Noch ein Götze-Text! Jau sorry, aber irgendwie sah ich meine Perspektive noch nicht richtig wiedergegeben zwischen "Huren"- und "verlorener Sohn"-Kommentaren.
Ich will es direkt vorweg nehmen: Ich werde nicht meine Vereinsmitgliedschaft kündigen, wissentlich zu weniger Spielen fahren, den Torjubel bei Götze-Toren verweigern oder sonstigen Käse.
Es ist eher wie früher auf dem Bolzplatz mit dem nervigen Kind aus der Nachbarschaft, das keiner in seiner Mannschaft haben wollte - über dessen Tore hat man sich ja auch gefreut und es evtl. angetrieben wenn es am Ball war.
Was ich aber möchte, ist mein Recht Entscheidungen meines Lieblingsvereins kritisch hinterfragen zu dürfen und mich auf die Suche begeben, warum ich diese Entscheidung(en) kritisch sehe.
Was also stört mich nun daran, dass ein Dortmunder Eigengewächs, WM-Sieg-Torschütze und noch vor einigen Monaten begnadetes Talent den Weg zurück nach Dortmund findet?
Klar: Die Art und Weise seines Wechsels vor drei Jahren nach München!
Aber ist es nur das? Nuri Sahins Art und Weise fand ich damals als er gen Madrid zog auch fragwürdig. Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass ich im Januar 2013 mit leuchtenden Augen und einem ziemlich breiten Grinsen vor dem Fernseher saß, als Nuri bei einer PK wieder als Dortmunder vorgestellt wurde.
Auch den sportlichen Sinn kann man zumindest hinterfragen.
Ein amtierender Weltmeister kann sicher immer weiterhelfen. Doch waren wir in der Offensive mit den neuen Mor und Dembele neben den altbekannten Aubameyang, Reus, Kagawa etc und Rückkehrer Kuba doch schon relativ gut aufgestellt. Bedarf sehe ich eher in der IV oder für einen Gündogan-Ersatz. Aber diese Punkte allein sind es nicht..
Vielmehr ist es eine gesamtheitliche Entwicklung die mir und, ich glaube auch einigen anderen, Angst bereitet. Eine Entwicklung die so ziemlich mit Abpfiff des Champions-League-Finals 2013 begonnen haben muss.
Gerade war die Ära Klopp mit dieser Wahnsinns-Truppe auf ihrem Höhepunkt angelangt - Borussia Dortmund stand zum zweiten mal in seiner Historie im Finale um die wichtigste Trophäe im Vereinsfussball - 8 Jahre nach Molsiris am Düsseldorfer Flughafen.
Ein Szenario, dass man bis kurz vorher noch gerade mal auf der Playstation für realistisch hielt.
Was bisher danach folgte, kann man vielleicht mit sportlicher Isolation ganz gut umschreiben. Nicht auf die angenehme Weise, wie beim FC Bayern vielleicht. Ab Oktober wenig Spannung, aber im Mai dann die Meisterfeier. Wir haben auch ab Oktober seither kaum Spannung - nur ohne Meisterfeier am Ende.
Die Mannschaft spielt sehr erfolgreich - aber nicht erfolgreich genug um am FC Bayern rütteln zu können und zu erfolgreich für den Rest der Liga.
Was da fehlt, ist son bisschen was schmuddeliges.
Die Saison 14/15 bot da (eine fast willkommene) Außnahme. Abstiegskampf in der Hinrunde und auf den letzten Drücker die Quali für den internationalen Wettbewerb.
Natürlich geht man in jedem Spiel mit dem Wunsch dran, dass die Borussia gewinnen möge - aber diese Saison bot mal wieder etwas, an dem man sich reiben konnte und dann auch noch mit einem vernünftigen Happy-End zum Ende.
Manchmal blickt man fast schon neidisch nach Hamburg, Bremen, Frankfurt, Nürnberg oder GE. Die haben alle ihren Schmuddel!
Zu dieser, dann wieder kommenden Isolation 15/16, kommt noch dass diverse Identifikationsfiguren nach und nach den Verein verlassen.
Großkreutz wurde etwas unrühmlich abgesägt, auch Kuba scheint eher gegen seinen Willen gegangen worden zu sein und nun nochmal abgesägt zu werden - für einen sicherlich zu teuren André Schürrle.
Auch Neven Subotic spielt keine große Rolle mehr.
Bleibt vielleicht Manni Bender, der aber auch nicht unbedingt der Lieblingsspieler von Trainer Tuchel zu sein scheint.
Und aller vorderster Front natürlich der Abgang des, fast schon als Messias zu bezeichnenden Trainer Jürgen Klopp.
