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26.07.2010 um 16:23 Uhr
Typ Löw
Als Joachim Löw Mitte der 90er den Trainerposten beim VfB Stuttgart übernahm, berührte mich das nicht sonderlich. Ich war gerade 17 und meine Aufmerksamkeit gehörte kurzzeitig anderen Dingen als dem heißgeliebten Fußball, den ich gleichwohl immer im Auge behielt. Aber ein neuer Coach in Stuttgart, Mitte 30, absonderliche Frisur, ehemaliger Zweitligakicker mit kurzen Bundesligaausflügen und dazu, wie ich damals glaubte, auch noch Schwabe – die Personalie interessierte mich nicht übermäßig. Zumal ich mir sicher war, dass dieser Trainernovize wie viele seiner Kollegen nicht allzu lange im Haifischbecken Bundesliga würde überleben können. Womit ich sogar Recht behalten sollte: Jogi, so der etwas cartoonesk anmutende Kosename des Badeners, musste den VfB zwei Jahre später verlassen und wurde bis auf ein kurzes Intermezzo beim KSC bis heute nicht mehr in Deutschlands Eliteliga gesehen. Und dennoch ist Löw der derzeit wohl populärste Fußballehrer in diesem Lande. Was für einen Nationaltrainer, wie die Beispiele Beckenbauer oder Völler zeigen, nicht untypisch, aber – man denke an Derwall und Ribbeck – eben auch nicht selbstverständlich ist.

Beliebtheit ist im Trainergeschäft ohne sportlichen Erfolg natürlich nicht denkbar. Und so würde auch Löw ohne die jüngsten Erfolge bei der WM nicht die Rolle des Everybody's Darling einnehmen können. Doch im Falle von Joachim Löw ist es nach dieser Weltmeisterschaft eben nicht nur der Erfolg, sondern auch die Art und Weise seines Zustandekommens, die Popularität schafft. Das Spiel der deutschen Nationalmannschaft hat die Sportwelt verzückt und ihrem Coach als Spiritus rector Anerkennung und Sympathie beschert. Das Phänomen Löw ist damit gleichwohl noch nicht abschließend geklärt.

Um den Hype um den Bundestrainer wirklich zu verstehen, braucht man nur durch die Fernsehkanäle zu zappen oder die Plattenregale zu inspizieren. Längst ist ein Kult um Löw entstanden, der nur durch seine Persönlichkeit zu erklären ist. Löw ist ein Typ. Und wie alle Typen besticht auch er dadurch, sich nicht bei der Masse anzubiedern, sondern unbeirrt den eigenen Weg zu gehen, immer Gefahr laufend, als sturer Quergeist anzuecken. So gehört es wohl zu den großen gesellschaftlichen Paradoxien, dass gerade die Menschen, die sich der Mehrheit widersetzen, am Ende doch so oft von der Mehrheit geliebt werden. Der vermeintliche Widerspruch löst sich aber schnell auf, wenn man trennt zwischen der Person im Ganzen und ihren Taten im Einzelnen. Man muss nicht jede Entscheidung eines Menschen nachvollziehen können, um diesen letztlich zu respektieren oder gar zu mögen. Viel wichtiger ist da Konsequenz und Wahrhaftigkeit im Vorgehen, mag es im Einzelfall auch befremden.

Joachim Löw ist geradezu ein Bilderbuchbeispiel, um dieses Phänomen zu veranschaulichen. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Denn wie oft habe ich in den letzten Jahren auf den Bundestrainer geschimpft, wenn ich eine seiner Personalentscheidungen wieder nicht habe nachvollziehen können. Pro Klose, contra Kuranyi, Torwartwechsel, Systemveränderungen – ich habe mir oftmals die Haare gerauft, wahrscheinlich wie viele andere Fans in Deutschland. Und ja, ich habe mir Löw manchmal in die Wüste gewünscht, zuweilen gar geglaubt, ich würde den Job selber viel besser ausfüllen können, eben auch wie viele andere Fans in Deutschland. Dennoch hat mir Löws Ruhe und Zielstrebigkeit, die ich zuweilen allerdings auch schon mal als albernen Starrsinn bewertet habe, irgendwie imponiert.

