22.03.2012 um 19:34 Uhr
Tanze Tango mit mir, Fernando 1
Der Zweikampf wird eng geführt. Die Körper berühren sich, stoßen sich wieder ab. Mit einer „Alteracìon" wechselt der Akteur die Richtung. Das Kinn vorgestreckt und aufrechtem Gang führt er durch die Begegnung. Die „Barrida", dem Versuch des Gegenparts mit dessen Fuss den des anderen zu führen, gar mit einem Haken, dem „Gancho", in Verlegenheit zu bringen, scheitert durch eine geschickte Körpertäuschung, die an einen „Balanceo" erinnert. Wir befinden uns nicht in einem Tanzlokal von Buenos Aires oder einer verschwitzen Tanzschule von Weimar, sondern im Estadio Santiago Bernabéu in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Das Tänzlein zwischen Körperkontakt und Abweisung führt ein gewisser Fernando Redondo. Er schreitet voller Selbstbewusstsein durch seinen Saal, dem Mittelfeld des legendären Hauptstadtklubs Real Madrid. Die Rasenvariante des „Tango de Salon" ist geboren.
Das Klischee will es, dass lateinamerikanischer Fußball in den Slums geboren wird. Das Gleiche gilt auch für die Geburtsstunde des „Tango Argentino". Der Tango kommt ursprünglich aus der Region des Río de la Plata, dem Grenzfluss zwischen Uruguay und Argentinien und wurde laut ungeklärten Überlieferungen von ärmlichen Schwarzen eingeführt. Genau in diesem Gebiet, auf der argentinischen Seite, erblickte Fernando Redondo das Licht der Welt. Das war es dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten, kommt er doch aus einer weißen, mittelständigen und linksorientierten Familie aus einem Vorort von Buenos Aires. Als kleiner Junge prophezeit man ihm schon Großes und man vermutet ihn entweder als Künstler oder gar als zukünftigen Carlos Gardel, einem der wichtigsten Tango-Sänger und Komponisten. Jahre später wird er es zwar auf die Bühne schaffen, doch statt Holzbrettern wird es das saftige Grün der europäischen Stadien sein. Einen seiner größten Tänze wird Redondo dabei passenderweise im „Theatre of Dreams" von Manchester vollführen. Eine Performance, die von der „L’Equipe" mit folgenden Worten geadelt werden wird: „Mit der aufreizenden Körpersprache eines düsteren Tangotänzers, seiner trügerischen Langsamkeit und der leicht überheblichen Eleganz ist er immer da, wo er sein muss."
Redondo
Studieren geht über verlieren
Rund 15 Jahre zuvor ist der 15jährige von solchen Auftritten allerdings noch weit entfernt. Knapp 45 Minuten von seinem Geburtsort entfernt, fängt seine Karriere bei Argentinos Juniors und kurze Zeit später sein erster Tango mit der Nationalmannschaft an. Er gilt bereits als großes Talent und soll an der WM 1990 in Italien teilnehmen. Maradona hört „Talent" und horcht sofort auf. Natürlich ist Redondo sein „einzig wahrer" Nachfolger, sein Protégé. Damals nimmt man Maradona bei solchen Aussagen noch ernst. Die Zukunft wird einmal mehr zeigen, dass solche Vergleiche per se falsch sind, was Diego aber nicht davon abhält eine ganze Armee an Schützlingen aufzubauen, die alle an dem Anspruch scheitern werden und müssen. Der „kicker" meint zu dem Thema: "Der richtige Maradona ist erstens brillanter, zweitens dicker, drittens 13 Zentimeter kleiner, und viertens ein ganz anderer Fußballer als Fernando Redondo." Für Redondo stellt sich als Argentinier diese Frage von vornherein nicht, da es „nichts zu vergleichen gibt. Er ist einzigartig, ein Genie, und ich bin ein einfacher Fußballer." Wie die Zukunft zeigt ist er doch kein so "einfacher" Spieler. Zumindest aber bleiben Redondo und Diego bis zum heutigen Tag Freunde.
