06.07.2012 um 02:08 Uhr
Traditionsverein in Geiselhaft 1
Eine titellose Saison ist für jeden Top-Klub ein finanzielles Desaster. Für einen Verein, der jährlich Schulden im hohen zweistelligen Millionenbereich abbauen muss, kann ein Ausscheiden in der Gruppenphase und der Verlust der Meisterschaft in letzter Sekunde eine Frage der Existenz sein. Wenn zusätzlich der Garant des Erfolgs kurz vor der Pension steht, muss man zu neuen Mitteln greifen. Zu einem Börsengang zum Beispiel. Manchesters Weg durch den finanziellen Engpass und ein möglicher Weg hinaus. Der Versuch einer Übersicht.
Als im Jahr 1878 der Verein Newton Heath in seinen gelb-grünen Vereinsfarben von Arbeitern gegründet wurde, da war der sogenannte Manchesterkapitalismus bereits weit verbreitet. Er steht heute noch für eine extreme, rücksichtslose Form des Wirtschaftsliberalismus, die für den Freihandel und gegen ein Einschreiten des Staates war. So waren die sogenannten Manchesterliberalen auch gegen das Einführen von Getreidezöllen und das damalige Fabrikgesetz, welches z.B. die Kinderarbeit einschränkte. Ein damaliger Skandal für die Profiteure der industriellen Revolution. Begriffe wie Marktregulierung, Sozialstaat und Gewerkschaften galten in den oberen Kreisen als verpönt.
Rund 150 Jahre später wähnt sich so mancher ManUnited-Fan in einer ähnlichen Situation. Diesmal leben wir zwar alle im Wohlstand Westeuropas, doch Wirtschaftskrise und ein moralisch fragwürdiges Finanzsystem zeigen dem einfachen Mann das Missverhältnis zwischen den mittlerweile berühmten 99 und 1% der Gesellschaft auf. In Manchester sind es aber nicht nur die Arbeiter, die gegen den bösen Kapitalismus kämpfen und sogar soweit rebellieren, dass sie einen eigenen Alternativverein namens FC United of Manchester gründen. Auch wohlhabendere Fans sehnen sich nach dem wahren „Football Spirit" vergangener Tage. Der einzige Trost für sie ist, dass sie sich noch Tickets für das Stadion leisten können.
Ein Investor erfindet die späteren Red Devils
Manchester United war bereits früh in seiner Geschichte mit dem Bankrott bzw. diversen Übernahmeangeboten konfrontiert. So ist der heutige Name und die Vereinsfarben einem Investment des damaligen Brauereibesitzers John Henry Davies im Jahre 1902 zu verdanken. Als Ausgangspunkt für die heutige finanzielle Situation gilt der Börsengang Anfang der 90er Jahre bei dem man zwar rund 18 Mio Pfund einnahm (damals war der Pfund wesentlich mehr wert als heute), sich aber logischerweise angreifbar machte für Übernahmen von Außen.
Dabei ist die Geschichte rund um Übernahmeversuche und Investments ein interessantes Beispiel für die rasante Entwicklung des Fußball-Business seit den 1980er Jahren. Insbesondere ein Vergleich zwischen den Angeboten aus eben jenen Jahren und dem Übernahmeversuch eines gewissen Rupert Murdoch, australischer Medienmogul der seither und auch davor bereits in diversen Skandalen verwickelt war, im Jahr 1998 lohnt. Zeigt er doch, welche enormen Summen binnen weniger Jahren im Geschäft des runden Leders kursierten.
