05.03.2008 um 12:26 Uhr
Totaloperation geglückt
Für viele war Arsenals 2:0 Sieg in San Siro gegen Titelverteidiger AC Mailand das Ende einer Ära und – vielleicht - der Beginn einer neuen. Auch wenn man da enorm vorsichtig sein sollte. Schließlich ist es durchaus möglich, dass die Erfolge des AC Mailand in den letzten 20 Jahren so schnell von niemand mehr erreicht werden.
Eins war ja für uns Journalisten wie gemalt: das Duell jung gegen alt, jugendlicher Enthusiasmus gegen Routine. Milan, das an den Stars der Vergangenheit festhält und kaum frische Spieler einbindet, gegen Arsenal, das in den letzten drei Jahren einen Generationswechsel durchgeführt hat. Dabei spielt allerdings Geld in beiden Fällen eine gewichtige Rolle. In Mailand (und in Italien allgemein) sitzt die Kohle längst nicht mehr so locker wie in den ganz großen Zeiten und neue Topstars waren deshalb unerschwinglich. Arsenal dagegen musste ein neues Stadion finanzieren. Auch wenn Trainer Arsène Wenger gerne teure Topstars eingekauft hätte, das nötige Geld wäre gar nicht da gewesen.
Und nun hat also die Jugend den Altmeister gestürzt. Klar, dass es irgendwann passieren musste. Aber in der jüngeren Vergangenheit hatten sich die Mailänder trotz schwacher Ligaform immer noch zu den Spielen der Champions League ihrer Bestform genähert. Diesmal nicht. Ganz klar: Über Hin- und Rückspiel war Arsenal die bessere Mannschaft. Nein, die deutlich bessere Mannschaft.
Und es war kein Zufall, dass der Schütze des entscheidenden Treffers Cesc Fabregas hieß. Wie kein anderer verkörpert der Spanier Arsenal 2008. Fabregas ist zwanzig Jahre alt, trotzdem auf dem Platz die zentrale Figur des Arsenal-Spiels und der einzige Akteur, der für die Londoner wirklich unersetzlich ist. Denn er ist auf eine Art vielseitig, wie man es von nur ganz wenigen Mittelfeldspielern kennt.
Wer ihn gestern genauer beobachtet hat, dem wird aufgefallen sein: Der arbeitet ja auch enorm viel nach hinten. Fabregas ist stark in der Balleroberung und vernachlässigt seine Defensivaufgaben keine Sekunde. Und er kann ordentlich hinlangen. Seiner Robustheit ist es zu verdanken, dass Arsenal sich in dieser Saison nicht mehr von physischem Spiel beeindrucken lässt. In der Vorsaison wussten die Gegner noch: Wer Arsenal tritt, der hat gute Chancen, zu gewinnen. Inzwischen ist das vorbei, die junge Mannschaft und ihr Mittelfeldstratege haben ihre Schwäche erkannt und ausgemerzt.
Trotzdem ist Fabregas auch spielerisch der entscheidende Mann bei Arsenal, weil er fast keine Fehlpässe spielt und ein unglaubliches Gespür für Freiräume hat. Auch beim defensivsten Gegner findet Fabregas noch eine Lücke. Dazu ist er selbst enorm torgefährlich (7 Tore in der Premier League, 4 in der Champions League) und der beste Torvorbereiter in England (bis jetzt 12 Vorlagen). Fabregas ist der lebende Beweis, dass Mittelfeldakteure defensiv UND offensiv Akzente setzen können. Wie oft hört man Spieler klagen: „Ich muss defensiv so viel arbeiten, dass vorne die Kraft zum Torabschluss fehlt." So, so.
Fabregas ist in einer Person Zerstörer im zentralen Mittelfeld, Spielmacher, Vorbereiter und Torjäger. Spieler, die all diese Qualitäten in sich vereinen gibt es nicht viele auf dieser Welt. Genauer gesagt: Mir fällt sonst keiner ein.
