02.04.2012 um 14:40 Uhr
Willkommen in Deutschland 2
Station 1: Mecklenburg-Vorpommern
Terrornächte in Lichtenhagen
Wir schreiben das Jahr 1992. Es sind die Tage vom 22. bis 26. August die einen bis dato unscheinbaren Rostocker Stadtteil weltberühmt machten. Die fremdenfeindlichen Pogrome, die in den Brandanschlägen aufs „Sonnenblumenhaus" gipfelten und die tausenden frenetisch applaudierenden Schaulustigen, all diese Bilder gingen um den Globus. Politisch scheint sich die Lage in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen zwanzig Jahren zusehends dramatisiert zu haben. Während die NPD (Nationaldemokratische-Partei-Deutschland) damals noch im Tal der Bedeutungslosigkeit steckte, ist Sie nun bereits in der zweiten Legislaturperiode im Schweriner Landtag vertreten.
Auch wenn das Wahlergebnis aus dem letzten Wahljahr 2011 im Vergleich zur Landtagswahl 2006 eine positive Tendenz besitzt (von 7,3 % auf 6%), sind die Wählerstimmen immer noch hauptsächlich ein Indikator für Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit.
Die Causa Asamoah
Bringt man das Thema Rechtsextremismus mit dem Fußball in Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung, richtet sich das Augenmerk vor allem auf den zuletzt häufig in die Kritik geratenen Traditionsverein FC Hansa Rostock. Es war der 10. September 2006, nur wenige Wochen nach der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land, als es beim Pokalspiel der Amateure des FC Hansa Rostock gegen den FC Schalke 04 zur massiven ausländerfeindlichen Vorfällen gegenüber Gerald Asamoah kam. Der ehemalige Nationalspieler wurde bei jeder Ballberührung mit „Urwaldgeräuschen" verhöhnt. Der damalige Schalke Trainer Mirko Slomka reagierte entsetzt: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so etwas noch gibt. Es ist beschämend und abstoßend". Auch der frühere Hansa-Manager Stefan Studer wirkte konsterniert und ließ unmittelbar nach der Partie verlauten "Ich war direkt nach dem Spiel in der Schalker Kabine und habe mich bei Gerald Asamoah, Mirko Slomka und Andreas Müller entschuldigt. Die Entschuldigungen wurden akzeptiert."
Dieses Ereignis bedeutete für die Hanseaten nicht nur eine harte finanzielle Sanktionierung, sondern vor allem einen herben Imageverlust. Noch heute wird der Rostocker-Anhang mit rechten Gruppierungen in Verbindung gebracht. Dies tat auch der populäre NPD-Politiker Udo Pastörs, der versuchte sich mit einer ca. 15 köpfigen Gefolgschaft zutritt zum 3.Liga Spiel Hansa Rostock gegen TuS Koblenz zu verschaffen, um sich und seine Partei zu propagieren. Allerdings wurden ihm und seinen „Gesinnungs-Kollegen" dieser Auftritt von Rostocker Ultras verwehrt, Pastörs wurde am Besuch des Spiels mit „schlagkräftigen" Argumenten gehindert.
Doch widmen wir uns nun den Jugendbereichen. Kein Bundesland hat derzeit mit solch expansiven Jugendproblemen zu kämpfen, wie Mecklenburg-Vorpommern. Nirgendwo verlassen prozentual gesehen so viele Schüler die Schulen ohne Abschluss und die Abiturienten-Rate belegt im Bundesdurchschnitt nur einen der hinteren Plätze. Die Jugend auf den dürftig besiedelten Landstrichen gerade im Osten des Bundeslandes zeichnet sich vor allem durch Glatzen, Springerstiefel, Thor-Steinar Klamotten und bissigen Parolen aus. Ausländer sind verhasst in diesen Kreisen, linksgerichtete werden dumpf als „Zecken" bezeichnet. Doch wie ist die Lage auf den Fußballplätzen? Ich treffe den 17-jährigen Deutschtürken Deniz K. in der nähe der Kleinstadt Demmin.
