06.07.2012 um 02:11 Uhr
Traditionsverein in Geiselhaft 3
Comeback in New York?
„100 Mio $ Einnahmen für Manchester United!". So geisterte die Nachricht durch die Medien. Prinzipiell zunächst falsch, aber der Reihe nach. Kurz vor dem Börsengang präsentierte der Generaldirektor David Gill die neuesten Zahlen. So konnten die Brutto-Finanzverbindlichkeiten zwar um rund 61 Mio Pfund von 484,5 Mio auf 423,3 Mio Pfund gesenkt werden. Die Liquiditätsreserven, also kurzfristig zur Verfügung stehendes Geld, fiel aber von 113 Mio Pfund auf nur noch 25,6 Mio Pfund. Auch beim Quartals-Umsatz musste ManUnited dieses Jahr Federn lassen und erreichte nur noch 70,8 Mio Pfund statt 75,2 Mio Pfund zuvor. Ein Hauptgrund ist das frühe Ausscheiden in der Champions League und dem FA Cup und dadurch empfindlich niedrigere Einnahmen. Rosig ist anders!
Durch den Börsengang ändert sich auf den ersten Blick zunächst einmal... nichts! Die Glazers behalten ihre Mehrheit dank der in New York möglichen „A und B Shares". Dabei sind „B Shares" mehr wert als „A Shares" (aktuelles Beispiel ist der Börsengang von Facebook). In diesem Fall zehnmal so viel. Selbst Gesetz dem unwahrscheinlichen Fall, dass die Glazers 90% des Vereins verkaufen würden, hätten sie immer noch die Stimmmehrheit und das Sagen im Club. Auf den zweiten Blick ändert sich allerdings eine Menge. Im herausgebrachten Prospekt zum Börsengang steht, dass die Einnahmen des Börsengangs der Tilgung von Schulden zu gute kommen werden um die Konkurrenzfähigkeit aufrecht zu erhalten. Somit wäre ein wesentlich größerer Teil der Schulden getilgt als mit dem bisherigen Prozess. Weiterhin sind Einnahmen von hundert Millionen Dollar wohl nur eine strategische Zahl, da sich die Gebühren für einen Börsengang in New York auf die geplanten Einnahmen berechnen.
Ein Fragezeichen besteht bei der Platzwahl New York. Hatte London besonders wegen der Unbeliebtheit der Glazers in England, aber laut „the andersred blog" auch wegen der mangelnden Möglichkeit einer Unterteilung von „A und B Shares", schnell verloren, waren Hong Kong und insbesondere Singapur in der engeren Auswahl. Die Standorte sind besonders interessant wegen der hohen Fangemeinde in Asien. So sollen, laut eigener Umfrage, die Hälfte der 660 Mio Fans weltweit in Asien sein. Eine interessante Zahl in Anbetracht der in einem BBC-Bericht von ManUnited 2001 kommunizierten weltweiten Gesamtzahl von 50 Mio Manchester-Fans. Trotz höherer Besteuerung ist es nun also New York. Wie sich ein Fußballklub an der New Yorker Börse schlagen wird bleibt abzuwarten. Genauso zurückhaltend wie bei der feindlichen Übernahme halten sich die Glazers in Bezug auf die gesamten Ziele des Börsengangs.
Da ist noch Puls!
Was spricht spricht überhaupt noch für Manchester United? Eine Menge. Zunächst wäre da die Person von Sir Alex Ferguson. Doch die Frage ist wie lange er sich den Job noch antut, insbesondere mit dem Blick auf die eingeschränkten Transfermöglichkeiten, die auch David Gill bei der Veröffentlichung der letzten Zahlen eingestehen musste. Manche werten den Börsengang auch als Vorbereitung auf die Post-Ferguson-Ära. Denn ob ein neuer Trainer die Erfolge unter den gleichen Bedingungen wiederholen kann bleibt - positiv gesehen - offen.
