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Taktikecke


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12.12.2011 um 11:04 Uhr
Geschrieben von vanGaalsNase
Antizipation
Beim Verteidigen in Abwehrketten muss zwangsläufig in Raumdeckung agiert werden. Dabei deckt man die gegnerischen Spieler derart, dass sie entweder sofort unter Druck gesetzt und attackiert werden können, oder man bringt sich in eine Position, die es erlaubt, dass man einen Pass abfangen kann. Dadurch sollen verschiedene mögliche Spielsituation bereits vorausgeahnt bzw. vorweggenommen werden. Das nennt man Antizipation. Entgegen der allgemeinen Auffassung ist die Antizipation also kein intuitives Erkennen von möglichen Handlungen, sondern eine bewusste Ausrichtung, mit der man zukünftige Handlungen des Gegners unterbinden kann.

Beim Decken der Gegenspieler im Raum (G.i.R.) mittels Antizipation ist die Entfernung ebenjener zum gegnerischen Ballführer und zum zu verteidigenden Tor entscheidend. Je nach Entfernung ändert sich auch die Nähe und somit die Intensität der Deckung: Je dichter der gegnerische Ballführer zu seinem Mitspieler steht und je dichter diese beiden dem Tor kommen, desto intensiver und enger muss gedeckt werden. Je näher die Deckung, desto geringer sind jedoch die Möglichkeiten einer Balleroberung, da in solchen Fällen stärker gegnerorientiert und weniger ballorientiert verteidigt wird, was vornehmlich zu Zweikämpfen führt, welche grundsätzlich unsicherer sind als das Erlaufen von Bällen. Aus diesem Grund sollte eine Balleroberung weit entfernt vom eigenen Tor möglichst in des Gegners Hälfte angestrebt werden.

Grundlagen
In den folgenden Beispielen attackiert Verteidiger I den gegnerischen Ballführer, während Verteidiger II den G.i.R. durch Antizipieren deckt. Beide Verteidiger müssen näher zum eigenen Tor stehen als die Gegenspieler, um jederzeit den Gegner im Blickfeld zu haben und zwischen Ball und Tor zu sein. Dabei muss der ballferne Verteidiger II grundsätzlich der tornächste Abwehrspieler sein, um Pässe in die Tiefe abfangen und um eine größere Fläche überblicken zu können. Auf gleicher Höhe mit I zu stehen ist hingegen zu riskant, da hinter den beiden Verteidigern Raum für einen Pass in den Lauf des G.i.R. möglich wäre.

Beim Decken durch Antizipieren wird eine diagonale Position Richtung eigenes Tor zu demjenigen Gegenspieler im Raum eingenommen, der für einen Pass in Frage kommt. Also steht Verteidiger II stets seitlich nach innen und in der Tiefe nach hinten zum G.i.R. versetzt.


Durch die Einnahme einer solchen diagonalen Position verschafft sich II eine günstige Ausgangslage für alle kommenden Situationen: Er ist nun der tornächste Feldspieler, wodurch er regelmäßig die Abseitslinie ist, weshalb er das komplette Spiel vor sich in seinem Blickfeld hat. Somit sollte er sich schnell zwischen Ball und Tor bringen können, falls Verteidiger I vom Ballführer überspielt wird. Gleichzeitig soll er jederzeit einen Pass auf den G.i.R. abfangen können und stets zwischen diesem und dem eigenen Tor stehen. Um das realisieren zu können, muss die Tiefenstellung b geringer sein als die seitliche Stellung zum G.i.R. (a > b) und darf nicht mehr als 3m betragen. Nur so kann von innen nach außen verteidigt werden, damit der Gegner nicht nach innen Richtung Tor gehen kann. Wäre nämlich a < b und/oder b > 3m, hätte der Gegner genug Platz, um den Ball zunächst ungestört anzunehmen. Darüber hinaus müsste er dann frontal attackiert werden, was gegenüber dem seitlich diagonalen Attackieren nachteilig ist.

längeres Antizipieren
Steht ein G.i.R. weit vom Ballführer entfernt (< 30m) und/oder in einer ballfernen Außenzone, während der Ballführer in der anderen Außenzone ist, wird sich in die Mitte der Flugbahn des möglichen Passes gestellt.


Pässe über eine solch große Distanz sind leicht zu verteidigen, da der Ball für mehrere Sekunden in der Luft unterwegs ist. In dieser Zeit kann der Passempfänger von Verteidiger II attackiert und in der Ballannahme gestört werden. Unter einem derartigen Druck ist eine Ballsicherung äußerst schwer. Außerdem besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die gewünschte Passrichtung, -distanz oder -tempo nicht wie gewünscht erfolgt, sodass der Ball sein Ziel verfehlt und stattdessen von Verteidiger II abgefangen wird.

kurzes Antizipieren
Ist der G.i.R. in einer zentralen Zone und/oder näher zum Ballführer (30-20m), nimmt Verteidiger II eine Diagonaldistanz (c) von 4-5m zu ihm ein, wobei a≈4m und b≈2m beträgt.


