24.08.2010 um 15:59 Uhr
Geschrieben von Voegi
Blick zurück nach vorn (I)
...Auf dem Betze
Paul Breitners sarkastisches Wunschdenken ist längst legendär. Man solle die Punkte doch per Post nach Kaiserslautern schicken und sich die Reisekosten sparen, forderte der ehemalige Bayern-Star einst süffisant. Die schier endlose Reihe zermürbender Niederlagen in Kaiserslautern Ende der 70er/Anfang der 80er ließ auch die sonst so selbstbewussten Bayern allmählich verzweifeln.
Zwischen 1975 und 1983 gelang den Münchnern kein einziger Sieg auf dem Betzenberg: Zwei Unentschieden standen insgesamt sechs Niederlagen gegenüber. Das Trauma Betzenberg sorgte sogar dafür, dass die an sich eher bodenständigen Bayern in die Trickkiste des Aberglaubens griffen und in absonderlichen Farbvariationen, vom brasilianischen Gelb-Blau bis zu Werders Grasgrün, aufliefen.
Wenn es für den Rekordmeister überhaupt einen Angstgegner gibt, dann ist es also der FCK, jedenfalls wenn man auf dem Betzenberg antreten muss. Die aufgehitzte Atmosphäre des Lauterer Hexenkessels ist den Bayern zumeist sehr schlecht bekommen. Vielleicht war es auch schlicht die Klasse des Gegners. Fest steht lediglich: Auf dem Betzenberg tat man sich immer schwer.
Den Schrecken verloren
Wenn die Bayern an diesem Freitag wieder auf den Betzenberg reisen, erwartet sie jedoch schon lange kein Angstgegner mehr. Der FCK, der die letzten vier Jahre mit dem Makel der Zweitklassigkeit leben musste, hat viel von seinem Schrecken verloren. An der Säbener Straße verbindet man neuerdings sogar sehr viel Positives mit der Heimstätte des FCK. Die Meisterschaften 2005 und 2006 wurden beide jeweils auf dem Betzenberg eingefahren. Am 30. April 2005 gewann man durch Treffer von Roy Makaay (3) und Michael Ballack mit 4:0 und konnte den Konkurrenten aus Schalke entscheidend abhängen. Ein Jahr später reichte den Münchnern ein 1:1 (Tor Ottl) in Kaiserslautern, um die zweite Meisterschaft unter Trainer Felix Magath unter Dach und Fach zu bringen.
Der 20. Oktober 1973
Doch nicht immer löste der Gedanke an den Betzenberg in München so viele positive Emotionen aus. Mit Grauen denkt man noch heute an den 20. Oktober 1973. An jenem Samstagnachmittag erlebten die Bayern eine der wohl schwärzesten Stunden ihrer Bundesligazugehörigkeit. Dabei begann das Gastspiel des 15. Spieltags so verheißungsvoll. Bereits nach 12 Minuten lagen die Bayern durch einen Doppelpack von Bernd Gersdorff in Führung und gingen schließlich mit einem 3:1-Vorsprung in die Pause. Als Gerd Müller in der 57. Minute das 4:1 für die Gäste markierte, glaubte wohl niemand mehr an ein Comeback des FCK. Denn keiner ahnte, dass sich an diesem Herbsttag die wohl legendärste Aufholjagd der Bundesligageschichte zutragen würde. Nach Müllers Tor gelang Klaus Toppmöller im Gegenzug das 2:4. Josef Pirrung sorgte mit seinem Doppelschlag für Anschluss und Ausgleich. Und in der Schlussphase vollendete sich das Lauterer Glück zu einem nie für möglich gehaltenen 7:4-Erfolg. Diehl und Laumen (2) trafen und bescherten dem FCK einen der größten Triumphe in der Vereinshistorie.
Die Bayern waren nicht nur geschlagen, sie waren gedemütigt. Noch heute gerät man in Kaiserslautern beim Gedanken an die Partie vom 20. Oktober 1973 ins Schwärmen. In München möchte man diesen Tag dagegen am liebsten vergessen.
Gerd Müller vor FC Keeper Josef Elting. Einmal konnte er ihn überwinden. Trotzdem verlor man am Ende deutlich.
