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19.01.2010 um 19:29 Uhr
Wege der Zukunft - Konterfußball
In jeder Top-Liga gibt es die 2, 3 oder sogar 4 Vereine an der Spitze. Sie dominieren praktisch jedes Spiel, haben viel Ballbesitz und müssen meistens gegen tiefstehende Gegner spielen. Doch hinter diesen Spitzenvereinen kommen weitere Mannschaften, auch diese wollen möglichst ins internationale Geschäft, haben allerdings selten die spielerischen Möglichkeiten der Spitzenklubs. In dieser Tabellenregion hat sich eine neue Spielweise integriert, welche in Zukunft noch häufiger und von noch mehr Vereinen gespielt zu sehen sein wird. Die Rede ist vom Konterspiel. Gespielt wird in der Defensive relativ tief, dadurch rückt der Gegner weit auf, und es ergeben sich bei einem schnellen Ballgewinn Räume, die mit schnellem Spiel genutzt werden.

Spielweise
Gespielt wird in der Defensive aggressiv gegen den Ball, die Abstände zwischen den Ketten betragen nicht mehr als 15-20 Meter. Dadurch hat der Gegner relativ wenig Platz für sein Aufbauspiel. Die Innenverteidiger werden weitestgehend in Ruhe gelassen, die eigenen Stürmer stehen im Raum, um die AV unter Druck setzen zu können, gleichzeitig aber auch die DM der gegnerischen Mannschaft angreifen zu können. Dahinter baut sich die Mittelfeldkette auf. Diese sollte die meisten kurzen Bälle schon abfangen. Der angespielte gegnerische Spieler wird schon unter Druck gesetzt, wenn er noch mit dem Rücken zum Gegner steht, meistens von mehreren Akteuren, mögliche Anspielstationen werden zugestellt, sodass die gegnerische Mannschaft kaum einmal ein geordnetes Kurzpassspiel aufziehen kann.

Bei Ballgewinn schwärmen die Spieler aus, bei der Doppel-Sechs setzt sich ein DM nach vorne ab, gibt für den Angriff den Spielmacher oder sogar die hängende Spitze. Jeder Ballgewinn im Mittelfeld oder gegen weit aufgerückte Gegner, bspw. nach einer Standardsituation, wird sofort zu einem schnellen Konter. Der erste Ball geht wenn möglich sofort in die Tiefe, danach rücken die Akteure nach. Die Überzahlsituationen werden schnell zu Ende gespielt, bevor der Gegner sich wieder formiert hat.

Spielertypen
Wichtig sind natürlich schnelle Konterspieler, sowohl auf den Außen als auch im Sturm, dazu sehr zweikampfstarke Spieler im Mittelfeld und der Abwehr. Die IV müssen außerdem sehr kopfballstark sein, um die mangels Alternativen lang gespielten Bälle zu gewinnen.

Die Systemfrage
Grundsätzlich kann man mit jedem System auf Konterfußball setzen, viele Trainer bevorzugen allerdings das Spielen aus einem kompakten Mittelfeld, sodass man dort Überzahlsituationen hat und viele Bälle gewinnt. Vorteilhafte Systeme sind das 4-2-2-2, das 4-2-3-1 oder auch das 4-1-4-1. Bei Ballgewinn rücken z.B. im 4-2-3-1 die Spieler aus der offensiven Mittelfeldreihe abwechselnd nach vorne, dies sorgt für Verwirrung und Zuteilungsschwierigkeiten bei dem Gegner. Der Spielmacher fungiert als Wandspieler für die schnellen Konter, und ein DM zieht nach vorne. So zu sehen phasenweise bei Dortmund oder Mainz. Auch die deutsche Nationalmannschaft spielte zuletzt im 4-2-3-1, denn sie beinhaltet sowohl eine Doppel-Sechs, als auch einen Spielmacher, dazu 4 echte Außenspieler. Es geht aber auch mit anderen Systemen, wie letzte Saison in Wolfsburg.

Beispiele der Bundesliga
Felix Magath setzte in Wolfsburg sehr erfolgreich aufs Konterspiel, er stellte sich seinen Kader nach seinen Vorstellungen exakt so zusammen wie er es wollte, hatte in Misimovic den perfekten Spielmacher und das perfekte Sturmduo. Den aktuellen Kader auf Schalke stellt er nach und nach so zusammen, dass auch dort perfektes Konterspiel möglich ist. So besitzt er in Farfan bereits einen schnellen, spielstarken Konterstürmer, dazu mit Baumjohann endlich den lang ersehnten Spielmacher. Mit Tim Hoogland kommt nun ein guter, offensiver AV, die Verteidigung ist ansonsten schon perfekt besetzt.

Auffällig im Falle von Magaths Ex-Klub Wolfsburg ist, dass genau dieser Kader jetzt so große Probleme mit dem von Veh geforderten Kombinationsspiel hat, welches mehr Dominanz einschließt. Ein ruhigerer Aufbau, dadurch engere gegnerische Reihen, dazu die Bürde als Titelverteidiger. Auch scheinen einige Spieler Probleme mit der neuen Ausrichtung zu haben, so muss Barzagli nun deutlich mehr in Laufduelle gehen, die nicht seine Stärke sind, weil Wolfsburg weiter aufrückt, und Grafite wird seiner Schnelligkeit beraubt. Diese Schwierigkeiten wären vorherzusehen gewesen, weil nun mal der gesamte Kader von Magath auf das Konterspiel ausgelegt ist.


