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Von: KEMPERboyd
28.09.2013 | 7718 Aufrufe | 22 Kommentare | 13 Bewertungen Ø 9.2
Das T-Shirt der Schande
Wir sind Balotelli!
Ein Appell an Unbelehrbare

Mario Balotelli polarisiert. Er ist kein Fußballprofi von der Stange. Über ihn kursieren so viele Geschichten, dass er sich verfolgt fühlt. "Why always me?" ist zum geflügelten Wort in Manchester geworden. Vor allem aber taucht sein Name ungewollt immer wieder im Zusammenhang mit einer Volkskrankheit auf, die eigentlich leicht auszurotten sein sollte: Rassismus. In Italien haben jetzt Fans ein T-Shirt mit dem schier unaussprechlichen Satz bedrucken lassen, Balotelli würde auch dann noch stinken, wenn man ihn mit Bleiche waschen würde. Man fragt sich, ob das überhaupt meine oder der Blogleser Aufmerksamkeit verdient. Natürlich nicht. Aber der Frust muss raus.



Man fragt sich, ob das noch witzig sein soll. Fehlgeleitete Kreativität? Hätte man das in konstruktive Bahnen lenken können? Hätte man Choreographien aus dem Einfallsreichtum stricken können, über die wir noch in Jahren gesprochen hätten? Nein. Es ist nicht witzig, nicht kreativ. Es ist nicht mal arm. Es macht betroffen und wütend, mich jedenfalls. Affenlaute oder das N-Wort aus tausenden Kehlen sind schlimm genug. Die Art von homo non sapiens, die sich in der Anonymität der Masse in einem Fußballstadion versteckend aus voller Kehle imitiert, was sie für Primatenschreie hält, wird man wohl nie ganz loswerden. Seine Inhumanität orange auf blau auf Baumwolle zu perpetuieren und in aller Öffentlichkeit gegen Bares feilzubieten, hat eine andere Qualität. Mich hat es schockiert.



Den "Erfindern" sollte man zurufen: Ihr erbärmlichen Wichte. Euretwegen denke ich manchmal, man müsste manche Dinge unbezahlbar machen. Dinge wie Slogans auf T-Shirts drucken zu lassen. Seine beschränkten Vorurteile potentiell Millionen von Menschen zugänglich machen zu können. Früher hätte man dafür einen Fernsehsender kaufen müssen. Heute reicht ein Facebook-Account oder ein Copyshop. Früher hätte man wenigstens seine Identität preisgeben müssen, um unsagbar dumme Stereotypen zu verbreiten. Neger sind nur pigmentgestörte Arier? Schwarze Menschen stinken? Auch nach Behandlung mit Bleichmittel? Habt Ihr mal einen dieser "Untermenschen" persönlich getroffen? Wo seid Ihr zur Schule gegangen? Wie viele synthetische Drogen muss man konsumieren, um so einen Schwachsinn von sich zu geben? Wie wenige Hobbys muss man haben, bevor man in einen Copyshop geht und ein T-Shirt mit so einem geistigen Dünnpfiff bedrucken lässt? Ihr macht mich krank.



Und komme mir keiner mit gesellschaftlichen Fehlentwicklungen oder irgendeinem Soziologengeschwurbel. Keine üble Kindheit, keine Jugendarbeitslosigkeitsquote, keine Fehlerziehung kann das erklären. Ich weiß, dass der Bruder von Berlusconi abfällig über Mario B. gesprochen hat. Das ist aber keine Rechtfertigung. Das ist zu verurteilen und nicht nachzumachen. Jede totalitäre Ideologie ist eine geistige Krücke für Schwache und Schwachsinnige. Rassismus ist der Gipfel der Schwäche. Wie viel intellektuelle Verwesung braucht es, bis man sich seiner eigenen armseligen Existenz versichern muss, indem man Farbige pseudodarwinistisch degradiert? Ihr könntet einem den Spaß am Fußball verleiden. Wenn ich nicht wüsste, dass Ihr auch in Italien immer noch eine Minderheit seid.



