29.09.2010 um 17:06 Uhr
Geschrieben von Voegi
Blick zurück nach vorn (III)
…In Dortmund
Franz Beckenbauer ist ein Hallodri. Boris Becker auch. Jan Ullrich mimt den Naiven. Und Stefan Effenberg ist ein Choleriker. Jede Sportpersönlichkeit in diesem Land, die etwas auf sich hält, kämpft mit ihrem Image. Ein allgegenwärtiges Stigma, das auf die Stirn mehr tätowiert denn gestempelt scheint. Seinen Ruf wird man eben so schnell nicht mehr los. Oftmals weiß man jedoch gar nicht so genauso, woraus sich die jeweilige Brandmarkung denn nun genau speist.
Sollte sich Oliver Kahn einmal fragen, weshalb er eigentlich als übermotivierter Wüterich gilt, so kann man ihn zwanglos auf den 3. April 1999 verweisen. An jenem Samstagnachmittag waren die Bayern mal wieder in der damals noch als Westfalenstadion bekannten Heimstätte des BVB zu Gast. Die Ereignisse während der 90 Minuten in Dortmund sollten entscheidend dazu beitragen, Oliver Kahns Ruf als aufbrausenden Berserker in Stein zu meißeln.
Es war ein wahrlich historisches Spiel. Bereits nach 14 Minuten gingen die Gastgeber durch Heiko Herrlich in Führung. Knappe 20 Minuten später erhöhte eben jener Herrlich auf 2:0. Als Sammy Kuffour wenig später von Schiedsrichter Heynemann des Feldes verwiesen wurde, schien das Match entschieden. Doch die Bayern kämpften sich nach dem Seitenwechsel zurück ins Match. Alexander Zickler markierte den Anschluss, Dortmund Reuter flog mit Gelb-Rot vom Platz und Carsten Jancker war es schließlich vorbehalten, den letzten Treffer dieses dramatischen Nachmittags zu erzielen. Die Partie endete 2:2, obwohl den Gastgebern eine knappe Viertelstunde vor Schluss noch ein fragwürdiger Strafstoß zugesprochen wurde. Doch Oliver Kahn konnte gegen Lars Ricken parieren und rettete seiner Mannschaft so den immens wichtigen Punkt.
Halb beißend, halb knutschend
Es war allerdings nicht der gehaltene Elfmeter, durch den Oliver Kahns Image an diesem Nachmittag gefestigt wurde. In Erinnerung bleiben vielmehr zwei Aktionen aus der ersten Halbzeit: Zunächst näherte sich Kahn mit zweideutigen Absichten dem Dortmunder Torschützen und schien sich – halb beißend, halb knutschend – an dessen Hals festzusaugen. Ein surreales Szenario irgendwo zwischen devoter Zuneigung und leidenschaftlichem Kampf, das jedem Fußballfan noch in lebendiger Erinnerung sein dürfte. Was den Bayern-Torhüter zu dieser einmaligen Aktion veranlasst hat, wird wohl sein ewiges Geheimnis bleiben. Vielleicht war es aber auch nur purer Frust. Frust über das von Heiko Herrlich beschworene Ende von 736 Minuten ohne Gegentor – seinerzeit absoluter Rekord in Deutschlands Eliteklasse.
Doch nicht nur Heiko Herrlich bekam die Folgen des Kahn'schen Fanatismus zu spüren. Auch Sturmkollege Chapuisat wurde – beinahe – Opfer des Vul-Kahns. Als der Dortmunder Stürmer allein auf den gegnerischen Kasten zulief, wegen Abseitsstellung aber zurückgepfiffen wurde, traf er auf ihn, den Bayern-Hulk unmittelbar nach der Metamorphose. Mit angedeutetem Kung-Fu-Schritt sprang Kahn nur wenige Zentimeter an Chapuisat vorbei und sorgte unter den Zuschauern gleichsam für Erschrecken wie für Befremden. Der Referee blieb gnädig und verzichtete auf jegliche Sanktionen. Der übermotivierte Sünder zeigte sich nach dem Spiel einsichtig "War dumm von mir – aber ich wollte ihn nicht treffen!". Wie auch immer die Absichten des Bayern-Keepers an diesem Nachmittag aussahen, seine beiden Ausraster haben sein Image bis heute nachhaltig geprägt.
