10.01.2011 um 18:09 Uhr
Vom Deuten und Forschen
Oh du mein bayerischer Boulevard, um ein Haar hättest du wohlverdienten Winterschlaf halten können.
Aber dann, ein Novum, eine geradezu unfaßbare Revulotion nahm seinen Lauf beim FC Bayern. Louis van Gaal wechselt den Torhüter! Ohne vorher den Vorstand, die Schickeria oder wenigstens den Geist von Franz Josef Strauß in der Ruhmeshalle zu befragen.
Jetzt könnte man das als konsequentes durchziehen einer Strategie von Louis van Gaal betrachten. Man könnte es als Generationswechsel kommentieren. Oder sogar als Alternative für den Fall, dass Manuel Neuer eben doch nicht unterschreibt.
Aber wo wäre da der Zündstoff, denkt sich der geneigt süddeutsche Journalist und haut in die Tasten. So zum Beispiel beim Bosse für Butt / Münchner Merkur:
Hoeneß, Rummenigge und Nerlinger werden versuchen, ihren Trainer davon zu überzeugen, Jörg Butt das halbe Jahr im Tor zu belassen. Beide Seiten stehen in diesen Verhandlungen unter Druck. Hier die Führung, die einem bei den Fans populären und wegen seiner Konsequenz starken Trainer nicht in sein Ressort hineinwildern will. Dort Louis van Gaal, der erklärt hatte, sich künftig mehr nach den Interessen des Vorstands zu richten und Personalplanungen zu akzeptieren.
Ausgerechnet die Presse, die jahrelang mit Spaß über die Alleinherrschermentalität von Hoeneß und Rumenigge lästerte, kommt dem Vorstand jetzt zu Hilfe. Kaum, dass der FC Bayern einen Trainer hat, dem die Fans vertrauen und von dem Spieler begeistert sind, empören sich die Gatekeeper der Republik stellvertretend für den Vorstand.
Interessant.
Wie muss sich Herr Hopp da vorkommen, wenn er die Zeitung aufschlägt? Die in München wollen die Aufstellung absegnen und er darf nicht mal ein bisschen Transferpolitik machen?
Ja, ich weiß, der Vergleich hinkt schlimmer als Michael Ballack nach seiner ersten Bekanntschaft mit Kevin-Prince Boateng. Aber trotzdem - wird die Kompetenz eines Trainers mittlerweile nach der Biegsamkeit seines Rückgrats bemessen?
Nun ist die Presse nur eine Gruppe von Stakeholdern, wie der Unternehmer heute sagt. Fans (Kunden!) und Spieler (Mitarbeiter) sind Weitere. Die allerdings fangen an, van Gaal zu verteidigen.
Beispiel: Thomas Müller Interview SZ
SZ: Sie, aber auch andere Spieler haben sich in den kritischen Herbstwochen ungewöhnlich offensiv für den Trainer ausgesprochen. Aus Dankbarkeit?
Müller: Nein, es gab da unter uns keine Absprache, aber jeder hat, glaube ich, ganz bewusst den Trainer gestärkt. Sie hätten jeden Spieler einzeln unabhängig voneinander befragen können, und jeder hätte Ihnen gesagt, wie sehr er von ihm und seiner Philosophie überzeugt ist. Natürlich gibt es in einem 25er-Kader Unzufriedenheit von Spielern, die mal nicht spielen. Aber selbst solche Kollegen wie Hamit Altintop oder sogar Martin Demichelis haben trotzdem positiv über den Trainer geredet. [...]
Dass es Fangruppen gibt, die lieber Kraft als Neuer im Tor haben wollen, weiß man dank prägnanter Plakate in der Allianz Arena schon eine gewisse Zeit. Und selbst die moderateren Anhänger können van Gaals Schritt nachvollziehen.
Aus dem Tweetball thread zu Kraft / Butt
Van Gaal steht damit nun vor einer Reihe ungelöster Probleme. Eigentlich würde er für die Zukunft gerne auf Thomas Kraft setzen, dessen Vertrag aber nach dieser Saison ausläuft. Sicher würde er auch einen Neuer nehmen, aber von dem weiß ja noch keiner, ob er denn nun auch wirklich kommt. Theoretisch könnte Thomas Kraft ja jetzt oder in nächster Zeit schon einem anderen Club für 2011/12 zusagen, wenn er das Gefühl hat, dass es für ihn beim FC Bayern keine Zukunft gibt. Legitim, wie ich finde. Welche Chance hätte er denn schon, wenn er im Falle eines Neuer-Transfers hier bliebe.