Ein trauriges Schicksal
Deniz ist ein stattlicher junger Mann, kurz geschorene dunkle Haare, einen leichten Bartansatz. Er ist groß und schlaksig. Der Kontakt kam durch einen Kumpel von mir zustande, der über mein Vorhaben informiert war. Seit 14 Jahren lebt Deniz nun schon in einem kleinen Ort, unweit des Flusses „Trebel". Gebürtig stammt er aus Wetzlar, seine Eltern verließen jedoch die Stadt mit der Hoffnung, sich im Nordosten der Republik eine neue Existenz aufzubauen. Mit sechs Jahren fing er an in einem Dorfverein Fußball zu spielen, er fand trotz seiner kulturellen Unterschiede früh Freunde, mit denen er zweimal die Woche trainierte und auch ansonsten wurde jeder sonnige Tag zum kicken auf dem Bolzplatz genutzt. Er erinnert sich gern an die Kindheit, Beleidigungen aufgrund seiner Hautfarbe und seiner religiösen Bekennung zum Islam hätte es zwar schon damals gegeben, aber sie seien „typisches Klassenraumgespött gewesen" so Deniz. Ich frage ihn daraufhin, wie es heute aussieht mit dem Fußball in seinem Leben. Ihn scheint die Frage persönlich zu treffen. Sein blick wendet sich ab, er betrachtet nun den Boden. Fast flüsternd entgegnet er mir, dass er keinen Fußball mehr spiele. Ich frage ihm warum er das nicht mehr täte. Deniz Antwort ist kurz und prägnant: „Hass und Gewalt".
In der D-Jugend fing es bereits an, wüste Beschimpfungen gegen ihn und seine Familie und Drohungen von Gegenspielern begleiten damals fast jedes seiner Spiele. Auch die körperliche Gewalt intensivierte sich mit der Zeit. Die Nickligkeiten gegen ihn nahmen zu, die Foulspiele wurden plumper und rüder. Er erinnert sich an eines seiner letzten Spiele, vergangenes Jahr im April. Es war ruhiger als sonst, das Spiel zwar umkämpft aber weitgehend fair. Doch dann schoss Deniz, der sich nicht ganz ohne Stolz als ein „schneller und dribbelstarker" Stürmer bezeichnet, zwei Tore. Nach dem zweiten Torjubel merkte er wie der Kapitän der gegnerischen Mannschaft auf ihn zukam und ihm eine Drohung ins Ohr flüsterte, die er mir nicht wort-wörtlich wiedergeben möchte. Das Spiel beendete Deniz an diesem Nachmittag nicht.
"Sobald es geht"
Zwei Wochen später konnte er wieder spielen, doch ein gegnerischer Spieler bereitete nach nur zehn Minuten seinem Einsatz ein Ende. „Der Ball war weg, dann machte es rumms" so sein O-Ton. Eine Entschuldigung blieb aus, am Boden liegend hörte er nur noch das triumphale Gelächter des Täters, der ohne Karte davon kam- der Schiedsrichter „hätte nichts gesehen". Deniz verbrachte die nächsten zwei Wochen in einer Klinik, sein Wadenbein war gebrochen. Zur seiner großen Enttäuschung kam keiner seiner Teamkollegen in den kommenden Wochen zu Besuch, sie ließen ihn offenbar hängen. Ich frage ihn nach seiner Zukunft- er spricht von seinem Abitur, dass er sich durchboxen wolle und zurück in die alte Heimat gehen möchte. Meine letzte Frage dreht sich dann wieder um den Fußball: „Wann er denn wieder mit dem Fußball spielen anfangen wolle?". - „Sobald es geht" sagt er leise, seine Augen scheinen sich zu feuchten. Wir verabschieden uns- es ist ein beherzter Handschlag. Ich sehe noch aus dem Augenwinkel wie er weiter geht- oder besser gesagt weiter humpelt…
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Terrornächte in Lichtenhagen
Wir schreiben das Jahr 1992. Es sind die Tage vom 22. bis 26. August die einen bis dato unscheinbaren Rostocker Stadtteil weltberühmt machten. Die fremdenfeindlichen Pogrome, die in den Brandanschlägen aufs „Sonnenblumenhaus" gipfelten und die tausenden frenetisch applaudierenden Schaulustigen, all diese Bilder gingen um den Globus. Politisch scheint sich die Lage in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen zwanzig Jahren zusehends dramatisiert zu haben. Während die NPD (Nationaldemokratische-Partei-Deutschland) damals noch im Tal der Bedeutungslosigkeit steckte, ist Sie nun bereits in der zweiten Legislaturperiode im Schweriner Landtag vertreten.
