16.11.2010 um 17:25 Uhr
Geschrieben von possessionplay
Blog-Reihe: Taktik-Entwicklung 3
Hallo zum dritten Teil meiner Blogreihe!
Teil 3: Wie Pep Guardiola Mexiko und Chile inspirierte
Wir haben bereits gesehen, dass Spanien das in Teil 1 beschriebene 4-1-4-1 zu einem asmmetrischen 4-2-3-1 entwickelte und Barca neben dem 4-1-2-3 und dem 4-2-4 auch eine weitere eher seltene Variante im Programm hat: Das 4-2-1-3, eine Abwandlung des 4-2-3-1.
Für mich ist Barcas 4-3-3 ein Hybrid aus 4-1-2-3 und 4-2-1-3. Welche Variante besser ist, kann man generell nicht sagen, die Sorge, ein alleiniger 6er würde dem Spiel Fluidität nehmen, ist bei Barca zu verneinen, da Busquets sehr flexibel ist und auch 8er spielen kann.
Nun stellt sich aber die Frage: Ist Barcelonas System wirklich im Allgemeinen ein 4-3-3?
Die Antwort: Nein!
Dass ihre Außenverteidiger extrem offensiv spielen, ist nichts Neues. Früher betraf dies vor allem Dani Alves, dann blieb der LV (meist Abidal) hinten und füllte mit den IV eine Dreierkette auf. Heute gibt es diese Variante meistens nur noch im Pressingspiel, denn Abidal schaltet sich mittlerweile mehr ins Offensivspiel ein als früher. Im folgenden Bild sieht man, wie der LV (ballfern) in einer Pressingsituation auffüllt, so dass Dani Alves mitpressen kann und der Sechser besser das Zentrum abdecken kann.
(Leider kein passendes Bild für die Offensivstellung)
Aktuell geht neben Alves auch LV Maxwell (Abidal jetzt auch, wenn er spielt) sehr oft mit nach vorne, dann rückt Busquets zwischen die beiden IV und kreiert eine Dreierkette. Ebenso geht aber auch Pique manchmal ins Mittelfeld und die AVs bleiben (etwas) defensiver. Sowohl Pique als auch Busquets spielen einer Art moderner Libero, aber jede auf seine eigene Weise, so dass Barcas System zu einem 3-4-3 mutiert.
Betrachtet man die Variante mit Busquets als Libero, sieht man, dass das Spiel extrem breit gemacht werden kann, da die IV und weiter vorne die AV sehr weit außen stehen bzw. an der Außenlinie kleben. So können die Außenstürmer nach innen ziehen und Busquets aus seiner tiefen Position das Spiel gut aufbauen.
Mehr zur Rolle von Busquets
Mehr zum Spieler Busquets
Aber das ist noch nicht das Ende. Bevor ich beleuchten werde, wie die Entwicklung weitergeht, möchte ich nun noch einen Exkurs zur WM 2010 wagen.
Bei der WM 2010 sorgten mit Mexiko und Chile zwei amerikanische Mannschaften mit ihrer offensiven Spielweise in einem nicht immer hochklassigen Turnier für viele positive Schlagzeilen. Die Spielweisen beider Teams wurden als "exotisch" und "ungewöhnlich" bezeichnet. Dabei hatten sie doch gerade zum besten Team der Welt und zum innovativsten Trainer der Welt viele Verbindungen.
Mexiko:
Das Team von Trainer Javier Aguirre trat bei der WM 2010 im 4-3-3-System an, genauer gesagt im 4-1-2-3. Allerdings wechselten sie je nach Spielsituation zwischen dieser Formation und dem 3-4-3 hin und her und spielten damit in etwa so wie der FC Barcelona.
Bei den Mexikanern bewegte sich Marquez, der Sechser, zurück in die Abwehr, wenn er musste, und die Außenverteidiger standen meistens extrem hoch, wobei einer der AV auch teilweise einrückte, um mehr Kontrolle über das Mittelfeldzentrum zu erlangen. Ein ganz zentraler Punkt des Systems war die ständige Bewegung der Spieler, ihre Rochaden, also die Fluidität. Sie spielten offensiv und wollten den Ball haben, waren aber dennoch flexibel und konnten zwischen zwei Systemen wechseln.
Chile:
Die Chilenen hatten in ihrer Spielweise sicherlich noch mehr Ähnlichkeit zu Barcelona als die Mexikaner, da sie ein ähnlich aggressives Pressing tief in des Gegners Hälfte betrieben. Auch Chile baute auf dynamisches, offensives Spiel und erzeugte ein extrem breites Feld. Ständiges, intensives Pressing und ständiger Angriff standen bei den Südamerikanern im Mittelpunkt. Mit ihrer offensiven Art dominierten sie nicht nur Honduras und die Schweiz, sondern bekamen wie Mexiko viele Sympathien. Der Stil der Chilenen zeichnete sich durch Dynamik und Intensität und somit auch durch Kräfteverschleiß aus. Vielleicht lag es daran, dass ihnen die Durchschlagskraft sowie die Konsequenz beim letzten Pass abgingen, obwohl stets 6 Spieler voll auf Angriff spielten. Dieser Stil beinhaltete natürlich auch ein gewisses Risiko (vor allem bei Kontern), weshalb Trainer Bielsa, ein ausgewiesener Fachmann, auch eine "Busquets-Rolle" in seinem Team hatte. Der Unterschied zu Mexiko und Barca war allerdings, dass jener "Libero" nicht aus dem Mittelfeld zurückrückte, sondern normalerweise dort spielte. Teilweise rückte er ins Mittelfeld vor und die extrem offensiven Außenverteidiger zurück, auch wenn sie selbst in diesem Szenario noch offensiv waren, wenn man es mit "normalen" AVs vergleicht.