Menschen, die hartnäckig bei ihrer Linie bleiben und sich nicht von Kritik und Polemik irritieren lassen, lösen bei mir Bewunderung aus. Joachim Löw ist so einer. Eine Frisur fernab jeden Zeitgeists, Interviews ohne PR-gedrillten Selbstdarstellungswahn, resistent gegenüber allen medialen Einflüssen, immun gegen die Forderungen der Fans und mit Kadernominierungen bar jeder Vernunft des Liga-Alltags. Joachim Löw hat das Antizyklische im deutschen Trainergeschäft salonfähig gemacht und sich damit quasi nebenbei zu ungeahnter Popularität verholfen. Er tut, was er für richtig hält, ganz gleich, was andere denken. Genau genommen wünscht sich das jeder für sich selbst: Unbeirrbarkeit, Aufrichtigkeit, Konsequenz. Ob Löw das alles in seinem Leben wirklich verinnerlicht, sei dahin gestellt. Als Bundestrainer zumindest lebt er es vor und ist genau deshalb so populär.

Seine Entscheidung, auch in den kommenden zwei Jahren als Bundestrainer tätig zu sein, ist nicht nur deshalb absolut zu begrüßen. Löw ist derzeit einfach der beste Mann für diesen Job, wenngleich man als Fan, der sich selbst für den besten Nationalcoach hält, angesichts manch unkonventioneller Idee wohl auch zukünftig hadern wird. Aber man muss eben nicht jede Entscheidung eines Menschen nachvollziehen können, um seine Arbeit im Ganzen zu schätzen zu wissen.

Und ja, ich würde heucheln, würde ich behaupten, dass ich das Gleiche hier so auch bei einem frühen WM-Ausscheiden der Nationalmannschaft geschrieben hätte. Aber Erfolg ist eben nur die Conditio sine qua non für Achtung im Sportgeschäft, eine notwendige Bedingung, mit der alleine es nicht getan ist. Joachim Löw darf mehr für sich reklamieren als nur sportlichen Erfolg.
Aufrufe: 6128 | Kommentare: 19 | Bewertungen: 31 | Erstellt:26.07.2010
ø 7.9
KOMMENTARE
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mayoble
26.07.2010 | 17:00 Uhr
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mayoble : 
26.07.2010 | 17:00 Uhr
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mayoble : 
sign

Ein Blog, in dem nur wahres steht. Noch dazu: Leute wie er sind nicht nur populär, ohne sie wäre die Medienlandschaft schlicht eine Katastrophe. Eine Seite wie Spox könnte dichtmachen, wenn alle und ganz besonders der Bundestrainer immer so entscheiden würden, wie die Mehrheit es für richtig hält
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donluka
26.07.2010 | 17:27 Uhr
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donluka : 
26.07.2010 | 17:27 Uhr
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donluka : 
Wie immer herausragend geschrieben, lieber Voegi und ich teile jede Zeile.

Auch mir ging Löw gehörig auf die Ketten und er als Typ ist mir auch immer noch nicht wirklich sympathisch (darf man das derzeit überhaupt sagen? Oder ist das Blasphemie?). Dennoch muss ich meinen Hut vor dem, was er schuf, ziehen und so stimme ich auch ein, in den Chor der Lobeshymnen und der Erleichterung darüber, dass er weitermacht. Denn: Ein neuer Trainer hätte wieder ein neues Team und wahrscheinlich (wenn er nicht Sammer geheißen hätte) eine neue Strategie mitgebracht und gerade von dieser bin ich voll überzeugt.
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fcbm007
MODERATOR
26.07.2010 | 19:58 Uhr
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fcbm007 : 
26.07.2010 | 19:58 Uhr
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fcbm007 : 
einfach, wie immer, ein richtig guter Voegi-Blog...

mMn war die Verlängerung von Löw die beste Entscheidung die er treffen konnte, nicht nur für Ihn, sondern auch für seine Jungs die Ihm seit dem Rücktritt von Klinsi den "Rücken stärken" und auch zu 100% hinter Ihm stehen.

ich war selber eigentlich vor der WM pessimistisch eingestellt, nicht wegen Löw, sondern mit der Ernennung des sehr "unreifen" Kaders.. Aber Löw hat soweit alles richtig gemacht und auch im Bezug auf den deutschen Fussball mit dieser Entscheidung eine "Weiche" gestellt die im deutschen Fussball mal nötig war...

Er war derjenige der für den Generationswechsel (war auch nötig) verantwortlich ist und da bestimmt ein gutes Händchen bewiesen hat...

10 Punkte von mir
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Dr_D
26.07.2010 | 20:37 Uhr
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Dr_D : 
26.07.2010 | 20:37 Uhr
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Dr_D : 
Sta.. nee unglaublich gut, nee auch nicht richtig. Voegi, jetzt hab ich es.