Richtig ist: Rassismus ist ein gesellschaftliches, geistiges Krebsgeschwür. Ich halte nichts davon, undifferenziert zu behaupten, es wachse. Ich halte gar nichts davon zu insinuieren, früher habe es das im Fußball nicht gegeben. Das Gegenteil ist richtig. Früher war es noch schlimmer. Affenlaute gegen Anthony Yeboah, Jay-Jay Okocha und Co waren gang und gäbe. "Ajax ist ein Judenclub" hat jeder gehört, der in den 90ern mehr als zehn Spiele im Stadion gesehen hat. Was mich fertig macht, ist, dass das Geschwür unbesiegbar scheint. Dass ausgerechnet im Fußball, dem Spiel, das wie kaum ein anderes Menschen verschiedener sozialer Schichten, Kulturen und Herkunftsländer vereinen kann, solcher Hass verbreitet wird.



All die MRTs in Form von Kampagnen. "Mein Freund ist Ausländer" in den 90ern oder das schlichte, aber ehrenwerte "No to racism" von der UEFA bzw. noch schlichter "Respect" in der Gegenwart scheinen als Frühwarnsystem nicht genug zu sein. All die Berichte über Kevin-Prince Boateng und seinen Auszug aus einem Stadion mitten in einem Testspiel scheinen nicht genug Wind unter die Flügel der geistigen Tiefflieger gepfiffen zu haben.



Krebs kann man besiegen, wenn er früh genug erkannt wird. Gegen Rassismus scheint es keine Chemotherapie zu geben. Eigentlich habe ich das immer gewusst, aber ich habe es verdrängt, habe gehofft, dass die Kampagnen und die Wachsamkeit irgendwann nicht mehr notwendig sein würden. Dass man Spieler auspfeift, weil sie schlecht spielen, Fouls begehen oder Schwalben produzieren. Dass man sie von mir aus beschimpft. Meinetwegen mit nicht druckreifen Worten. Vielleicht nur weil sie das falsche Trikot anhaben oder einfach besser sind als der beste Spieler des eigenen Lieblingsclubs. Aber nicht weil sie schwarz sind, rot, pink oder grün. Sport, vor allem Fußball kann ein Ventil sein, auch für negative Emotionen. Aber ich dachte, er wird nie mehr Plattform für dummdreiste, pseudowissenschaftliche Ideologie.



Ich habe mich getäuscht. Ich bin fassungslos über so viel Ignoranz, Dummheit, Verdorbenheit. So fassungslos, dass ich es mir von der Seele schreiben musste. Den Brüllaffen, die das "Uh, uh" auf den Lippen führen, vor allem den Initiatoren der dämlichsten T-Shirt-Aktion der Fußballgeschichte sage ich, weil ich es nicht besser wissen will: Kehrt um! Lasst es sein! Kratzt den kümmerlichen Rest an grauer Masse zusammen und denkt kurz nach! Nur ganz kurz. Mehr braucht es nicht. Bekennt Euch und widerruft! Nehmt die paar Gramm verbliebenen Anstand und das Herz in beide Hände und spendet die Einnahmen aus dem T-Hemd-Verkauf einem karitativen Zweck. Schwerter werden Pflugscharen. Saulus wird Paulus. Rassisten werden menschlich. Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man. Vielleicht sieht sie sogar den Rassismus auf dem Sterbebett, bevor sie abtritt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Auf dass wir einst im Zusammenhang mit Mario Balotelli über Böller im Badezimmer, als Navi missbrauchte Taxis oder Rauchen auf der Zugtoilette sprechen. Vielleicht sogar über Sport und das EM-Halbfinale 2012, auch wenn es wehtut. Aber nicht mehr über Hautfarbe. Und schon gar nicht über solche T-Shirts.

ø 9.2
KOMMENTARE
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Voegi
MODERATOR
28.09.2013 | 14:08 Uhr
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Voegi : 
28.09.2013 | 14:08 Uhr
0
Voegi : 
hervorragender beitrag, den ich genau so unterschreibe.
für rassismus gibt es keine rechtfertigung, kein wenn und aber. es ist absolut inakzeptabel. im fußballstadion wie auch sonst im leben.

ganz toller und wichtiger blog. danke dafür!
5
Schnumbi
28.09.2013 | 14:22 Uhr
4
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Schnumbi : 
28.09.2013 | 14:22 Uhr
-1
Schnumbi : 
Kann man gar nicht genug loben was du da geschrieben hast.

Ich sage einfach Danke und werde deine Blog weiterleiten, weil es einfach ein zu wichtiges Thema ist.
4
Fussballfan91
28.09.2013 | 16:36 Uhr
1
-9
28.09.2013 | 16:36 Uhr
-9
Das Thema ist zu komplex für euch. Ihr seid mir zu oberflächig, aber was anderes habe ich von euch nicht erwartet.