Deutschland bekanntester "Konter-Trainer"

Ein weiteres aktuelles Beispiel für Konterspiel in der Bundesliga ist der VfB Stuttgart unter Christian Gross. Die Stuttgarter stehen tief in der eigenen Hälfte, sobald der Ball bei einem gegnerischen Mittelfeldspieler ist, gehen sie aggressiv drauf, spielen zwar dabei öfter Foul, aber gewinnen auch erstaunlich viele Bälle, welche dann schnell nach vorne gespielt werden. Khedira sprintet sofort nach vorne, ist hinter den Stürmern oder sogar als Rechts- oder Linksaußen zu finden. Mit dem hohen Tempo kamen am Samstag die Wolfsburger überhaupt nicht zurecht, sie hatten dabei noch Glück, dass Stuttgart die Konter nicht konsequent zu Ende gespielt hat. So wurde ihre frühere Waffe am Samstag gegen sie gewendet.

Auch international spielen viele Teams Konterfußball, vor allem gegen normalerweise sehr kompakte Mannschaften oder spielerisch überlegene. So hatte z.B. der FC Chelsea in der CL den FC Barcelona im Halbfinale an den Rande einer Niederlage gebracht, er war trotz wesentlich weniger Ballbesitz die gefährlichere Mannschaft, und wurde nur durch den Schiedsrichter am Finaleinzug gehindert. International sind da noch der FC Sevilla, auf den Außen mit den schnellen Navas und Capel, und Atletico Madrid im offensiven Mittelfeld mit Simão, García und Jurado.

Und weiter?
Jetzt ist natürlich die Frage, inwiefern sich dieser Trend fortsetzen wird, und vor allem was alle Klubs aus diesem System lernen können:

Es braucht nicht viel Ballbesitz, um erfolgreich zu spielen. Auch ist ein strukturiertes Verteidigen oftmals sinnvoller als Pressing über den gesamten Platz. Denn das kostet viel Kraft, das Konterspiel hingegen schafft Räume für die schnellen Außenspieler oder Stürmer, und die Kondition wird für die Angriffe aufgehoben. Allerdings ist auch das Konterspiel sehr intensiv, ganz besonders für die Mittelfeldspieler. Sie sollen die meisten Bälle gewinnen, vor allem die DM, und diese sofort mit Tempo nach vorne tragen, danach in die Spitze rücken und torgefährlich werden. Generell wird es immer sinnvoller als technisch nicht überlegene Mannschaft kein dominantes Spiel, sondern schnelles Spiel mit wenigen Stationen nach vorne zu spielen. Gerade in Deutschland kann man im Moment sehen, wie erfolgreich Konterfußball sein kann, siehe Wolfsburg, Schalke, Dortmund, phasenweise auch Leverkusen.
Aufrufe: 18814 | Kommentare: 32 | Bewertungen: 35 | Erstellt:19.01.2010
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KOMMENTARE
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Josh9
21.01.2010 | 10:51 Uhr
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Josh9 : 
21.01.2010 | 10:51 Uhr
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Josh9 : 
wirklich sehr schöner Blog, bei dem der Fussball aus der Defensive mit den modernen Systemen dargestellt wird.

Nur muss ich auch wie riesery sagen, dass es an dieser Art Fussball zu spielen absolut nichts neues gibt.
Das ist ca. 100 Jahre alt und von daher kein Trend der Zukunft.

Es gibt immer verschieden Philosophien und herangehensweisen.
In den 30er Jahren gab es schon viele Trainer die der Ansicht waren, dass zu viel Ballbesitz nicht gut ist. etc,

Spielerisch limitierte Mannschaften sind eben gezwungen auf diesen Fussball zurückzugreifen.
Das Problem ist einfach daran, dass man immer nur reagieren kann.
Wenn du in Rückstand gerätst, und der Gegner sich mehr und mehr zurückzieht, dann stehen diese Teams oftmals vor unlösbaren Problemen.

Chelsea z.B spielen einfach sehr variabel, aber nicht vorzugsweise auf Konter. Wenn man in Barcelona antritt, dann ist jedes Team gut beraten hier nicht den wilden Max zu machen.
Ansonsten tritt Chelsea zu Hause überaus dominant und beherrschend auf. Erst letztens wieder wie eine Dampfwalze mit 7:2 den Gegner überfahren.
Die Teams die in der CL ganz vorne mitspielen treten dominant auf wenn
es gefordert ist, aber sie können auch genau so gut die Räume verdichten um ein Auswärtsspiel gegentorlos über die Bühne zu bringen
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mrpink27
04.02.2010 | 18:16 Uhr
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mrpink27 : 
04.02.2010 | 18:16 Uhr
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mrpink27 : 
Am beispiel Magath kann man sehen, wie sich ein Trainer an Gegebenheiten anpasst. Er versuch garnicht den Spielern etwas beizubringen, was sie wahrscheinlich eh nie perfekt beherschen werden. Die Spieler müssen körperlich Top-Fit sein, dazu baut er seine Teams auch immer großflächig um. Manchmal frag ich mich wie Magath diese ganzen Leute findet (naja, er hat auch viel Ausschuß). Wenn seine Zeit auf Schalke vorbei ist, dann würde ich ihn gerne mal im Ausland sehen. Ich glaube er würde gut nach England passen, ob es funktioniert bliebe natürlich abzuwarten.
Chelsea spielt sehr variable, mal 4-4-2 (mit Raute), mal 4-3-3 (in der Vergangenheit auch mal ne flache 4) . Die Spiele gegen Barca waren Lehrstunden, von beiden Teams, jeder der sich mal Trainer nennen will sollte u.a. diese Begegnungen analysieren.

Neu erfunden wird aber nur wenig. Alles scheint es schon mal gegeben zu haben, zumindest in ähnlicher Form. Jede Zeit interpretiert es aber neu und anders.
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