22.09.2010 um 22:39 Uhr
Geschrieben von Taktiker
AS Rom - Der Weg einer Idee (2)
Fortsetzung von Teil 1.
Eine Idee verbreitet sich
Denn auch wenn die großen internationalen Erfolge ausblieben, fanden doch einige (Star-)Trainer Gefallen an der römischen Spielweise. Sir Alex Ferguson bspw. war so angetan vom fließenden römischen System, dass er es gleich auf seine eigene Mannschaft übertrug, wenn auch auf die vorhandenen Spielertypen zugeschnitten.
Vor allem in der Champions League ließ der Schotte seine Elf mit falscher Neun und variablen Außen agieren, und schaffte es so sich an die Spitze Europas zu setzen. Wer mehr zur Spielweise Uniteds und Fergusons Beweggründen zum Einsatz der neuen Spielweise erfahren will, sollte sich diesen Artikel durchlesen.
Bis zum Abgang Cristiano Ronaldos konnte mit der neuen Spielweise zweimal die englische Meisterschaft gewonnen werden (2008, 2009), und zudem die Champions League im Jahr 2008. Wie eingangs erwähnt ist das Spiel gegen den Schöpfer der eigenen Spielweise (AS Rom) aus der CL-Saison 2006/07 – in der man beim 7:1 im Old Trafford den Gegner regelrecht vom Platz fegte – ein besonderes Vorkommnis., schlug man doch den Prototypen des eigenen Erfolgs.
Trotz einiger Modifikationen blieb das Grundelement des Spiels vom AS Rom erhalten: Schnelle Konter nach Ballgewinn, Überzahl in der Zentrale, ein normalerweise nicht typischer Stürmer in vorderster Position (Totti, Ronaldo), der durch unkonventionelle Wege (Tiefe/Breite) Platz macht für die Spieler auf den Außen. Diese nutzen den Platz dann mit Diagonalläufen. Auffällig noch, dass die Spieler auf den Außen häufig nominelle Stürmer waren (Vucinic, Rooney/Tevez).
"Wenn Stürmer von außen nach innen kommen, sind sie wesentlich gefährlicher", meinte Ferguson dazu.
Und weiter: "Ich finde es lustig, wenn ich sehe, wie Stürmer in der Mitte gegen ihre Gegenspieler starten und dann vom Tor weggehen. Nach innen ziehende Stürmer sind ungleich gefährlicher, denke ich. Als Henry als Stürmer spielte, und wenn Rooney manchmal als einer spielte, versuchten sie Platz zu schaffen indem sie von zentralen Positionen auf die Außen auswichen, obwohl sie das für den Moment weniger gefährlich machte".
Natürlich musste auch im neuen System der nominelle Stürmer auf die Außen oder ins Mittelfeld zurückweichen, allerdings war er dort wesentlich effektiver als normalerweise dorthin ausweichende Spieler, weil es eben seine traditionelle Position war.
Doch auch Manchesters Erfolg mit der Spielweise sollte nicht lange anhalten. Ein Jahr nach dem Champions League Triumph 2008, traf Manchester United im Finale in Rom, ja in Rom (!), auf den Favoriten aus Barcelona. Dieser FC Barcelona hatte die Fußball-Welt mit seinem fantastischen Offensivfußball verzaubert, und in Rom bestiegen die Katalanen nun den europäischen Thron.
Weiterentwicklung der Spielweise in Barcelona
Dabei half ihnen eine Spielweise, die sie sich just von ihrem Gegenüber abgeschaut haben könnten. Mit dem variablen Eto’o in vorderster Front, der gerne auf die Seiten auswich oder sich ins Mittelfeld zurückfallen ließ, spielte Barça eine der Trumpfkarten seines Gegenübers aus. Der Linksaußen Henry, normalerweise Stürmer, war perfekt für die Rolle des verkappten Stoßstürmers und stieß gerne und häufig ins Abwehrzentrum des Gegners vor, der sich zudem noch der Dribbelkünste eines Messi erwehren musste.
Doch auch Barcelona steuerte seinen Teil zur Weiterentwicklung des Systems bei. Nicht mehr Konterfußball, sondern pure Dominanz war die Grundlage ihres Spiels. Eine Idee der römischen Spielweise hatte die Zeit überlebt: Die fließenden Übergänge zwischen den Positionen, die wechselnden Rollen und das ständige Rochieren der Spieler.
