Es ist ziemlich en vogue dieser Tage, auf Bayern, Schalke und andere Vereine einzudreschen, weil diese ihr Wintertrainingslager in Katar aufschlugen oder in Saudi-Arabien Testspiele vereinbarten. Genau so vehement wie die Kritiker wehren sich Vereinsfunktionäre wie Karl-Heinz Rummenigge oder Alexander Jobst dagegen, dass "Sport und Politik vermischt" werden, wie man auf vielen Seiten lesen kann.
Gesellschaftliche Verpflichtung oder Gewinnstreben?
Nun wäre das alles nicht so problematisch, wenn es sich bei Bundesligavereinen schlichtweg um gewinnorientierte Wirtschaftsbetriebe handeln würde, die sich lediglich mit der Generierung von Einnahmen und der möglichst einfachen Akquise von Geld und Erfolg befassen würden. Dummerweise ist aber beispielsweise der FC Schalke ein eingetragener Verein mit einer Satzung. Darin heißt es:
"Er bekennt sich zu den Grundsätzen der Menschenrechte. Er tritt rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen sowie diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen gegenüber anderen Menschen, insbesondere auf Grund ihrer Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Geschlecht, sexuellen Orientierung oder Behinderung, aktiv entgegen."
Menschenverachtende Verhaltensweisen wie etwa die Arbeitsbedingungen derjenigen, die das Hotel "The Torch" oder die "Aspire Academy" gebaut haben. Diskriminierende Verhaltensweisen wie etwa das Einreiseverbot für israelische Staatsbürger aufgrund ihrer Nationalität in Katar oder Saudi-Arabien. Wenn sich dann ein Vorstandsmitglied wie Alexander Jobst dementsprechend so äußert, dass man doch bitteschön Sport und Politik nicht vermischen solle, dann stellt sich zumindest für mich die Frage, ob der Marketingchef der Königsblauen nicht wenigstens einmal seine eigene Satzung vor die Nase gehalten bekommen sollte.
Sponsoring und Moral
Moralische Verwerflichkeit bei der Auswahl von Werbepartnern, Trainingslagern und Sponsoren ist ein äußerst zweischneidiges Schwert und ein schwieriges Thema für alle Bundesligisten. Bei genauerem Blick findet sich nämlich kaum ein Hauptsponsor, der keinen sprichwörtlichen Dreck am Stecken hat. Auch hier lohnt sich der Blick auf das Schalker Trikot, das sich mit dem Schriftzug von Gazprom schmückt - angesichts der diskriminierenden Politik gegenüber Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen in Russland hat das Staatsunternehmen streng genommen aufgrund der Satzung des Vereins nichts auf dem Jersey verloren. Aber wie gesagt: das gilt für die meisten anderen Trikot- und Hauptsponsoren der Bundesliga ebenso.
Und wer kritisiert eigentlich Bremen, Gladbach, Augsburg, Hannover, Paderborn und Berlin für die Reise nach Belek, in die Türkei? Dort, wo auf dem Taksim-Platz unter einem autoritären Regime vor knapp zwei Jahren so viele Menschen verletzt und verhaftet wurden? Wer stellt Leverkusen und Köln dafür an den Pranger, dass sie ihr Trainingslager in den USA abgehalten haben - jenem Land, das trotz Ankündigung immer noch ein Gefangenenlager auf Kuba betreibt, in dem dubiose Folterpraktiken angewendet wurden? Wer legt den Finger in die Wunde beim HSV und Eintracht Frankfurt, die nach Dubai fliegen, wo ganz ähnliche menschenrechtliche Probleme wie in Katar vorhanden sind?
Fazit
Der übliche Spruch, dass Politik im Stadion nichts verloren hat, ist nicht nur abgedroschen, sondern auch ziemlich dumm. Denn Politik macht eben NICHT vor den Stadiontoren halt. Wenn man sich aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Eintrittskarte nicht leisten kann, dann werden Initiativen wie "Kein Zwanni fürn Steher" auch auf die Ränge getragen. Wenn Rassismus und Fremdenhass auch in der Kurve ein Thema sind, weil es zu fremdenfeindlichen Gesängen kommt, dann isses Essig mit der schönen, heilen Fußballwelt. Und wenn in Katar Menschen beim Stadionbau sterben, dann wird auch das zum Thema.
Dass Fußballvereine allein nichts ändern können, ist sicher richtig. Trotzdem haben Fußballvereine eine Wahl! Schalke beispielsweise könnte auch an der Algarve oder in Spanien nächtigen und so dazu beitragen, dass menschenfeindliche Regimes keine Werbung mit deutschen Bundesligisten machen können. Das hat dann auch nichts mit dem erhobenen Zeigefinger zu tun, sondern ist schlichtweg eine einfache Entscheidung, sich an die eigene Vereinssatzung zu halten. Kann man mal machen.
