Eigentlich wollte ich zu den neulichen spox-Antirassismustagen noch einen kurzen Beitrag leisten, aber mir wurde schnell klar, dass man sowas nicht zwischen Tür und Angel machen sollte. Deshalb jetzt mit etwas Verspätung noch mal ein paar Zeilen von dem, was mir dazu so durch den Kopf geht.
Rassismus gibt es nicht nur in ostdeutschen Fußballstadien. Wenn meine Arbeitskollegen sich ungeniert darüber aufregen, dass man "Negerkuss" und "Zigeunersauce" nicht mehr sagen dürfe, weil sich die betroffenen Minderheiten darüber echauffierten, dann ist das per Definition genau so rassistisch wie ein "JuDen"-Banner mit Dynamo-D im Cottbusser Fanblock oder die Affenlaute, die sich Danny da Costa kürzlich von einigen Zuschauern in Ingolstadt anhören durfte. Machen wir uns nichts vor: alltäglicher Rassismus, Ressentiments gegenüber "den" Türken oder "den" Russen sind nicht nur salonfähig, sondern gehören überall zum Alltag. Gemeinsame Feindbilder zu haben, macht es dem Menschen einfacher, seine Aggressionen zu kanalisieren. Dabei gilt: je einfacher, desto besser. Je simpler und naheliegender das Feindbild ist, desto effektiver ist das Hassen. Schalker gegen Dortmunder. Deutsche gegen Ausländer. Eingeborene gegen Zugewanderte. Weiße gegen Schwarze. Frauen gegen Männer. Juden gegen Nazis.
Hält man Menschen einen Spiegel vor, weisen sie oft jede Schuld von sich. Man sei doch kein Rassist, aber das werde man ja wohl in Deutschland noch sagen dürfen. Dass beispielsweise "die Ausländer" in die Sozialsysteme zuwandern. Es gibt zwar keine Zahlen, die das belegen, aber die Angst vor der Finanzkrise und ihren Folgen gibt auch Rattenfängern vom rechten Rand vor der Bundestagswahl massiven politischen Aufwind. Eine Entwicklung, auf die Gesellschaft und Politik keine Antwort finden, und mit der deshalb auch viele Fußballvereine allein gelassen werden. Umso wichtiger wäre eigentlich die antirassistische Arbeit in den "kleinen" Vereinen, wo Mädchen und Jungs sozusagen "von klein auf" in Mannschaften spielen, in denen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zur Normalität gehören. Wir zahlen heute die Zeche dafür, dass es seit Jahren und Jahrzehnten zu wenig Integrationsarbeit in unserem Land gegeben hat.
Dabei hört man häufig den berühmten Satz, dass Integration keine Einbahnstraße ist. Genau das verlangen aber viele von "den" Ausländern. Die sollen sich gefälligst anpassen. Die sollen nicht ihr Essen essen und nicht ihre Musik hören und nicht ihre Sprache sprechen. Die sollen sich anpassen. Damit wir uns nicht anpassen müssen. Und wenn sie das nicht wollen, dann sollen sie halt wieder zurück gehen. Dahin, wo sie hergekommen sind. Weil es ja angeblich überall Parallelgesellschaften gibt. Früher war Kreuzberg dafür verschrieen, heute sind es andere Stadtviertel in den Großstädten, aber das Prinzip bleibt gleich: die Deutschen haben schreckliche Angst vor dem Unbekannten, vor dem, was sie nicht verstehen, vor dem, was sie nicht kennen. Und die meisten wollen das auch gar nicht erst kennenlernen, sondern fühlen sich in ihrem bierfurzsauren Orkus der Gemütlichkeit (diesen Ausdruck habe ich soeben frecherweise von Jochen Malmsheimer gestohlen) ganz wohl.
Das gilt im übrigen auch für den Fußballplatz. Wenn Peter Peters etwa darüber berichtet, dass Kevin-Prince Boateng auch wegen des Rassismusproblems in der Serie A wieder in die Bundesliga wollte, dann habe ich für eine solche Entscheidung vollstes Verständnis. Eine offene, multikulturelle Gesellschaft ist eben auch ein Wirtschaftsfaktor, ein Pluspunkt, fleischgewordene Attraktivität einer Liga und eines Wettbewerbs. Danny da Costa, Gerald Asamoah und andere "Undeutsche" können aber leider eben auch ein Lied von ausländerfeindlichen Strömungen in den höchsten deutschen Spielklassen singen. Es bedarf deshalb auch weiterhin des mutigen Einschreitens auf allen Steh- und Sitzplätzen, bei der An- und Abreise und in allen anderen Lebenssituationen. Es ist eben nicht "irgendwann mal Schluss" mit der Arbeit gegen Vorurteile, sondern diese Arbeit geht weiter... immer weiter. Immer.