Siegerposen & Kartenrekord
Zwei Jahre später trug sich in Dortmund ein ähnlich emotionales Duell zu, in dem Oliver Kahn diesmal aber nur eine Nebenrolle einnehmen sollte. Beim 1:1 am 7. April 2001 trat der Bayern-Torhüter nur einmal wirklich in den Fokus: Als ihm Rosickys Freistoß vom Innenpfosten unmittelbar vor die Füße tropfte, nahm er den Ball auf und reckte die Hände in lässiger Siegerpose in den Himmel – ein unverkennbares Zeichen von Selbstvertrauen und Siegesgewissheit. Die Protagonisten an diesem Samstagabend waren aber gleichwohl andere. Allen voran Schiedsrichter Hartmut Strampe, der insgesamt 10 Gelbe, 2 Gelb-Rote und 1 glatt Rote Karte zeigte – ein trauriger Rekord als Ausdruck eines unfairen, mitunter brutalen Spiels, das weniger wegen seiner Klasse denn vielmehr durch die in ihm hervortretenden Emotionen in die Annalen der Bundesliga einging.
Eine besondere Dramaturgie wies auch das Aufeinandertreffen der beiden Teams in der Spielzeit 2004/2005 auf. Nach zwei Ewerthon-Treffern lag der BVB zwei Minuten vor Schluss 2:0 in Front und sah schon wie der sichere Sieger aus. Doch in einem grandiosen Schlussspurt erarbeiteten sich die Münchner den wichtigen Punkt. Lucio und Makaay trafen jeweils per Kopf.
Und auch wenn es so scheinen mag, endeten nicht alle Partien der beiden Erzrivalen in Dortmund mit einem Unentschieden. In der Saison 1995/1996 beispielsweise war es dem BVB vorbehalten, der Rehhagel-Elf die erste Niederlage zuzufügen. Nach sieben Siegen in Folge unterlagen die Bayern im Westfalenstadion mit 1:3 und schlidderten von da an allmählich in die Krise.
Magaths Ende
Elfeinhalb Jahre später läuteten die Dortmunder mit einem 3:2-Sieg das Ende der Ära Magath in München ein. Am ersten Rückrundespieltag der Saison 2006/2007 siegte man trotz 1:2-Rückstandes noch gegen den angeschlagenen Meister. Für Neu-Coach Jürgen Röber sollte es jedoch der letzte große Erfolg mit dem BVB werden – wenige Wochen später wurde auch er entlassen.
Siege der Bayern in Dortmund waren in den letzten 20 Jahren rar gesät. 1997 schlug man eine von Verletzungssorgen gebeutelte Scala-Elf durch Treffer von Elber und Jancker mit 2:0. 2001 gewann man, wenige Tage vor dem 11. September, mit dem gleichen Resultat – damals waren Salihamidzic und Santa Cruz erfolgreich. Und im Dezember 2005 schlug man den Gastgeber durch Tore von Karimi und Pizarro mit 2:1.
1:5
In Erinnerung bleiben dürfte aber vor allem das Match aus der vergangenen Saison. Nach einem frühen Rückstand durch einen Hummels-Kopfball siegte man letztlich noch souverän mit einem in dieser Höhe nicht für möglich gehaltenen 5:1. Unter die Torschützen mischte sich damals auch ein gewisser Thomas Müller, der an jenem 12. September 2009 gleich doppelt erfolgreich war. Es waren die ersten beiden Treffer seiner hoffentlich noch lang andauernden Bundesligakarriere.
Am kommenden Sonntag sind die Bayern nun wieder in Dortmund zu Gast. Mit einem 5:1 sollte man unter den derzeitigen Voraussetzungen besser nicht kalkulieren. Dennoch erwartet uns sicher ein interessantes und vor allem emotional aufgeladenes Duell, auch wenn Oliver Kahn schon lange nicht mehr den Kasten der Bayern hütet.
Hummels bringt den BVB in Führung, am Ende siegen die Bayern klar.
Franz Beckenbauer ist ein Hallodri. Boris Becker auch. Jan Ullrich mimt den Naiven. Und Stefan Effenberg ist ein Choleriker. Jede Sportpersönlichkeit in diesem Land, die etwas auf sich hält, kämpft mit ihrem Image. Ein allgegenwärtiges Stigma, das auf die Stirn mehr tätowiert denn gestempelt scheint. Seinen Ruf wird man eben so schnell nicht mehr los. Oftmals weiß man jedoch gar nicht so genauso, woraus sich die jeweilige Brandmarkung denn nun genau speist.