Barcelona war auch der Ort, an dem die wohl begnadetste Mannschaft aller Zeiten heranwuchs. Neben dem tief spielenden Spielmacher Xavi und Superstar Lionel Messi tut sich vor allem der unscheinbare Andres Iniesta als perfekter Spieler für das "System Barcelona" hervor. Iniesta ist genau jener Spieler, den man auf jeder beliebigen Position einsetzen kann, der Grenzen zwischen zentralem und Flügelspieler, Mittelfeldspieler und Stürmer, verschwimmen lässt und sowohl im zentralen Mittelfeld als auch als Außenstürmer bestens aufgehoben ist.
Iniesta hat vielleicht nicht das Auge und die Passgenauigkeit eines Xavi, nicht die Schnelligkeit und Dribbelfertigkeiten eines Messi, aber er kombiniert diese Dinge zu etwas Großem, fast schon Vollkommenen. Von Xavi unterscheidet ihn vor allem die Risikobereitschaft. Außerdem entwickelt Iniesta mehr Zug zum Tor und ist vielseitiger einsetzbar. Von Messi wiederum unterscheidet ihn vor allem der Blick auf das Ganze. Iniesta weiß, wann es Zeit ist zu stürmen und wann es Zeit ist abzuwarten, er kann den Rhythmus eines Spiels bestimmen, wenn auch (noch) nicht so dominant wie Xavi, so ist er doch dazu auserwählt, irgendwann den Takt im Barca-Mittelfeld vorzugeben, sollte Xavi einmal zu alt für die Mannschaft sein.
Andres Iniesta verkörpert den perfekten Spielertypen für fließenden Systeme
Doch zurück zu der generellen Spielweise Barças, die allerorts Anerkennung und Bewunderung hervorrief. Aus Barcelona wiederrum wurde die Spielweise ebenfalls in die spanische Nationalmannschaft getragen, mit vielen Barcelona-Akteuren, die nun aktueller Welt- und Europameister sind.
So führte der Weg einer zufällig entstandenen Idee von Rom über Manchester nach Barcelona, fand im CL-Finale 2009 in Rom (!) seinen vorläufigen Höhepunkt und zeigte spätestens mit dem Weltmeistertitel 2010, dass der Weg des fließenden Systems noch nicht zu Ende ist.
Und obwohl von der ursprünglichen Spielweise nicht mehr allzu viel übrig war, hatten es Totti und Spalletti doch geschafft, das sture Positionsspiel und Schubladendenken (Stürmer/Mittelfeldspieler) ein Stück weit auszuhebeln.
Eine genauere Analyse der Spielweise Barças folgt morgen, wenn La_Pulga zum Abschluss unserer Themenwoche den Werdegang Barcelonas vom CL-Sieg 2006 bis zum Jahr 2010 beschreibt. Über einen Besuch in der Taktikecke würden wir uns natürlich sehr freuen.
Eine Idee verbreitet sich
Denn auch wenn die großen internationalen Erfolge ausblieben, fanden doch einige (Star-)Trainer Gefallen an der römischen Spielweise. Sir Alex Ferguson bspw. war so angetan vom fließenden römischen System, dass er es gleich auf seine eigene Mannschaft übertrug, wenn auch auf die vorhandenen Spielertypen zugeschnitten.
Vor allem in der Champions League ließ der Schotte seine Elf mit falscher Neun und variablen Außen agieren, und schaffte es so sich an die Spitze Europas zu setzen. Wer mehr zur Spielweise Uniteds und Fergusons Beweggründen zum Einsatz der neuen Spielweise erfahren will, sollte sich diesen Artikel durchlesen.
Bis zum Abgang Cristiano Ronaldos konnte mit der neuen Spielweise zweimal die englische Meisterschaft gewonnen werden (2008, 2009), und zudem die Champions League im Jahr 2008. Wie eingangs erwähnt ist das Spiel gegen den Schöpfer der eigenen Spielweise (AS Rom) aus der CL-Saison 2006/07 – in der man beim 7:1 im Old Trafford den Gegner regelrecht vom Platz fegte – ein besonderes Vorkommnis., schlug man doch den Prototypen des eigenen Erfolgs.
Trotz einiger Modifikationen blieb das Grundelement des Spiels vom AS Rom erhalten: Schnelle Konter nach Ballgewinn, Überzahl in der Zentrale, ein normalerweise nicht typischer Stürmer in vorderster Position (Totti, Ronaldo), der durch unkonventionelle Wege (Tiefe/Breite) Platz macht für die Spieler auf den Außen. Diese nutzen den Platz dann mit Diagonalläufen. Auffällig noch, dass die Spieler auf den Außen häufig nominelle Stürmer waren (Vucinic, Rooney/Tevez).
