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11.05.2010 um 11:10 Uhr
Tradition wahren
Fulham gegen Atletico Madrid im Finale der Europa League. Wenn ich mir überlege, was ich zu diesem Spiel so alles am vergangenen Wochenende von diversen Kollegen gehört habe, dann bekomme ich fast den Eindruck, als müssten sich diese beiden Klubs dafür entschuldigen, dass sie das Finale erreicht haben. "HSV gegen Liverpool, das wäre ein Traumfinale gewesen", oder "Fulham braucht doch kein Mensch". Tatsächlich gab es einige, die der Meinung waren, die Kollegen Küpper und Dittmann, die das Spiel für Sat.1 bzw. Sky kommentieren, hätten Pech gehabt. Weil da "nur" Fulham spielt. Nun denn, sollten die beiden das ebenso sehen, dann würden sie bestimmt Kollegen finden, die für sie in die Bresche springen würden. Ganz freiwillig.

Aber vor allem wundere ich mich, wie wenig Respekt den beiden Klubs entgegen gebracht wird. Zumindest an der Historie von Atletico Madrid kann man eigentlich nicht ernsthaft herummäkeln. Die sind, über ihre Teamgeschichte gesehen, immerhin die Nummer drei in Spanien. Klar, mit einigem Abstand zu Real und Barca, aber trotzdem. Und ich habe auch noch nichts davon gehört, dass der Sieg des FC Bayern im Europapokal der Landesmeister 1974 weniger wert sei, weil er "nur" gegen Atletico errungen wurde.

Der FC Fulham mag zwar keine große europäische Tradition haben, aber er hat mit Titelverteidiger Donezk, Juventus Turin, Wolfsburg und dem HSV in der K.O. Runde durchaus namhafte Klubs (und Wolfsburg) rausgeworfen. Die haben es also fraglos verdient mit dabei zu sein. Nun könnte man glauben, dass Fulham etwas der Glamour der ganz großen Namen abgeht. Aber Moment mal, die gehören Mohamed Al-Fayed, dem (Ex-) Besitzer des Londoner Edelkaufhauses "Harrods". Sein Sohn Dodi ist zusammen mit Prinzessin Diana, seiner Geliebten, tödlich verunglückt. Und bei Madrid spielt der Vater von Diego Maradonas Enkel. Sozusagen Gottes Schwiegersohn. Ich meine, mehr Glamour geht doch kaum.

Was mir gegen den Strich geht, ist dieses ständige Genörgel über sportliche Konstellationen, die man ohnehin nicht beeinflussen kann. Der FC Liverpool war eben nicht gut genug für's Finale und der HSV hat seine Chance auch nicht genutzt. Nun denn. Aber Menschen beschweren sich ja nicht nur über angeblich unattraktive Finalpaarungen im Europapokal. Am Wochenende habe ich auch Folgendes gehört: "Ahlen, Koblenz und den FSV Frankfurt braucht kein Mensch in der zweiten Liga." Rostock, Aue und Osnabrück seien viel besser, denn die hätten wenigstens Tradition. Mal abgesehen davon, dass Hansa Rostock auch noch einige Fans hat, die zumindest ich nicht in der zweiten Liga brauche.

Lustig also, dass es ausgerechnet die Traditionalisten, die Hüter, des Echten, Wahren und Guten im Fußball sind, die sich über derlei Konstellationen beklagen. Denn, wisst Ihr, es gibt ja eine Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass nur die großen, alteingesessenen Traditionsklubs in der ihnen entsprechenden Liga spielen. Man muss einfach nur Auf- und Abstieg abschaffen.

Und ich weiß, dass die gleichen Traditionalisten, die Koblenz und Ahlen nicht in der zweiten Liga brauchen, jetzt laut aufheulen. Aber Leute, es geht eben nur Hü oder Hott. Schafft man Auf- und Abstieg ab, dann könnten Klubs wie Kaiserslautern, Gladbach, Frankfurt usw. auf immer und ewig in der ersten Liga spielen, wo sie ja angeblich hingehören. Die 18 Erstligaklubs könnte man per Fanabstimmung ermitteln. Und in der zweiten Liga tummeln sich dann Aachen, Freiburg und Dresden, die Unwürdigen aus Koblenz, Ingolstadt und Hoffenheim werden für immer in die unteren Ligen verbannt. Klingt doch super, oder? Und für die Fahrstuhlmannschaften Nürnberg und Bochum hätte ich auch noch einen tollen Vorschlag: Lasst die beiden doch einfach abwechselnd in der ersten und zweiten Liga spielen. Ein Jahr die einen, im nächsten die anderen. Um die Tradition zu wahren.

Ich persönlich bin übrigens ein großer Verfechter der sportlichen Qualifikation. Und wenn die bedeutet, dass vergleichsweise kleine Klubs im Oberhaus spielen, weil sie nun mal besser sind als die mit den größeren Namen, dann ist das eben so. Es gibt gute Gründe dafür, dass der FCK zuletzt 4 Jahre in der zweiten Liga spielte. Dass Dresden durch Liga drei stolpert. Und dass Hoffenheim sich in der ersten Liga etabliert hat. Weil nämlich die Klubführung an den ersten beiden Standorten versagt hat und am dritten nicht.