Doch 1990, kurz vor der Weltmeisterschaft in Italien, sagt Diegos Schützling plötzlich seine Teilnahme an seiner Seite ab. Begründung: „Studium geht vor!". Coach Carlos Bilardo und Diego staunen und müssen allein fahren. Dem jungen Redondo geht es aber wahrscheinlich weniger um das Büffeln von Gesetzen und Paragraphen in seinem Rechtstudium, sondern vielmehr um die aus seiner Sicht noch langweiligere und destruktive Defensivausrichtung der Nationalmannschaft unter Bilardo. Er sieht sich selber als Menottista, nach César Menotti, dem Weltmeistertrainer von 1978 und Verfechter eines attraktiven, freudvollen, „linken" Fußballs und ist gegen die Bilardistas, den Verfechtern der „rechten" Betonmischer-Philosophie. Blöd das Zweiterer zu Redondos Anfangszeit im Amt ist und so kommt es zu Reibungen. Der kürzlich verstorbene Tango-Sänger Ramon Reguira sprach einmal über seine große Leidenschaft: „Tango sagt nicht "Liebe mich", sondern "kämpfe mit mir, oder gegen mich". Das gilt eins zu eins für seine Karriere sowie den Fußball an sich. Und so ist bereits 1990 der Takt zur Beziehung mit der Albiceleste gegeben und Redondo führt das Tänzchen.
Royaler Spielverderber
Nach den „Semesterferien" und Diegos Tränen im Finale wechselt Redondo über den großen Teich auf den Kontinent der unbegrenzten Fußball-Möglichkeiten. Das Bosman-Urteil lässt zwar noch fünf Jahre auf sich warten, aber Europa bietet schon damals die großen Namen und Titel. Doch zunächst heißt es "Generalprobe vor dem großen Auftritt" und die Destination CD Teneriffa. Der Club der kanarischen Insel ist ein Jahr zuvor erst in die Primera Divisiòn aufgestiegen, wird aber von einem gewissen Jorge Valdano, seines Zeichens argentinischer Weltmeister von 1986, ehemaliger Real Madrid-Spieler und überzeugter „Menottista", trainiert. Die Taktik der Beiden für ein Jobangebot der Königlichen aus der fernen Hauptstadt ist so simpel wie genial: Vermiesen wir ihnen doch gleich zweimal hintereinander die Meisterschaft.
Dank eines verängstigend seherischen Spielplanerstellers führt der Weg Madrids zur jeweiligen Meisterschaft in den Saisons 91/92 und 92/93 am letzten Spieltag beide Male auf die Kanarien. Was eventuell seitens des Planers als Meisterfeier am Strand geplant war, endet im königlichen Trauma. Beide Male ist man vor dem Spiel gefolgt vom Erzrivalen aus Barcelona Tabellenführer, beide Male verliert man das Spiel auf Teneriffa und beide Male holen die Katalanen nach dem Spiel unter Cruyff im Photo-Finish die Meisterschaft. Zuviel des Guten für die gekränkte madrilenische Seele. Man verpflichtet nach einer weiteren enttäuschenden Saison kurzerhand Valdano als Trainer und Redondo als Taktgeber im Mittelfeld. Der Tango wird heißer, der Rhythmus intensiver, die große Bühne ruft.
Hier geht's zu Teil 2
Das Klischee will es, dass lateinamerikanischer Fußball in den Slums geboren wird. Das Gleiche gilt auch für die Geburtsstunde des „Tango Argentino". Der Tango kommt ursprünglich aus der Region des Río de la Plata, dem Grenzfluss zwischen Uruguay und Argentinien und wurde laut ungeklärten Überlieferungen von ärmlichen Schwarzen eingeführt. Genau in diesem Gebiet, auf der argentinischen Seite, erblickte Fernando Redondo das Licht der Welt. Das war es dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten, kommt er doch aus einer weißen, mittelständigen und linksorientierten Familie aus einem Vorort von Buenos Aires. Als kleiner Junge prophezeit man ihm schon Großes und man vermutet ihn entweder als Künstler oder gar als zukünftigen Carlos Gardel, einem der wichtigsten Tango-Sänger und Komponisten. Jahre später wird er es zwar auf die Bühne schaffen, doch statt Holzbrettern wird es das saftige Grün der europäischen Stadien sein. Einen seiner größten Tänze wird Redondo dabei passenderweise im „Theatre of Dreams" von Manchester vollführen. Eine Performance, die von der „L’Equipe" mit folgenden Worten geadelt werden wird: „Mit der aufreizenden Körpersprache eines düsteren Tangotänzers, seiner trügerischen Langsamkeit und der leicht überheblichen Eleganz ist er immer da, wo er sein muss."
