27.05.2011 um 21:59 Uhr
Geschrieben von possessionplay
3 Schlüssel für Man. United
Olympiastadion Rom, 27. Mai 2009, Finale der UEFA Champions League:
FC Barcelona bezwingt Titelverteidiger Manchester United mit 2-0. Zwei Jahre später – am 28. Mai 2011 – ist die Chance zur Revanche gekommen für jene Nacht in Rom, als Barca die Wachablösung gelang und endgültig seine internationale Dominanz begann. Doch was hat sich seitdem verändert?
Während United nach letztjährigem Tief nun wieder in die Erfolgsspur gefunden und sich damit zu gewissen Teilen neu erfunden hat, haben sich die Katalanen weiterentwickelt. Besseres Verständnis, passendere Spieler, allgemein und spezifisch weiterentwickeltes System. Die wichtigste Entwicklung innerhalb dieses Systems ist die neue Rolle von Lionel Messi – zum ersten Mal eingesetzt als taktische und am Ende spielentscheidende Maßnahme eben im Finale vor 2 Jahren und anschließend spätestens diese Spielzeit zum Standard geworden.
Messi ist nicht umsonst Weltfußballer und Topscorer in La Liga sowie die Torjägerliste in der CL anführend. Doch wenn United Barcelona schlagen will, dann müssen sie nicht (nur) die Frage beantworten, wie man Messi ausschaltet, sondern gegen so viele Gefahrenquellen gewappnet sein, dass man vor einer Herkulesaufgabe (nettes Wortspiel) steht.
Diese Aufgabe konnte im letztjährigen Halbfinale José Mourinho mit Inter lösen, aber dieses Jahr – und das zeigt erneut die stetige Verbesserung Barcelonas – mit Real Madrid – wenn man die 5 Clásicos zusammen nimmt – nur mit Einschränkungen.
Zwei Spiele waren große Enttäuschungen, zwei weitere (wobei man anmerken muss, dass dies die beiden "unbedeutendsten" waren) ausgeglichen und nur eines lief erfolgreich für die Madrilenen ab. Beim 0:5-Desaster im letzten November fehlte die Präsenz im Mittelfeld – auch bedingt durch die Rolle von di Maria, der wie ein 5. Verteidiger spielte und damit weiter vorne fehlte. Beim Sieg in der Copa del Rey war genau dieser dann der Schlüssel zum Sieg – Mourinho zeigte, wo man ansetzen muss: Bei den Außenverteidigern von Barca.
Schlüssel 1: Außenverteidigung
Anders als im Ligaspiel – als di Maria nach hinten gedrückt und zu viel Defensivarbeit gezwungen wurde, was Barca zudem mehr Kontrolle im Zentrum gab und eigene Angriffe schwerer machte – setzte Mourinho im Pokalfinale auf ein Übergeben von Alves zwischen zusammenarbeitenden Spielern und in der Verlängerung endgültig Marcelo im Duell der AVs direkt auf Alves an.
Die Maßnahme war nur logisch: Im Endeffekt sind die beiden Außenverteidiger der Katalanen – sich in ihrem Offensivdrang mittlerweile immer ähnlicher – ihre beiden einzigen Außen, so dass der Gegner die Außenbahn auch nur einfach besetzen muss, eben durch einen eigenen AV. Erfolg hatten die Madrilenen mit der Taktik auch: di Maria wurde nun nicht mehr so nach hinten gedrängt und konnte stattdessen das Siegtor vorbereiten.
Das Spiel AV gegen AV nimmt Barcelona einen Grundvorteil und bildet dafür das grundlegende Element für den eigenen Erfolg, indem es die Bedingungen vereinfacht. Aber wenn man dann auf dieser Basis weiter schaut, dann kommt man um einen Namen doch nicht herum.
Schlüssel 2: Gegen Messi
Es war ein magischer Moment, dieses vielleicht beste Tor der CL-Saison, erzielt durch Lionel Messi, weil es so viel zusammenfasst: Es kam aus dem Nichts und veränderte das Spiel, in welches auch Mourinho wieder involviert war, der Lauf selbst war wie ein Symbol für Barcas Road to Wembley – und es war natürlich typisch Messi: Fallen Lassen, den Ball zwischen den Linien aufnehmen und diesen Raum mit Kreativität füllen.
Doch das Tor fiel nicht zufällig zu diesem Zeitpunkt, denn es fiel kurz nach dem Platzverweis für Pepe, welcher das Mittelfeld schwächte und Messi erstarken ließ. Das Tor zeigte Messis Spiel, aber eben auch, wie man ihn stoppen kann – indem man ihm seinen geliebten Raum dicht macht. Dieses Verengen der Räume erreicht Manchester durch einen oder eventuell sogar zwei Spieler direkt vor die Abwehr.