Mir geht es ähnlich wie dir, aich ich hab meine Haare gerauft, oder mit meinen Haare gerauft, egal. Aber letztendlich hat der Sturkopf Löw seine Mannschaft nach Südafrika mit genommen, auf einigen Positionen gezwungenermaßen. Der Fußball der dann gespielt wurde, war dann der schönste Fußball den ich seit langer Zeit gesehen habe, soagr Barca aus der Vor-vor Saison eingeschlossen.

Jetzt wollen wir aber auch mal Titel sehen Herr Löw! Zweiter der EM, gut, Dritter der WM, schön, aber Meister ist das was zählt.

"Geht´s raus, und spielt weiter Fußball."
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LFC
27.07.2010 | 15:19 Uhr
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LFC : 
27.07.2010 | 15:19 Uhr
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LFC : 
kein großer Inhalt, aber sehr schön unterhaltsam muss ich sagen
so ist es einfach, Löw ist ein Charakter und eine echte Person. Viele große Trainer sind streitbar aber stechen heraus, bestes Beispiel ist natürlich Mourinho, aber auch Ferguson oder van Gaal würde ich dazuzählen. Das ist keine Voraussetzung oder eine Bedingung für Erfolg, aber man sieht schon in welche Richtung das geht, das hast du auch richtig erkannt.
10 Points, gutes Ding.
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Boggler
27.07.2010 | 16:18 Uhr
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Boggler : 
27.07.2010 | 16:18 Uhr
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Boggler : 
Hervorragend geschrieben, Voegi einfach!!!

An diesem Blog sitzt wirklich jedes Wort, man kann es einfach so unterschreiben. Joachim Löw begab sich im Vorfeld der WM auf ganz dünnes Eis, die Heckenschützen hatten schon durch geladen, aber Löw tanzte auf diesem Eis im ganz großen Stil.

Ich tue mich etwas schwerin der Gegenwart über den / die besten, erfolgreichsten, schönsten, tollsten usw zu reden aber ich habe das Gefühl das wir alle Zeuge eines besonderen Bundestrainers sind. Ob das jemals mit dem großen Titel, der zur Legendenbildung benötigt wird, reicht weiss ich nicht aber ich bin mir sicher das er weiterhin Spuren in der der deutschen Fußballlandschaft hinterlassen wird.

Er ist aktuell definitiv der beste Bundestrainer den wir haben können und sicherlich weltweit hööögschd etabliert!!!
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uh1963
27.07.2010 | 16:20 Uhr
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uh1963 : 
27.07.2010 | 16:20 Uhr
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uh1963 : 
YEAP!
Wat ham wir nicht alle gejohlt,
Schland, oh Schland!
Jogi sei Dank!

Seid aber versichert, in den nächsten zwei Jahren voller Freundschafts- und QualiSpielen wird wieder kein gutes Haar an ihm gelassen.
Ich glaube, er trägt 'nen Floppy aufn Kopp

PS:
muss man es noch erwähnen?
10p.
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Kopfpilot
27.07.2010 | 17:29 Uhr
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Kopfpilot : vollkommener unsinn
27.07.2010 | 17:29 Uhr
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Kopfpilot : vollkommener unsinn
das ist eine aufzählung positiver charakterisitka, die ihn bei dir beliebt machen, jedoch keine uhrsachenforschung für seine popularität und den hype um seine person. es ist wohl am meisten der erfolg, der ihm diese stellung eingebracht hat.
vielleicht hättest du eine umfrage machen sollen, dann wär dir was besseres eingefalllen.
ich glaube nicht dass die fans im siegestaumel nach dem gewonnenen viertelfinale gesagt hätten "jajaja der löw, nein, ich mag den doch nicht weil deutschland gewinnt, sondern weil er sich bei der masse nicht abbiedert sondern schnurtraks seinen weg geht"
sag mal glaubst du dir das selber?
in diesem business geht es um nichts anderes als erfolg. da brauchst du nichts zu emotionalisieren und sogar den "menschen löw" in deinem selbst-herrlich geschriebenen blog anzuhauchen. einfach zeitverschwendung.
deutschland gewinnt = "JOGIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII"
deutschland verliert = jogi raus, jogi raus!....."
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HolgerH
27.07.2010 | 17:44 Uhr
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HolgerH : Epochale Wucht
27.07.2010 | 17:44 Uhr
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HolgerH : Epochale Wucht
Bei den 11Freunden gipps auchn "Blog"
http://www.11freunde.de/forum/6/1280231241
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Maulwurfen
27.07.2010 | 17:47 Uhr
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Maulwurfen : 
27.07.2010 | 17:47 Uhr
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Maulwurfen : 
Sehr starker Blog. Wie immer super geschrieben und deckt sich größtenteils mit meiner Meinung. Aber nicht nur deswegen ein 10er !
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