Und wir Fans sind gut beraten, einfach das zu nehmen, was kommt, ohne uns in hypothetischen Szenarien zu ergehen, wer "eigentlich" wohin gehört und wo spielen müsste. Die Wahrheit ist: Die sind schon alle dort, wo sie hingehören. Und deshalb stehen Fulham und Atletico Madrid auch vollkommen zu Recht im Finale der Europa League. Die anderen waren nämlich, als es darauf ankam, nicht gut genug.

Ich jedenfalls freue mich auf dieses Finale der Gegensätze. Auf der einen Seite Fulham, die mit guter taktischer Organisation und einer deshalb starken Defensive so weit gekommen sind. Und andererseits Atletico, das (nicht nur) mit Forlan und Agüero eine Top-Offensive hat, aber dazu neigt, dem Gegner ins offene Messer zu laufen. Das wird sicher interessant. Auch ohne die ganz große Tradition.

Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 8622 | Kommentare: 45 | Bewertungen: 37 | Erstellt:11.05.2010
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KOMMENTARE
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Lila_Weisser_Held
12.05.2010 | 13:59 Uhr
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12.05.2010 | 13:59 Uhr
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Mein Reden ...

... seit Jahren!

Kuckt ihr hier!



Obwohl ich meine lila-weißen natürlich lieber in Liga 2 als in Liga 3 sehe ... was sie sich ja auch sportlich erarbeitet haben.
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mOoh
12.05.2010 | 14:05 Uhr
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mOoh : 
12.05.2010 | 14:05 Uhr
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mOoh : 
Rostock, Aue und Osnabrück seien viel besser, denn die hätten wenigstens Tradition. Mal abgesehen davon, dass Hansa Rostock auch noch einige Fans hat, die zumindest ich nicht in der zweiten Liga brauche.



danke...musste ja wieder kommen !!!...
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Rumo
12.05.2010 | 14:13 Uhr
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Rumo : 
12.05.2010 | 14:13 Uhr
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Rumo : 
@ LWH

Hab gerade deinen Block gelesen, der greift wirklich sehr viel von dem auf, was hier schon so geschrieben wurde.

Du hast sicher recht, dass die Kommerzialisierung schon in den 70er angefangen hat.

Die Spirale dreht sich nur immer schneller und ufert aus bzw. wird unkontrollierbar. Von dem Argument, die Entwicklung gibts es schon lange und deswegen muss man sie sehenden Auges hinnehmen, halte ich nicht so viel.


Und ja, es gibt Leute, die sich noch aktiv ins Vereinsleben einschlalten und versuchen, ihre Rechte geltend zu machen. Leider gibts da -wie in der Politik und in der Wirtschaft - auch viel zu viel Lobbyarbeit. Aber frag mal bei den HSVérn nach, was dort die Supporters auf den HV´s machen.

Es muss nicht immer Neid und Missgunst sein, der Kritiker zum anprangern gefährlicher Entwicklungen bewegt.
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mOoh
12.05.2010 | 14:15 Uhr
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mOoh : 
12.05.2010 | 14:15 Uhr
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mOoh : 
achja HEUTE SIEG FULHAM....!!!
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BrilloHelmstein
12.05.2010 | 21:23 Uhr
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12.05.2010 | 21:23 Uhr
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Sehr guter Artikel!

Als langjährigem Fan des FSV Frankfurt ist mir eine Formulierung natürlich besonders negativ aufgestoßen: „.. den FSV Frankfurt braucht kein Mensch in der zweiten Liga. Rostock, Aue und Osnabrück seien viel besser, denn die hätten wenigstens Tradition."

Nun ja, ist es Unwissenheit oder einfach nur Arroganz der Selbstgerechten?

Der FSV existiert seit 1899 in unserer schönen Stadt am Main. Er stand 1925 im Endspiel um die deutsche Meisterschaft gegen den 1. FC Nürnberg. Im Jahr 1938 spielte er gegen Rapid Wien im Pokalendspiel. Beide Endspiele gingen verloren, weshalb der FSV nirgendwo ganz oben in den Annalen der richtig großen Titel zu finden ist. .1954 stellte der Verein einen der Weltmeister und 1972 war der FSV Frankfurt Deutscher Fußballamateurmeister. In der ewigen Tabelle der 2. Bundesliga rangiert der FSV immerhin auf Platz 34 und wird demnächst seine 12. Saison im Fußballunterhaus absolvieren. Dieser Verein soll keine Tradition haben?

Wahr ist sicherlich, dass der FSV nach seinem letzten Auftritt in der 2. Bundesliga Mitte der 90er Jahre kurz vor dem finanziellen Abgrund stand und bis in die Viertklassigkeit abrutschte. Ein gewiefter Manager Bernd Reisig und ein Präsidium mit viel Herzblut haben den Verein in der Ober- und Regionalliga wieder schuldenfrei gemacht und mit einem Trainer Thomas Oral 2008 den Aufstieg in die 2. Bundesliga und damit das „Wunder von Bernem" (wie Frankfurts größter Stadtteil im Volksmund heißt) geschafft.

Natürlich ist dem FSV in den dunklen Oberligajahren angesichts eines übermächtigen Nachbarn die Fan-Basis weggebrochen. Die wächst aber langsam wieder. Und wenn ich sehe wie verschuldet viele Zweitligisten sind und jetzt kleinere Brötchen backen müssen, dann bin ich davon überzeugt, dass sich mein FSV auch im dritten Jahr in Folge in der 2. Liga festbeißen wird. Neid muss man sich erarbeiten: Der FSV Frankfurt 1899 e.V. hat dies in den vergangenen Jahren erfolgreich getan!

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