Es zeichnet sich eine bemerkenswerte Entwicklung im sonst so veränderungsresistenten Süden ab. Die in Stein gemeißelte Hierarchie in der 1. Gott bzw. Franz 2. Hoeneß und dann lang Nichts kommt, wankt. Der sturste aller Holländer stichelt unverhohlen und bekommt dafür Beifall von den roten Fans. Die Karrieren Müller und Badstuber, die Vertragsverlängerungen Schweinsteiger und Lahm - viel davon darf er sich ans Revers heften.
Christian Nerlinger ist sicher ein großer Teil diverser Verhandlungserfolge zuzuschreiben, aber seine Autorität ist nach wie vor durchsichtig. Als Heiner Geißler beim FC Bayern gehört er zu den Figuren im Theater, mit denen man langsam Mitleid bekommt. Es täte ihm gut, Stellung zu beziehen - nur wo? Neben Hoeneß auf dem Olymp stehen oder bei Louis auf dem Feld kämpfen - eine undankbare Wahl.
Die Macht von Hoeneß und Rumenigge baute neben ihren Ämtern immer auch auf die Sympathie der Anhänger und selbstverständlich ihrem fußballerischen Sachverstand.
Mit exakt den gleichen Argumenten hat Louis van Gaal viele Menschen rund um den FC Bayern für sich gewonnen und damit seine Position gestärkt. Gut, es waren relativ wenig Journalisten unter den neuen Fans. Deren Freude über einen weiteren sturen und tückischen Interviewpartner hält sich in Grenzen.
Letztendlich kann der Vorstand Louis van Gaal selbst für diese selbstverständliche Ausübung seines Berufs entlassen - aber beliebte Trainer lassen sich nur schwer abschütteln. (Fragen sie mal in Freiburg nach.)
Sollte sich jetzt noch der Erfolg einstellen, etwa mit grandiosen Leistungen durch Kraft, wird der Vorstand des FC Bayern akzeptieren müssen, dass sie mit einem starken Trainer mindestens auf Augenhöhe arbeiten müssen. Und das bedeutet nicht, ihm solange gut zuzureden, bis er das tut was die alten Götter wollen.
Aber dann, ein Novum, eine geradezu unfaßbare Revulotion nahm seinen Lauf beim FC Bayern. Louis van Gaal wechselt den Torhüter! Ohne vorher den Vorstand, die Schickeria oder wenigstens den Geist von Franz Josef Strauß in der Ruhmeshalle zu befragen.
Jetzt könnte man das als konsequentes durchziehen einer Strategie von Louis van Gaal betrachten. Man könnte es als Generationswechsel kommentieren. Oder sogar als Alternative für den Fall, dass Manuel Neuer eben doch nicht unterschreibt.
Aber wo wäre da der Zündstoff, denkt sich der geneigt süddeutsche Journalist und haut in die Tasten. So zum Beispiel beim Bosse für Butt / Münchner Merkur:
Hoeneß, Rummenigge und Nerlinger werden versuchen, ihren Trainer davon zu überzeugen, Jörg Butt das halbe Jahr im Tor zu belassen. Beide Seiten stehen in diesen Verhandlungen unter Druck. Hier die Führung, die einem bei den Fans populären und wegen seiner Konsequenz starken Trainer nicht in sein Ressort hineinwildern will. Dort Louis van Gaal, der erklärt hatte, sich künftig mehr nach den Interessen des Vorstands zu richten und Personalplanungen zu akzeptieren.
Ausgerechnet die Presse, die jahrelang mit Spaß über die Alleinherrschermentalität von Hoeneß und Rumenigge lästerte, kommt dem Vorstand jetzt zu Hilfe. Kaum, dass der FC Bayern einen Trainer hat, dem die Fans vertrauen und von dem Spieler begeistert sind, empören sich die Gatekeeper der Republik stellvertretend für den Vorstand.
Interessant.
Wie muss sich Herr Hopp da vorkommen, wenn er die Zeitung aufschlägt? Die in München wollen die Aufstellung absegnen und er darf nicht mal ein bisschen Transferpolitik machen?
Ja, ich weiß, der Vergleich hinkt schlimmer als Michael Ballack nach seiner ersten Bekanntschaft mit Kevin-Prince Boateng. Aber trotzdem - wird die Kompetenz eines Trainers mittlerweile nach der Biegsamkeit seines Rückgrats bemessen?
Nun ist die Presse nur eine Gruppe von Stakeholdern, wie der Unternehmer heute sagt. Fans (Kunden!) und Spieler (Mitarbeiter) sind Weitere. Die allerdings fangen an, van Gaal zu verteidigen.
Beispiel: Thomas Müller Interview SZ
SZ: Sie, aber auch andere Spieler haben sich in den kritischen Herbstwochen ungewöhnlich offensiv für den Trainer ausgesprochen. Aus Dankbarkeit?