"Wenn Stürmer von außen nach innen kommen, sind sie wesentlich gefährlicher", meinte Ferguson dazu.
Und weiter: "Ich finde es lustig, wenn ich sehe, wie Stürmer in der Mitte gegen ihre Gegenspieler starten und dann vom Tor weggehen. Nach innen ziehende Stürmer sind ungleich gefährlicher, denke ich. Als Henry als Stürmer spielte, und wenn Rooney manchmal als einer spielte, versuchten sie Platz zu schaffen indem sie von zentralen Positionen auf die Außen auswichen, obwohl sie das für den Moment weniger gefährlich machte".
Natürlich musste auch im neuen System der nominelle Stürmer auf die Außen oder ins Mittelfeld zurückweichen, allerdings war er dort wesentlich effektiver als normalerweise dorthin ausweichende Spieler, weil es eben seine traditionelle Position war.
Doch auch Manchesters Erfolg mit der Spielweise sollte nicht lange anhalten. Ein Jahr nach dem Champions League Triumph 2008, traf Manchester United im Finale in Rom, ja in Rom (!), auf den Favoriten aus Barcelona. Dieser FC Barcelona hatte die Fußball-Welt mit seinem fantastischen Offensivfußball verzaubert, und in Rom bestiegen die Katalanen nun den europäischen Thron.
Weiterentwicklung der Spielweise in Barcelona
Dabei half ihnen eine Spielweise, die sie sich just von ihrem Gegenüber abgeschaut haben könnten. Mit dem variablen Eto’o in vorderster Front, der gerne auf die Seiten auswich oder sich ins Mittelfeld zurückfallen ließ, spielte Barça eine der Trumpfkarten seines Gegenübers aus. Der Linksaußen Henry, normalerweise Stürmer, war perfekt für die Rolle des verkappten Stoßstürmers und stieß gerne und häufig ins Abwehrzentrum des Gegners vor, der sich zudem noch der Dribbelkünste eines Messi erwehren musste.
Doch auch Barcelona steuerte seinen Teil zur Weiterentwicklung des Systems bei. Nicht mehr Konterfußball, sondern pure Dominanz war die Grundlage ihres Spiels. Eine Idee der römischen Spielweise hatte die Zeit überlebt: Die fließenden Übergänge zwischen den Positionen, die wechselnden Rollen und das ständige Rochieren der Spieler.
Barcelona war auch der Ort, an dem die wohl begnadetste Mannschaft aller Zeiten heranwuchs. Neben dem tief spielenden Spielmacher Xavi und Superstar Lionel Messi tut sich vor allem der unscheinbare Andres Iniesta als perfekter Spieler für das "System Barcelona" hervor. Iniesta ist genau jener Spieler, den man auf jeder beliebigen Position einsetzen kann, der Grenzen zwischen zentralem und Flügelspieler, Mittelfeldspieler und Stürmer, verschwimmen lässt und sowohl im zentralen Mittelfeld als auch als Außenstürmer bestens aufgehoben ist.
Iniesta hat vielleicht nicht das Auge und die Passgenauigkeit eines Xavi, nicht die Schnelligkeit und Dribbelfertigkeiten eines Messi, aber er kombiniert diese Dinge zu etwas Großem, fast schon Vollkommenen. Von Xavi unterscheidet ihn vor allem die Risikobereitschaft. Außerdem entwickelt Iniesta mehr Zug zum Tor und ist vielseitiger einsetzbar. Von Messi wiederum unterscheidet ihn vor allem der Blick auf das Ganze. Iniesta weiß, wann es Zeit ist zu stürmen und wann es Zeit ist abzuwarten, er kann den Rhythmus eines Spiels bestimmen, wenn auch (noch) nicht so dominant wie Xavi, so ist er doch dazu auserwählt, irgendwann den Takt im Barca-Mittelfeld vorzugeben, sollte Xavi einmal zu alt für die Mannschaft sein.
Andres Iniesta verkörpert den perfekten Spielertypen für fließenden Systeme
Doch zurück zu der generellen Spielweise Barças, die allerorts Anerkennung und Bewunderung hervorrief. Aus Barcelona wiederrum wurde die Spielweise ebenfalls in die spanische Nationalmannschaft getragen, mit vielen Barcelona-Akteuren, die nun aktueller Welt- und Europameister sind.