Auch wenn das Wahlergebnis aus dem letzten Wahljahr 2011 im Vergleich zur Landtagswahl 2006 eine positive Tendenz besitzt (von 7,3 % auf 6%), sind die Wählerstimmen immer noch hauptsächlich ein Indikator für Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit.
Die Causa Asamoah
Bringt man das Thema Rechtsextremismus mit dem Fußball in Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung, richtet sich das Augenmerk vor allem auf den zuletzt häufig in die Kritik geratenen Traditionsverein FC Hansa Rostock. Es war der 10. September 2006, nur wenige Wochen nach der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land, als es beim Pokalspiel der Amateure des FC Hansa Rostock gegen den FC Schalke 04 zur massiven ausländerfeindlichen Vorfällen gegenüber Gerald Asamoah kam. Der ehemalige Nationalspieler wurde bei jeder Ballberührung mit „Urwaldgeräuschen" verhöhnt. Der damalige Schalke Trainer Mirko Slomka reagierte entsetzt: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so etwas noch gibt. Es ist beschämend und abstoßend". Auch der frühere Hansa-Manager Stefan Studer wirkte konsterniert und ließ unmittelbar nach der Partie verlauten "Ich war direkt nach dem Spiel in der Schalker Kabine und habe mich bei Gerald Asamoah, Mirko Slomka und Andreas Müller entschuldigt. Die Entschuldigungen wurden akzeptiert."
Dieses Ereignis bedeutete für die Hanseaten nicht nur eine harte finanzielle Sanktionierung, sondern vor allem einen herben Imageverlust. Noch heute wird der Rostocker-Anhang mit rechten Gruppierungen in Verbindung gebracht. Dies tat auch der populäre NPD-Politiker Udo Pastörs, der versuchte sich mit einer ca. 15 köpfigen Gefolgschaft zutritt zum 3.Liga Spiel Hansa Rostock gegen TuS Koblenz zu verschaffen, um sich und seine Partei zu propagieren. Allerdings wurden ihm und seinen „Gesinnungs-Kollegen" dieser Auftritt von Rostocker Ultras verwehrt, Pastörs wurde am Besuch des Spiels mit „schlagkräftigen" Argumenten gehindert.
Doch widmen wir uns nun den Jugendbereichen. Kein Bundesland hat derzeit mit solch expansiven Jugendproblemen zu kämpfen, wie Mecklenburg-Vorpommern. Nirgendwo verlassen prozentual gesehen so viele Schüler die Schulen ohne Abschluss und die Abiturienten-Rate belegt im Bundesdurchschnitt nur einen der hinteren Plätze. Die Jugend auf den dürftig besiedelten Landstrichen gerade im Osten des Bundeslandes zeichnet sich vor allem durch Glatzen, Springerstiefel, Thor-Steinar Klamotten und bissigen Parolen aus. Ausländer sind verhasst in diesen Kreisen, linksgerichtete werden dumpf als „Zecken" bezeichnet. Doch wie ist die Lage auf den Fußballplätzen? Ich treffe den 17-jährigen Deutschtürken Deniz K. in der nähe der Kleinstadt Demmin.
