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08.12.2010 um 09:55 Uhr
Weiter als man denkt II
Viele setzen die Bezeichnung "schwul" in ihrem Sprachgebrauch ja mit einer Beleidigung gleich. Wenn es solche Bezeichnungen, Rufe oder einfach blöde Sprüche gibt, wie reagiert ihr darauf?

Das ist leider ein allgemeines Problem das "schwul" immer negativ besetzt wird. Sei es in der Schule, am Arbeitsplatz oder auch im Stadion. Wenn was schlecht läuft war es "schwul" - warum war es nicht "hetero"? Es wird "schwule Sau" gerufen, warum nicht "Hetero Sau"? Wir sprechen das dann offen an – auch die Fanszene spricht es offen an. In Mainz hört man das inzwischen immer seltener.

Bedeutet also, wenn man merkt, dass es auch gegen die eigenen Leute geht nimmt man schnell davon Abstand?

Ganz genau!

Steckt da eurer Erfahrung nach wirklich immer Homophobie dahinter oder denken viele einfach nicht nach, wenn sie etwas wie "schwule Sau" brüllen?

Meistens denken die Personen nicht nach wenn sie so etwas rufen. Es ist halt "üblich" das zu rufen. Nicht nur im Stadion. Es muss schon viel früher mit Antidiskriminierenden Maßnahmen begonnen werden. Vor allem im Jugendbereich. Die Schulen haben hier auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Es gibt aber im 21. Jahrhundert leider immer noch Menschen die, ich sage es mal so: im Mittelalter stehen geblieben sind. Homosexualität gibt es seit es Menschen gibt! Das sollte jeder endlich akzeptieren das dies ganz normal ist!

Wie sieht es denn so mit euch und anderen Schwulesbischen Fanclubs aus? Gibt es Kontakt oder auch gemeinsame Aktionen?

Wir sind Mitglied im Netzwerk Queer Football Fanclubs (QFF). Hier haben sich derzeit 21 schwul/lesbische fanclubs aus Deutschland und der Schweiz zusammen geschlossen. Ab Januar dann 23 Fanclubs . Wir treffen uns zweimal im Jahr zu einem Gedankenaustausch. Des weiteren beteiligen wir uns mit einem eigenen Wagen am CSD in Köln. Es gibt auch viele bilaterale Treffen am Rande von Bundesligaspielen.

Immer wieder kommt ja das Thema homosexueller Fußballer auf den Tisch. Tim Wiese beispielsweise rät einem Profi ab, sich zu outen, Mario Gomez sieht darin kein Problem und Christoph Daum stellt Homosexualität gleich der Pädophilie gleich. Wie ist das aus eurer Sicht? Sollte ein Profi sich wirklich nicht outen oder sind die Fans da schon weiter, als man es ihnen so zutraut?

Unsere Meinung ist das sich mehrere Profis gleichzeitig outen sollten. Einem alleine raten wir das Outing momentan ab, da sich dann wohl die Presse auf ihn stürzen würde und er von einer Talkshow zur anderen gereicht wird. Bei einem Gruppenouting würde das auf viele Schultern verteilt. Meiner Meinung nach sind die Fans viel weiter als man es annimmt. Wenn sich die ersten Spieler geoutet haben werden viele Fans ihre Sprüche überdenken, die sie ja oft unbewusst machen. Vor 20 Jahren war Rassismus ein großes Problem im Fußball, als die ersten farbige Spieler in der Bundesliga spielten. Heute ist es ganz normal, dass es diese gibt, sogar in der Nationalmannschaft. So wird es sich dann auch mit homosexuellen Spieler entwickeln wenn der Bann gebrochen ist.

Bis heute hat sich ja auch noch so gut wie kein ehemaliger Profi geoutet. Woran liegt das deiner Meinung nach? Angst auf dem Platz kann es ja nicht mehr sein.

Ich denke das viele Angst haben der Erste zu sein. Sie fragen sich wie reagieren die Medien, wie die Mannschaftskollegen, der Verein, die Sponsoren und natürlich auch die Fans. In Gesprächen mit Vereinsvertretern von Bundesligavereinen wurde uns von fast allen gesagt, dass sie auf ein mögliches Outing in ihrem Verein nicht vorbereitet sind. Da setzt aber ein Nachdenken ein. Es gibt Vereine die inzwischen Psychologen eingestellt haben um bei Problemen der Spieler zu helfen. Sei es u.a. bei Depressionen oder bei einem evtl. Outing.

