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Jahresrückblick 2013


Gründer: Voegi | Mitglieder: 25 | Beiträge: 2
Von: trabajador
06.01.2014 | 3256 Aufrufe | 1 Kommentare | 5 Bewertungen Ø 6.4
Das Schalker Jahr 2013...
Alles auf Anfang
...und was davon übrig bleibt...

Auf meinen Schultern sitzen Engelchen und Teufelchen. "Puh, was? Ein Jahresrückblick für 2013 aus Schalker Sicht? Nee, lass man. Das deprimiert mich zu sehr." - "Ach komm. Die schreiben doch jetzt alle welche. Die kommen alle zum Jahresende raus und sind auch alle gleich." - "Ja, alle gleich deprimierend."


Klar: Höhen und Tiefen haben wir alle im vergangenen Jahr gehabt. Aber "gefühlt" ist es bei uns Schalkern ja immer viel dramatischer als anderswo. Deshalb hab ich noch einmal ein bisschen im emotionalen Nähkästchen gewühlt und noch einmal geguckt, was mir in dem jeweiligen Monat besonders "an die Nieren gegangen" ist. Schalker Jahresrückblicke mit Schilderung irgendwelcher Tatsachen gibt's genug, deshalb beschränke ich mich pro Monat auf eine Sache, die mich auch wirklich berührt hat.


Januar 2013 - Catweazle

Schon als kleiner Dötz fand ich den Typen einfach genial. Oben auf dem Trennzaun zwischen den Blöcken im Parkstadion saß dieser alte, dünne Zausel mit Bart und jeder Menge Bändern an beiden Armen. Wie ein Schalker Weihnachtsmann kam mir Olly Olschewski vor, den alle nur "Catweazle" nannten. Diese ewig lange Kutte und enge Jeans, dazu diese riesige Pauke, auf die er vor dem Kurvengesang (und natürlich auch zwischendurch) schlug. Ein Stück Schalker Fangeschichte, jedenfalls für mich, ist tot. Angesichts des üblichen Transferrotierens im Januar erdet mich Catweazles Ableben, weil mal wieder deutlich wurde, wie unwichtig dieser ganze Bundesligazirkus ist. Und weil ich feststellen musste, dass man voneinander doch ziemlich wenig wusste. Dass er krank war, dass er in Gelsenkirchen wohnte und wenig Kohle hatte. Und das war's dann auch schon, jedenfalls für mich. Komisch irgendwie, dass ich trotzdem so traurig bin, aber vielleicht liegt das auch daran, dass es jemanden wie Catweazle auf Schalke dringend bräuchte. Jemanden, der uns wieder eine emotionale Heimat gibt. Jemand, der anzeigt: Hier ist Schalke, sowas wie uns gibt's sonst nirgends. Jemand, der der Beliebigkeit den Kampf ansagt.


Februar 2013 - Floskeln

Mein Junggesellenabschied findet ausgerechnet an dem Abend statt, an dem Schalke in München antritt. Man nötigt mich, ein Dortmund-Trikot anzuziehen und schleppt mich in unsere Dorfpinte, wo ich nicht nur das 0:4 ansehen, sondern auch aus einem schwarzgelben Metzelder-Becher mein Bier trinken darf. Besonders schlimm war aber nicht das Spiel - das haben wir uns schlichtweg schön gesoffen. Nein: Am fürchterlichsten waren die Interviews nach dem Spiel. Und das trifft mittlerweile so ziemlich auf jedes einzelne verdammte Spiel zu, das diese Mannschaft bestreitet. Ich prophezeie deshalb schon zur Halbzeitpause fast aufs Wort genau, was die Spieler nach dem Spiel sagen werden. "Wir müssen jetzt den Kopf oben behalten", "Wir werden das genau analysieren, und dann geht's weiter" und "Gegen diese Bayern kann man mal verlieren" gehören für mich zu den Unwörtern oder Unredewendungen dieser Tage. Diese floskelhaften Interviews könnten sie sich sparen, und ich sehne mich danach, dass einfach mal einer der Spieler den Reporter ernst anguckt, ihm ins Mikrofon diktiert, dass er angesichts der eigenen Leistung heute lieber mal die Klappe hält.