Wurden knapp 15 Jahre zuvor von Robert Maxwell, ebenfalls Medien-Tycoon und nicht minder skandalumwittert, noch 10 Mio Pfund geboten, war der Club dem Verleger Rupert Murdoch über seine Firma BSkyB bereits 623 Mio Pfund wert und wurde erst kurz vor der Übernahme durch die Competition Comission (Wettbewerbskommission) und den Bestrebungen der Initiative „Manchester United Supporters Trust" und deren Plan einen Alternativverein zu gründen gestoppt. Damals wusste man noch nicht, dass man diese Vereinspläne kein Jahrzehnt später wieder brauchen würde. Zwischenzeitlich hatte Michael Knighton, ein Selfmade-Mann im Immobilien-Bereich, seinen geplatzten Traum einer Fußball-Karriere noch durch ein zunächst angenommenes Gebot von 20 Mio Pfund im Jahr 1989 wahr machen wollen. Doch im letzten Moment sprangen seine Finanzgeber ab. Rückblickend fast schon tragisch, denn es hätte wohl zu einem, wenn nicht dem rentabelsten Geschäft im Fußball-Business werden können.
Das würden andere machen. Kurz nach Murdochs Gebot hatten die beiden irischen Business-Partner und Pferdesport-Begeisterte J.P McManus und John Magnier Anteile des Vereins erworben. Anteile die sie mit der Zeit zu den größten Gesellschaftern des Clubs machten. Ein gewisses Pferd namens „Rock of Gibraltar" aus dem Gestüt Coolmore (im Besitz Magniers) dessen Co-Eigentümer ManUnited-Coach Ferguson, einem Freund McManus, und Magniers Gattin waren, sorgte derweil für Furore. Nach der aktiven Laufbahn und Preisgelder von über 1,1 Mio Pfund, entbrannte 2003 ein heikler Streit über die Eigentümerverhältnisse. Bei - zum damaligen Zeitpunkt - angeblichen 100.00 Euro Decktaxe (erfolgreiche Befruchtung vorausgesetzt) und einem laut SPIEGEL damals geschätzten Wert von 72 Mio Euro, kommt es schon mal vor, dass man nochmal genauer hinschaut. Es wurden sogar Forderungen laut, den schottischen Erfolgscoach aus dem Amt zu drängen, woraufhin seitens des Vorstands nach anderen Investoren gesucht wurde. Der Spieleragenten-Skandal um Ferguson und Sohnemann Jason soll auch von McManus und Magnier veröffentlicht worden sein. Der Streit wurde schlussendlich außergerichtlich gelöst. Die beiden Investoren steckten ihr Geld munter weiter in den Verein und hielten im Februar 2004 zusammen 28,89 Prozent an ManUnited.
Vorhang auf für die Glazers!
Ein Jahr zuvor tritt die Glazer-Familie in Person von Malcom Glazer und drei seiner Söhne auf den Plan. Die Familie aus Florida sucht nach potentiellen Investments im europäischen Fußball und will die erfolgreiche Übernahme des NFL-Teams Tampa Bay Buccaneers wiederholen. Berauscht vom Super Bowl-Gewinn ihres Investments im gleichen Jahr steigen die Glazers mit ihrer Holding „First Allied Corporation" im März 2003 mit 9 Mio Pfund für 2,9%-Anteile ein. Eine Holding fungiert dabei als Organisationsform und dient praktisch als Muttergesellschaft und Verbindung einzelner Unternehmen. In diesem Fall wären dies die Tampa Bay Buccaneers und Manchester United. Neben den sportlichen Geschäften sind die Glazers dabei auch in anderen Bereichen wie Immobilien, TV-Rechte, Energiewirtschaft und Einkaufszentren tätig. Bei letzteren kriselt es 2010 laut einem Bericht des Guardians, der in dieser Causa klar auf Seiten der Fans zu sein scheint. Es soll einige Probleme bis hin zur Insolvenz einzelner Shopping Malls geben.
Im Jahr 2003 steht aber erst einmal die Übernahme der Red Devils auf dem Programm. Nach den anfänglichen 2,9 % folgen recht schnell weitere Anteilskäufe bis die Glazers im Oktober 2004 fast 30% erreicht haben. Nach britischen Recht heißt es, dass ab der 30%-Marke ein offizielles Übernahmeangebot abgegeben werden muss. Eine „friedliche" Übernahme scheitert, was Malcom Glazer, der Vater und starke Mann der Familie, mit der Abwahl von drei Vorständen quittiert.