Auf der anderen Seitehat sich der Verein als eine der Welt-Marken schlechthin etabliert. Im schlimmsten Fall dürfte er wohl allein aufgrund des Markenwerts immer einen Abnehmer finden. Ob dies nun wünschenswert ist, bleibt die Frage. Durch die starke Marke und weiterer positiver Entwicklungen wie der immer noch steigenden TV-Einnahmen, neuer Sponsoring-Verträgen, dem Ausbau des asiatischen und nordamerikanischen Markts mit der geplanten Eröffnung von kontinentalen Büros, dem blühenden Merchandising-Geschäft, einer sehr guten Jugendarbeit und nicht zuletzt wegen des sehr soliden Management des Vereins, das neben dem der Bayern aus München zu den besten im internationalen Top-Fußball gehört, bilden die Grundsäulen für das weitere Überleben des Vereins. Ein Beleg für die Stärke und dem ungeheuren Potenzial ist, dass seit der Übernahme der Glazers der Club seinen Umsatz kontinuierlich von 237 Mio Euro auf rund 350 Mio Euro im Jahr 2011 steigern konnte. Man mag sich nicht ausmalen, wo Manchester ohne die Glazers heute stünde.
Einen richtigen Vorwurf kann man ihnen aber eigentlich nicht machen. Sie agieren eben wie Investoren es für gewöhnlich tun: ohne emotionale Bindung, dafür mit manchmal fragwürdiger Moral. Dass man zu Spekulations- und Investmentopfern wird, wenn man sich an die Börse begibt sollte jedem im Geschäft klar sein. Dass es sportlich trotz aller Einschränkungen so glimpflich verläuft ist allerdings eine Seltenheit. Interessant wird abseits aller finanziellen und sportlichen Aspekte besonders die weitere Beziehung zwischen Club und Fans sein. Der wiederholte Börsengang scheint zunächst ein Segen, aber das schien der von 1991 auch. Im 19. Jahrhundert war Manchester Schauplatz einer neuen Form des Kapitalismus, im 21. Jahrhundert hat eine weiterentwickelte Form die Geschichte der Stadt eingeholt und das Wahrzeichen der Stadt in Geiselhaft genommen. Sterbenskrank ist aber anders! Gesund allerdings auch!
Zurück zu Tei 1
„100 Mio $ Einnahmen für Manchester United!". So geisterte die Nachricht durch die Medien. Prinzipiell zunächst falsch, aber der Reihe nach. Kurz vor dem Börsengang präsentierte der Generaldirektor David Gill die neuesten Zahlen. So konnten die Brutto-Finanzverbindlichkeiten zwar um rund 61 Mio Pfund von 484,5 Mio auf 423,3 Mio Pfund gesenkt werden. Die Liquiditätsreserven, also kurzfristig zur Verfügung stehendes Geld, fiel aber von 113 Mio Pfund auf nur noch 25,6 Mio Pfund. Auch beim Quartals-Umsatz musste ManUnited dieses Jahr Federn lassen und erreichte nur noch 70,8 Mio Pfund statt 75,2 Mio Pfund zuvor. Ein Hauptgrund ist das frühe Ausscheiden in der Champions League und dem FA Cup und dadurch empfindlich niedrigere Einnahmen. Rosig ist anders!
Durch den Börsengang ändert sich auf den ersten Blick zunächst einmal... nichts! Die Glazers behalten ihre Mehrheit dank der in New York möglichen „A und B Shares". Dabei sind „B Shares" mehr wert als „A Shares" (aktuelles Beispiel ist der Börsengang von Facebook). In diesem Fall zehnmal so viel. Selbst Gesetz dem unwahrscheinlichen Fall, dass die Glazers 90% des Vereins verkaufen würden, hätten sie immer noch die Stimmmehrheit und das Sagen im Club. Auf den zweiten Blick ändert sich allerdings eine Menge. Im herausgebrachten Prospekt zum Börsengang steht, dass die Einnahmen des Börsengangs der Tilgung von Schulden zu gute kommen werden um die Konkurrenzfähigkeit aufrecht zu erhalten. Somit wäre ein wesentlich größerer Teil der Schulden getilgt als mit dem bisherigen Prozess. Weiterhin sind Einnahmen von hundert Millionen Dollar wohl nur eine strategische Zahl, da sich die Gebühren für einen Börsengang in New York auf die geplanten Einnahmen berechnen.