März 2013 - Derbysieg II

Klar ist ein Derbysieg schön. Und besonders vor eigener Kulisse ist das eine wunderbare Sache - aber in so langen Jahren hatte ich es irgendwie nie hinbekommen, so etwas live zu erleben. Irgendwas hatte immer nicht gepasst: Entweder war ich krank, hatte keine Karte mehr bekommen, es kam irgendwas dazwischen oder passte terminlich einfach nicht zusammen. Aber jetzt, jetzt stehe ich hier glückstaumelnd am Bierstand und herze die Jungs um mich herum, weil ich kaum glauben kann, dass wir tatsächlich zur Halbzeit schon mit 2:0 gegen die verhassten Dortmunder führen. Und verdient ist die Führung auch noch! Und das gegen die Dortmunder, die uns eigentlich spielerisch sowas von überlegen sein müssten, und die vor dem Anpfiff eine vermummte Pyroshow im Gästeblock abgeliefert hatten. Auch wenn die Verletzung von Huntelaar und das Gegentor in der zweiten Halbzeit die Ekstase etwas dämpfen: Datt erzähl ich meine Enkel.


April 2013 - The Hunter Games

Die reinste Wundertüte, was die da abliefern - in jedem Spiel kann man sich wieder darauf freuen, dass völlig unklar ist, wie die Mannschaft heute auftritt. Sieg? Niederlage? Unentschieden? Keiner kann auch nur die geringste Tendenz erkennen. Dass Klaas-Jan Huntelaar für den S04 aber so etwas wie eine Lebensversicherung ist, weiß man nicht erst seitdem der Niederländer Torschützenkönig wurde. Drei Mal netzt der "Hunter" beim 4:1 gegen den HSV ein und stellt damit mal wieder unter Beweis, wie nötig die Mannschaft ihren Knipser hat - ganz besonders in einer Zeit, in der spielerisch ansonsten wenig bis gar nichts zusammenläuft. Drei Hütten selber machen und das vierte auflegen - so sieht der Leistungsnachweis eines Führungsspielers aus!


Mai 2013 - Plakatwände

Identifikationsfiguren sind im so genannten modernen Fußball eher selten. Namen wie Neuer, Götze, Reus oder Lewandowski sorgen dafür, dass Fußballprofis ihren Ruf als moderne Söldner meist zu Recht haben. Gerade die Wechselposse um das ehemalige "Gesicht" von Schalke 04, den mit seiner Kurvenvergangenheit und dem "Buerschenschaft"-T-Shirt kokettierenden Nationalkeeper Neuer, ist allen Knappen noch derart präsent, dass man sich eigentlich nicht noch einmal so emotional aufs Glatteis führen lassen will. Und trotzdem: Ganz verhindern kann man's dann doch nicht, als die Plakatwand mit der Aufschrift "Julian Draxler: Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018" vor dem Pestfalenstadion in der verbotenen Stadt parkt. Julian Draxlers Entscheidung, nicht nur den Vertrag zu verlängern, sondern gleichzeitig mit einer Ausstiegsklausel eine ähnliche Situation wie bei Neuer zu verhindern, ist eine gute. Und ein guter Arbeitsnachweis für das Schalker Management, dem man ansonsten oft kein allzu gutes Zeugnis ausstellt. Hier haben sie ihre Sache sehr gut gemacht - so ist das Ganze marketing- und stimmungstechnisch gut gelaufen.