Redondo
Studieren geht über verlieren
Rund 15 Jahre zuvor ist der 15jährige von solchen Auftritten allerdings noch weit entfernt. Knapp 45 Minuten von seinem Geburtsort entfernt, fängt seine Karriere bei Argentinos Juniors und kurze Zeit später sein erster Tango mit der Nationalmannschaft an. Er gilt bereits als großes Talent und soll an der WM 1990 in Italien teilnehmen. Maradona hört „Talent" und horcht sofort auf. Natürlich ist Redondo sein „einzig wahrer" Nachfolger, sein Protégé. Damals nimmt man Maradona bei solchen Aussagen noch ernst. Die Zukunft wird einmal mehr zeigen, dass solche Vergleiche per se falsch sind, was Diego aber nicht davon abhält eine ganze Armee an Schützlingen aufzubauen, die alle an dem Anspruch scheitern werden und müssen. Der „kicker" meint zu dem Thema: "Der richtige Maradona ist erstens brillanter, zweitens dicker, drittens 13 Zentimeter kleiner, und viertens ein ganz anderer Fußballer als Fernando Redondo." Für Redondo stellt sich als Argentinier diese Frage von vornherein nicht, da es „nichts zu vergleichen gibt. Er ist einzigartig, ein Genie, und ich bin ein einfacher Fußballer." Wie die Zukunft zeigt ist er doch kein so "einfacher" Spieler. Zumindest aber bleiben Redondo und Diego bis zum heutigen Tag Freunde.
Doch 1990, kurz vor der Weltmeisterschaft in Italien, sagt Diegos Schützling plötzlich seine Teilnahme an seiner Seite ab. Begründung: „Studium geht vor!". Coach Carlos Bilardo und Diego staunen und müssen allein fahren. Dem jungen Redondo geht es aber wahrscheinlich weniger um das Büffeln von Gesetzen und Paragraphen in seinem Rechtstudium, sondern vielmehr um die aus seiner Sicht noch langweiligere und destruktive Defensivausrichtung der Nationalmannschaft unter Bilardo. Er sieht sich selber als Menottista, nach César Menotti, dem Weltmeistertrainer von 1978 und Verfechter eines attraktiven, freudvollen, „linken" Fußballs und ist gegen die Bilardistas, den Verfechtern der „rechten" Betonmischer-Philosophie. Blöd das Zweiterer zu Redondos Anfangszeit im Amt ist und so kommt es zu Reibungen. Der kürzlich verstorbene Tango-Sänger Ramon Reguira sprach einmal über seine große Leidenschaft: „Tango sagt nicht "Liebe mich", sondern "kämpfe mit mir, oder gegen mich". Das gilt eins zu eins für seine Karriere sowie den Fußball an sich. Und so ist bereits 1990 der Takt zur Beziehung mit der Albiceleste gegeben und Redondo führt das Tänzchen.
Royaler Spielverderber
Nach den „Semesterferien" und Diegos Tränen im Finale wechselt Redondo über den großen Teich auf den Kontinent der unbegrenzten Fußball-Möglichkeiten. Das Bosman-Urteil lässt zwar noch fünf Jahre auf sich warten, aber Europa bietet schon damals die großen Namen und Titel. Doch zunächst heißt es "Generalprobe vor dem großen Auftritt" und die Destination CD Teneriffa. Der Club der kanarischen Insel ist ein Jahr zuvor erst in die Primera Divisiòn aufgestiegen, wird aber von einem gewissen Jorge Valdano, seines Zeichens argentinischer Weltmeister von 1986, ehemaliger Real Madrid-Spieler und überzeugter „Menottista", trainiert. Die Taktik der Beiden für ein Jobangebot der Königlichen aus der fernen Hauptstadt ist so simpel wie genial: Vermiesen wir ihnen doch gleich zweimal hintereinander die Meisterschaft.
Dank eines verängstigend seherischen Spielplanerstellers führt der Weg Madrids zur jeweiligen Meisterschaft in den Saisons 91/92 und 92/93 am letzten Spieltag beide Male auf die Kanarien. Was eventuell seitens des Planers als Meisterfeier am Strand geplant war, endet im königlichen Trauma. Beide Male ist man vor dem Spiel gefolgt vom Erzrivalen aus Barcelona Tabellenführer, beide Male verliert man das Spiel auf Teneriffa und beide Male holen die Katalanen nach dem Spiel unter Cruyff im Photo-Finish die Meisterschaft. Zuviel des Guten für die gekränkte madrilenische Seele. Man verpflichtet nach einer weiteren enttäuschenden Saison kurzerhand Valdano als Trainer und Redondo als Taktgeber im Mittelfeld. Der Tango wird heißer, der Rhythmus intensiver, die große Bühne ruft.
Hier geht's zu Teil 2
Aufrufe: 11116 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 4 | Erstellt:22.03.2012
ø 10.0
KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
27.03.2012 | 18:20 Uhr
0
PrinceHerbert :
respekt für den guten blog 10 pkt
0
COMMUNITY LOGIN
Statistik