Wie steht der DFB zu eurer Sache?

Vom DFB erfahren wir große Unterstützung. Theo Zwanziger widmet sich den Tabuthemen Depressionen und Homosexualität im Fußball ja sehr. Er ist wirklich ein Glücksfall. Bei seinen Vorgängern wäre das bestimmt nicht möglich gewesen.
Der DFB hat vor einem Jahr einen eigenen Flyer zum Thema Homosexualität im Fußball herausgebracht der bei einem Länderspiel und in den Stadien verteilt wurde. Ebenfalls finanziert der DFB unseren Wagen beim CSD in Köln. Es gab schon 3 Aktionsabende gegen Homophobie an denen immer Vertreter des DFB teilnahmen. Auch Theo Zwanziger hat an einem Abend teilgenommen. Es gibt zu dem einen regelmäßigen Gedankenaustausch mit Vertreter des DFB.


Wagen der Queer Football Fans vom CSD 2009 in Köln

Zum Abschluss, was können sowohl Heteros als auch Homos selbst im Stadion gegen Homophobie unternehmen?

Zivilcourage zeigen! Wenn es homophobe (in meinen Augen sind das menschenverachtende) Sprüche gibt - eingreifen! Darauf aufmerksam machen das Fußball ein Sport für alle ist, egal welches Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung.
Und mehr Sensibilisierung in den Vereinen zu diesem Thema. Es nicht Tabuisieren sondern ansprechen.

Eins noch. Wo landet Maniz 05 am Ende der Saison?

Vor dem VfB.

Danke fürs Gespräch!

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Mehr Infos gibt es hier:

Meenzelmänner Mainz
Queer Football Fanclubs
Aufrufe: 11297 | Kommentare: 62 | Bewertungen: 53 | Erstellt:08.12.2010
ø 9.2
KOMMENTARE
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Reiquaz
MODERATOR
08.12.2010 | 10:58 Uhr
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Reiquaz : 
08.12.2010 | 10:58 Uhr
0
Reiquaz : 
Klasse!!

Richtig gut, das du auch mal aktiv auf Menschen zugegangen bist, die mit diesem Thema täglich zu tun haben. Ich denke dieser Fanclub beweist, wie stark der Zusammenhalt unter den Fans ist un das man sich nicht "schämen" muss sich zu outen.

Ich stelle mir nur die Frage, wäre der Zusammenhalt von Vereinen und Spielern ähnlich? Aber da kann es eigentlich nur eine Meinung geb: JA!! In der heutigen Zeit sollte man nicht mehr auf diesen alten "Pferden" reiten, wo die Homosexuellen ausgegrenzt und verspottet werden.

Ich hoffe es tut sich wirklich mal eine Gruppe von Spielern und oder Funktionären zusammen, die sich gleichzeitig outen. Denn dann wäre der Druck auf den einzelnen nicht so groß un es würde wohl auch mal endlich der Rest der Menschen begreifen, das Homosexuallität nichts "schlimmes" ist und man dafür niemand ausgegrenzt oder diskreminiert werden darf!

Alles in allem ein toller Blog, zu einem schwierigen Thema, 10P
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UliFan
MODERATOR
08.12.2010 | 11:10 Uhr
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UliFan : 
08.12.2010 | 11:10 Uhr
0
UliFan : 
Hast du dein Studienfach gewechselt? Sehr professionell, könnte so glatt in der SZ erscheinen 
Und sehr interessant was der alles über seine Erfahrungen berichtet.
Grundsätzlich glaube ich ist das Thema schon enttabuisierter als noch vor 20 Jahren.Oder regt sich noch jemand über schwule Politiker, Schauspieler etc auf?
Diese müssen aber auch nicht jede Woche in vollen
Fußballstadien ihren Beruf ausüben.
Es ist zwar traurig aber ich würde keinem Spieler raten sich zu outen. Der Ansatz dass sich mehrere zusammentun ist ja gut gemeint aber für mich unrealistisch. Die müssten sich ja erst mal gegenseitig "identifizieren", sich auf das Outing verständigen etc.
Stell ich mir schwierig vor
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Bailey
MODERATOR
08.12.2010 | 11:26 Uhr
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Bailey : 
08.12.2010 | 11:26 Uhr
0
Bailey : 
@Uli