Sollte sich Oliver Kahn einmal fragen, weshalb er eigentlich als übermotivierter Wüterich gilt, so kann man ihn zwanglos auf den 3. April 1999 verweisen. An jenem Samstagnachmittag waren die Bayern mal wieder in der damals noch als Westfalenstadion bekannten Heimstätte des BVB zu Gast. Die Ereignisse während der 90 Minuten in Dortmund sollten entscheidend dazu beitragen, Oliver Kahns Ruf als aufbrausenden Berserker in Stein zu meißeln.
Es war ein wahrlich historisches Spiel. Bereits nach 14 Minuten gingen die Gastgeber durch Heiko Herrlich in Führung. Knappe 20 Minuten später erhöhte eben jener Herrlich auf 2:0. Als Sammy Kuffour wenig später von Schiedsrichter Heynemann des Feldes verwiesen wurde, schien das Match entschieden. Doch die Bayern kämpften sich nach dem Seitenwechsel zurück ins Match. Alexander Zickler markierte den Anschluss, Dortmund Reuter flog mit Gelb-Rot vom Platz und Carsten Jancker war es schließlich vorbehalten, den letzten Treffer dieses dramatischen Nachmittags zu erzielen. Die Partie endete 2:2, obwohl den Gastgebern eine knappe Viertelstunde vor Schluss noch ein fragwürdiger Strafstoß zugesprochen wurde. Doch Oliver Kahn konnte gegen Lars Ricken parieren und rettete seiner Mannschaft so den immens wichtigen Punkt.
Halb beißend, halb knutschend
Es war allerdings nicht der gehaltene Elfmeter, durch den Oliver Kahns Image an diesem Nachmittag gefestigt wurde. In Erinnerung bleiben vielmehr zwei Aktionen aus der ersten Halbzeit: Zunächst näherte sich Kahn mit zweideutigen Absichten dem Dortmunder Torschützen und schien sich – halb beißend, halb knutschend – an dessen Hals festzusaugen. Ein surreales Szenario irgendwo zwischen devoter Zuneigung und leidenschaftlichem Kampf, das jedem Fußballfan noch in lebendiger Erinnerung sein dürfte. Was den Bayern-Torhüter zu dieser einmaligen Aktion veranlasst hat, wird wohl sein ewiges Geheimnis bleiben. Vielleicht war es aber auch nur purer Frust. Frust über das von Heiko Herrlich beschworene Ende von 736 Minuten ohne Gegentor – seinerzeit absoluter Rekord in Deutschlands Eliteklasse.
Doch nicht nur Heiko Herrlich bekam die Folgen des Kahn'schen Fanatismus zu spüren. Auch Sturmkollege Chapuisat wurde – beinahe – Opfer des Vul-Kahns. Als der Dortmunder Stürmer allein auf den gegnerischen Kasten zulief, wegen Abseitsstellung aber zurückgepfiffen wurde, traf er auf ihn, den Bayern-Hulk unmittelbar nach der Metamorphose. Mit angedeutetem Kung-Fu-Schritt sprang Kahn nur wenige Zentimeter an Chapuisat vorbei und sorgte unter den Zuschauern gleichsam für Erschrecken wie für Befremden. Der Referee blieb gnädig und verzichtete auf jegliche Sanktionen. Der übermotivierte Sünder zeigte sich nach dem Spiel einsichtig "War dumm von mir – aber ich wollte ihn nicht treffen!". Wie auch immer die Absichten des Bayern-Keepers an diesem Nachmittag aussahen, seine beiden Ausraster haben sein Image bis heute nachhaltig geprägt.
Siegerposen & Kartenrekord
Zwei Jahre später trug sich in Dortmund ein ähnlich emotionales Duell zu, in dem Oliver Kahn diesmal aber nur eine Nebenrolle einnehmen sollte. Beim 1:1 am 7. April 2001 trat der Bayern-Torhüter nur einmal wirklich in den Fokus: Als ihm Rosickys Freistoß vom Innenpfosten unmittelbar vor die Füße tropfte, nahm er den Ball auf und reckte die Hände in lässiger Siegerpose in den Himmel – ein unverkennbares Zeichen von Selbstvertrauen und Siegesgewissheit. Die Protagonisten an diesem Samstagabend waren aber gleichwohl andere. Allen voran Schiedsrichter Hartmut Strampe, der insgesamt 10 Gelbe, 2 Gelb-Rote und 1 glatt Rote Karte zeigte – ein trauriger Rekord als Ausdruck eines unfairen, mitunter brutalen Spiels, das weniger wegen seiner Klasse denn vielmehr durch die in ihm hervortretenden Emotionen in die Annalen der Bundesliga einging.