Pleiten beim Meister
Diesem 4:7 sollten noch zahlreiche weitere Bayern-Niederlagen auf dem Betzenberg folgen. Besonders schmerzvoll waren dabei zweifellos die Pleiten in den Lauterer Meister-Spielzeiten. 1991 siegten die Lauterer trotz frühen Rückstands noch mit 2:1 und ebneten so den Weg zur ersten Bundesliga-Meisterschaft des FCK. 1997 misslang den Bayern die Revanche für die Heimniederlage im Auftaktspiel. Man verlor 0:2 auf dem Betzenberg und sah in der Folge mit an, wie sich die Lauterer aufmachten, als erster Aufsteiger der Bundesligageschichte den Meistertitel zu erringen. Im Jahre 1994 hingegen ließen sich die Bayern auch von einer 0:4-Pleite auf dem Betzenberg nicht beeindrucken und errangen wenige Wochen später die verflixte 13. Meisterschaft – vor dem Vizemeister aus Kaiserslautern.
Legendäre Siege
Und auch wenn es anders scheinen mag, so haben die Bayern auch einige legendäre Siege auf dem Betzenberg einfahren können. Neben besagtem 4:0 vom April 2005, welches gleichbedeutend mit dem Meistertitel war, erinnert man sich als Bayern-Fan vor allem an das 3:2 aus der ansonsten eher unglücklich verlaufenden Spielzeit 1995/96. Das Gastspiel in Kaiserslautern fand damals wie heute an einem Freitagabend statt und lieferte all die Dramatik und Spannung, die man sich von diesem Klassiker gemeinhin verspricht. Markus Babbel erzielte den ersten und einzigen Doppelpack seiner Bundesligakarriere und der Ex-Lauterer Ciriaco Sforza zirkelte einen Freistoß in das von Andreas Reinke gehütete Tor. Dreieinhalb Jahre später traten die Bayern zum bislang einzigen Male in der Champions League auf dem Betzenberg an. Nach dem 2:0 im Hinspiel demoralisierten Effenberg, Jancker & Co. die Gastgeber mit einem unvergessenen 4:0-Sieg.
Die Bayern und der Betzenberg, das ist wahrlich keine freundschaftliche Beziehung. Und dennoch, es hat sie immer mal wieder gegeben, die bayrischen Sternstunden in der Pfalz. Vielleicht wird diese Geschichte an diesem Freitag ja um ein Kapitel reicher. Schau'n mer mal…
In der Reihe "Blick zurück nach vorn" wird in unregelmäßig erscheinenden Ausgaben ein Ausblick auf das nächste Bayern-Spiel geworfen – mittels eines Rückblicks auf die Spiele der Vergangenheit.
Paul Breitners sarkastisches Wunschdenken ist längst legendär. Man solle die Punkte doch per Post nach Kaiserslautern schicken und sich die Reisekosten sparen, forderte der ehemalige Bayern-Star einst süffisant. Die schier endlose Reihe zermürbender Niederlagen in Kaiserslautern Ende der 70er/Anfang der 80er ließ auch die sonst so selbstbewussten Bayern allmählich verzweifeln.
Zwischen 1975 und 1983 gelang den Münchnern kein einziger Sieg auf dem Betzenberg: Zwei Unentschieden standen insgesamt sechs Niederlagen gegenüber. Das Trauma Betzenberg sorgte sogar dafür, dass die an sich eher bodenständigen Bayern in die Trickkiste des Aberglaubens griffen und in absonderlichen Farbvariationen, vom brasilianischen Gelb-Blau bis zu Werders Grasgrün, aufliefen.
Wenn es für den Rekordmeister überhaupt einen Angstgegner gibt, dann ist es also der FCK, jedenfalls wenn man auf dem Betzenberg antreten muss. Die aufgehitzte Atmosphäre des Lauterer Hexenkessels ist den Bayern zumeist sehr schlecht bekommen. Vielleicht war es auch schlicht die Klasse des Gegners. Fest steht lediglich: Auf dem Betzenberg tat man sich immer schwer.
Den Schrecken verloren
Wenn die Bayern an diesem Freitag wieder auf den Betzenberg reisen, erwartet sie jedoch schon lange kein Angstgegner mehr. Der FCK, der die letzten vier Jahre mit dem Makel der Zweitklassigkeit leben musste, hat viel von seinem Schrecken verloren. An der Säbener Straße verbindet man neuerdings sogar sehr viel Positives mit der Heimstätte des FCK. Die Meisterschaften 2005 und 2006 wurden beide jeweils auf dem Betzenberg eingefahren. Am 30. April 2005 gewann man durch Treffer von Roy Makaay (3) und Michael Ballack mit 4:0 und konnte den Konkurrenten aus Schalke entscheidend abhängen. Ein Jahr später reichte den Münchnern ein 1:1 (Tor Ottl) in Kaiserslautern, um die zweite Meisterschaft unter Trainer Felix Magath unter Dach und Fach zu bringen.