So führte der Weg einer zufällig entstandenen Idee von Rom über Manchester nach Barcelona, fand im CL-Finale 2009 in Rom (!) seinen vorläufigen Höhepunkt und zeigte spätestens mit dem Weltmeistertitel 2010, dass der Weg des fließenden Systems noch nicht zu Ende ist.
Und obwohl von der ursprünglichen Spielweise nicht mehr allzu viel übrig war, hatten es Totti und Spalletti doch geschafft, das sture Positionsspiel und Schubladendenken (Stürmer/Mittelfeldspieler) ein Stück weit auszuhebeln.
Eine genauere Analyse der Spielweise Barças folgt morgen, wenn La_Pulga zum Abschluss unserer Themenwoche den Werdegang Barcelonas vom CL-Sieg 2006 bis zum Jahr 2010 beschreibt. Über einen Besuch in der Taktikecke würden wir uns natürlich sehr freuen.
Aufrufe: 4410 | Kommentare: 16 | Bewertungen: 18 | Erstellt:22.09.2010
ø 9.0
KOMMENTARE
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24.09.2010 | 14:20 Uhr
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Taktiker :
@mrpinkIch Glaube es war sogar der inzwischen ehemalige Nationaltrainer von Portugal, Queiroz, wenn ich mich nicht irre...
@cruyff
Danke, ist korrigiert.
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24.09.2010 | 09:38 Uhr
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mrpink27 : @UliFan
Naja, klauen tun sie doch alle. Oder erfindet jeder Trainer das 4-4-2 neu?SAF hatte auch einen Co-Trainer, der schon als Trainer der portugiesischen Jugend ähnlches gespielt hatte. Da gab es also mehrere Einflüsse.
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23.09.2010 | 21:30 Uhr
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UliFan :
Voegi hat Recht, man lernt hier echt noch was dazu.Das SAF bei der Roma "geklaut" hat ,hab ich bisher auch noch nie gehört
Interessantes Teil und schöne Bildchen
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23.09.2010 | 19:52 Uhr
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Cruyff :
hier ein kleiner fehler."aus der triumphalen CL-Saison 2008–in der man beim 7:1 im Old Trafford den Gegner regelrecht vom Platz fegte"
ManU schlug die Roma 7-1 in der saison 2006/2007 und nicht in ihrer Triumph-saison 2007/2008^^
ansonsten alles super, eine 9
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23.09.2010 | 18:04 Uhr
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Voegi :
höchst interessant und toll geschrieben. ganz runde sache!und ganz ehrlich: vieles in diesem blog ist mir absolut neu. dass die roma in gewisser ein taktischer pionier war, war mir bis dato nicht bewusst. aber dafür ist diese themenwoche ja auch da - dass man was dazu lernt!
stark! klare 10 punkte!
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23.09.2010 | 15:55 Uhr
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10punkte
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23.09.2010 | 15:53 Uhr
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Die Analysen und die ganze Arbeit fiende ich wirklich toll von dir. Von mir gabs natürlich auch 10 Punkte.
Ich glaube aber zu wissen, dass van Gaal bei Ajax Amsterdam in den Jahren 1994-1996 auch eine Systemumstellung vorgenommen hatte. Er hatte dementsprechende Spielertypen, die variabel einsetzbar waren.
Leider wurde dieses System nie von anderen Mannschaften übernommen bzw. die Spieler wurden von den europäischen Topklubs abgeworben, so dass nie eine Weiterentwicklung stattfand.
Erst ab 2007 spielte Roma wieder mit einem ähnlichen System, wenn auch nicht ganz so erfolgreich aber dafür wahnsinnig ansehnlich!
Das System wurde damals unter van Gaal anders bezeichnet, hatte aber die gleiche Spielweise wie bei der Roma... Ich glaube, dass ich da nicht ganz verkehrt liege. Lasse mich natürlich gerne auch umstimmen
ansonsten: super!
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Die Geschichte wie United vom 4-4-2 weg zu einem Stürmer ging kann man hier nachlesen. Wobei die Passagen ab The fatal flaw am interessantesten sind (für diesen zusammenhang).
Der Weg der Roma und Uniteds war eher ein Nebeneinander als ein gegenseitiges Beeinflussen. United hat es schlußendlich besser umgesetzt. rom hat dagegen bewiesen, dass es auch ohne Ronaldo oder Messi funktioniert Stürmerlos zu spielen.