Verteidiger II schafft in geringer Distanz zu I eine Abseitslinie, wodurch sich die beiden gegnerischen Spieler beinahe auf einer Höhe befinden. Die Passoptionen beschränken sich dadurch auf einen Querpass parallel zur Torlinie. Weil diese einzige Passoption vorhersehbar ist, kann Verteidiger II das mögliche Zuspiel leicht abfangen oder den Passempfänger sofort in einen Zweikampf zwingen.

Orientierung hin zum Antizipieren
Stehen der gegnerische Ballführer und der G.i.R. etwa 20-10m bei einander, nimmt Verteidiger II eine Diagonaldistanz von 2-3m zum potenziellen Ballempfänger ein und richtet den ballnäheren Fuß zum Ballführer aus, während der andere Fuß in Richtung des G.i.R. zeigt. Dabei muss a≈1,5m und b≈2m sein. So ist sein Körper schon unmittelbar auf das Abfangen eines möglichen Passes eingestellt.


Wegen der zunehmenden Nähe der Gegner muss der G.i.R. vom Deckungsradius des II erfasst werden, wodurch er direkt attackierbar wird. Ist die Deckungsdistanz zu groß, könnte sich der G.i.R. aus dem Wirkkreis des II bewegen und wäre so für ein Anspiel frei.

Manndeckung
Stehen die Gegner sehr nah bei einander (<10m), stellt sich Verteidiger II in die Linie zwischen eigenem Tor und G.i.R. in einem Abstand von 2-1m zum Selben.


Dabei ist b > a, weil es nun nicht mehr darum geht, einen möglichen Pass durch diagonale Deckung abzufangen, sondern um direktes Zweikampfverhalten. Hiermit ist nicht die ständige Manndeckung gemeint, die im Widerspruch zu der auf Raumdeckung ausgerichteten Taktik steht, sondern eine situationsbedingte, vorübergehende Manndeckung. In dieser wird der G.i.R. nur in der Zone des jeweiligen Verteidigers gedeckt. Verlässt der G.i.R. diese Zone, wird er von einem anderen Verteidiger übernommen. Es wird nicht gekreuzt.

Schlussbetrachtung
Das längere und das kurze Antizipieren werden in der gegnerischen Hälfte und kurz hinter der Mittellinie angewandt. Im Bereich vor und im eigenen Strafraum empfehlen sich unbedingt das Orientieren hin zum Antizipieren und die situationsbedingte Manndeckung. Bei den beiden letztgenannten Antizipationsvarianten darf zwischen den Verteidigern höchstens ein Abstand von 8m bestehen.
Aufrufe: 7225 | Kommentare: 10 | Bewertungen: 16 | Erstellt:12.12.2011
ø 9.3
Abwehr  |taktik  |
KOMMENTARE
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vanGaalsNase
04.01.2012 | 20:24 Uhr
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04.01.2012 | 20:24 Uhr
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Zunächst mache ich nur die Vorgabe, auf keinen Fall Manndeckung zu betreiben, dann lasse ich sie spielen, um zu sehen, wie sie sich verhalten. Wenn sie es korrekt umsetzen, coache ich nur nebenbei. Machen sie grobe Fehler, friere ich die Situation ein und erkläre, wie es besser wäre und warum.

Grundsätzlich sollen sie aber implizit lernen. Ich gebe nur den Rahmen vor.
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Xavi_6
04.01.2012 | 20:18 Uhr
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Xavi_6 : 
04.01.2012 | 20:18 Uhr
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Xavi_6 : 
ah, ok.
jetzt kann ich es mir schon eher vorstellen, wie du es meinst.
die übungsform haben wir mal im uni-training gemacht, mir war gar nicht richtig bewusst, warum wir das gemacht haben.

wie war das noch einmal:
erklärst du den spielern gleich, warum übung x gemacht wird ? oder lässt du sie die übung ohne erklärenden kommentar machen, damit sie "unbewusst" lernen, bei entsprechenden situationen wie in der übung zu reagieren.
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vanGaalsNase
04.01.2012 | 20:02 Uhr
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04.01.2012 | 20:02 Uhr
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@Xavi: Fehler ist behoben.

Die Fußspitze soll in die jeweilige Richtung zeigen, weil du dich damit je nach Lauf- bzw. Passrichtung der Gegner sofort entsprechend abstützen kannst, wodurch du einen schnelleren Antritt hast. Man muss sich hier also so ausrichten, dass man auf jedeSituation gefasst ist. Der Oberkörper zeigt somit leicht in Richtung des G.i.R., ohne dass die Beine so breit auseinander sind.

