Jetzt ist er da. Anderthalb Jahre hat's gedauert. Lewandowki unterschreibt. In echt. Wirklich. Der Vorhang fällt. Das Theater ist zu Ende. Das Bundestagswahlergebnis 2013 ist zwar Stand 04.01.2014 eine deutlich exklusivere Meldung als der Friedrich Wilhelm des Polen unter einen Arbeitsvertrag beim FC Bayern. Was aber niemanden daran zu hindern scheint, breaking news zu stricken. Der Mehrwert: wir alle kennen jetzt die Bäckerei im Gebäude der Praxis von Müller-Wohlfahrt. Lewandowski betreibt ein Korsettgeschäft (https://twitter.com/DanielRathjen/status/419772412239302657). Und trägt Wollmütze. Spektakulär!
Fußball Bundesliga *24.08.1963 gest. 04.01.2014
Die Bundesliga kann sich einbuddeln. 2014 wird es bei der Schalenübergabe schneien. Nächste Saison bringt das Christkind die Meisterschaft. Der stärkste Stürmer vom stärksten Konkurrenten. Für lau und bis 2019. Der fünfte Reiter der Liga-Apokalypse ist auf sein Pferd gestiegen. Ruhe sanft, deutscher Vereinsfußball. Schon mit 51 von uns gegangen. Oder nicht? Ich habe meine drei Euros vergessen, aber eine perfekte Mannschaft gibt es nicht. Zugegeben, wenige waren näher dran als der Rekordmeister 2013 und Lewandowski macht die Bayern nicht schlechter. Aber das Gerede von der totalen Dominanz ist völlig überzogen.
Zunächst einmal: Lewandowski wechselt zum 01.07.2014. In der bevorstehenden Rückrunde bringt er bestenfalls Unruhe nach München. Das tagelange Mandzukic-Juventus-Pingpong kurz nach Weihnachten ist dem Winterloch geschuldet. Es gibt aber einen Vorgeschmack auf die anstehenden Debatten. Braucht man den Kroaten noch? Was wird jetzt aus Pizarro? Was denken eigentlich die 75 % der Mitglieder des Luxuskaders, die Lewandowski auf der Gehaltsautobahn rechts überholt? Das sind alles keine Fragen, die den FC Bayern ins Wanken bringen. Aber dass der Schütze des 1:0 von Wembley und Kompanie nur auf den nächsten Hochkaräter gewartet haben, wird man wohl nicht behaupten können. Matthias Sammer spricht schon erhobenen Zeigefingers von einem Thema für den Sommer.
Ob der Pole nach München passt? Vermutlich. Mit seinem großen Aktionsradius, der unter Klopp gelernten Arbeit gegen den Ball, der für einen Spieler seiner Physis erstaunlichen Technik und der relativ hohen Spielintelligenz könnte er eine Züchtung aus dem imaginären Guardiola-Labor sein (wenn er 20 Zentimeter kleiner wäre). Aber grau ist alle Theorie. Drei Euro, kling. München ist anders, kling. In einer Stadt, in der der Einkaufsbummel einer Spielerfrau Nachrichtenwert hat, hat Lewandowski bisher nicht gespielt. Er wäre nicht der erste, der genug Talent mit in die bayerische Landeshautstadt bringt und an den äußeren Umständen scheitert. Heute hat Sebastian Deisler Geburtstag. Warum fällt mir das gerade ein? Wahrscheinlich ist ein Flop nicht. Druckresistenz hat RL in den letzten 18 Monaten zur Genüge bewiesen. Zudem erspart er sich der polnische Nationalspieler die strapaziöse WM 2014 nolens volens und kann sich vom ersten Trainingstag an präsentieren. Aber noch hat er keine Minute in rot absolviert. "40 Tore" und "Robert Lewandowski" in einem Satz zu erwähnen, ist nicht nur gotteslästerlich, sondern vor allem voreilig.
"Fußball ist keine Mathematik."
...wusste schon Karl-Heinz Rummenigge. Die Rechnung "Über-Bayern der gerade unterbrochenen Saison plus Lewandowski=unschlagbar" ist einfach falsch. Schon weil der unberechenbare Sport mit dem runden Leder eben etwas anderes als eine Zahlenkolonne ist.
Und bei aller Qualität darf man die Charakterfrage schon stellen. Es ginge zu weit, über einen faulen Apfel im makellosen Teamchemie-Korb zu fabulieren. Und Ferndiagnosen über die Persönlichkeit eines Spielers sind genauso unzuverlässig wie in der Medizin. Aber dass Lewandowski auch nur einen Finger gerührt hätte, um die von seinen Beratern zeitweise aufgeführte Wechsel-Farce zu beenden, ist nicht überliefert. Nur nebenbei: die im Sommer angekündigte Überführung von Herrn Watzke als Lügner steht bis heute aus. Die ganze Geschichte der angeblichen mündlichen Transferzusage ist im übrigen eine Wiederaufführung. Posen, Dortmund und demnächst in einem Theater in ihrer Nähe? Lewandowski unterschreibt für fünf Jahre. Von einer Ausstiegsklausel habe ich nichts gehört. Aber man muss hoffen, dass die Bayern-Verantwortlichen während der Verhandlungen keine interpretierbaren Aussagen über vorzeitge Wechsel gemacht haben. Sie saßen jemandem gegenüber, von dem sein Berater sagt, er wolle "alle zwei Jahre etwas Neues kennenlernen." Ich sags ja nur.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Lewandowski ist eine Verstärkung. Und in aller Bescheidenheit: es gibt nicht so viele Spieler, von denen man das bezogen auf den FC Bayern Stand Januar 2014 behaupten könnte. Und er kommt ohne Ablöse (wenn auch wahrscheinlich gegen erkleckliches Handgeld). Wer jetzt "Koan Lewandowski" in die Bloggosphäre trötet, sollte die Medikamente absetzen. Aber der letzte Schritt zur Perfektion ist er nicht.
