08.10.2010 um 16:07 Uhr
Geschrieben von Voegi
BP: Die Bayern-Familie in spe
Zum FC Bayern fällt wohl jedem, der nur im Entferntesten etwas mit Fußball zu tun hat, ein griffiges Statement ein. Kein Sportverein in Deutschland polarisiert derart stark wie der selbstbewusste Club von der Säbener Straße. Die einen lieben ihn, die anderen verteufeln ihn. Für manche ist der FC Bayern nicht mehr und nicht weniger als der Inbegriff der Arroganz, dessen überhebliches mia-san-mia-Gehabe einfach nur nervt. Doch auch in die hasserfüllteste Bayern-Bewertung schleicht sich regelmäßig ein kleines Aber. Aber, so heißt es, sozial sind sie, die Bayern.
Trotz Millionenumsätzen und unersättlichen Strebens nach Erfolg und Gewinn gilt der FC Bayern gemeinhin als Verein mit ausgeprägtem Sozialbewusstsein. Der Sinn für gesellschaftliche Belange und menschlich Nöte wird dabei in allererste Linie von Uli Hoeneß verkörpert. Der langjährige Manager und jetzige Präsident hat stets deutlich gemacht, dass Erfolg nicht alles im Leben sein kann. Hoeneß sorgte dafür, dass seine Bayern regelmäßig an Benefizspielen teilnahmen, spendete große Summen für soziale Einrichtungen und mischte sich stets mit seiner ganz persönlichen Meinung in gesellschaftliche Debatten ein. Doch kaum etwas verkörpert das soziale Gewissen des FCB so nachhaltig wie die Pflege der sogenannten Bayern-Familie.
Uli Hoeneß ist es zuzuschreiben, dass die Idee der Bayern-Familie an der Säbener Straße gelebte Wirklichkeit geworden ist. Dabei geht es im Grunde genommen nur um einen einfachen, in gewisser Hinsicht gar selbstverständlichen Gedanken: Wer einmal zur Bayern-Familie dazu gestoßen ist, der gehört dazu. Um den kümmert man sich, auch und gerade, wenn es ihm einmal nicht so gut ergeht. Dieser ein wenig nostalgisch anmutenden Idee verdanken viele ehemalige Bayern-Profis ihre Weiterbeschäftigung bei dem Verein, für den sie einst die Fußballschuhe geschnürt haben. Vielen Spielern, die nach ihrer Karriere auf die schiefe Bahn zu geraten drohten, nahm sich Hoeneß an, verschaffte ihnen einen Job beim FC Bayern und sorgte so dafür, dass sie eben nicht auf das Abstellgleis gelangten.
Prominentestes Beispiel für dieses Phänomen ist zweifellos der ehemalige Wunderstürmer Gerd Müller, der seine Alkoholsucht wohl nur überwinden konnte, weil Uli Hoeneß sich um ihn kümmerte und ihn in den Trainerstab der Bayern integrierte. Oder aber Jürgen Wegmann: Hoeneß beschaffte dem perspektivlosen Ex-Bayern-Stürmer eine Anstellung im Fan-Shop Oberhausen und bewahrte ihn so vor dem Übel der Arbeitslosigkeit. Auch der Fall Lars Lunde zeigt, wie sehr man beim FC Bayern auf die Pflege der eigenen Familie achtet und mit wie viel Herzblut gerade Uli Hoeneß diese Haltung lebt.
Nicht immer geht es aber darum, einstige Spieler aus dem sozialen Sumpf zu retten. Die Wiedereingliederung ehemaliger Akteure in die verschiedenen Abteilungen des FC Bayern soll auch Kontinuität gewährleisten. Kontinuität, die Verlässlichkeit schafft, den Verein identifizier- und wiedererkennbar macht und nicht zuletzt den Erfolg von Morgen garantiert. Denn auf das Know-How und die Expertise erfahrener Ex-Kicker kann und will man bei den Münchenern ganz einfach nicht verzichten. Und vielleicht ist genau dies auch die Erklärung, weshalb der FC Bayern der einzige Fußballclub Deutschlands ist, der seit den 70er Jahren nahezu kontinuierlich mit sportlichen und wirtschaftlichen Erfolgen aufwartet. Vereine wie Borussia Mönchengladbach, 1. FC Köln oder auch der Hamburger SV haben irgendwann einen großen Einbruch erlitten. Beim FC Bayern ist die langanhaltende Krise ausgeblieben, wohl auch weil man vereinstreue Fahrensleute in seinen Reihen wusste, die den Club nicht vor die Hunde lassen gehen konnten und wollten – nicht zuletzt Uli Hoeneß höchst selbst.
Wenn aber all dem so ist, so scheint klar, dass man der Idee der Bayern-Familie auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird nachgehen müssen. Dies ist mehr als nur eine Lehre aus der Vergangenheit, die den Erfolg der Zukunft garantieren kann. Es ist ein Tribut an das eigene Selbstverständnis, ein Ausdruck gelebter Tradition.
Natürlich stellt sich damit auch die Frage, welche der aktuellen Spieler – im Sinne des zukünftigen Erfolges – man an den Verein binden sollte. Bastian Schweinsteiger und Philip Lahm als zwei Kicker, die dem Club entstammen und diesen glaubwürdig verkörpern, wären gewisse geeignete Kandidaten, ob nun im Trainerbereich oder auf Verwaltungsebene. Aber auch einen Mark van Bommel, der erste ausländische Kapitän der Vereinsgeschichte, würde über die Spielerkarriere hinaus weiter gut zum FC Bayern passen.
Solche Überlegungen sind zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht mehr als wilde Spekulationen. Die Zukunft wird zeigen, wer dem FC Bayern in welcher Funktion hilfreich sein kann. Umgekehrt wird sich erweisen, welche der jetzigen Spieler eines Tages vielleicht einmal auf die Unterstützung des dann ehemaligen Arbeitgebers angewiesen sind.