In diesem Fall bleibt zu hoffen, dass sich neue Identifikationsfiguren hervor tun. Schmelle scheint mit einem mal auf einem guten Weg dorthin, vlt. ein Lukasz Piszczek noch. Aber wie lange wird Thomas Tuchel noch auf diese beiden, vielleicht nicht mehr mit so viel Potenzial ausgestatteten Spielern bauen? Bleibt Marco Reus, bei dem man vermuten könnte, er sei ja schon sowas wie eine Identifikationsfigur als Dortmunder Junge. Bisher eher irgendwie nicht. Mit seinem selbstaufopfernden Einsatz im Pokafinale im Mai, hat aber auch er vielleicht einen ersten Grundstein für solch einen Status gelegt.
Und natürlich besteht die Hoffnung das ein Emre Mor oder ein Mikel Merino sich zu einer Persönlichkeit entwickelt, die man in einigen Jahren bewundert, mit der man sich identifizieren kann und möchte - schließlich war auch Neven Subotic bei seiner Verpflichtung 2008 nichts mehr als ein Mainzer Jungsspund, weit entfernt von oberkörperfreien Meisterpartys in Dortmunder Menschenmengen und Brunnenbau in Äthiopien.
Dies alles aber bedingt eine gewisse sich anbahnende Entfremdung der Fans im Bezug auf die Mannschaft und auch den Verein.
Vor einigen Jahren belächelte man beispielsweise noch den Langnese-Familien-Block. Heute wird man das Gefühl nicht los, dass dieser Familienblock bis vor die Tore der Südtribüne vergrößert wurde und auch auf diese große sagenumworbene größte Stehplatztribüne Europas seinen Einfluss hat.
Wenn von der Vereinsführung zu hören ist, dass man auch im Sinne der Fans handeln möchte, scheint das eher die Fans zu betreffen die mit Ihrer leuchtet gelben "Echte-Liebe"-Plastiktüte den Spielen beiwohnen, als die die beispielsweise in der schwierigsten Phase der Vereinshistorie zwischen 2003 und 2008 auch Spiele des BVB in tagesreiseweiten Entfernungen im Stadion oder zumindest auch noch Spiele in Freiburg und Cottbus vor dem TV verfolgt haben - Leuten die bei den Namen Tinga oder Florian Kringe ein ähnliches Leuchten in den Augen bekommen wie heute bei Kuba oder Subotic.
Und dann noch dieses "Echte-Liebe"-Ding, dass ungefähr genauso künstlichen Charme versprüht wie wenn Kathrin Müller-Hohenstein aus dem deutschen Trainingscamp ehrfürchtig von "La Mannschaft" berichtet.
Den vorläufigen Höhepunkt dieser Spirale gab es wieder nach einem verlorenen Finale gegen den FC Bayern im Mai. Wie war das Empfinden nach der nächsten Final-Pleite? Enttäuscht? Ja, klar schon etwas.. aber vor allem war da diese Leere, diese Hinnahme, dass es momentan eben nicht zu einem Titel reicht, trotz guter Mannschaft. das hat man ja jetzt 4 Jahre in Folge bestätigt bekommen.
Aber selbst mit jährlichen Titel würde man wohl nicht das zurück bringen können, was man die letzten Jahre so ein bisschen vermisst. Meine Oma hat immer gesagt "Immer schön ist nimmer schön". Daraus würde ich ableiten "Immer freuen ist nimmer freuen."
Der einzige Trost, dass unsere Meisterfeiern 2011 und 2012 besser war als die der Bayern in den darauf folgenden Jahren. Ja kann man einmal, vielleicht sogar zweimal drüber schmunzeln. Beim dritten und vierten mal wirkt das schon eher affig.
Apropos FC Bayern: Der kann nun auch nichts dafür - ist ja nicht deren Aufgabe die Fans des BVB zufrieden zu stellen. Was den Dortmund-Fan aber noch zusätzlich nerven dürfte ist, dass der Rekordmeister sich fast schon regelmäßig bei uns die Sahnestücke herauspickt und wenn man mit den Fans der Bayern spricht, die einem fast schon gewissensberuhigend Rode und Götze anbieten.
Als wollte jemand deinen neuen 5er-BMW haben und dir dafür seinen alten SEAT Ibiza und sein altes Fahrrad aus dem Keller anbieten. Danke, jetzt haben wir die Karre und das Fahrrad.
Was kann Mario Götze für sportliche Isolation, den Abgängen unserer weiteren Top-Spieler und den Slogan "Echte Liebe"? Gar nichts!