Ein Fragezeichen besteht bei der Platzwahl New York. Hatte London besonders wegen der Unbeliebtheit der Glazers in England, aber laut „the andersred blog" auch wegen der mangelnden Möglichkeit einer Unterteilung von „A und B Shares", schnell verloren, waren Hong Kong und insbesondere Singapur in der engeren Auswahl. Die Standorte sind besonders interessant wegen der hohen Fangemeinde in Asien. So sollen, laut eigener Umfrage, die Hälfte der 660 Mio Fans weltweit in Asien sein. Eine interessante Zahl in Anbetracht der in einem BBC-Bericht von ManUnited 2001 kommunizierten weltweiten Gesamtzahl von 50 Mio Manchester-Fans. Trotz höherer Besteuerung ist es nun also New York. Wie sich ein Fußballklub an der New Yorker Börse schlagen wird bleibt abzuwarten. Genauso zurückhaltend wie bei der feindlichen Übernahme halten sich die Glazers in Bezug auf die gesamten Ziele des Börsengangs.
Da ist noch Puls!
Was spricht spricht überhaupt noch für Manchester United? Eine Menge. Zunächst wäre da die Person von Sir Alex Ferguson. Doch die Frage ist wie lange er sich den Job noch antut, insbesondere mit dem Blick auf die eingeschränkten Transfermöglichkeiten, die auch David Gill bei der Veröffentlichung der letzten Zahlen eingestehen musste. Manche werten den Börsengang auch als Vorbereitung auf die Post-Ferguson-Ära. Denn ob ein neuer Trainer die Erfolge unter den gleichen Bedingungen wiederholen kann bleibt - positiv gesehen - offen.
Auf der anderen Seitehat sich der Verein als eine der Welt-Marken schlechthin etabliert. Im schlimmsten Fall dürfte er wohl allein aufgrund des Markenwerts immer einen Abnehmer finden. Ob dies nun wünschenswert ist, bleibt die Frage. Durch die starke Marke und weiterer positiver Entwicklungen wie der immer noch steigenden TV-Einnahmen, neuer Sponsoring-Verträgen, dem Ausbau des asiatischen und nordamerikanischen Markts mit der geplanten Eröffnung von kontinentalen Büros, dem blühenden Merchandising-Geschäft, einer sehr guten Jugendarbeit und nicht zuletzt wegen des sehr soliden Management des Vereins, das neben dem der Bayern aus München zu den besten im internationalen Top-Fußball gehört, bilden die Grundsäulen für das weitere Überleben des Vereins. Ein Beleg für die Stärke und dem ungeheuren Potenzial ist, dass seit der Übernahme der Glazers der Club seinen Umsatz kontinuierlich von 237 Mio Euro auf rund 350 Mio Euro im Jahr 2011 steigern konnte. Man mag sich nicht ausmalen, wo Manchester ohne die Glazers heute stünde.
Einen richtigen Vorwurf kann man ihnen aber eigentlich nicht machen. Sie agieren eben wie Investoren es für gewöhnlich tun: ohne emotionale Bindung, dafür mit manchmal fragwürdiger Moral. Dass man zu Spekulations- und Investmentopfern wird, wenn man sich an die Börse begibt sollte jedem im Geschäft klar sein. Dass es sportlich trotz aller Einschränkungen so glimpflich verläuft ist allerdings eine Seltenheit. Interessant wird abseits aller finanziellen und sportlichen Aspekte besonders die weitere Beziehung zwischen Club und Fans sein. Der wiederholte Börsengang scheint zunächst ein Segen, aber das schien der von 1991 auch. Im 19. Jahrhundert war Manchester Schauplatz einer neuen Form des Kapitalismus, im 21. Jahrhundert hat eine weiterentwickelte Form die Geschichte der Stadt eingeholt und das Wahrzeichen der Stadt in Geiselhaft genommen. Sterbenskrank ist aber anders! Gesund allerdings auch!
Zurück zu Tei 1
Aufrufe: 5940 | Kommentare: 25 | Bewertungen: 28 | Erstellt:06.07.2012
ø 9.8
KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
11.07.2012 | 12:51 Uhr
0
PaddyS :
Phantastischer Blog. Das ist ja beinahe eine Wissenschaftliche Arbeit^^ nur die Quellen fehlen^^Ansonsten ist das mal ein gutes Beispiel dafür wie man wirklich viele Informationen vermittelt. Den Anfang fand ich etwas undurchsichtig, aber gerade die letzten beiden Teile sind sehr informativ und auf alle fälle lesenswert.
Und recht hast du auch noch, man stelle sich mal vor, 350 Mio. umsatz und keine 430 Mio Schulden durch die Glazer übernahme...dann würde man wohl heute etwas weniger über City und Barca reden...