Cesc Fabregas ist der Musterschüler von Arsène Wenger, und das Aushängeschild von Arsenal 2008. Doch der Trainer ist der Architekt, und er hat wirklich Großes geschaffen. 2004 gewann er ungeschlagen die englische Meisterschaft. Die meisten Trainer würden an ihren Erfolgsspielern festhalten, so lange es geht. Wenger hat stattdessen seine Mannschaft komplett umgebaut (nur Kolo Touré, Gilberto und Jens Lehmann sind von der damaligen Stammelf noch mit dabei, die letzten beiden sitzen allerdings nur noch auf der Bank und werden im Sommer wohl gehen). Wenn Wenger eingekauft hat, dann hat er keine fertigen Stars geholt, sondern Spieler, die noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Zwei Gründe gibt es dafür. Erstens: Sie kosten nicht so viel. Zweitens: Junge Spieler kann man noch prägen. Sie haben noch keine feste Vorstellung davon, was funktioniert und was nicht. Und Arsenals Stil unterscheidet sich stark von fast allem, was in Europa sonst so gespielt wird.
Eine solche Totaloperation wie die von Wenger nach dem Titelgewinn 2004 zieht normalerweise einen Absturz in der Tabelle nach sich. Den gab es auch bei Arsenal: Nur endete der „Absturz" in den letzten Jahren schlimmstenfalls auf Platz vier (und damit in der Champions League), was angesichts der Altersstruktur im Team ein riesiger Erfolg war. Und trotzdem gab es immer wieder Skeptiker. Vor dieser Saison tippten etwa 50 Prozent der englischen Fußballexperten, dass Arsenal nach dem Abgang von Thierry Henry aus den Champions League-Plätzen fallen würde. Knapp daneben. Selbst wenn am Ende dieser Saison nicht der englische Meistertitel stehen sollte: die Saison 07/08 wird für Arsenal ein großer Erfolg sein.
Arsène Wenger hat eins erkannt was viele oft übersehen: Junge Spieler werden mit mehr Erfahrung immer besser (bis sie dann irgendwann über 30 sind und die Leistungskurve nach unten zeigt). Wenger wusste, dass sein Team aus der Vorsaison mit ein paar mehr Spielen auf dem Buckel viele Fehler nicht mehr wiederholen wird. Und auch die Mannschaft 07/08 hat noch Steigerungspotential. Das Tolle für Arsenal: Dieses Team kann noch jahrelang so oder so ähnlich zusammen bleiben.
Damit hat Wenger dann eine dritte Generation von Arsenalspielern an die Spitze geführt. Weil er frühzeitig alternde Akteure aussortiert. Glaubt eigentlich immer noch jemand, dass es ein Fehler war, Henry gehen zu lassen? Weil Wenger eine Spielphilosophie hat, die über Spielergenerationen gleich bleibt. Ähnlich wie sein großer Trainerkonkurrent Alex Ferguson in Manchester. Auch der durfte immer wieder neue Mannschaften erfolgreich neu aufbauen, auch wenn es zwischendurch ein paar Jahre nicht zum Meistertitel reichte. Warum gibt es so etwas eigentlich in Deutschland nicht?
Bis bald,
Andreas
Eins war ja für uns Journalisten wie gemalt: das Duell jung gegen alt, jugendlicher Enthusiasmus gegen Routine. Milan, das an den Stars der Vergangenheit festhält und kaum frische Spieler einbindet, gegen Arsenal, das in den letzten drei Jahren einen Generationswechsel durchgeführt hat. Dabei spielt allerdings Geld in beiden Fällen eine gewichtige Rolle. In Mailand (und in Italien allgemein) sitzt die Kohle längst nicht mehr so locker wie in den ganz großen Zeiten und neue Topstars waren deshalb unerschwinglich. Arsenal dagegen musste ein neues Stadion finanzieren. Auch wenn Trainer Arsène Wenger gerne teure Topstars eingekauft hätte, das nötige Geld wäre gar nicht da gewesen.
