04.02.2011 um 16:03 Uhr
Geschrieben von Taktiker
Angriffspressing
Was war die wahre Kunst von Weltmeister Spanien? Wieso hat uns Chile bei der WM so begeistert? Wie kann man Schwachstellen im gegnerischen Aufbauspiel gezielt ausnutzen?
Die Antwort auf all diese Fragen liefert ein einziges Wort: Angriffspressing.
Ist es nicht so, dass die meisten bei der Nationalmannschaft Spaniens vor allem an deren Künste in der Offensive denken? Doch wie kommt es dann, dass diese Mannschaft in den vier KO-Rundenspielen nur 4 Tore schoss, jedoch immer den Platz als Sieger verließ. Richtig, die Spanier ließen in diesen vier Spielen nicht ein einziges Gegentor zu. Ein Novum in der WM-Geschichte und mit Sicherheit kein Zufall.
Die Spanier legen ihr Spiel extrem auf Ballbesitz aus, doch keineswegs um des Ballbesitzes willen, sondern als effektivste Defensivstrategie.
Solange wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor schießen
Diesen Satz haben die Spanier keineswegs erfunden, sie haben seine Intention jedoch so weit verinnerlicht, dass der Ballbesitz für sie vor allem eines ist: eine Defensivstrategie. Dieser Beitrag soll jedoch nicht von den traumwandlerisch sicheren Kombinationen der Spanier handeln, nicht von ihrer Dreiecks- und Fünfecksbildung, sondern von ihrer Ballrückgewinnungsstrategie.
In diesem Wort ist schon ein gänzlich anderer Ansatz als bei den meisten anderen Profimannschaften zu erkennen: Die Spanier sind auch ohne Ball in der Offensive, wollen aktiv den Ball zurückerobern und verlassen sich nicht auf das schlichte Torverhindern. Ihr Mittel zum Zweck ist dabei ein beinahe permanentes Angriffspressing. Bei dieser Art des Pressings geht die pressende Mannschaft direkt nach Ballverlust in die Offensive, rückt gar nicht zurück um das eigene Tor zu sichern, sondern forciert direkt die Rückgewinnung. Hierbei kommt den Spaniern zugute, dass sie bei Ballbesitz permanent eine Überzahl in Ballnähe schaffen, um ihr gefürchtetes und bewundertes Kurzpassspiel aufzuziehen.
Auf Klubebene verkörpert der FC Barcelona, zufälligerweise das Rückgrat der spanischen Nationalmannschaft, diese Philosophie des permanenten Angriffspressings. Im folgenden kommt es nicht auf die einzelnen Spieler, sondern vielmehr auf deren Bewegungen an, deswegen habe ich auf Namen usw. verzichtet, zum besseren Verständnis jedoch Spanien als Beispiel benutzt.
Spanische Überzahl in Ballnähe – eigener Ballbesitz
Beispielhaft stellen wir uns nun einmal vor, wie der spanische Ballbesitzer den Ball bei einem Fehlpass an den rechten Verteidiger des Gegners verliert. Anstatt automatisch zurückzuweichen nach einem Ballverlust, nutzen die Spanier ihre Überzahl in Ballnähe zum sofortigen Übergang ins Angriffspressing. Der Gegner kann in der Kürze der Zeit nicht angemessen reagieren und sieht sich nach Sekunden einer erdrückenden Überzahl an Gegnern gegenüber.
Diese Überzahl in Ballnähe nutzen sie bei einem ihrer seltenen Ballverluste nun, um direkt wieder wie ein Schwarm zorniger Bienen den gegnerischen Spieler zu attackieren, ihm sämtliche Anspielstationen zuzustellen und ihn so zu einem ungenauen langen Ball, einem riskanten Abspiel oder einem nicht sehr aussichtsreichen Dribbling zu bewegen. Alle diese Optionen haben in den meisten Fällen Ballbesitz für Spanien zur Folge, und somit haben sie ihr Ziel, den Ball zurückzuerobern, mit relativ geringem Kraftaufwand erreicht.
Nun gibt es nicht viele Mannschaften, die ihren Gegner technisch und läuferisch derart dominieren können, dass für sie ein permanentes Angriffspressing möglich ist. Auch Spanien kann nur so spielen, weil sie die meiste Zeit eines Spiels in Ballbesitz sind, die Phasen des Pressings also zeitlich sehr begrenzt sind. Andere Mannschaften haben nicht die Möglichkeit, den Ball mehrere Minuten fehlerfrei in den eigenen Reihen laufen zu lassen und somit ist ein permanentes Angriffspressing für die meisten Mannschaften schlichtweg zu kraftaufwändig und damit nicht praktikabel.
