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02.04.2012 um 15:07 Uhr
Willkommen in Deutschland 3
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Interview mit einem Sport- & Geschichtslehrer



Ein paar Tage später treffe ich an meiner Schule den Geschichts- und Sportlehrer Thorsten S. Ich kenne ihn seit dem ich das Gymnasium besuche, seit fast acht Jahren also. Ich hatte nie mit Ihm Unterricht, ein Kontakt entwickelte sich durch Flurgespräche- Fußballfans verstehen sich halt. Es ist ein Gespräch, welches sich im Nachhinein in zwei unterschiedliche Themenkomplexe gliedern lässt. Zum einen ist es eine Unterhaltung über die pädagogischen Aspekte des Fußball und der aktuellen Lage in Rostock und Mecklenburg-Vorpommern. Im zweiten Teil ist es mehr eine Reise in die Vergangenheit, ein Eintauchen in die Fußballwelt der DDR.

GJ:: Sehr geehrter Herr S., ich bin froh dass sie sich die Zeit für ein Gespräch genommen haben. Wo befinden sich ihre fußballerischen Wurzeln?

S: Ich komme ja ursprünglich aus dem Magdeburger Raum, an die Küste verschlug es mich erst deutlich später. Fußball gespielt habe ich natürlich von klein auf an, später spielte ich für die HSG Magdeburg in der Studentenliga. Vom sportlichem Niveau vergleichbar mit den heutigen Landesligen.

GJ:: Wie war das sportliche Klima in der damaligen Zeit. Vergleichbar mit der heutigen Aggressivität?

S: Ja natürlich. Der Fußball war auch damals von Ehrgeiz und Rivalität geprägt. Die Spiele waren aber dennoch ausgesprochen fair. Sie müssen wissen, in den unterschiedlichen DDR-Ligen wurde sehr hart und körperlich gespielt- von Tätlichkeiten wie wir sie heute im Profigeschäft häufig miterleben, war damals aber noch nichts zu sehen.

GJ: Aber nun zum Thema, wie wir beide wissen, das Land Mecklenburg-Vorpommern hat mit großen politischen Problemen zu kämpfen. Insbesondere die NPD bereitet Sorgen. Wo sehen Sie die Gründe dafür? Als Geschichtslehrer besteht zwischen Ihnen und der Thematik ja eine gewisse Affinität.

S: Zu aller erst muss Ich sagen, sträube ich mich dagegen, in Sachen Rechtsextremismus und NPD die Menschen in Mecklenburg vorzuverurteilen. Natürlich sind die vielen Wählerstimmen für die NPD erschreckend und traurig, aber meiner Meinung nach wählen nur wenige diese „Partei" aus Überzeugung, schaut man sich manche Regionen in diesem Land an, dann ist es echt erschreckend, wie viele Menschen, egal ob Jung oder Alt mit ihren Problemen alleine gelassen werden. Irgendwo ist ein Kreuz für die Partei wie ein Hilferuf oder Protestschrei zu werten- Fanatiker, die an den gepredigten Schwachsinn der NPD-Politiker glauben, gibt es leider überall in Deutschland.

GJ: Danke für diese sehr ausführliche Antwort. Sie sind ja als Sportlehrer auch sehr interessiert an diesem Problem. Wie ich aus früheren Gesprächen weiß, spielen sie immer noch im „Alten-Herren" Bereich, erleben sie heutzutage auch noch Spiele von Jugendmannschaften?

S: Natürlich tue ich das. Letztens habe ich eine Begegnung in Rostock verfolgt und ich war begeistert. Nicht nur nie die Freude in den Gesichtern der jungen Sprösslinge zu sehen, sondern vor allem den Zusammenhalt in der Mannschaft.

GJ: Das müssen Sie mir aber bitte noch einmal erklären.


S: Es war schön zu sehen, wie die Mannschaften trotz kultureller Unterschiede einen starken Mannschaftsverbund verkörpert haben. Beide Teams bestanden aus Spielern unterschiedlicher Ethnien, sie gemeinsam jubeln und lachen zu sehen war mir eine große Freude. In den Großstädten wird man häufiger Zeuge davon, welch fantastische Kraft der Fußball besitzt.

GJ: Fantastische Kraft?

S: Der Sport überwindet oft Grenzen, die im normalen Leben stark verbarrikadiert sind. Oft hört man ja in den Medienberichten, das z.B. Sportler aus Israel und Palästina Zusammenhalt demonstrieren. Das hört sich jetzt natürlich nicht sonderlich klug an, aber Parallelen sind unverkennbar.

GJ: Zurück zu den Jugend-Begegnungen, keine Spuren von rassistischen Äußerungen?

S.: Keineswegs. Aber dass es so etwas noch zu genüge gibt will ich nicht verneinen, aber in den Mannschaften, indem von Anfang an die Kinder lernen die kulturellen Unterschiede anzuerkennen und ein tolerantes Bewusstsein entwickeln, wird man Fremdenfeindlichkeit nicht finden. Das Problem ist nur, dass viele Mannschaften aus diesen Regionen nicht die Chance haben so etwas Wichtiges zu lernen, da sie nur mit „gleichen" Mitspielern aufwachsen.

GJ: Als Sportlehrer haben sie auch die Chance ihren Schülern ein Gleichheitsgefühl zu vermitteln. Wie ist ihre Taktik dabei?

S: Zunächst einmal muss ich sagen, dass wir an unserer Schule(Dorf-Gymnasium) nur schwer die Möglichkeit dazu haben, weil es nur wenige Schüler mit Migrationshintergrund bei uns gibt. Auch gibt es bei uns keine wirklichen rechten Tendenzen zu beobachten, da die Schüler mit Projekt-Tagen bereits früh mit diesem Thema konfrontiert werden. Tätigt ein Schüler allerdings doch eine unüberlegte Äußerung gegenüber einen seiner Mitschüler, wird dieses Fehlverhalten natürlich umgehend besprochen.

GJ: Herr S., kommen wir noch einmal zurück zum DDR-Fußball. Gab es in der damaligen Zeit Probleme auf dem Feld zwischen Ausländischen Spielern und den Einheimischen?

S: Ein klares Nein, allein deshalb weil es damals noch nicht so war wie heute. Es gab keine Legionäre in dem Maße, wie wir es heute kennen.

GJ: Danke für die Information. Glauben sie dass deshalb auch im Osten die rechten Gruppierungen sich erfolgreicher präsentieren?

S: Es kann natürlich durchaus so sein, aber ich bleibe dabei- die soziale Lage vieler Menschen trägt dazu unmittelbar bei. Man muss auch sagen, es gab damals im DDR-Untergrund schon größere Verfechter-Gruppen von nationalistischen Idealen, doch diese wurden vom Regime hart bestraft.

GJ: Als Paradebeispiel für einen Verein mit großen Problemen in diesem Zusammenhang ist der BFC Dynamo Berlin. War das damals schon zu erahnen?

S: Ganz und Gar nicht. Dieser Verein galt ja intern als Spielzeug der Staatsmacht. Chef vom BFC war ja der langjährige SED-Funktionär Erich Mielke. Deshalb wurde der Verein auch mit viel Argwohn von den DDR-Bürgern betrachtet. Dass ausgerechnet dieser Verein jetzt in so einem Stimmungsumfeld geraten ist, halte ich schon für sehr merkwürdig.

GJ: Vielen Dank für die neu gewonnen Eindrücke. Es war mir ein Vergnügen dieses Gespräch mit Ihnen zu führen.

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Aufrufe: 3021 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 8 | Erstellt:02.04.2012
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