Was also sollen wir tun? Vor allem sollten wir aufhören, so zu tun, als würde das Leben vor dem Stadiontor haltmachen. Wenn ich einen Satz wie "Politik gehört nicht ins Stadion" lese, möchte ich am liebsten meinen Kopf immer wieder vor die Wand ballern - denn das Stadion ist mit Menschen gefüllt, die alle eine Meinung zu irgendwas haben. Wir erleben in Zeiten aufflammender Polizeigewalt und immer instabiler werdender politischer Verhältnisse im Gegenteil gerade, dass man sich GANZ BESONDERS im Stadion zu den Themen, die Fans und Menschen allgemein beschäftigen, äußern darf und kann und sogar sollte. Wenn in Dortmund und Gelsenkirchen etwa Hunderte von Menschen durch Polizeieinsätze verletzt werden, die selbst die Vereinsführungen als unverhältnismäßig kritisieren, dann darf das nicht einfach hingenommen werden. Wenn Fußballer wegen ihrer Hautfarbe oder wegen ihrer sexuellen Orientierung oder anderen Dingen, für die sie nichts können, beleidigt und schikaniert werden, dann dürfen wir das nicht hinnehmen. Und "wir" sind in diesem Fall alle, die ins Stadion gehen. Und alle, die am Fernseher mitfiebern. Und alle, die mit Kollegen oder im Familienkreis darüber sprechen. Ein deutliches Wort gegen Diskriminierung, gegen diskriminierende Sprache, gegen diskriminierende Gesten - das sind Dinge, die wir alle tun können, ohne dass uns ein Zacken aus der Krone bricht. Zumindest ist es ein Anfang, wenn es einer tut. Ich fang mal damit an.
Inhaltlich gut geschrieben.
Aber ein Thema würd ich gern aufgreifen. Du schreibst von "den"Türken.
Ich kann mir nicht helfen, aber wann immer ich in Jugendbereichen verschiedenster Städte von Problemen höre, sind türkische Mitmenschen im Zentrum.
Da gibt es teilweise eine niedrige Hemmschwelle zur Agression, ein hohes Gewaltpotential und viel altertmliches Gruppengebilde.
Es ist schwierig diese Gruppen zu thematisieren, denn egal wie man sie anspricht/ausspricht, es klingt immer unterschwellig rassistisch.
Klar kann ich sagen "Das Gewaltproblem in Berliner Ballungszentren geht zu großen Teilen von den Türken aus".
Wenn ein Problem besteht, muss man es auch ansprechen dürfen, ohne deswegen gleich in eine braune Ecke abgeschoben zu werden.
Warum es diese Probleme gibt, sei an dieser Stelle einmal außer Acht gelassen, aber um den Jugendlichen zu helfen, um die Situationen Entspannung zu versorgen .. dann muss man sie ansprechen dürfen!
Nur wird oft von den Türken gesprochen, obwohl erstmal genrell ein Südländer damit gemeint ist und "der" Türke wird an dunklen Haaren und braun gebrannt festgemacht.
Z.B. bei uns Bremen spricht man häufig auch von den Türken, nur zeigen die Statisken häufig, dass damit eher "die" Libanesen gmeint sind und ich glaube, dass war mit "den" Türken gemeint.
Insofern: danke, PaNda, "die" Südländer gehören natürlich generell auch in die Kategorie. Kumpel von mir "sieht aus wie'n Türke", ist aber Halbamerikaner (Papa Ami, Mama Deutsche), muss sich aber schon zeit seines Lebens anhören, dass er ja ein "Ölauge" sei. Super, ne?
Deswegen schrieb ich "schwieriges Thema", weil es eben so ist, dass wenn MenschX von "den" Türken spricht, nicht das selbe gemeint ist, wie wenn MenschY von "den" Türken spricht.
Im Umkehrschluss ... du verallgemeinerst da oben also auch ... wenn ich wöllte, könnt ich dir die Worte jetzt so lange im Mund rumdrehen, bis auch deine Wortwahl rassistisch klingt ;)
Ich habe mir den Vorsatz gegeben, bei einem zweideutigen Ausspruch immer erst einmal die nicht-bösartige Deutung zu vermuten.