Juni 2013 - viaNOgo

Über Kartenpreise kann man sich vortrefflich streiten. Initiativen wie "Kein Zwanni für'n Steher" haben zwar keinen Occupy- oder PETA-Charakter, aber sie wenden sich zumindest gegen die in den letzten Jahren raketenartig gestiegenen Eintrittspreise in den deutschen Stadien. Der Deal mit der ominösen Kartenbörse Viagogo verursachte in den letzten Monaten schon massivste Proteste der Schalker Fanbasis, besonders aber der Ultras. Bei der Jahreshauptversammlung meldete sich dann die vermeintlich "gemäßigte" Stimme zu Wort: die Vereinsmitglieder. Und selbst aus diesen Kreisen hagelte es massivste Kritik an der Vorstandsentscheidung, den Deal mit Viagogo einzufädeln. Ziemlich zähneknirschend nahmen Vorstand und Aufsichtsrat zur Kenntnis, dass die Basis des Vereins sich auch weiterhin nicht alles abnickt, was von dort initiiert wird - eine Erkenntnis, die nach dem Magath-Diktat eigentlich vorausgesetzt wurde. Insgesamt ist die Versammlung ein gutes Signal für die Fans und die organisierte Fanszene. Vor allem für die Fans, die auf günstige Kartenpreise angewiesen sind und Halsabschneider wie Seatwave oder Viagogo in die Schranken weisen wollen.


Juli 2013 - Raul reloaded
Über Schalkes ehemaligen Stürmer Raúl Gonzales Blanco gibt es eigentlich kaum Meinungsverschiedenheiten: Seine Verpflichtung war für den S04 ein großer Gewinn, und zwar nicht nur wegen der sprunghaft gestiegenen Trikot- und T-Shirt-Verkäufe. Sportlich war der spanische Rekordinternationale eine Verstärkung, ja sogar ein Lottogewinn, denn seine technische Klasse, sein Einsatzwillen und sein Torriecher bescherten Schalke eine Halbfinalteilnahme in der Champions League und eine spielerische Hochphase, nach der sich heute noch viele die Finger lecken. In seinem Abschiedsspiel, das im Rahmen der Saisoneröffnung gegen den Wüstenklub Al-Sadd abgehalten wird, bei dem Raúl mittlerweile untergekommen ist, steuert El Siete so manchen Leckerbissen und so manches Tor bei. Besonders das Zusammenspiel mit Draxler ist zum Mit-der-Zunge-Schnalzen, und nach der ansonsten eher mauen Sommervorbereitung sieht man nach langer Zeit mal wieder ein Schalker Spiel, das diesen Namen auch verdient. Warum nicht mehr davon?


August 2013 - Königsblauer Prinz

Ich bin kein besonderer Freund vom Personenkult (außer, wenn's um Gerald Asamoah geht), aber das Tamtam, das um Schalkes Königstransfer gemacht wird, ist schon wirklich beachtenswert. Kevin-Prince Boateng ist da. Und mit ihm nicht nur ein Hauch von spielerischem Flair, das er direkt beim ersten Spiel gegen Leverkusen gemeinsam mit dem zweiten Neuzugang Dennis Aogo nachweist, sondern auch ein Funken Hoffnung auf spielerische Qualität, die der Mannschaft bisher abging. Vor allem nach der erneuten schweren Verletzung von Torjäger Huntelaar braucht Schalke dringend offensive Feuerkraft, die in erster Linie auch durch Boateng aufgeboten werden soll. Auf jeden Fall finde ich die Verpflichtung sinnvoll, denn es scheint ausgeschlossen, die Saison nur mit den "jungen Wilden" wie Meyer oder Draxler erfolgreich zu Ende bringen zu können.


September 2013 - Schon wieder Bayern?!
Peinlich ist einem als Schalker traditionell eher wenig. Auf eigenem Platz 0:4 verlieren? Das irgendwie schon. Vor allem deshalb, weil das Schalker Management vor der Saison vollmundig verkündete, dass man sich mit Dortmund "auf Augenhöhe" befinde und auch wieder zu den Bayern aufschließen wolle. Die Münchener Triple-Helden weisen beim Auswärtsspiel in Gelsenkirchen nicht nur ihre individuelle Klasse nach, sondern zeigen auch auf, wie man die Leistungskurve vor Abfällen bewahrt: indem man sich neue Ziele setzt, innovativ ist und sich mit dem Erreichten nicht zufrieden gibt. Guardiolas Spielstil scheint immer besser durchzukommen, und so gewinnen die Bayern - das muss man neidlos anerkennen - auch in der Höhe verdient gegen indisponierte Schalker, die sich nach einem Doppelschlag der Bayern viel zu früh in ihr Schicksal ergeben. Eine spielerische "Qualität", die sich leider wie ein roter Faden durch die letzten Jahre zieht: Sobald man ein Gegentor kassiert, fällt die Mannschaft in sich zusammen.