Vielleicht aber kann der Gedanke der Familie noch auf andere Felder übertragen werden. Nicht nur die Spieler fühlen sich als Teil einer Gemeinschaft, auch und gerade die Fans machen den Bestand der Bayern-Familie aus. Womöglich ließe sich in dieser Hinsicht noch manches bewirken. Wenngleich auch insoweit schon einiges unternommen wird. Man denke nur an die alljährlichen Besuche von Spielern, Trainern und Offiziellen bei den diversen Fanclubs in der Vorweihnachtszeit. Eine inzwischen feste Tradition, die auch dazu beiträgt, die Idee der Bayern-Familie mit Leben zu erfüllen.
Mit der Vielzahl der Fans, die noch dazu aus den unterschiedlichsten Gegenden Deutschlands und der Welt kommen, ist das Bayern-Gefolge andererseits aber auch eine heterogene Großfamilie, der es mitunter an innerem Zusammenhalt fehlt. Vielleicht also müsste der Gedanke der Familie noch stärker in das Bewusstsein der Fans gehoben werden, um eine noch bessere Identifikation und damit ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen.
Die Frage ist nur, wie genau man eine solche Identifikationsebene etabliert. Wie schafft man es, den Fans zu vermitteln, dass sie Teil einer großen zusammengehörenden Familie sind? Die Beantwortung dieser Frage dürfte – auch im Marketingbereich – zu den großen der Herausforderungen der Zukunft zählen.
Eine vorsichtige Anregung soll hier aber gleichwohl schon jetzt gegeben werden: Zusammengehörigkeit definiert sich durch das, was man teilt und gemeinsam durchlebt. Und das ist bei Bayern-Fans nicht zuletzt die tägliche Auseinandersetzung mit Provokation und Widerspruch. In dem Sinne sollte man im Marketing bei der Frage ansetzen, wie man möglichst allen Fans ein gemeinsames, verbindendes mia-san-mia-Gefühl vermittelt. Denn genau das macht den FC Bayern und damit auch seine Fans aus und wird auch in Zukunft die Bayern-Familie einen.
Aufrufe: 5458 | Kommentare: 12 | Bewertungen: 31 | Erstellt:08.10.2010
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KOMMENTARE
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12.10.2010 | 13:12 Uhr
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Belphegor : Super Blog!
10 Punkte, mehr kann man dazu nicht sagen.So, dann zu tomsonite:
"naja, die soziale art von dem guten fcb zeigt sich meiner meinung nach sehr gut, durch die vertragsmodalitäten die den 60ern diktiert wurden, als 60 vor dem aus stand."
Ja, um ehrlich zu sein habe ich das ganze Hickhack auch nie verstanden.
Ich an der Stelle hätte auf 1860 geschissen und ihre Anteile NICHT gekauft.
Damit wäre 60 jämmerlich zugrunde gegangen und würde heute irgendwo, wenn sie Glück gehabt hätten, in der Regionalliga spielen. UNTER den Bayern Amateuren.
Dann hätte der FCB die Anteile wesentlich günstiger bekommen!
Man hätte also mit "nichtstun" wesentlich mehr erreicht und man müsste sich nicht auch noch zusätzlich in jedem 2. Foreneintrag von euch Kaspern und Bauern aus Giesing anpissen lassen.
Und als Lauterer gehe ich davon aus dass du aus "Freundschaft" hier mal deinen Mist von dir gibst, aber von der Sache wahrscheinlich keinen blassen Schimmer hast.
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10.10.2010 | 18:20 Uhr
-2
wenn meine meinung nicht mit damit einhergeht, ist es mein gutes recht meine meinung zu äussern.
was hat es mit neid zu tun, wenn ich das kritisiere?
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10.10.2010 | 18:09 Uhr
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Aber absolut populistischer Kommentar eines FCK lers. Bravo. Für die Lage der 60er sind und waren einzig die 60er Schuld. Das ein FCK Fan das nicht objektiv beurteilen kann ist leider logisch. Genauso wie Dein Verein für der wirtschaftlichen Niedergang seit den 90ern SELBST verantwortlich ist. Niemand verbietet seriöses wirtschaften, aber kaum einer machst. Typisch deutsches Neidverhalten, immer muss jemand anderes Schuld haben.
Hätte nur jeder Verein Mitarbeiter die sich mit ihm voll und ganz identifizieren.
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10.10.2010 | 17:22 Uhr
-3
sehr sozial...
nach aussen so sozial, aber das stinkt doch zum himmel!!!
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Ich fasse kurz zusammen: Voegi schreibt einen tollen Blog (mein ich wirklich im Bezug auf Stil, Aufbau, Sprache), mit der Kernaussage im Bezug auf das "ausgeprägte Sozialbewusstsein" des Vereins stimme ich nicht überein und äussere das. Du sagst daraufhin sinngemäß (ähnlich wie damals Hoeneß) "hätten wir die 60er doch einfach pleite gehen lassen"???
"pleite gehen lassen" oder "ausgeprägtes Sozialbewusstsein"
ihr müsst euch entscheiden...
Ich sehe als soziales Verhalten insbesondere die direkten Beziehungen zu Partnern und nicht nur medienwirksame Spenden oder Benefizspiele. Ein soziales Verhalten in diesem Fall (den ich sehr genau verfolgt habe) hätte meiner Meinung nach bestimmt anders ausgesehen.
Denkt mal kurz darüber nach.
Man kann dem FC Bayern viel sagen, ich respektiere den Erfolg, wirklich!
"ausgeprägtes Sozialbewusstsein" gehört für mich definitiv nicht dazu.