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19.11.2012 um 10:04 Uhr
Ungeschickt und selbstgefällig
Der Blick zurück birgt zumeist großes Fremdschämpotential. Wer sich seiner Taten und Gedanken aus früheren Tagen erinnert, kann manchmal nur ungläubig mit dem Kopf schütteln: Was war man doch damals albern und naiv… Mir erging es dieser Tage nicht anders, als ich mich entsann, wie toll ich damals diesen neuen DFB-Präsidenten fand, der so ganz anders als sein behäbiger und selbstgefälliger Vorgänger daherkam.

Und in der Tat war es denn wohl auch die Erleichterung über das Ende der „Ära” Mayer-Vorfelder, die meine Begeisterung für den neuen Mann beim DFB schürte. Theo Zwanziger, der sich den Posten zunächst noch mit dem ungeliebten MV teilen musste, verkörperte eine gewisse Aufbruchstimmung im zusehends antiquierten Fußball-Verband. Mit ihm würde, so war ich mir sicher, nicht nur eine verbesserte Rhetorik, sondern auch ein moderneres Denken im deutschen Fußball Einzug halten. Ich war durchaus angetan vom sympathischen Novizen.

Heute, gut acht Jahre später, ist von dieser Begeisterung nichts mehr geblieben. Argwohn, Unverständnis und Verärgerung sind an ihre Stelle getreten. Nicht erst seit Veröffentlichung seines Buches und der darauf folgenden Verbalinjurien gegen Hoeneß, Niersbach & Co. löst die Person Zwanziger bei mir nur noch ein großes Schulterzucken aus: Was ist das für ein Mann, der sich als Pionier des sozialen Denkens gibt, um sich doch jedes Mal wieder im selbstgefälligen Pathos zu verlieren?

Theo Zwanziger ist ein Mann der großen Worte, ein Darsteller seiner selbst und der von ihm verfolgten hehren Ziele. Deren praktische Umsetzung kann dabei schon einmal auf der Strecke bleiben - Hauptsache, die Inszenierung stimmt. So ist denn auch Zwanzigers vermeintlich größte Leistung, der eindringliche Appell an die Menschlichkeit im Rahmen der Enke-Trauerfeier, wie so vieles in seiner Präsidenten-Vita eine einzige große Luftblase. Denn was wurde schließlich aus der salbungsvoll versprochenen Rücksichtnahme auf menschliche Schwäche im Profifußball? Wenig, oder sagen wir es deutlicher: Nichts.

Natürlich ist es schwierig, einen Paradigmenwechsel in einem Geschäft einzuleiten, das wie kaum ein anderes von überkommenden Pfründen und ritualisiertem Denken geprägt ist. Und dennoch erscheint Zwanzigers Rede vom 15. November 2009 aus heutiger Sicht reichlich wohlfeil und überzogen. Er selbst jedoch hat es gewagt, diesen hohen Anspruch zu formulieren, einen Anspruch, an dem er sich selbst jetzt messen lassen muss. Das Ergebnis fällt dabei wie so oft in seiner Präsidentschaft ernüchternd aus.

Das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit ist denn auch symptomatisch für Zwanziger und dokumentiert sich geradezu beispielhaft in seinem jüngsten Rundumschlag gegen die großen Persönlichkeiten des deutschen Fußballs. Dass der Ex-Präsident auf den konflikterfahrenen Uli Hoeneß einschlägt, überrascht dabei weniger und wiegt nicht sonderlich schwer. Schlimm und regelrecht perfide ist dagegen die Kritik an seinem Nachfolger Wolfgang Niersbach, dem er Versäumnisse bei der Umsetzung sozialer Projekte vorwirft.

Ob die Rüge dabei sachlich berechtigt ist, sei dahingestellt. Ein solcher Angriff gegen den Amtsnachfolger gehört sich einfach nicht und zeugt von schlechtem Stil. Es gilt zurecht als Tabu, in solchen Fällen von - auch wohlgemeinten - Ratschlägen (jedenfalls öffentlich) abzusehen und sich als Besserwisser aufzuspielen. Dies gilt bei einem herausgehobenen Posten wie dem des DFB-Präsidenten in besonderem Maße. Zwanziger jedoch scheint diese Etikette offensichtlich nicht zu kennen oder aber bewusst zu ignorieren, was angesichts der von ihm geforderten moralischen Prinzipien gleichsam überrascht wie enttäuscht. Denn Zwanziger war es, der Werte wie Respekt, Toleranz und Demut in der öffentlichen Debatte immer wieder hoch gehalten hat. Und er ist es nun, der sich an eben diesen Wert versündigt.

Die Kritik an Niersbach ist dabei umso fragwürdiger, als Zwanziger eine alles andere als blitzsaubere Präsidentschaft hingelegt hat, die von zahlreichen handwerklichen Fehlern geprägt war. Vor allem sein unglückliches, mitunter peinliches Auftreten bei den Vertragsverhandlungen mit dem Bundestrainer bleibt dabei in Erinnerung. Zwanziger suchte zu einem völlig verfrühten Zeitpunkt die Öffentlichkeit und setzte Löw damit ohne Not unter Druck. Was nach einem hinterlistigen Schachzug aussah, war vielmehr Zeugnis tiefsitzender Unbeholfenheit.

Eben diese Ungeschicklichkeit wurde Zwanziger auch im Falle Rafati zum Verhängnis, als er wiederum ohne jegliche Veranlassung Details des Suizidversuchs der Öffentlichkeit preisgab und so zur allgemeinen Skandalisierung beitrug. Statt zu beschwichtigen und abzuwiegeln, setzte der Präsident auf Boulevard-Effekte und bewies damit erneut, dass das Amt des DFB-Chefs mindestens zwei Nummern zu groß war.

Was bleibt, ist ein einziger großer Scherbenhaufen einer Präsidentschaft, die den DFB keinen Schritt nach vorne gebracht hat und der angesichts der Diskussion dieser Tage nur noch größer zu werden scheint. Und so komme ich zu einem Fazit, wie ich es mir vor acht Jahren niemals hätte erträumen können: Theo Zwanziger ist ein einziges großes Ärgernis für den deutschen Fußball.
Aufrufe: 5550 | Kommentare: 13 | Bewertungen: 24 | Erstellt:19.11.2012
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KOMMENTARE
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mamö99
19.11.2012 | 18:51 Uhr
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mamö99 : 
19.11.2012 | 18:51 Uhr
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mamö99 : 
Absolut treffend dargelegt, Chapeau.
Aber falsch verlinkt auf der Startseite. Klicke auf einen HSV-Teaser und gelange hier her. Mindert aber nicht die Qualität und Inhalt des Blog-Eintrags.
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ausLE
MODERATOR
19.11.2012 | 19:45 Uhr
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ausLE : 
19.11.2012 | 19:45 Uhr
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ausLE : 
Starker blog Voegi!

Mir bleibt vorallen die Raffati-Geschichte und die anschließende Pressekonferenz in Erinnerung. Eben in keiner guten.

Fehlt aber im letzten Satz am Ende nicht ein "gewesen"

Ich bin vorallen gespannt auf Wolfgang N. War mMn eine gute Entscheidung. Wünsche ihn ein gutes Kehrblech, für den Haufen.
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Voegi
MODERATOR
19.11.2012 | 20:34 Uhr
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Voegi : 
19.11.2012 | 20:34 Uhr
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Voegi : 
@ ausle

nö, da fehlt nix. zwanziger ist nach wie vor ein ärgernis für den deutschen fußball. mit seinem buch sorgt er ja weiter für schaden.
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