Schlüssel 3: Mittelfeldzentrum
Besonders essentiell für das Spiel Barcas sind – neben Messi – die Ästheten auf Seiten der Katalanen: Xavi und Iniesta – die Großmeister des Passens. Mit Gegnern, die über Physis kommen – und United verfügt über solche Spieler –, haben die beiden aber Probleme. Diese beiden Gegner sollten vor allem auch darauf achten, Xavi die Passoptionen und besonders die Verbindung zu Iniesta zu blockieren.
So hat man das Zentrum dichtgemacht und kann aufgrund fehlender Passoptionen den beiden Innenverteidigern sowie Busquets und wohl auch dem deshalb tieferen Xavi Zeit am Ball lassen und primär zuschauen und die Ordnung intakt halten, aber gelegentlich aggressiver vorschieben.
Eigenes Angriffsspiel
Wie so viele Teams wird Manchester gegen Barcelona hauptsächlich durch schnelle Konter und Gegenstöße zu Chancen kommen. Weil die auszunutzende Schwachstelle auf den freigelassenen Außenverteidiger-Positionen Barcelonas liegt, wäre es am besten für United, wenn man den Ball im Mittelfeldzentrum gewinnen würde – entweder bei gegebener Gelegenheit durch physische Wucht oder durch einem Fehler der Katalanen – passend zur Gesamtstrategie.
Man muss dann Barcelona – durch geschicktes Stellungsspiel und Anlaufen seitens der Stürmer – mit einer Art Trichter im Spielaufbau in die Mitte lenken, wie man es bei Real gesehen hat. Damit steigt zum einen die Wahrscheinlichkeit eines Ballgewinnes und zum anderen werden der Spielbereich und die Breite Barcelonas verringert. Für das Spielen der langen Diagonalbälle wäre dann die Aufstellung von Scholes eine sinnvolle Überlegung.
Fazit
Aus diesen Schlüsselpunkten können verschiedene konkrete Systeme entstehen – eine Ausführung wäre an dieser Stelle zu viel, aber das Prinzip ist immer gleich. Für United wird es wichtig sein, dass die Schlüssel passen – den AV-Vorteil neutralisieren, Messis Raum schließen, Xavi und Iniesta die Anspielstationen zustellen, das Feld eng machen und bei Kontern die Außen nutzen. Denn es waren genau diese Punkte, die nicht umgesetzt wurden, die schon für so viele Teams zu Niederlagen gegen Barcelona führten sowie zur Final-Niederlage von 2009.
Auch wenn es schwer werden wird am Samstag: Die Clásicos haben gezeigt, dass das Prinzip funktionieren kann. Es wird interessant sein, ob Manchester damit auch den Sieg zu holen imstande ist: Die passenden Spieler sind da und der passende Trainer auch. Ferguson ist für geschickte Anpassungen und überraschende Taktiken bekannt und verkündete sogar, er habe 5 Taktiken, mit denen er Barcelona sicher besiegen könne.
Es kann los gehen! Viel Spaß, liebe SPOXler!
Aufrufe: 5889 | Kommentare: 5 | Bewertungen: 6 | Erstellt:27.05.2011
ø 9.7
KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
28.05.2011 | 14:55 Uhr
0
mrpink27 :
Ich tue mich schwer von den Classico spielen so auf United zu schließen. Aber du zeigst hier einfach eine Möglichkeit auf.Ich glaube aber nicht, dass United so auflaufen wird. Rooney so tief, dass er gegen Xavi spielt?
Außerdem denke ich nicht, dass Alves so viel Raum gegeben werden kann. Er ist dann der Mann der für Überzahl im Mittelfeld sorgt. Ich denke eher das Hernandez raus muss und SAF 4-3-3 / 4-5-1 spielen lässt oder er geht das Risiko ein und bleibt beim 4-4-1-1 mit dem Mexikaner.
0
28.05.2011 | 14:38 Uhr
0
possessionplay : @Voegi
Ja, zumindest ist der Plan so.Zu 100% will ich mich aber nicht festlegen, kommt immer auch auf Spielverlauf und Stimmung meinerseits an.
0
28.05.2011 | 13:55 Uhr
0
Voegi :
hervorragendes blog, das vorfreude macht auf das finale.ich gebe es ja zu, ich schaue ja meist nur mit einem halben taktischen auge aufs spiel, werde angesichts dieses duells aber mal versuchen, deine grundüberlegungen im hinterkopf zu haben.
btw, gibt es dann auch eine takische analyse des spiels?
0
27.05.2011 | 22:28 Uhr
0
mamö99 :
Sehr schönes Teil mal wieder. Da tut sich doch immer gleich ein breites Grinsen auf, wenn ein neuer Beitrag in der Taktikecke vorhanden ist. 10 Punkte, und das hochverdient. Wird ein völlig offenes Finale!
0
COMMUNITY LOGIN
Statistik
Das ist eben der Punkt, der am ungewöhnlichsten erscheint - aber dieser unorthodoxe Umgang mit den AV und die Abkehr von klassischen Systemprinzipien könnten hier eben der Key sein.