Der Teufel ist ein Eichhörnchen
Ich fange jetzt nicht wieder an, Rekorde aufzulisten. Lassen wir's bei "Quintuple" und "Wembley". Die totale Dominanz ist keine Schimäre. Aber bis man ankam, wo man ist, hat man ein Pferd durch eine Rasierklinge ersetzt. Hätte Arsenal an jenem tristen März-Abend 2013 die Nachspielzeit besser genutzt, wäre der Mai nur einer dieser Doubletten-Monate gewesen. Wie 2003, 2005, 2006, 2008, 2010. Hätte der Fußballgott dem FC Bayern ähnlich ins Gesicht gespuckt wie im Finale dahoam, hätte man in Wembley nach 20 Minuten 0:3 zurückgelegen und Franck Ribéry den Halbzeitpfiff frisch geduscht auf der Tribüne erlebt. Ich sage nicht, Bayern habe den europäischen Thron nur mit Glück erklommen. Ich sage nur: auch mit 100 Lewandowskis kauft man nicht Glück, Zufall, Verletzungspech oder einfach eine temporäre Formschwäche aus der Welt.
Sicher, 91 Punkte in der letzten Saison und jetzt schon wieder 44 nach 16 Spielen sind außerirdisch. Nur bei allem Respekt: dass der FC Bayern Augsburg, Hertha oder Hamburg auch mit einer Verletztenliste länger als der Speiseplan eines Sumoringers und 50 Spielen in den Knochen schlägt, ist keine neue Entwicklung. Das kann man beklagen, ist aber logische Konsequenz, wenn man international konkurrenzfähig sein will. Ein europäisches Topteam an der Spitze und dahinter 17 Mannschaften auf Augenhöhe in einer Liga sind nicht zu haben. Und: vom Gipfel geht es nur noch abwärts, kling.
Liest man die Tabelle, scheint vieles klar. Sieben Punkte Vorsprung plus ein Spiel in der Hinterhand lassen scheinbar keine Zweifel offen. Aber: sieben Punkte mehr als der Zweite finde ich nach dieser fast makellosen Hinrunde sogar eher dürftig. Ohne den Leverkusener Winter-Blues und die Dortmunder Verletzungsseuche könnten es sogar noch weniger sein. Immer wenn von der langweiligen Liga die Rede ist, will ich schreien: umgekehrt wird ein Schuh draus, kling. Es war noch nie so schwer, die Liga zu dominieren. Ich habe Meisterschaften mit 63 Punkten gefeiert. Dreiundsechzig! Nicht im Februar. Am Saisonende.
Die beiden Punkterekorde 2012 und 2013 von Dortmund und Bayern waren bis zur Erstellung 40 Jahre alt. Und auch damals wurden sie (nur vom FCB übrigens) im Doppelpack aufgestellt. Ich kann mich täuschen, aber zwischen 1973 und 2012 gab es ein paar spannende Meisterschaftsrennen, oder? Der Alarmismus, mit dem vor Langeweile bis 2050 gewarnt wird, hat keine empirische Basis.
Fazit
Schön, dass Lewandowski da ist. Schön, dass die BILD nochmal alle Absurditätserwartungen übertroffen hat. Schön auch, dass das Theater ein Ende hat. Ich lese lieber Analysen über die Frage, ob er ins Pep-System passt. Oder nur, welche Rückennummer er kriegt als Artikel über mündliche Ausstiegsklauseln, Vorverträge und astronomische Real-Angebote. Er wird Bayern stärker machen. Aber man hat mit ihm kein Handtuch auf den Platz an der Sonne gelegt. Damit es keiner vergisst: es ist erst der 5. Januar, aber Stand heute haben die Bayern 2014 noch nichts gewonnen. Außer einem neuen Spieler im Sommer. Und die Meisterschaften der Jahre 2015 ff. sind sowieso noch nicht entschieden. Oder um mit Aki Watzke zu schließen: "Es wird weiter Fußball gespielt!" In Dortmund. In München. Überall. In der Rückrunde und ab Juli auch.
Davon ist er abgeleitet, wie das Ava auch verrät. Und deshalb: danke, sehr schmeichelhaft
@schnumbi
ist ja für nen guten Zweck
Und wenn Dein Name vom Supersonic Shawn Kemp abgeleitet ist, dann bin ich kurz vorm Heiratsantrag )