13 Siege, 5 Unentschieden, 10 Niederlagen darunter Bremen, Köln, Wolfsburg und nun Ingolstadt. Die Verve von Schalkes angestrebtem Neuanfang unter Andre Breitenreiter ist spätestens nach dem Spiel gegen die Schanzer vom vergangenen Wochenende endgültig versiegt. Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen - mit dem gebürtigen Hannoveraner heuerte auf Schalke ein kommunikativer, junger Coach an, der sich vom vermeintlich nervösen Umfeld nicht verrückt machen lassen wollte. Und fußballerisch sah das auch tatsächlich anfangs anders aus als unter Defensivkünstler Roberto di Matteo. Doch mittlerweile ist Tristesse eingekehrt am Berger Feld.
Es mangelt in allen Mannschaftsteilen
Wie schon in vielen Spielen zuvor wurde auch gegen Ingolstadt deutlich, dass der Defensivverbund den Ansprüchen an die Bundesligaspitze nicht genügt. Aogo, das personifizierte Phlegma. Neustädter, die permanente Gefahrenquelle für die eigene Mannschaft. Matip, der mit seinen Gedanken scheinbar schon auf der Insel ist. Caicara, dessen Offensivdrang oft zu Lasten der defensiven Grundtätigkeit geht. Die Langzeitverletzten Höwedes und Nastasic werden zwar schmerzlich vermisst, doch selbst wenn sie zurückkehren, muss bezweifelt werden, ob die Qualität in der Abwehr ausreicht, um dauerhaft in der Spitze mitzumischen. Schalke wird hier - nicht nur wegen des Abgangs von Matip - im Sommer auf dem Transfermarkt tätig werden müssen, wenn man sich wieder Richtung Champions League orientieren will.
Im Mittelfeld ruhen Hoffnungen und Erwartungen auf den vielen jungen Spielern, die entweder der eigenen Jugendabteilung entstammen oder als fertige Profis transferiert wurden. "Quarterback" Johannes Geis und Leon Goretzka liefern, haben aber durch Sperren und Verletzungen den Rhythmus wieder verloren. Pierre-Emile Höjbjerg scheint mit der eigenen Zukunftsplanung ebenfalls noch nicht durch zu sein.
Auch die Offensivabteilung hängt mittlerweile durch. Die Dauerflaute der nominellen Stürmer Huntelaar und di Santo, beide mit gut dotierten Verträgen ausgestattet, sorgt intern wie im Umfeld für massive Unruhe. Huntelaar, der die Mannschaft in Abwesenheit von Kapitän Höwedes oft aufs Feld geführt hat, ist mittlerweile nur noch Bankdrücker. Selbst di Santo, der in 25 Ligaspielen nur 2 Tore erzielt hat, hat dem niederländischen Internationalen mittlerweile den Rang abgelaufen, der auch in der Länderspielpause demütig mit ansehen musste, wie er nicht einmal in den Testspielen zum Einsatz kam. Der Hunter wirkt nachdenklich und genervt von seiner eigenen Situation - vielleicht auch, weil er mittlerweile selbst nicht mehr hundertprozentig davon überzeugt ist, dass er mit seinen 32 Lenzen noch die Power hat, die er für sein Spiel braucht. Der einst überragende Goalgetter macht einen frustrierten Eindruck, weil er ins Mannschaftsspiel kaum eingebunden wird.
Jugend forscht(e)
Doch auch Schalkes vermeintlich famose Jugendabteilung im Profikader mit Kalibern wie Leroy Sane oder Max Meyer kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ursprüngliche Frischzellenkur, die Andre Breitenreiter dem deprimierten Kultclub aus dem Pott injizierte, ihre Wirkung verloren hat. Fußballerische Rückfälle in schlimmste di Matteosche Zeiten, Fünferkette und Defensivchaos, Plan- und Hilflosigkeit im eigenen Spielaufbau und vor allem eine fast schon pathologische Tendenz, psychisch einzubrechen, sobald der Spielverlauf nicht im Einklang mit der eigenen Planung steht - so muss man leider den derzeitigen Zustand der Schalker Mannschaft beschreiben.
"Breite" muss sich die Frage gefallen lassen, warum sich insofern an dem Zustand nichts geändert hat, der schon unter di Matteo oder Keller vorhanden war. Auch lässt sich nur bedingt nachvollziehen, dass Horst Heldt und andere Vereinsfunktionäre Breitenreiter öffentlich von der Kritik ausnehmen und immer wieder die Mannschaft und ihre einzelnen Spieler in die Pflicht nehmen. Es liegt in Breitenreiters Macht und Verantwortung, mannschaftsinterne Prozesse anzustoßen, um die Entwicklung von Führungsspielern und die einer Mannschaftskultur voranzutreiben. Er ist derjenige, der durch Trainingsarbeit, Gespräche und Personalauswahl die wesentlichen Entscheidungen trifft. Er ist aber vor allem derjenige, der zu Saisonbeginn vollmundig ankündigte, man wolle die Herzen der Fans durch guten Fußball zurückgewinnen.
Breitenreiters Verzicht auf frühzeitige Wechsel - zuletzt wieder einmal demonstriert beim Ingolstadt-Spiel - lässt sich kaum rational erklären. Noch viel weniger lässt sich aber erkennen, welche Maßnahmen der Trainer nun ergreifen will, wenn Biss, Herz und Einstellung zum Spiel zum wiederholten Mal gefehlt haben. Immerhin gab es nach dem Spiel den sonst üblichen Kreis nicht. Vielleicht ein Anfang einer neuen Phase, in der Breitenreiter genau spüren wird, dass es um die Wurst geht. Oder der Anfang vom Ende?