Der 20. Oktober 1973
Doch nicht immer löste der Gedanke an den Betzenberg in München so viele positive Emotionen aus. Mit Grauen denkt man noch heute an den 20. Oktober 1973. An jenem Samstagnachmittag erlebten die Bayern eine der wohl schwärzesten Stunden ihrer Bundesligazugehörigkeit. Dabei begann das Gastspiel des 15. Spieltags so verheißungsvoll. Bereits nach 12 Minuten lagen die Bayern durch einen Doppelpack von Bernd Gersdorff in Führung und gingen schließlich mit einem 3:1-Vorsprung in die Pause. Als Gerd Müller in der 57. Minute das 4:1 für die Gäste markierte, glaubte wohl niemand mehr an ein Comeback des FCK. Denn keiner ahnte, dass sich an diesem Herbsttag die wohl legendärste Aufholjagd der Bundesligageschichte zutragen würde. Nach Müllers Tor gelang Klaus Toppmöller im Gegenzug das 2:4. Josef Pirrung sorgte mit seinem Doppelschlag für Anschluss und Ausgleich. Und in der Schlussphase vollendete sich das Lauterer Glück zu einem nie für möglich gehaltenen 7:4-Erfolg. Diehl und Laumen (2) trafen und bescherten dem FCK einen der größten Triumphe in der Vereinshistorie.
Die Bayern waren nicht nur geschlagen, sie waren gedemütigt. Noch heute gerät man in Kaiserslautern beim Gedanken an die Partie vom 20. Oktober 1973 ins Schwärmen. In München möchte man diesen Tag dagegen am liebsten vergessen.
Gerd Müller vor FC Keeper Josef Elting. Einmal konnte er ihn überwinden. Trotzdem verlor man am Ende deutlich.
Pleiten beim Meister
Diesem 4:7 sollten noch zahlreiche weitere Bayern-Niederlagen auf dem Betzenberg folgen. Besonders schmerzvoll waren dabei zweifellos die Pleiten in den Lauterer Meister-Spielzeiten. 1991 siegten die Lauterer trotz frühen Rückstands noch mit 2:1 und ebneten so den Weg zur ersten Bundesliga-Meisterschaft des FCK. 1997 misslang den Bayern die Revanche für die Heimniederlage im Auftaktspiel. Man verlor 0:2 auf dem Betzenberg und sah in der Folge mit an, wie sich die Lauterer aufmachten, als erster Aufsteiger der Bundesligageschichte den Meistertitel zu erringen. Im Jahre 1994 hingegen ließen sich die Bayern auch von einer 0:4-Pleite auf dem Betzenberg nicht beeindrucken und errangen wenige Wochen später die verflixte 13. Meisterschaft – vor dem Vizemeister aus Kaiserslautern.
Legendäre Siege
Und auch wenn es anders scheinen mag, so haben die Bayern auch einige legendäre Siege auf dem Betzenberg einfahren können. Neben besagtem 4:0 vom April 2005, welches gleichbedeutend mit dem Meistertitel war, erinnert man sich als Bayern-Fan vor allem an das 3:2 aus der ansonsten eher unglücklich verlaufenden Spielzeit 1995/96. Das Gastspiel in Kaiserslautern fand damals wie heute an einem Freitagabend statt und lieferte all die Dramatik und Spannung, die man sich von diesem Klassiker gemeinhin verspricht. Markus Babbel erzielte den ersten und einzigen Doppelpack seiner Bundesligakarriere und der Ex-Lauterer Ciriaco Sforza zirkelte einen Freistoß in das von Andreas Reinke gehütete Tor. Dreieinhalb Jahre später traten die Bayern zum bislang einzigen Male in der Champions League auf dem Betzenberg an. Nach dem 2:0 im Hinspiel demoralisierten Effenberg, Jancker & Co. die Gastgeber mit einem unvergessenen 4:0-Sieg.
Die Bayern und der Betzenberg, das ist wahrlich keine freundschaftliche Beziehung. Und dennoch, es hat sie immer mal wieder gegeben, die bayrischen Sternstunden in der Pfalz. Vielleicht wird diese Geschichte an diesem Freitag ja um ein Kapitel reicher. Schau'n mer mal…
In der Reihe "Blick zurück nach vorn" wird in unregelmäßig erscheinenden Ausgaben ein Ausblick auf das nächste Bayern-Spiel geworfen – mittels eines Rückblicks auf die Spiele der Vergangenheit.
Aufrufe: 5670 | Kommentare: 12 | Bewertungen: 22 | Erstellt:24.08.2010
ø 9.2
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Das Auftreten und die Tore gegen den EFFZEH am 1. Spieltag war schon mal ein Ausrufezeichen und die Bayern sollten die Lauterer auf keinen Fall unterschätzen...
nen 10er für diesen Blog