Ein trauriges Schicksal
Deniz ist ein stattlicher junger Mann, kurz geschorene dunkle Haare, einen leichten Bartansatz. Er ist groß und schlaksig. Der Kontakt kam durch einen Kumpel von mir zustande, der über mein Vorhaben informiert war. Seit 14 Jahren lebt Deniz nun schon in einem kleinen Ort, unweit des Flusses „Trebel". Gebürtig stammt er aus Wetzlar, seine Eltern verließen jedoch die Stadt mit der Hoffnung, sich im Nordosten der Republik eine neue Existenz aufzubauen. Mit sechs Jahren fing er an in einem Dorfverein Fußball zu spielen, er fand trotz seiner kulturellen Unterschiede früh Freunde, mit denen er zweimal die Woche trainierte und auch ansonsten wurde jeder sonnige Tag zum kicken auf dem Bolzplatz genutzt. Er erinnert sich gern an die Kindheit, Beleidigungen aufgrund seiner Hautfarbe und seiner religiösen Bekennung zum Islam hätte es zwar schon damals gegeben, aber sie seien „typisches Klassenraumgespött gewesen" so Deniz. Ich frage ihn daraufhin, wie es heute aussieht mit dem Fußball in seinem Leben. Ihn scheint die Frage persönlich zu treffen. Sein blick wendet sich ab, er betrachtet nun den Boden. Fast flüsternd entgegnet er mir, dass er keinen Fußball mehr spiele. Ich frage ihm warum er das nicht mehr täte. Deniz Antwort ist kurz und prägnant: „Hass und Gewalt".
In der D-Jugend fing es bereits an, wüste Beschimpfungen gegen ihn und seine Familie und Drohungen von Gegenspielern begleiten damals fast jedes seiner Spiele. Auch die körperliche Gewalt intensivierte sich mit der Zeit. Die Nickligkeiten gegen ihn nahmen zu, die Foulspiele wurden plumper und rüder. Er erinnert sich an eines seiner letzten Spiele, vergangenes Jahr im April. Es war ruhiger als sonst, das Spiel zwar umkämpft aber weitgehend fair. Doch dann schoss Deniz, der sich nicht ganz ohne Stolz als ein „schneller und dribbelstarker" Stürmer bezeichnet, zwei Tore. Nach dem zweiten Torjubel merkte er wie der Kapitän der gegnerischen Mannschaft auf ihn zukam und ihm eine Drohung ins Ohr flüsterte, die er mir nicht wort-wörtlich wiedergeben möchte. Das Spiel beendete Deniz an diesem Nachmittag nicht.
"Sobald es geht"
Zwei Wochen später konnte er wieder spielen, doch ein gegnerischer Spieler bereitete nach nur zehn Minuten seinem Einsatz ein Ende. „Der Ball war weg, dann machte es rumms" so sein O-Ton. Eine Entschuldigung blieb aus, am Boden liegend hörte er nur noch das triumphale Gelächter des Täters, der ohne Karte davon kam- der Schiedsrichter „hätte nichts gesehen". Deniz verbrachte die nächsten zwei Wochen in einer Klinik, sein Wadenbein war gebrochen. Zur seiner großen Enttäuschung kam keiner seiner Teamkollegen in den kommenden Wochen zu Besuch, sie ließen ihn offenbar hängen. Ich frage ihn nach seiner Zukunft- er spricht von seinem Abitur, dass er sich durchboxen wolle und zurück in die alte Heimat gehen möchte. Meine letzte Frage dreht sich dann wieder um den Fußball: „Wann er denn wieder mit dem Fußball spielen anfangen wolle?". - „Sobald es geht" sagt er leise, seine Augen scheinen sich zu feuchten. Wir verabschieden uns- es ist ein beherzter Handschlag. Ich sehe noch aus dem Augenwinkel wie er weiter geht- oder besser gesagt weiter humpelt…
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Aufrufe: 3906 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 7 | Erstellt:02.04.2012
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