Und nun hat also die Jugend den Altmeister gestürzt. Klar, dass es irgendwann passieren musste. Aber in der jüngeren Vergangenheit hatten sich die Mailänder trotz schwacher Ligaform immer noch zu den Spielen der Champions League ihrer Bestform genähert. Diesmal nicht. Ganz klar: Über Hin- und Rückspiel war Arsenal die bessere Mannschaft. Nein, die deutlich bessere Mannschaft.
Und es war kein Zufall, dass der Schütze des entscheidenden Treffers Cesc Fabregas hieß. Wie kein anderer verkörpert der Spanier Arsenal 2008. Fabregas ist zwanzig Jahre alt, trotzdem auf dem Platz die zentrale Figur des Arsenal-Spiels und der einzige Akteur, der für die Londoner wirklich unersetzlich ist. Denn er ist auf eine Art vielseitig, wie man es von nur ganz wenigen Mittelfeldspielern kennt.
Wer ihn gestern genauer beobachtet hat, dem wird aufgefallen sein: Der arbeitet ja auch enorm viel nach hinten. Fabregas ist stark in der Balleroberung und vernachlässigt seine Defensivaufgaben keine Sekunde. Und er kann ordentlich hinlangen. Seiner Robustheit ist es zu verdanken, dass Arsenal sich in dieser Saison nicht mehr von physischem Spiel beeindrucken lässt. In der Vorsaison wussten die Gegner noch: Wer Arsenal tritt, der hat gute Chancen, zu gewinnen. Inzwischen ist das vorbei, die junge Mannschaft und ihr Mittelfeldstratege haben ihre Schwäche erkannt und ausgemerzt.
Trotzdem ist Fabregas auch spielerisch der entscheidende Mann bei Arsenal, weil er fast keine Fehlpässe spielt und ein unglaubliches Gespür für Freiräume hat. Auch beim defensivsten Gegner findet Fabregas noch eine Lücke. Dazu ist er selbst enorm torgefährlich (7 Tore in der Premier League, 4 in der Champions League) und der beste Torvorbereiter in England (bis jetzt 12 Vorlagen). Fabregas ist der lebende Beweis, dass Mittelfeldakteure defensiv UND offensiv Akzente setzen können. Wie oft hört man Spieler klagen: „Ich muss defensiv so viel arbeiten, dass vorne die Kraft zum Torabschluss fehlt." So, so.
Fabregas ist in einer Person Zerstörer im zentralen Mittelfeld, Spielmacher, Vorbereiter und Torjäger. Spieler, die all diese Qualitäten in sich vereinen gibt es nicht viele auf dieser Welt. Genauer gesagt: Mir fällt sonst keiner ein.
Cesc Fabregas ist der Musterschüler von Arsène Wenger, und das Aushängeschild von Arsenal 2008. Doch der Trainer ist der Architekt, und er hat wirklich Großes geschaffen. 2004 gewann er ungeschlagen die englische Meisterschaft. Die meisten Trainer würden an ihren Erfolgsspielern festhalten, so lange es geht. Wenger hat stattdessen seine Mannschaft komplett umgebaut (nur Kolo Touré, Gilberto und Jens Lehmann sind von der damaligen Stammelf noch mit dabei, die letzten beiden sitzen allerdings nur noch auf der Bank und werden im Sommer wohl gehen). Wenn Wenger eingekauft hat, dann hat er keine fertigen Stars geholt, sondern Spieler, die noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Zwei Gründe gibt es dafür. Erstens: Sie kosten nicht so viel. Zweitens: Junge Spieler kann man noch prägen. Sie haben noch keine feste Vorstellung davon, was funktioniert und was nicht. Und Arsenals Stil unterscheidet sich stark von fast allem, was in Europa sonst so gespielt wird.