Ein häufiger Kompromiss
Deswegen schließen viele Trainer eine Art Kompromiss. Führungsspieler oder der Trainer selber bestimmen bestimmte Phasen in dem Spiel, in denen die Mannschaft höchstintensives Angriffspressing spielt, sei es zu Beginn eines Spiels oder nach einem Rückstand. Häufig zu beobachten ist ein Angriffspressing zu Beginn eines Spiels, so z.B. ausgeführt in extremer Form von Chile bei der WM 2010 oder momentan äußerst erfolgreich von Borussia Dortmund. Hierbei geht es weniger um einen konkreten Ertrag aus der Pressingphase, als vielmehr um das Zeichen an Gegner und Zuschauer: "Wir sind da!"
Die Gegner bekommen Respekt vor der Aggressivität der Mannschaft, die eigenen Zuschauer werden angestachelt und die gegnerischen eingeschüchtert. Wenn man dann nach zehn oder fünfzehn Minuten auf Mittelfeldpressing umstellt, wird gleichzeitig das Tempo zurückgeschraubt und es können Kräfte für die nächste Pressingphase gesammelt werden.
Wichtig bei dieser Form des temporären Angriffspressings ist nur, dass einer ruhigen Phase immer wieder eine aggressive folgt, der Gegner so nur kurze Gelegenheiten zum Durchschnaufen erhält. Außerdem gibt die Variation der Pressingarten die Möglichkeit, das Tempo des Spiels zu bestimmen und somit jederzeit Herr der Lage zu sein, selbst wenn man gerade einmal nicht in Ballbesitz ist.
Zudem können die Dominanz- mit Konterphasen abwechseln und somit eine Einstellung des Gegners auf eine einzige Spielweise verhindern.
Weiter mit Teil 2.
Die Antwort auf all diese Fragen liefert ein einziges Wort: Angriffspressing.
Ist es nicht so, dass die meisten bei der Nationalmannschaft Spaniens vor allem an deren Künste in der Offensive denken? Doch wie kommt es dann, dass diese Mannschaft in den vier KO-Rundenspielen nur 4 Tore schoss, jedoch immer den Platz als Sieger verließ. Richtig, die Spanier ließen in diesen vier Spielen nicht ein einziges Gegentor zu. Ein Novum in der WM-Geschichte und mit Sicherheit kein Zufall.
Die Spanier legen ihr Spiel extrem auf Ballbesitz aus, doch keineswegs um des Ballbesitzes willen, sondern als effektivste Defensivstrategie.
Solange wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor schießen
Diesen Satz haben die Spanier keineswegs erfunden, sie haben seine Intention jedoch so weit verinnerlicht, dass der Ballbesitz für sie vor allem eines ist: eine Defensivstrategie. Dieser Beitrag soll jedoch nicht von den traumwandlerisch sicheren Kombinationen der Spanier handeln, nicht von ihrer Dreiecks- und Fünfecksbildung, sondern von ihrer Ballrückgewinnungsstrategie.
In diesem Wort ist schon ein gänzlich anderer Ansatz als bei den meisten anderen Profimannschaften zu erkennen: Die Spanier sind auch ohne Ball in der Offensive, wollen aktiv den Ball zurückerobern und verlassen sich nicht auf das schlichte Torverhindern. Ihr Mittel zum Zweck ist dabei ein beinahe permanentes Angriffspressing. Bei dieser Art des Pressings geht die pressende Mannschaft direkt nach Ballverlust in die Offensive, rückt gar nicht zurück um das eigene Tor zu sichern, sondern forciert direkt die Rückgewinnung. Hierbei kommt den Spaniern zugute, dass sie bei Ballbesitz permanent eine Überzahl in Ballnähe schaffen, um ihr gefürchtetes und bewundertes Kurzpassspiel aufzuziehen.
Auf Klubebene verkörpert der FC Barcelona, zufälligerweise das Rückgrat der spanischen Nationalmannschaft, diese Philosophie des permanenten Angriffspressings. Im folgenden kommt es nicht auf die einzelnen Spieler, sondern vielmehr auf deren Bewegungen an, deswegen habe ich auf Namen usw. verzichtet, zum besseren Verständnis jedoch Spanien als Beispiel benutzt.