Schön auch der Vergleich zu anderen BL-Vereinen die es eben in anderen Ländern machen.
Bin selber türkischer Abstammung und sehe das auch dann kritisch eben in die Türkei zu reisen bei sowas und als Bayern Fan habe ich das nie so betrachtet das ganze Thema. Und muss zugeben das man als Verein sehr wohl eine politische Richtung aufzeigen kann.
Aber die Frage ist doch: Wo ist die Grenze? Wann fängt man an nur noch an sich zu denken oder doch an die politische Ausrichtung?
Ich hatte es in Kommentaren zu diesem Thema schon gelesen, da schreibt einer das man ja die WM in Russland oder Katar dann als DFB ebenso boykottieren müsste.
Das Thema, welches Du anschneidest ist sehr heikel, denn mal ehrlich: Wer frei ist von Schuld, sollte den ersten Stein werfen. Jeder hat irgendeine "Leiche im Keller", was es freilich nicht besser macht.
Diese ganzen Moralisten sollten sich erstmal selbst hinterfragen, bevor sie jemand anders attackieren, doch Selbstkritik ist ja nicht en vogue...... Womit ich nicht Dich meine.
Außerdem haben wir den Deal ja auch bloß gekriegt wegen Raul. Ich bin mir nicht so sicher, ob wir das so verlängert bekommen... dann gehts halt wieder nach Spanien/in die Türkei. Whatever...
Aber, dass der Artikel in aller erster Linie auf Schalke drauf haut, finde ich aber ungerechtfertigt!
Trotzdem trifft dein Text im Grunde das Problem auf den Punkt. Wenn sich die Herren mal konsequent ihren eigenen Sonntagsreden und Satzungen folgen würden, könnte natürlich kein Verein sein Trainingslager in Staaten wie der Türkei, Saudi-Arabien oder Katar aufschlagen.
Nur, was kann ein Fan tun? Als Vereinsmitglied kann er versuchen die Vereinsführung entsprechend zu beeinflussen, durch Abstimmungen, etc. Ansonsten kann man die Sache wohl nur über das Geld angehen. Dann müsste man bis zum Spielboykott gehen, und keiner dürfte mehr Trikots mit der Aufschrift "Gazprom", "Emirates", "Qatar Foundation", etc. kaufen.
Nur, wieviele Fans wären so konsequent? Die bösen Jungs mit dem vielen Geld haben sich längst breit gemacht im Fußball und stören den "gemeinen Fan" wenig. Im Gegenteil: Solange der teuere Stürmer da unten auf dem Rasen seine Buden macht, dürfen die Geldgeber des Vereins irgendwo anders ihr Geld gerne einsetzen, um ein paar Ungläubige köpfen, ein paar Frauen steinigen, oder ein paar freche Journalisten in den Knast werfen zu lassen. Hauptsache "Kein Zwanni für'n Steher" und "Bier 2 Euro".
PS. Gibt natürlich 10 Punkte für einen guten Denkanstoss.
Leider hat kein verantwortlicher Politiker ausreichend "Arsch in der Hose" um diese Themen anzugehen. Da zeigt mal lieber auf Andere, weil es so einfach ist.
Ich habe noch nicht fertig, doch höre besser auf, ansonsten schreibe ich Dinge, für die ich mich eventuell entschuldigen muss. Solange Angie"Chucky" nicht in der Lage ist, dieses anzupacken, wird sich dieser Zustand auch nicht andern.
@neo123,
Nimm es nicht so persönlich, das hat weniger mit Schalke als mit dem Thema selbst zu tun.
Wo's um 's Geld geht, geht die Moral oft schneller flöten als man gucken kann.
So ein Trainingslager ist Werbung für einen Verein - und das Bayern dahin geht, wo das Geld herkommt, mag moralisch für den ein oder anderen anstößig sein - unter Strich ist es für Bayern und Schalke eine gute Werbung in der Region.
Werder wird für Wiesenhof kritisiert, Bayern für's Trainingslager - Schalke für beides - wenn wir sonst keine Probleme haben, geht's uns doch gut, oder???
Gut geschriebener Blog, gut zu lesen.
Zum Thema: Bin da ganz bei dir, dass sich Sport und Politik immer mehr vermischen und Urteile schnell mit einer gewissen Doppelmoral geprägt sind. Trotzdem können Vereine sich leicht positieren und für eine "gute" Sache eintreten!