ich ein Spiel auf dem Betzenberg kommentiere, dann stehe ich oft am Ausgang des Spielertunnels, wenn die Jungs zum aufwärmen rauskommen. Und ich habe sie aus nächster Nähe gesehen, die Reinerts, Ziemers, Schönheims, Kotyschs und wie sie alle heißen. Das sind (und das meine ich gar nicht despektierlich) im wahrsten Sinne des Wortes Jungs. Bübchen. 18, 19 Jahre alt. Vermutlich mit allen Problemen, die 18, 19-Jährige so mit sich herumtragen. Und nebenbei lastet auf ihren Schultern noch das Schicksal eines Klubs, den andere in die Krise geritten haben. Von denen zu erwarten, mit nur spärlicher Unterstützung von erfahrenen Spielern die Krise des FCK zu meistern, ist verdammt viel verlangt. Das hindert die Fankurve aber nicht daran, ihren (sicher verständlichen) Frust vor den Füßen dieser Jungs abzuladen. Und da sind wir auch schon bei…

Regel Nr. 3: die eigenen Fans können durchaus auch Teil des Problems sein

Beispiel: ich habe das Spiel des FCK gegen den SV Wehen kommentiert. Vorher habe ich mich mit Christian Hock unterhalten, dem Wehener Coach. Und der sagte zu mir: "Wir wissen, wenn es nach einer halben Stunde noch 0:0 steht, dann fangen die FCK-Fans an zu pfeifen." Ganz Recht hatte er allerdings nicht. Ich habe die ersten Pfiffe erst in der 35. Minute wahrgenommen.

Klar ist: verunsicherte Spieler werden nicht besser, wenn sie ausgepfiffen werden. Und: wenn ich als Fan dem Gegner in die Hände spiele, meine Ungeduld vom Gegner sogar einkalkuliert wird, dann sollte ich vielleicht mein Verhalten überdenken.

Apropos Verhalten überdenken: bei einer unserer Übertragungen hatten wir ex-FCK Profi Axel Roos als Studiogast. Guter Spieler übrigens. Der forderte (wie viele andere auch), dass unbedingt mehr ehemaliger FCK-Profis in die Vereinsarbeit eingebunden werden müssen. Und das bringt uns zu…

Regel Nr. 4: Ex-Spieler sind manchmal der Hauptgrund des Problems

Beim Thema FCK haben wir das ganz schnell bewiesen: ex-Präsident und Vorstandsvorsitzender Jürgen "Atze" Friedrich, unter dessen Führung die Milliardenlöcher im FCK-Etat entstanden, spielte von 1968 bis 1974 für den Klub.

Sicher, eine Führungsetage ohne Fußballverstand ist auch problematisch. Aber wenn Fußballer in die Vereinsarbeit eingebunden werden, dann sollten sie möglichst mehr Qualifikationen mitbringen als einen präzisen Schuss und eine große Klappe in der Kabine.

Und zum Abschluss gibt es von mir noch eine spezielle Bonus-Regel, die…

Regel Nr. 5: ergebnisorientierte Interpretation ist immer das Problem

Trainer versuchen, ihrer Mannschaft beizubringen, wie man möglichst gut Fußball spielt. Das hat bei Kjetil Rekdal und seinem FCK in dieser Saison lange nicht so gut geklappt. Wochenlang war das Problem des FCK, dass die Mannschaft praktisch keine Torchancen herausspielte und folglich auch keine Tore schoss. In den letzten Wochen war aber ein deutlicher Aufwärtstrend zu erkennen. Und zwar inklusive dem letzten Sonntag: da gab's ein total unnötiges 2:3 gegen Jena. Aber der FCK spielte den Gegner 75 Minuten lang an die Wand, hatte locker ein Dutzend Torchancen. Und das ist (auch) das Verdienst des Trainers. Dass diese Chancen nicht genutzt wurden, Runström sogar einen Elfmeter vergeigte, ist dagegen sicher nicht die Schuld von Rekdal. Und die Leichtsinnsfehler in der Abwehr, die dem Gegner den Sieg ermöglichten sind leicht zu korrigieren. Einfach deshalb, weil sie für diese Mannschaft untypisch waren.

So könnte man also die Pleite vom Sonntag als (möglicherweise heilsame) Lektion für eine junge, im Wachsen begriffene Mannschaft sehen, die daraus wichtige Lehren ziehen kann. Außer man gerät in Panik und feuert jetzt den Trainer. Aber da sind wir ja wieder zurück bei Regel 1…

Bis demnächst,
Andreas
Aufrufe: 3305 | Kommentare: 2 | Bewertungen: 11 | Erstellt:12.12.2007
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KOMMENTARE
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thrillhouse
12.12.2007 | 05:54 Uhr
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thrillhouse : Sofa
12.12.2007 | 05:54 Uhr
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thrillhouse : Sofa
Das Sofa Beispiel ist klasse. Ich habs so ausgedrückt:
Keiner wollte den Spieler, also ging er zum FCK.

http://www.mind-bullets.de/2007/12/das-entsetzen.html
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Templebeat
14.12.2007 | 12:55 Uhr
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Templebeat : Der Betze
14.12.2007 | 12:55 Uhr
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Templebeat : Der Betze
Der Kommentar vom Andreas ist sehr schön geschrieben. Da der Karren finanziell sehr im Dreck steckt ist es absolut falsch den jungen Spielern solch eine Last aufzubürden. Es hindert sie nur an ihrer Entwicklung.
Fakt ist doch, daß sich heute kaum noch Spieler mit ihrem Verein identifizieren. Wenn die Kohle stimmt kommen wir und listen unseren Dienst.Doch gerade davon hat der FCK doch in der Vergangenheit gelebt. Spieler die 120 % für den Erfolg gegeben haben. Spieler mit denen sich die Fans identifizieren konnten.

Etwas distanzieren möchte ich mich von der Aussage des Sperrmüll-Sofas. Man kann, wenn man die Fähigkeiten dazu besitzt auch ein solches wieder zu einem Prunkstück aufbereiten. Und genau diese Fähigkeiten spreche ich dem Herrn Rekdal ab. Es gibt gewisse Trainer die sportlich sicherlich über ein Menge Erfahrung verfügen aber im mentalen Bereich scheinbar versagen. Gerade heute , wo jedes Spiel das Wichtigste ist, sollte man es als Trainer schaffen seinen Spielern den psychischen Druck zu nehmen. Nur so können junge Spieler sich weiterentwickeln und ,,alte Sperrmüll-Sofas,, zu ungeahnten Höhenflügen ansetzen.
Eine Mannschaft ist nur so unsicher und hilflos wie es ihr der Trainer vermittelt.
Und es ist nicht von der Hand zu weisen das man in Ansätzen sieht wozu selbst dies Mannschaft fähig sein kann.

Allerdings möchte ich mich auch der Schelte über die Fans anschliessen. Man kann sich nicht nur in guten Zeiten um die Trikots kloppen und wenn es dann nicht läuft ein Pfeifkonzert veranstalten. Eine gute Freundschaft beginnt erst in schlechten Zeiten !!!

Ich bin zwar kein FCK-Fan aber ich wünsche mir das dieser Verein in der Liga bleibt und sich endlich wieder nach oben entwickelt. Nur zu gut sind mir aus meiner Jugendzeit die Pokal-Krimi's in Erinnerung geblieben und gerade deswegen mag ich den FCK auch ein wenig.

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