Ich bin sehr gespannt wie es bei meinem liebsten England-Club weitergeht.
4
11.07.2012 | 12:54 Uhr
0
Teilweise musste ich aber 2-3 mal über gewisse Passagen lesen.
Hoffe United wird nochmal ordentlich aktiv am Transfermarkt :-D
2
11.07.2012 | 13:20 Uhr
0
Deckard :
großes lob für deine wahnsinnsbemühungen.united-fans kennen diese engumflochtenen beziehungen ja ohnedies, doch für diese immer wieder kurzen negativ beworbenen artikeln, die durch das forum geistern, sollte dieser blog auch endlich mal für den rest etwas licht ins dunkel bringen. denn es geht einfach nicht um schlechtes wirtschaften, sondern einfach um einen geschäftsmann an der spitze unseres vereins, den man leider nicht mehr so leicht weg bringt.
10 punkte braucht man wohl nicht erwähnen
2
11.07.2012 | 13:25 Uhr
0
Boerje :
Hut ab, dieser Blog ist eine Meisterleistung und veranschaulicht dem Otto-Normal-Bürger bzw. -Fan, was da drüben im Mutterland des Fußballs alles geschieht. Respekt vor der Recherche und dem mühsamen Versuch, das alles zu erklären. Für mich volle 10 Punkte mit * ;)
0
11.07.2012 | 13:43 Uhr
0
yii_ :
Vielen Dank für diese gut ausgearbeitete Zusammenfassung.Meine Kritik gleich mal vorneweg:
Die Zeitsprünge in den ersten anderthalb Teilen finde ich etwas unvorteilhaft. Da springst du zwischen verschiedenen Jahreszahlen und Situationen hin und her, was es etwas unübersichtlich gestaltet und den gemeinen Leser vielleicht abschreckt.
Auch wenn du einen sehr großen Teil abgedeckt hast, United hat eine lange Geschichte mit Börsengängen, Besitzerwechseln und Anteilsverkäufen. Ich verlange nicht alles hier zu lesen (was auch 3 Blogs bei Weitem sprengen würde) und finde die Priosierung auf die Neuzeit gut, allerdings hätte man vielleicht andere Geschichten kurz anschneiden/aufzeigen können.
Die Finanzsituation ist sicherlich außergewöhnlich, wenn nicht einmalig im Profifussballgeschäft. Jede Aufarbeitung ist richtig, um dem oberflächlichen Halbwissen, was sonst so durch die Gegend schwirrt entgegenzuwirken.
Vielen Dank für die Mühe und natürlich 10 Punkte :)
1
11.07.2012 | 14:17 Uhr
0
Zizou129 :
Die gerechtfertigsten 10 Punkte die ich jemals verteilt habe. Respekt für dein Werk!
1
11.07.2012 | 16:35 Uhr
0
Aber da sieht man wieder, das Geld die Macht in der Welt ist. So viiele Millionen die hin und hergeschoben werden.
Wie gut, das es in Deutschland nicht möglich ist, so eine Übernahme.
Man verkauft die Seele des Vereins für den Erfolg oder man gibt den Teufel sein Herz!
0
11.07.2012 | 16:55 Uhr
0
Zum ersten Teil ist die Kritik durchaus berechtigt. Da habe ich teilweise ein wenig zu sprunghaft erzählt, aber teilweise war es auch etwas verwirrend und schwierig es kurz zu fassen... Die Idee war einen groben Überblick von ManUniteds Finanzgeschichte mit Fokus auf die aktuelle Situation und der News über den erneuten Börsengang zu machen und es trotzdem auch für nicht finanzbegeisterte schmackhaft zu machen. Ist mir wohl am Anfang nur zum Teil gelungen
0
COMMUNITY LOGIN
Statistik
Starkes Teil - vielleicht nicht für jeden ohne betriebswirtschaftlichen Hintergrund nachvollziehbar - aber trotzdem klasse...
Angesichts dieser Story bin ich persönlich froh, daß wir in Deutschland von solchen Verhältnissen doch ein gutes Stück weg sind... angesichts der im Raum stehenden Summen und solcher Geschäftsideen hat das Investment in den Verein ManU nichts mehr mit dem Sport zu tun...
Mit Financial Fairplay hat das soviel zu tun wie der KSC mit der Deutschen Meisterschaft...