Oktober 2013 - Knieprobleme
Mein Papa hatte mal eine Meniskusoperation, seitdem hatte er eigentlich immer Schmerzen und Probleme mit dem Knie und war sogar "wetterfühlig". Wenn ich mir aber den Herbst auf Schalke so angucke... dagegen war Papas Knie eigentlich nur eine Randnotiz. Huntelaar? Knie. Höger? Knie. Boateng? Knie. Lauter Kniefälle, die irgendwie zu der verkorksten Hinrunde passen, zur schmerzhaften Derbyniederlage und zur Trainerdiskussion, die natürlich mal wieder so richtig Fahrt aufnimmt. Am schwersten wiegt natürlich das Hin- und Herpendeln von Boateng, der sich immer wieder - auch unter der Woche - in einer Münchner Praxis eines Kniespezialisten behandeln lassen muss. Solche "Extrawürste" sind natürlich ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse, für die der Paradiesvogel-Prinz ohnehin wie ein Sechser im Lotto sein muss, bei all den Schlagzeilen, die sie sich jetzt aus den Fingern saugen können.


November 2013 - London calling
London ist eine tolle Stadt, wirklich. Die drei Tage, die ich dieses Jahr hier verbringe, sind gleichzeitig auch mein einziges Auswärtsspiel, das ich mir im Jahr 2014 angeguckt hab. Man wird zum Einen nicht jünger, hat zum anderen mittlerweile Familie und viele andere berufliche und private Verpflichtungen. Aber so ein Champions League-Spiel an der Stamford Bridge, das ist schon ein Erlebnis. Nicht nur, weil wir am Dienstag schönes Wetter hatten und am Mittwoch trotz ekligem Regen eine ganze Menge von der Stadt gesehen haben, sondern auch, weil wir uns eine ordentliche 0:3-Klatsche abgeholt haben, Timo Hildebrand die Slapstickeinlage des Jahres abgeliefert hat und unsere Kurve einmal mehr bewiesen hat, dass sie etwas ganz Besonderes ist. Außerdem steht mit Ralf Fährmann jetzt endlich eine richtige Nummer 1 im Tor, die die Zahl nicht nur auf dem Rücken spazierenträgt.


Dezember 2013 - Ab- und Zusammenrücken
Nach der Pokalpleite gegen Hoffenheim rückt Manager Heldt erstmals öffentlich von Trainer Keller ab und kündigt an, dass man sich nach dem letzten Hinrundenspiel gegen Nürnberg "zusammensetzen" und die Hinrunde analysieren werde. Vermieden werden jegliche Treueschwüre, so dass die gesamte Medienlandschaft nach Herzenslust beginnt, zu spekulieren. Fertige Verträge in der Schublade für Thomas Schaaf? Geheimverhandlungen mit Effenberg, di Matteo, Jol oder anderen? Klar, alles gleichzeitig. Mir kommt das unheimlich unwürdig vor. Ich bin weiß Gott kein Anhänger von Jens Keller, und die vielen Defizite, die er hat, lassen mich auch immer mal wieder erschauern. Aber ihn jetzt kurzfristig abzulösen und durch eine kommunikative Katastrophe wie Schaaf oder einen Bollerkopp wie Effenberg zu ersetzen? Nein, das wäre völlig unprofessionell gewesen und noch dazu kontraproduktiv. Was im Sommer passiert, steht auf einem anderen, auch nicht mehr ganz leeren Blatt - denn die Namen Wilmots und Veh geistern nicht erst seit gestern durchs Berger Feld. Zumindest über die Weihnachtsfeiertage ist Ruhe auf Schalke, auch dank der vernünftigen "Politik der ruhigen Hand", die zurzeit in der Chefetage Einzug gehalten hat.

ø 6.4
KOMMENTARE
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Rodnox
07.01.2014 | 19:19 Uhr
1
-1
Rodnox : 
07.01.2014 | 19:19 Uhr
-1
Rodnox : 
Krasse Kiste, sehr geil geschrieben und viele Details drin, die ich (manchmal auch willentlich) schon vergessen hatte.

Applause.
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