Ob ich da naiv bin? wer weiss ...
@trabajador
Das ist das Problem, wenn man die 35 Jahre Marke schon überschritten hat.
Ich habe nichtmehr den Bezug zu Nachtklubs, dafür aber zur Schule meiner Kinder.
Ich "hänge" nicht in Straßenvierteln rum, würde aber gern mal wieder gefahrlos mit meiner Frau einen Abendspaziergang machen.
Und ja, ich weiss, Nachrichten sind nicht immer Objektiv, aber wenn ich die letzten Jahre mal so Revu passieren lasse, fallen mir einige Gewaltprozesse ein, wo türkische Jugendliche im Täterbereich beteiligt waren.
Wie soll ich das ignorieren?
Ich versuche zu glauben, dass dies eine Minderheit ist, dass der Großteil nett und sozial ist, dass viele Menschen aus diesem Umfeld eher unauffällig und glücklich leben, wie jeder andere.
Aber die Statistiken sagen etwas anderes. Leider.
Oder hat du schonmal von einem Dänen gehört, der auffällig geworden ist? Einem Italiener? einem Puertoricaner? einem franzosen?
Ich bin mit sicherheit der größte Nazi-Hasser der Welt, diese braunen Idioten sind das schlimmste was unserem Land passieren konnte.
Aber das Problem der agressiven türkischen Jugend lößt sich dadurch nicht auf.
Du verlässt dich also tatsächlich auf die "Berichterstattung" der "objektiven" Journalisten? Wie du schon richtig geschrieben hast, steht da nie "ein Däne", "ein Niederländer" oder "ein Franzose" bei den Berichten. Da steht dann einfach GAR NICHTS bei. Kaum ist es aber jemand mit "südländischem Aussehen" oder "russischem Akzent", steht's wie selbstverständlich dabei. Auch das ist alltäglicher Rassismus.
Was du beschreibst, ist "gefühlte" Ausländerkriminalität, ein gutes Beispiel für ganz alltäglichen Rassismus in unserer Gesellschaft. Ohne bewusstes Nachdenken und Bewusstmachen der Existenz wird sich in keinem Kopf etwas ändern. Übrigens ist auch "die aggressive türkische Jugend" nichts als ein ganz plattes Ressentiment. Ich kenne kaum aggressive türkische Jugendliche. Die, die ich kenne, sind alle sehr nett. Gilt auch für die meisten Russlanddeutschen. Gibt natürlich auch Arschlöcher darunter. Aber das gilt für die "richtigen" Deutschen auch. Und nun?
Ich wollte sachlich debattieren, aber wenn du mich jetzt als Rassisten beleidigst, weil ich meiner Wahrnehmung traue, dann ist die Debatte hier beendet.
Etwas Objektivität würde dir gut tun. ;)
Solange keine Täterbeschreibungen in den Medien enthalten sind, zb da diese flüchtig sind, findet sich auch kein "südländisch" o.Ä. im Artikel. Ist dies der Fall werden eben Merkmale genannt, an denen man den Täter identifizieren könnte. Die Hautfarbe, so sie denn vom Großteil der Bevölkerung abweicht, ist dabei ein herausragender Indikator, ganz objektiv gesehen.
Ob Rodnox' wahrgenommene Ausländerkriminalität und -gewalt nur gefühlt ist, weiß ich nicht. Laut verschiedenen Untersuchungen, zb auch von BKA und dem Innenministerium, werden Ausländer aus einigen Staaten und solche Deutsche, deren Vorfahren aus diesen Staaten stammen, tendenziell mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit wegen Körperverletzung verurteilt als der Bevölkerungsdurchschnitt.
Falsch ist natürlich der rassistische Schluss, einen Zusammenhang mit dem Migrationshintergrund bzw. Genpool herstellen zu wollen. Von der Hand zu weisen ist Rodnox' "Gefühl" allerdings nicht.
Als Hauptgrund für diese statistische Auffälligkeit wird in der Regel die tendenziell größere Zugehörigkeit für tendenziell gewaltbereiteren Unterschied angeführt, was meines Erachtens auch schlüssig ist.
Und zum Blog:
"dann ist das per Definition genau so rassistisch"
Rassismus ist die Unterteilung in Gruppen nach vorgeblich genetisch bedingten Merkmalen, auf die dann einzelne Eigenschaften verallgemeinert werden.
Was ist daran also per Definition rassistisch?
Ansonsten gehe ich mir dir großteils konform