Ich arbeite an meinem zweiten Standbein

Die Frage ist doch gerade die, wenn man in anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Politik oder Entertainment keine Probleme damit hat, warum sollen sie dann gerade im Fußball noch bestehen?
Politik und Showbiz spielt sich ja auch in aller Öffentlichkeit und in der Breite der Gesellschaft ab. Im Grunde genau wie Fußball auch.
Und Politik kann unter Umständen ja ebenso emotionalisiert sein wie es Fußball ist. Aber derlei Verunglimpfungen hört man auch dort nie.
2
GNetzer
08.12.2010 | 11:33 Uhr
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GNetzer : 
08.12.2010 | 11:33 Uhr
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GNetzer : 
Sehr, sehr schöner Blog, Bailey. Und ein wichtiges Thema. Gefällt mir!
2
gartenzwerg
08.12.2010 | 11:40 Uhr
1
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08.12.2010 | 11:40 Uhr
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Prima Interview Bailey!
Ich kannm ich da nur dem UliFan anschließen!
1
UliFan
MODERATOR
08.12.2010 | 11:42 Uhr
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UliFan : @ Bailey
08.12.2010 | 11:42 Uhr
0
UliFan : @ Bailey
Vielleicht weil Fußball immer noch als Sport für "harte" Männer angesehen wird und Schwule da vielen nicht ins Weltbild passen. 

Aber es ist eben evtl doch ein Unterschied ob ein Westerwelle vor ein paar
Hundert Bundestagsabgeordneten eine Rede hält (nicht mal den politischen Gegnern dürften Zwischenrufe a la du schwule Sau auskommen) oder ein schwuler Spieler vor den gegnerischen Fans in einem emotional aufgeheizten Stadion seinem Beruf nachgehen muss 
Vielleicht seh ich's aber auch zu pessimistisch
2
Joga_Bonito
08.12.2010 | 12:00 Uhr
7
-3
08.12.2010 | 12:00 Uhr
-3
Outing = beruflicher Selbstmord

a) gegnerische Fans werden wahrscheinlich nicht zimperlich sein

b) Der wesentlich schwerwiegender Grund wären Gegenspieler, sobald mich ein offizieller "Homo" bei einem wichtigen Spiel nur berühren würde müsste er
sich schon einiges verbal gefallen lassen und das würden mit Sicherheit die meisten machen. Klingt hart ist aber so.
7
Lattenpendler
08.12.2010 | 12:13 Uhr
1
-2
08.12.2010 | 12:13 Uhr
-2
Sehr schöner Blog, könnte so in jeder guten Zeitung in unserem Land stehen.

Ich glaube grade der Punkt das es keine schwulen Profifußballer in Deutschland gibt zeigt doch, wir sind noch lang und weit davon entfernt eine offene Gesellschaft zu sein für solche Themen.
Klar haben wir schwule Politiker und schwule "Stars" in den Medien nur werden die wirklich so richtig akzeptiert?Oder doch eher geduldet?!

Ich glaube das Thema wird noch so lange ein absolutes Tabuthema bleiben bis sich ein Spieler oder Ex-Spieler findet der sich outet, der aber auch absolut Rang und Namen hat.
Erst dann wird die Sache auch offene Ohren finden.

Solange das nicht passiert kann es noch 100schwule Gruppen geben die darauf aufmerksam machen, die will und wird niemand hören wollen.
Warum?
Weil es keine schwulen Profifußballer gibt.
1
Bailey
MODERATOR
08.12.2010 | 12:22 Uhr
0
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Bailey : 
08.12.2010 | 12:22 Uhr
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Bailey : 
@scoobah

Fast so gut wie die Rainbow Borussen aus Dortmund
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fredomat
08.12.2010 | 13:12 Uhr
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fredomat : 
08.12.2010 | 13:12 Uhr
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fredomat : 
Wie diskriminiert sich viele Menschen fühlen müssen;
Im 21 Jahrhundert!

Irgendwo in Deutschland

Dieter:"Bist Du Schwul oder was!??"

Klaus:"Ja. Hast Du ein Problem damit?!!"

Dieter:"Nö. Ich wollte es nur Wissen"

Klaus:"Warum???"


Versuche mir gerade vorzustellen wie ICH reagieren würde auf die Frage:"Bist Du Hetero oder was?"Mit dem Gedanken daran, das es jemanden stören könnte.


Gut gemachter,wie ich finde, mutiger Blog der eine 1o verdient
hat.
2
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