Man kann Aki und Susi, die ich nach wie vor sehr schätze, natürlich auch nicht vorwerfen, dass sie finanziell und sportlich das maximale aus dem Verein herausholen. (Schätzen scheint schon eher untertrieben. Aki Watzke nimmt für mich evtl einen ähnlichen Stellenwert ein, wie Uli Hoeneß in etwa für einen Bayern-Fan, nach dem es in erster Linie wohl ihm zu verdanken ist, dass es Borussia überhaupt noch gibt; Wie hoch Susi Zorc geschätzt ist nach geschätzten 40 Jahren Vereinszugehörigkeit brauch wohl nicht weiter ausgeführt werden).
Ich muss ehrlicherweise sogar gestehen, dass ich keinen Vorschlag parat hätte wie man den Spagat zwischen Hochhalten dieser Identifikation und sportlichem Erfolg am besten auf die Beine stellen sollte.
Man muss sich nun mit dem Transfer von Mario Götze zurück nach Dortmund anfreunden.
Dennoch geht so ziemlich jedes Jahr ein Stück Identifikation mit dem Verein verloren. Und Mario Götzes Transfer ist eben ein weiterer Schritt in diese traurige Richtung.
Natürlich sind einige Stellen überspitzt formuliert - ist halt keine wissenschaftliche Arbeit
Ich kann Deiner Argumentation insofern folgen, dass ein ständiges, ungefährdetes Gewinnen langweilen würde. Was es mir auch schwer macht, Bayern-Fans zu verstehen.
Mit den genannten Vereinen zum Vergleich übertreibst Du es in meinen Augen aber etwas. Solche Jahre mussten wir leider schon durchmachen, eine Saison mit Platz 4 oder 5 am Ende bietet auch genug Möglichkeiten, um sich an etwas oder jemandem zu reiben.
Ich bin Anfang der 90er zum BvB gekommen und empfand es eigentlich immer als wichtig, einen internationalen Platz zu erreichen. Einfach, um mehr Spiele sehen zu können, gegen bekannte europäische Mannschaften antreten zu können.. wenn zusätzlich alle paar Jahre der Titelkampf dazu kommt, umso besser.
Werder, Stuttgart, Frankfurt, HSV, BMG und wir* immer mal wieder vorne dabei, um Bayern nicht zum Serienmeister zu machen.. schön wäre es, aber das ist leider vorbei.
*S04 und Werksvereine bewusst außen vor gelassen
Der rasante Aufstieg des BVB und die immer extremer werdenden Märkte machen diese Einstellung mehr und mehr zunichte. Bayern wird nicht mehr nur jedes zweite Jahr Meister, Überraschungsmannschaften werden kaum noch CL-Plätze erreichen. Die Schere zwischen CL-Klubs und dem Rest wird noch größer werden, und wenn man dann die CL erreicht hat, möchte man dort auch nicht gleich in der Gruppenphase ausscheiden.
Also müssen sich WZT bereits mit der internationalen Konkurrenz beschäftigen. Weniger noch als Bayern, aber es beginnt ..
Das ist kein Problem des Vereins oder der Führung, sondern des Kapitals. Umso wichtiger ist es, wie man sein Fan-Dasein definiert. Egal, ob im Stadion, vorm TV oder beim Austausch mit anderen Fans. Denn da muss selten über Geld geredet werden.
Ja ich glaube, ich bin da ziemlich extrem - finde ich aber auch überhaupt nicht schlimm und sehe nicht was daran verwerflich sein soll
Danke für die vielen Kommentare - ich hätte nicht damit gerechnet, dass der Blog zu solch einer Diskussion führen würde..
Es sollte hier eine (durchaus kritische) Beschreibung meiner aktuellen Gedanken sein.
Das ist tatsächlich Jammern auf hohem Niveau und mir auch bewusst.
Ich könnte natürlich auch zusammen fassen, was ich alles toll an Borussia finde - aber darum ging es mir in diesem fall eben nicht
Zum Thema "zu wichtig nehmen": Ich weiß, dass der Verein sich nichts davon kaufen kann wie sehr ich oder andere jetzt hinter getroffenen Entscheidungen stehe. Ich möchte mich auch überhaupt nicht als besserer Fan oder derartiges verstanden wissen. Zugegebenermaßen kann ich nachvollziehen dass der Blog diesen Eindruck aber erweckt.
Ich finde es gut wenn Familien ins Stadion kommen und auch Kinder begeistert werden können für Borussia oder jeglichen anderen Klub. Um Gottes Willen, diese Freude möchte ich wirklich niemandem streitig macht.