Eine besondere Dramaturgie wies auch das Aufeinandertreffen der beiden Teams in der Spielzeit 2004/2005 auf. Nach zwei Ewerthon-Treffern lag der BVB zwei Minuten vor Schluss 2:0 in Front und sah schon wie der sichere Sieger aus. Doch in einem grandiosen Schlussspurt erarbeiteten sich die Münchner den wichtigen Punkt. Lucio und Makaay trafen jeweils per Kopf.
Und auch wenn es so scheinen mag, endeten nicht alle Partien der beiden Erzrivalen in Dortmund mit einem Unentschieden. In der Saison 1995/1996 beispielsweise war es dem BVB vorbehalten, der Rehhagel-Elf die erste Niederlage zuzufügen. Nach sieben Siegen in Folge unterlagen die Bayern im Westfalenstadion mit 1:3 und schlidderten von da an allmählich in die Krise.
Magaths Ende
Elfeinhalb Jahre später läuteten die Dortmunder mit einem 3:2-Sieg das Ende der Ära Magath in München ein. Am ersten Rückrundespieltag der Saison 2006/2007 siegte man trotz 1:2-Rückstandes noch gegen den angeschlagenen Meister. Für Neu-Coach Jürgen Röber sollte es jedoch der letzte große Erfolg mit dem BVB werden – wenige Wochen später wurde auch er entlassen.
Siege der Bayern in Dortmund waren in den letzten 20 Jahren rar gesät. 1997 schlug man eine von Verletzungssorgen gebeutelte Scala-Elf durch Treffer von Elber und Jancker mit 2:0. 2001 gewann man, wenige Tage vor dem 11. September, mit dem gleichen Resultat – damals waren Salihamidzic und Santa Cruz erfolgreich. Und im Dezember 2005 schlug man den Gastgeber durch Tore von Karimi und Pizarro mit 2:1.
1:5
In Erinnerung bleiben dürfte aber vor allem das Match aus der vergangenen Saison. Nach einem frühen Rückstand durch einen Hummels-Kopfball siegte man letztlich noch souverän mit einem in dieser Höhe nicht für möglich gehaltenen 5:1. Unter die Torschützen mischte sich damals auch ein gewisser Thomas Müller, der an jenem 12. September 2009 gleich doppelt erfolgreich war. Es waren die ersten beiden Treffer seiner hoffentlich noch lang andauernden Bundesligakarriere.
Am kommenden Sonntag sind die Bayern nun wieder in Dortmund zu Gast. Mit einem 5:1 sollte man unter den derzeitigen Voraussetzungen besser nicht kalkulieren. Dennoch erwartet uns sicher ein interessantes und vor allem emotional aufgeladenes Duell, auch wenn Oliver Kahn schon lange nicht mehr den Kasten der Bayern hütet.
Hummels bringt den BVB in Führung, am Ende siegen die Bayern klar.
Aufrufe: 5581 | Kommentare: 13 | Bewertungen: 14 | Erstellt:29.09.2010
ø 9.6
KOMMENTARE
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29.09.2010 | 18:36 Uhr
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Maulwurfen :
Wieder einmal hervorragend 10er
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29.09.2010 | 17:47 Uhr
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achja das wahren noch zeiten sportlich gesehen vermisse ich den oli ja ^^sehr^^!!!
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29.09.2010 | 17:39 Uhr
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UliFan :
Jan Ullrich mimt den Naiven Du hast ja einen guten Humor!
Über den Satz bin ich doch glatt drüber gestolpert. Einer der größten Lügner der deutschen Sportgeschichte ginge evtl auch, aber das ist ja hier nicht das Thema.
Ansonsten schöne Rückschau auf echt sehr interessante Spiele. So ein Kahn fehlt uns einfach im Moment. Nicht so sehr als Torwart aber als Typ!
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