Hier geht's zu Teil 2
Als im Jahr 1878 der Verein Newton Heath in seinen gelb-grünen Vereinsfarben von Arbeitern gegründet wurde, da war der sogenannte Manchesterkapitalismus bereits weit verbreitet. Er steht heute noch für eine extreme, rücksichtslose Form des Wirtschaftsliberalismus, die für den Freihandel und gegen ein Einschreiten des Staates war. So waren die sogenannten Manchesterliberalen auch gegen das Einführen von Getreidezöllen und das damalige Fabrikgesetz, welches z.B. die Kinderarbeit einschränkte. Ein damaliger Skandal für die Profiteure der industriellen Revolution. Begriffe wie Marktregulierung, Sozialstaat und Gewerkschaften galten in den oberen Kreisen als verpönt.
Rund 150 Jahre später wähnt sich so mancher ManUnited-Fan in einer ähnlichen Situation. Diesmal leben wir zwar alle im Wohlstand Westeuropas, doch Wirtschaftskrise und ein moralisch fragwürdiges Finanzsystem zeigen dem einfachen Mann das Missverhältnis zwischen den mittlerweile berühmten 99 und 1% der Gesellschaft auf. In Manchester sind es aber nicht nur die Arbeiter, die gegen den bösen Kapitalismus kämpfen und sogar soweit rebellieren, dass sie einen eigenen Alternativverein namens FC United of Manchester gründen. Auch wohlhabendere Fans sehnen sich nach dem wahren „Football Spirit" vergangener Tage. Der einzige Trost für sie ist, dass sie sich noch Tickets für das Stadion leisten können.
Ein Investor erfindet die späteren Red Devils
Manchester United war bereits früh in seiner Geschichte mit dem Bankrott bzw. diversen Übernahmeangeboten konfrontiert. So ist der heutige Name und die Vereinsfarben einem Investment des damaligen Brauereibesitzers John Henry Davies im Jahre 1902 zu verdanken. Als Ausgangspunkt für die heutige finanzielle Situation gilt der Börsengang Anfang der 90er Jahre bei dem man zwar rund 18 Mio Pfund einnahm (damals war der Pfund wesentlich mehr wert als heute), sich aber logischerweise angreifbar machte für Übernahmen von Außen.
Dabei ist die Geschichte rund um Übernahmeversuche und Investments ein interessantes Beispiel für die rasante Entwicklung des Fußball-Business seit den 1980er Jahren. Insbesondere ein Vergleich zwischen den Angeboten aus eben jenen Jahren und dem Übernahmeversuch eines gewissen Rupert Murdoch, australischer Medienmogul der seither und auch davor bereits in diversen Skandalen verwickelt war, im Jahr 1998 lohnt. Zeigt er doch, welche enormen Summen binnen weniger Jahren im Geschäft des runden Leders kursierten.
Wurden knapp 15 Jahre zuvor von Robert Maxwell, ebenfalls Medien-Tycoon und nicht minder skandalumwittert, noch 10 Mio Pfund geboten, war der Club dem Verleger Rupert Murdoch über seine Firma BSkyB bereits 623 Mio Pfund wert und wurde erst kurz vor der Übernahme durch die Competition Comission (Wettbewerbskommission) und den Bestrebungen der Initiative „Manchester United Supporters Trust" und deren Plan einen Alternativverein zu gründen gestoppt. Damals wusste man noch nicht, dass man diese Vereinspläne kein Jahrzehnt später wieder brauchen würde. Zwischenzeitlich hatte Michael Knighton, ein Selfmade-Mann im Immobilien-Bereich, seinen geplatzten Traum einer Fußball-Karriere noch durch ein zunächst angenommenes Gebot von 20 Mio Pfund im Jahr 1989 wahr machen wollen. Doch im letzten Moment sprangen seine Finanzgeber ab. Rückblickend fast schon tragisch, denn es hätte wohl zu einem, wenn nicht dem rentabelsten Geschäft im Fußball-Business werden können.