Antizipation übt man in zwei-gegen-zwei-Spielformen auf kleine Hütchentore in einem 23m x 17m Feld. Dabei muss nur ein Verteidiger den Ballführer unter Druck setzen, während der andere sich diagonal hinter den attackierenden Verteidiger stellt. So kann er bei Bedarf entweder den Ballführer angreifen, wenn der den ersten Verteidiger ausspielt oder man antizipiert auf den G.i.R. So übt man Raumverengung, gegenseitiges Absichern, Antizipieren und Doppeln gleichzeitig. Alles wesentliche Bestandteile von Abwehrketten.
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Xavi_6
04.01.2012 | 19:50 Uhr
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Xavi_6 : 
04.01.2012 | 19:50 Uhr
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Xavi_6 : 
in ba-wü habe ich schon mannschaften gesehen, die auch in der leistungs bzw. bezirksstaffel mit libero und manndeckern gespielt haben....

mal wieder ein hervorragender blog.
du sagst, man kann das trainieren. ich frage mich, wie du das machen willst.
man muss sehr viel beachten, wie machst du aus einem verteidiger, der manndecker war, einen guten iv in der 4-er kette ?

achja, da sind paar kleine fehler drin.
Stehen die Gegner sehr nah bei einander (>10m), stellt sich Verteidiger II in die Linie zwischen eigenem Tor und G.i.R. in einem Abstand von 2-1m zum Selben.

ich nehme mal an, du meinst < 10m

und noch etwas:

und richtet den ballnäheren Fuß zum Ballführer aus, während der andere Fuß in Richtung des G.i.R.

das stelle ich mir komisch vor, wie soll denn das gehen ?
der ball ist beim gegenspieler von iv I, ich muss als iv II meinen linken fuß (der ist näher beim ballfüher) nach ihm ausrichten, mein anderer fuß soll in richtung meines gegenspielers zeigen, was bedeuten würde, dass ich breitbeinig wie noch was stehen müsste, da der gegenspieler diagonal rechts von mir ist.
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vanGaalsNase
04.01.2012 | 19:43 Uhr
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04.01.2012 | 19:43 Uhr
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Hoffe doch, nicht...
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ikaros
04.01.2012 | 19:11 Uhr
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ikaros : 
04.01.2012 | 19:11 Uhr
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ikaros : 
"Aber das Stellungsspiel kann man so ausrichten, dass man die Antizipation erleichtert."

Das mag wohl stimmen. Wollte auch nicht über Definitionen streiten.

"Gerade dann, wenn man vorher nur Manndeckung kannte."

Dass hier eine Raumdeckung, die ballorientiertes Abwehrverhalten erfordert, vorausgesetzt ist, war mir schon klar Gibt's die Manndeckung außerhalb der Kreisliga-B eigentlich noch?
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vanGaalsNase
04.01.2012 | 19:03 Uhr
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04.01.2012 | 19:03 Uhr
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@ ikaros: Aber das Stellungsspiel kann man so ausrichten, dass man die Antizipation erleichtert. Und das kann man schon vermitteln. Gerade dann, wenn man vorher nur Manndeckung kannte.
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ikaros
04.01.2012 | 18:58 Uhr
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ikaros : 
04.01.2012 | 18:58 Uhr
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ikaros : 
Schönes Blog!

Für mich ist das Beschriebene jedoch eher Stellungsspiel als Antizipation. Gutes Stellungsgspiel ist m.E. Voraussetzung für jeden guten Verteidiger.

Mit gutem Antizipationsvermögen kann ich jedoch zusätzlich das Spiel und den nächsten Schritt des Gegners lesen, kurzfristig und so intuitiv und somit einen Bruchteil einer Sekunde früher die gewünschte Aktion durchführen.

So ist doch das Beschriebene allein ball- und raumorientiert, Antizipation dagegen eher die Beobachtung des Gegners und dessen Bewegungsablauf.

Antizipation kann man daher eigentlich nicht auf der Taktiktafel lernen, sondern nur durch jahrelange Erfahrung oder angeborenes Talent.
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Riri
04.01.2012 | 18:34 Uhr
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Riri : 
04.01.2012 | 18:34 Uhr
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Riri : 
Gefällt mir sehr ! Hast nen 10er bekommen :D

Ich denke gerade das lesen der antizipation des verteidigers macht einen strafraumstürmer erst richtig gut ..

Das is aber eher eine kopf-frage als eine fußballerisches grund-talent. Siehe inzaghi, toni oder gomez ..
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Antimadrista92
18.12.2011 | 21:47 Uhr
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18.12.2011 | 21:47 Uhr
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WOW, großartig! 10P

man merkt, dass du trainer bist/warst (?). das ist so ausführlich und gut erklärt, da kann man eig. nichts kritisieren.

der blog überfordert einen ja fast schon mit a>b oder umgekehrt, da dachte ich, dass ich wieder in mathe an der schule sitze^^

also ich glaube viel detaillierter und genauer kann man das nicht machen, chapeau.

so genau hatte ich mich mit dem bereich der antizipation noch nicht beschäftigt, eher mit anderen aspekten.

bspw. damit wie man als stürmer laufen sollte, weil da womöglich der ball hinkommt, aber das war mehr so auf bolzplatzniveau, also nichts hierzu

was mich auch sehr interessiert hat, war die antizipation im bezug zu einem torhüter, lag wohl daran, dass ich selbst torwart war.
aber das thema lässt sich in meinen augen kaum so erfassen, bzw. erläutern wie die defensive antizipation, die eignet sich dazu am besten.

wie gesagt, sehr starker blog.
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