Ein kleiner Ansatz von mir.
Die Uefa ist gegen Rassismus, aber ist es nicht so das Fußball Rassismus stärkt?
Nationen spielen gegen Nationen, "wir müssen die besten sein" usw.
Sorgt der Fußball nicht für Rassismus?
1
Voegi
MODERATOR
28.09.2013 | 17:25 Uhr
2
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Voegi : 
28.09.2013 | 17:25 Uhr
0
Voegi : 
sorry, aber mit dem argument kann ich gar nix anfangen.
was hat den sportlicher wettkampf mit rassismus zu tun. sorry, aber das ist doch quatsch.
2
ChuckNunnjr
29.09.2013 | 11:20 Uhr
7
0
29.09.2013 | 11:20 Uhr
0
Ein überragender Beitrag. Das nächste Mal aber bitte durchgängig in vierhebigen Jamben und möglichst mit lateinischer Übersetzung, damit auch jene User sich mit dem Thema identifizieren können, die sich nach mehr Tiefe und Komplexität sehnen ;)

Nein, ernsthaft: Danke!
7
trabajador
30.09.2013 | 10:59 Uhr
4
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trabajador : 
30.09.2013 | 10:59 Uhr
0
trabajador : 
Ganz großes Kino!
4
InoDellaJuventus91
30.09.2013 | 13:08 Uhr
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30.09.2013 | 13:08 Uhr
-1
Guter Blog, allerdings denke ich nicht,dass sich einer der in Rom z.B. ins Stadion geht hier ins Spox Forum verirrt und sagt ok ich singe nie wieder gegen Balotelli. Aber ich weiß natürlich warum du ihn verfasst hast. Respekt.
2
DomBlanco
30.09.2013 | 13:15 Uhr
5
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DomBlanco : so wichtig!
30.09.2013 | 13:15 Uhr
0
DomBlanco : so wichtig!
Sehr sehr wichtiger und guter Beitrag! Respekt!

Im Fussball ist kein Platz für Rassimus! Das muss einfach rausgeschrien werden!
Was FF91 da sagt, kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Der Blog ist wirklich alles, aber nicht oberflächlich!
Oberflächlich ist es, den grundsätzlichen Gedanken von Fussball als "Rassismus" zu bezeichnen. Fussball bringt Leute aller Schichten und Nationalitäten zusammen.
Natürlich bleibt stehts der Siegeswille den jeder Profifussballer haben muss aber am Ende stehen Teams aller Länder auf dem Platz und werden von Menschen aller Länder bejubelt.
Das beste Beispiel war die WM 2006.
Deutschland ist ein mulitkulturelles Land, das bei dieser WM ein ganzes Stück zusammengerückt ist. Tausende von Leuten aller Nationalitäten verfolgten die Spiele auf Public Viewing Leinwänden. Tausende jubelten und trauerten zusammen - ich kann dabei keinen Rassimus sehen um ehrlich zu sein.
Nationalmannschaften sind der Querschnitt der Gesellschaft und ich für meinen Teil kann sagen, das mir Fussball enrom geholfen hat andere Nationalitäten kennen zu lernen und alle im Raum stehenden Vorurteile über Bord zu werfen.
Wovon du sprichst, das ist der allgegenwärtige Konkurrenzgedanke im Profisport, welcher aber keinesfalls mit Rassimus verwechselt werden darf.
Vielleicht verbanalisiere ich das jetzt ein wenig aber bin ich ein Rassist, nur weil ich eine Arbeitstelle haben möchte, auf die sich auch ein türkischstämmiger Mitbürger beworben hat?
Ich denke nicht!

Jeder kann natürlich selbst entscheiden was er als Rassismus sieht, ich für meinen Teil finde die Aktion dieser "kleinen Wichte" Menschenverachtend und traurig.
Und um es mit deren Worten zu sagen: Unbelehrbare Untermenschen!
5
MiaSanMia1988
30.09.2013 | 13:18 Uhr
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30.09.2013 | 13:18 Uhr
-8
Kommentar von SPOX gelöscht
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DomBlanco
30.09.2013 | 13:23 Uhr
5
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DomBlanco : 
30.09.2013 | 13:23 Uhr
0
DomBlanco : 
wobei man auch darauf achten sollte, nicht selbst in die rassistische Richtung zu kommen @MiaSanMia
Nur weil es in Italien desöfteren dazu kommt, sind nicht alle "italienischen Fans drecks rassisten"
so drehen wir uns im Kreis
5
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