Müller: Nein, es gab da unter uns keine Absprache, aber jeder hat, glaube ich, ganz bewusst den Trainer gestärkt. Sie hätten jeden Spieler einzeln unabhängig voneinander befragen können, und jeder hätte Ihnen gesagt, wie sehr er von ihm und seiner Philosophie überzeugt ist. Natürlich gibt es in einem 25er-Kader Unzufriedenheit von Spielern, die mal nicht spielen. Aber selbst solche Kollegen wie Hamit Altintop oder sogar Martin Demichelis haben trotzdem positiv über den Trainer geredet. [...]
Dass es Fangruppen gibt, die lieber Kraft als Neuer im Tor haben wollen, weiß man dank prägnanter Plakate in der Allianz Arena schon eine gewisse Zeit. Und selbst die moderateren Anhänger können van Gaals Schritt nachvollziehen.
Aus dem Tweetball thread zu Kraft / Butt
Van Gaal steht damit nun vor einer Reihe ungelöster Probleme. Eigentlich würde er für die Zukunft gerne auf Thomas Kraft setzen, dessen Vertrag aber nach dieser Saison ausläuft. Sicher würde er auch einen Neuer nehmen, aber von dem weiß ja noch keiner, ob er denn nun auch wirklich kommt. Theoretisch könnte Thomas Kraft ja jetzt oder in nächster Zeit schon einem anderen Club für 2011/12 zusagen, wenn er das Gefühl hat, dass es für ihn beim FC Bayern keine Zukunft gibt. Legitim, wie ich finde. Welche Chance hätte er denn schon, wenn er im Falle eines Neuer-Transfers hier bliebe.
Es zeichnet sich eine bemerkenswerte Entwicklung im sonst so veränderungsresistenten Süden ab. Die in Stein gemeißelte Hierarchie in der 1. Gott bzw. Franz 2. Hoeneß und dann lang Nichts kommt, wankt. Der sturste aller Holländer stichelt unverhohlen und bekommt dafür Beifall von den roten Fans. Die Karrieren Müller und Badstuber, die Vertragsverlängerungen Schweinsteiger und Lahm - viel davon darf er sich ans Revers heften.
Christian Nerlinger ist sicher ein großer Teil diverser Verhandlungserfolge zuzuschreiben, aber seine Autorität ist nach wie vor durchsichtig. Als Heiner Geißler beim FC Bayern gehört er zu den Figuren im Theater, mit denen man langsam Mitleid bekommt. Es täte ihm gut, Stellung zu beziehen - nur wo? Neben Hoeneß auf dem Olymp stehen oder bei Louis auf dem Feld kämpfen - eine undankbare Wahl.
Die Macht von Hoeneß und Rumenigge baute neben ihren Ämtern immer auch auf die Sympathie der Anhänger und selbstverständlich ihrem fußballerischen Sachverstand.
Mit exakt den gleichen Argumenten hat Louis van Gaal viele Menschen rund um den FC Bayern für sich gewonnen und damit seine Position gestärkt. Gut, es waren relativ wenig Journalisten unter den neuen Fans. Deren Freude über einen weiteren sturen und tückischen Interviewpartner hält sich in Grenzen.
Letztendlich kann der Vorstand Louis van Gaal selbst für diese selbstverständliche Ausübung seines Berufs entlassen - aber beliebte Trainer lassen sich nur schwer abschütteln. (Fragen sie mal in Freiburg nach.)
Sollte sich jetzt noch der Erfolg einstellen, etwa mit grandiosen Leistungen durch Kraft, wird der Vorstand des FC Bayern akzeptieren müssen, dass sie mit einem starken Trainer mindestens auf Augenhöhe arbeiten müssen. Und das bedeutet nicht, ihm solange gut zuzureden, bis er das tut was die alten Götter wollen.
Aufrufe: 19882 | Kommentare: 47 | Bewertungen: 60 | Erstellt:10.01.2011
ø 8.7
KOMMENTARE
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10.01.2011 | 18:17 Uhr
0
Stadtneurotiker :
Ja, so in etwa hätte ich das auch zusammengefasst.
4
10.01.2011 | 18:35 Uhr
-2
BigEasyMuc : Volle Punktzahl!
Volle Punktzahl von mir für diesen Beitrag, liebe PatschBella. Die Gauchos stehen hundertprozentig hinter dir. Und: Ich weiß jetzt ziemlich sicher, was im Vorstand des FC Bayern fehlt. Die emotionale Intelligenz eines weiblichen Wesens.
6
10.01.2011 | 18:39 Uhr
0
GNetzer :
Stark! Volle Punktzahl, meine Liebe.Die Sache ist doch: Entweder van Gaal. Oder Mitreden.