Eine solche Totaloperation wie die von Wenger nach dem Titelgewinn 2004 zieht normalerweise einen Absturz in der Tabelle nach sich. Den gab es auch bei Arsenal: Nur endete der „Absturz" in den letzten Jahren schlimmstenfalls auf Platz vier (und damit in der Champions League), was angesichts der Altersstruktur im Team ein riesiger Erfolg war. Und trotzdem gab es immer wieder Skeptiker. Vor dieser Saison tippten etwa 50 Prozent der englischen Fußballexperten, dass Arsenal nach dem Abgang von Thierry Henry aus den Champions League-Plätzen fallen würde. Knapp daneben. Selbst wenn am Ende dieser Saison nicht der englische Meistertitel stehen sollte: die Saison 07/08 wird für Arsenal ein großer Erfolg sein.
Arsène Wenger hat eins erkannt was viele oft übersehen: Junge Spieler werden mit mehr Erfahrung immer besser (bis sie dann irgendwann über 30 sind und die Leistungskurve nach unten zeigt). Wenger wusste, dass sein Team aus der Vorsaison mit ein paar mehr Spielen auf dem Buckel viele Fehler nicht mehr wiederholen wird. Und auch die Mannschaft 07/08 hat noch Steigerungspotential. Das Tolle für Arsenal: Dieses Team kann noch jahrelang so oder so ähnlich zusammen bleiben.
Damit hat Wenger dann eine dritte Generation von Arsenalspielern an die Spitze geführt. Weil er frühzeitig alternde Akteure aussortiert. Glaubt eigentlich immer noch jemand, dass es ein Fehler war, Henry gehen zu lassen? Weil Wenger eine Spielphilosophie hat, die über Spielergenerationen gleich bleibt. Ähnlich wie sein großer Trainerkonkurrent Alex Ferguson in Manchester. Auch der durfte immer wieder neue Mannschaften erfolgreich neu aufbauen, auch wenn es zwischendurch ein paar Jahre nicht zum Meistertitel reichte. Warum gibt es so etwas eigentlich in Deutschland nicht?
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 4107 | Kommentare: 23 | Bewertungen: 11 | Erstellt:05.03.2008
ø 9.9
KOMMENTARE
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08.03.2008 | 00:17 Uhr
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BartP : riesery
Kann ja bei dir so sein dass du nur ins Stadion gehst um dein Team zu unterstützen, ist ok. Aber es gehen auch Leute ins Stadion um einen Ronaldo, Nani, Anderson, Rooney Tevez oder Fabregas, Adebayor, v.Persie usw zu sehen. Und das gibts so nur bei den BigFour der EPL oder bei Barca und Real. Die Leute bekommen was für ihr Geld, das meine ich nur.
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08.03.2008 | 01:28 Uhr
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riesery :
Ja klar gibts diese Leute.Meistens sind das die auf den konfortablen Sitzplätzen die ins Stadion gehn und ein Spektakel erwarten und pfeifen wenn es mal nicht so läuft.
Sind in München nicht gerade gern gesehen weil sie keine positive Stimmmung erzeugen.Aber da komm wir schon wieder in die Richtung der unbterschiedlichen Auffassungen von Fußball was du bereits richtig angedeutet hast.
Was mich interessieren würde gehst du ins Stadion um Spieler wie Cr oder Nani anzuschauen oder um deine Mannschaft zu unterstützen.
Warum bist du eigentlic Manu fan.Denk mal du bist Engländer weil du immer sagst ihr Deutschen
Würd mich einfach nur interressieren ..........
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08.03.2008 | 02:00 Uhr
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BartP :
Ich bin Pole, bin seit 93 BVB-Fan und seit 97 (seitdem Halbfinale der CL United-BVB) bin ich ManUtd-Fan. Ich hoffe es verstößt nicht gegen dein Fan-Ideal, dass man zwei Klubs anbetet!gg
Ich bin jemand den das Spiel fasziniert, Taktik, Technik, Einsatz, individuelle Klasse. Ich singe weder im Stadion, noch pfeiffe ich wenns Kacke läuft. Fan-Kultur ist für mich zweitrangig, das heisst nicht dass es unwichtig ist.
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