Das würden andere machen. Kurz nach Murdochs Gebot hatten die beiden irischen Business-Partner und Pferdesport-Begeisterte J.P McManus und John Magnier Anteile des Vereins erworben. Anteile die sie mit der Zeit zu den größten Gesellschaftern des Clubs machten. Ein gewisses Pferd namens „Rock of Gibraltar" aus dem Gestüt Coolmore (im Besitz Magniers) dessen Co-Eigentümer ManUnited-Coach Ferguson, einem Freund McManus, und Magniers Gattin waren, sorgte derweil für Furore. Nach der aktiven Laufbahn und Preisgelder von über 1,1 Mio Pfund, entbrannte 2003 ein heikler Streit über die Eigentümerverhältnisse. Bei - zum damaligen Zeitpunkt - angeblichen 100.00 Euro Decktaxe (erfolgreiche Befruchtung vorausgesetzt) und einem laut SPIEGEL damals geschätzten Wert von 72 Mio Euro, kommt es schon mal vor, dass man nochmal genauer hinschaut. Es wurden sogar Forderungen laut, den schottischen Erfolgscoach aus dem Amt zu drängen, woraufhin seitens des Vorstands nach anderen Investoren gesucht wurde. Der Spieleragenten-Skandal um Ferguson und Sohnemann Jason soll auch von McManus und Magnier veröffentlicht worden sein. Der Streit wurde schlussendlich außergerichtlich gelöst. Die beiden Investoren steckten ihr Geld munter weiter in den Verein und hielten im Februar 2004 zusammen 28,89 Prozent an ManUnited.
Vorhang auf für die Glazers!
Ein Jahr zuvor tritt die Glazer-Familie in Person von Malcom Glazer und drei seiner Söhne auf den Plan. Die Familie aus Florida sucht nach potentiellen Investments im europäischen Fußball und will die erfolgreiche Übernahme des NFL-Teams Tampa Bay Buccaneers wiederholen. Berauscht vom Super Bowl-Gewinn ihres Investments im gleichen Jahr steigen die Glazers mit ihrer Holding „First Allied Corporation" im März 2003 mit 9 Mio Pfund für 2,9%-Anteile ein. Eine Holding fungiert dabei als Organisationsform und dient praktisch als Muttergesellschaft und Verbindung einzelner Unternehmen. In diesem Fall wären dies die Tampa Bay Buccaneers und Manchester United. Neben den sportlichen Geschäften sind die Glazers dabei auch in anderen Bereichen wie Immobilien, TV-Rechte, Energiewirtschaft und Einkaufszentren tätig. Bei letzteren kriselt es 2010 laut einem Bericht des Guardians, der in dieser Causa klar auf Seiten der Fans zu sein scheint. Es soll einige Probleme bis hin zur Insolvenz einzelner Shopping Malls geben.
Im Jahr 2003 steht aber erst einmal die Übernahme der Red Devils auf dem Programm. Nach den anfänglichen 2,9 % folgen recht schnell weitere Anteilskäufe bis die Glazers im Oktober 2004 fast 30% erreicht haben. Nach britischen Recht heißt es, dass ab der 30%-Marke ein offizielles Übernahmeangebot abgegeben werden muss. Eine „friedliche" Übernahme scheitert, was Malcom Glazer, der Vater und starke Mann der Familie, mit der Abwahl von drei Vorständen quittiert.
Hier geht's zu Teil 2
Aufrufe: 7508 | Kommentare: 3 | Bewertungen: 8 | Erstellt:06.07.2012
ø 10.0
KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
06.07.2012 | 02:15 Uhr
0
funkbarrio :
Ich hoffe, das Ding ist halbwegs verständlich und ich habe alles soweit richtig zusammengefasst... Es gibt drei Teile...
3
11.07.2012 | 13:46 Uhr
0
anheuser :
Nimmt man die jährlichen Zahlungen, dem Club geht es "eigentlich" saugut...eigentlich. Die Erfolge der letzten 10 Jahre kann man unter den Umständen nicht hoch genug bewerten.Top Blog!
1
11.07.2012 | 16:06 Uhr
0
Borussenschweini : FC United of Manchester
Der wohl einzige Traditionsverein, der in diesem Jahrtausend gegründet wurde. Großartig 2
COMMUNITY LOGIN
Statistik