Und wenn es wirklich so schlimm ist, was der Trainer macht, den man angeblich seit 1995 holen wollte, dann muss man ihn halt entlassen.
Aber wenn nicht, dann nervt es auch, sich ständig halböffentlich darüber zu mokieren, wie arg eigenständig der Fußballlehrer ist.
9
10.01.2011 | 19:05 Uhr
0
UliFan :
Im Nachhinein bewundere ich Ottmar Hitzfeld noch mehr als eh schon.Stark wie lange er dieses offenbar ständige Gequatsche des Vorstands im Hintergrund ertragen hat, immer ruhig geblieben ist und trotzdem Erfolg hatte
Kein Wunder dass er am Schluß so schlecht aussah.
Van Gaal stellt die Mannschaft auf und wenn er Kraft vertraut, dann soll er ihn auch bringen. Wenn den Herren das nicht gefällt dann sollen sie ihn entlassen und sich den passenden Hütchenaufsteller besorgen.
Da können sie dann mich fragen, ich machs deutlich günstiger als alle anderen....
Un-glaub-lich das ganze!!!
Guter Blog btw, 10 P
15
10.01.2011 | 20:48 Uhr
-1
xxlhonk :
Stark!Sehr!
Und voll auf den Punkt.
Ich muss gestehen, dass ich LvG anfänglich genauso mochte wie Labbadia.
Aber inzwischen gestehe ich ein, dass ich total daneben gelegen habe.
Nein, nicht bei Bruno "ich hab die Haare schön"
Nein.
Bei LvG
Der Mann ist für euch wie gemalt.
Und wenn er bleiben will, behaltet ihn so lange er will.
Ernsthaft.
Super!
7
11.01.2011 | 00:21 Uhr
0
dotdeguy : Gutes Ding!
Du hast die Situation sehr gut beschrieben, PatschBella!
3
11.01.2011 | 10:32 Uhr
-4
gestern nachmittag haben sich die herren zusammengesetzt und der große knall blieb aus! ich darf KHR zitieren...
"Die Aufstellung ist exklusiv Kompetenzbereich des Trainers..."
auch unser tulpengeneral hat ausnahmsweise einfach, klare und verständliche worte gefunden
"Wir hatten ein sehr gutes Gespräch -so wie immer. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vorstand. Das Treffen war eines unserer regelmäßigen Treffen, wie es einmal die Woche stattfindet"
die ganze "TW-diskussion" findet derzeit nur in den medien statt und in iwelchen facebook gruppen! und der vermeidliche machtkampf ist auch ein alter schuh...solange der trainer erfolg mit seinen entscheidungen hat, wird ihn niemanden diskreditieren können. ob man nun hoeneß, rummenige oder beckenbauer heißt! konzentrieren wir uns lieber auf das spiel am samstag!
6
11.01.2011 | 11:59 Uhr
0
mrpink27 :
Es ist verständlich, gut und richtig wenn die Hierarchie bei den Bayern sich verändert.Zum einen ist mit Hoeneß ein mächtiger Mann aus dem Tagesgeschäft verschwunden. Nerlinger muss sich diese Position erst erarbeiten. Dazu wäre es eine Verschwendung wenn man einen Mann wie van Gaal nur als übungsleiter einstellt (wie es früher mit anderen Trainern üblich war).
Ich denke, es wäre ungesund für die Bayern wenn es in dieser Phase nicht zu Reibereien und einer Neu-Sortierung kommt. In der ersten echten Kriese würde eine schwache Hierarchie zusammenbrechen.
In Zukunft werden die Bayern immer starke Trainer haben müssen.
4
11.01.2011 | 12:07 Uhr
0
Bailey :
Sehr starker Blog.Hat mir richtig gut gefallen.
Ob das Theater jetzt wirklich ausgestanden ist oder ob es sich hier nur um einen Burgfrieden handelt, dass wird der Verlauf der Rückrunde zeigen.
Aber ich gehe davon aus, dass LvG auch weiterhin nach der Maxime handelt: "Ist mir doch egal, was geredet wird solange ichs das letzte Wort habe."
Hat er schon immer gemacht, wird er immer so machen.
Aber das wußte man auch, als man ihn verpflichtet hatte.
5
11.01.2011 | 12:20 Uhr
0
Goleo06 :
Sehr starker Blog der vile Dinge richtig anspricht.
Van Gaal tut dem FCB meiner Meinung nach richtig gut. Das er ein Sturrkopf ist, wusste man vorher. Aber man wollte schließlich einen Trainer
mit Kompetenz
einer Philosophie
und der vielzitierten "Handschrift"
genau das hat man jetzt bekommen. Das er seinen Weg so geht ist sein gutes Recht. Für den sportlichen Erfolg ist er verantwortlich, also stellt er auch die Truppe auf. Punkt!
4
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