Was mich aber tatsächlich stört ist, wenn Leute während des Spiels mit dem Rücken zum Spiel auf ihren Handys rumtickern - nicht kurz, sondern ständig und lang. (ist mir hin und wieder aufgefallen). Und was mich eben früher und heute an Borussia fasziniert ist die gewaltige Stimmung auf der Süd und im Umfeld mit ihren Gesängen - dazu bedarf es aber eben auch Leute die mitsingen, mitgröhlen etc.
Man muss da nicht in jeden Scheiß mit einstimmen, aber ich persönlich halte viel davon Teil dieser Stimmung zu sein. (Wobei es auch hier krtische Sachen gibt - "Hurensohn"-Gesänge sind für mich bspw. ein absolutes No-Go!
Zum Thema Identifkationsfiguren:
Für mich heißt Identifikationsfigur jemand, den ich besonders gut leiden kann. Das heißt nicht dass ich die anderen nicht leiden könnte, aber diese Spieler eben besonders.
Das geht mir aktuell eben besonders bei Kuba und Neven so. Das ist natürlich völlig subjektiv und für andere könnte Marco Reus z.B. sehr wohl eine Identifikationsfigur sein.
"Und dann noch dieses "Echte-Liebe"-Ding, dass ungefähr genauso künstlichen Charme versprüht wie wenn Kathrin Müller-Hohenstein aus dem deutschen Trainingscamp ehrfürchtig von "La Mannschaft" berichtet."
Da musste ich gut lachen.
Ich finde den Blog sehr gut, weil kontrovers, gut geschrieben und Diskussionsmaterial liefernd
Insgesamt bleibt zu sagen, dass auf dem Weg zum sportlichen Erfolg und wirtschaftlicher Weiterentwicklung immer ein bisschen Tradition und Fußballromantik auf der Strecke bleibt. Die Kunst ist es die Balance zu halten was beide Aspekte angeht. Das finde ich gelingt Borussia Dortmund NOCH eigentlich ganz gut im Vergleich zu anderen Vereinen.
Und ich persönlich finde es schade, dass viele Dortmunder die Personalie Götze hinzuziehen, um sich selbst zu rechtfertigen. Ich sagte es an anderer Stelle bereits - ein Möller stand mit dem Mikro vor der Süd und schwor "den Verein niemals zu verlassen". Er war drei Wochen später in Frankfurt, dann in Turin und später haben ihm die Dortmundfans doch wieder zugejubelt. Nehmt Euch, Euren verletzten Stolz, Eure gekränkte Eitelkeiten doch bitte nicht so wichtig und lernt, Fan eines Vereines zu sein und nicht eines Personenkultes. Sammer war 1995 schon ein Unsympath, Möller ein Lügner, Henke das ewige Fähnchen im Wind. Kevin ist streitbar, ein KPB hatte in Dortmund weder Benehmen, noch Selbstbeherrschung. Und das ist in jedem Verein so.
Wenn Ihr damit nicht klar kommt, dass Dinge sich verändern, und sei es nur so eine belanglose wie hilfreiche Personalentscheidung wie Götze, und ihr weder "Lösungsvorschläge parat" habt, noch den Weg, den der Verein geht mittragen wollt, oder gar "traurig" nennt, dann frage ich mich in der Tat, wie es um Eure Loyalität gestellt ist und ob Ihr wirklich die wahren Fans seid. Ich gehe mit meinem Verein seit über 35 Jahre bewusst durch gute wie schlechte Tage und habe dabei gelernt, dass niemand größer ist, als der BvB selbst. Keine sogenannte Identifikationsfigur, kein Kuba, kein Götze und ganz bestimmt kein gekränkter Fan.
Wenn man das eine tut, spricht das andere dem doch nicht wirklich entgegen, sondern erscheint eher folgerichtig. Oder irre ich?
Haargenau das wollte ich auch schreiben, bis auf das Eine Komma.........
"Dennoch geht so ziemlich jedes Jahr ein Stück Identifikation mit dem Verein verloren. Und Mario Götzes Transfer ist eben ein weiterer Schritt in diese traurige Richtung."
Personen kommen und gehen, der Verein bleibt!
Warum der Götze-Transfer die Identifikation mit dem Verein reduzieren sollte, erschliesst sich mir nicht. Ganz demokratisch haben wir unsere Vereinsführung gewählt und haben die Entscheidungen bzgl. Ausrichtung, Personal, etc. mitzutragen, selbst wenn sie einem nicht richtig erscheinen. Sachliche Kritikpunkte anzubringen, wird dir auch niemand verwehren können. Aber dein Blog hat was von "wenn der mitspielt, spiele ich auch nicht mit!". Es sollte nicht so weit kommen, dass Spieler der entscheidende Faktor sind, ob man seinen Verein mag oder nicht.
Sokrates hat schon recht: Du nimmst dich ein wenig zu wichtig!