Spanische Überzahl in Ballnähe – eigener Ballbesitz
Beispielhaft stellen wir uns nun einmal vor, wie der spanische Ballbesitzer den Ball bei einem Fehlpass an den rechten Verteidiger des Gegners verliert. Anstatt automatisch zurückzuweichen nach einem Ballverlust, nutzen die Spanier ihre Überzahl in Ballnähe zum sofortigen Übergang ins Angriffspressing. Der Gegner kann in der Kürze der Zeit nicht angemessen reagieren und sieht sich nach Sekunden einer erdrückenden Überzahl an Gegnern gegenüber.
Diese Überzahl in Ballnähe nutzen sie bei einem ihrer seltenen Ballverluste nun, um direkt wieder wie ein Schwarm zorniger Bienen den gegnerischen Spieler zu attackieren, ihm sämtliche Anspielstationen zuzustellen und ihn so zu einem ungenauen langen Ball, einem riskanten Abspiel oder einem nicht sehr aussichtsreichen Dribbling zu bewegen. Alle diese Optionen haben in den meisten Fällen Ballbesitz für Spanien zur Folge, und somit haben sie ihr Ziel, den Ball zurückzuerobern, mit relativ geringem Kraftaufwand erreicht.
Nun gibt es nicht viele Mannschaften, die ihren Gegner technisch und läuferisch derart dominieren können, dass für sie ein permanentes Angriffspressing möglich ist. Auch Spanien kann nur so spielen, weil sie die meiste Zeit eines Spiels in Ballbesitz sind, die Phasen des Pressings also zeitlich sehr begrenzt sind. Andere Mannschaften haben nicht die Möglichkeit, den Ball mehrere Minuten fehlerfrei in den eigenen Reihen laufen zu lassen und somit ist ein permanentes Angriffspressing für die meisten Mannschaften schlichtweg zu kraftaufwändig und damit nicht praktikabel.
Ein häufiger Kompromiss
Deswegen schließen viele Trainer eine Art Kompromiss. Führungsspieler oder der Trainer selber bestimmen bestimmte Phasen in dem Spiel, in denen die Mannschaft höchstintensives Angriffspressing spielt, sei es zu Beginn eines Spiels oder nach einem Rückstand. Häufig zu beobachten ist ein Angriffspressing zu Beginn eines Spiels, so z.B. ausgeführt in extremer Form von Chile bei der WM 2010 oder momentan äußerst erfolgreich von Borussia Dortmund. Hierbei geht es weniger um einen konkreten Ertrag aus der Pressingphase, als vielmehr um das Zeichen an Gegner und Zuschauer: "Wir sind da!"
Die Gegner bekommen Respekt vor der Aggressivität der Mannschaft, die eigenen Zuschauer werden angestachelt und die gegnerischen eingeschüchtert. Wenn man dann nach zehn oder fünfzehn Minuten auf Mittelfeldpressing umstellt, wird gleichzeitig das Tempo zurückgeschraubt und es können Kräfte für die nächste Pressingphase gesammelt werden.
Wichtig bei dieser Form des temporären Angriffspressings ist nur, dass einer ruhigen Phase immer wieder eine aggressive folgt, der Gegner so nur kurze Gelegenheiten zum Durchschnaufen erhält. Außerdem gibt die Variation der Pressingarten die Möglichkeit, das Tempo des Spiels zu bestimmen und somit jederzeit Herr der Lage zu sein, selbst wenn man gerade einmal nicht in Ballbesitz ist.
Zudem können die Dominanz- mit Konterphasen abwechseln und somit eine Einstellung des Gegners auf eine einzige Spielweise verhindern.
Weiter mit Teil 2.
Aufrufe: 12616 | Kommentare: 10 | Bewertungen: 12 | Erstellt:04.02.2011
ø 7.8
KOMMENTARE
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10.02.2011 | 17:08 Uhr
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possessionplay :
Und warum?
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09.02.2011 | 17:40 Uhr
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Dann ist meine Frage - da du sie zugelassen hast - nun offiziell
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09.02.2011 | 17:33 Uhr
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...die dann auch noch selbstverständlich ist. Wie kann eine Meinung selbstverständlich sein?
Darf ich fragen, wie viele Punkte du jeweils gegeben hast?
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