Welches System spielte Chile? Ein 3-3-1-3: (sie konnten wie oben beschrieben aber auch zum 4-2-1-3-0 wechseln)
Es ist eine Variation des 4-2-1-3, im Unterschied zu den Mexikanern hat es vor der Dreierkette – wenn man die OAVs ausnimmt – nur einen Spieler (ein DM, während Mexiko zwei ZMs hatte), dafür aber noch einen zusätzlichen HS, der oft als vierter Stürmer operierte.
Das 3-3-1-3 der Chilenen erinnert aber an noch eine andere Mannschaft der Vergangenheit und ihren innovativen Trainer (in der Einleitung war damit nicht Guardiola gemeint):
Ajax Amsterdam und Louis van Gaal.
Fazit:
Mexiko und Chile zeigen, dass auch kleinere Teams (und auch von anderen Kontinenten) innovativ und modern spielen können. Für die Zukunft wird es immer wichtiger, auch in der Defensive variabel zu sein und z.B. zwischen 3er-Kette und 4er-Kette flexibel switchen zu können.
Jetzt wieder eure Meinungen, bitte!
Nächste Woche folgt Teil 4
Teil 3: Wie Pep Guardiola Mexiko und Chile inspirierte
Wir haben bereits gesehen, dass Spanien das in Teil 1 beschriebene 4-1-4-1 zu einem asmmetrischen 4-2-3-1 entwickelte und Barca neben dem 4-1-2-3 und dem 4-2-4 auch eine weitere eher seltene Variante im Programm hat: Das 4-2-1-3, eine Abwandlung des 4-2-3-1.
Für mich ist Barcas 4-3-3 ein Hybrid aus 4-1-2-3 und 4-2-1-3. Welche Variante besser ist, kann man generell nicht sagen, die Sorge, ein alleiniger 6er würde dem Spiel Fluidität nehmen, ist bei Barca zu verneinen, da Busquets sehr flexibel ist und auch 8er spielen kann.
Nun stellt sich aber die Frage: Ist Barcelonas System wirklich im Allgemeinen ein 4-3-3?
Die Antwort: Nein!
Dass ihre Außenverteidiger extrem offensiv spielen, ist nichts Neues. Früher betraf dies vor allem Dani Alves, dann blieb der LV (meist Abidal) hinten und füllte mit den IV eine Dreierkette auf. Heute gibt es diese Variante meistens nur noch im Pressingspiel, denn Abidal schaltet sich mittlerweile mehr ins Offensivspiel ein als früher. Im folgenden Bild sieht man, wie der LV (ballfern) in einer Pressingsituation auffüllt, so dass Dani Alves mitpressen kann und der Sechser besser das Zentrum abdecken kann.
(Leider kein passendes Bild für die Offensivstellung)
Aktuell geht neben Alves auch LV Maxwell (Abidal jetzt auch, wenn er spielt) sehr oft mit nach vorne, dann rückt Busquets zwischen die beiden IV und kreiert eine Dreierkette. Ebenso geht aber auch Pique manchmal ins Mittelfeld und die AVs bleiben (etwas) defensiver. Sowohl Pique als auch Busquets spielen einer Art moderner Libero, aber jede auf seine eigene Weise, so dass Barcas System zu einem 3-4-3 mutiert.
Betrachtet man die Variante mit Busquets als Libero, sieht man, dass das Spiel extrem breit gemacht werden kann, da die IV und weiter vorne die AV sehr weit außen stehen bzw. an der Außenlinie kleben. So können die Außenstürmer nach innen ziehen und Busquets aus seiner tiefen Position das Spiel gut aufbauen.
Mehr zur Rolle von Busquets
Mehr zum Spieler Busquets
Aber das ist noch nicht das Ende. Bevor ich beleuchten werde, wie die Entwicklung weitergeht, möchte ich nun noch einen Exkurs zur WM 2010 wagen.
Bei der WM 2010 sorgten mit Mexiko und Chile zwei amerikanische Mannschaften mit ihrer offensiven Spielweise in einem nicht immer hochklassigen Turnier für viele positive Schlagzeilen. Die Spielweisen beider Teams wurden als "exotisch" und "ungewöhnlich" bezeichnet. Dabei hatten sie doch gerade zum besten Team der Welt und zum innovativsten Trainer der Welt viele Verbindungen.
Mexiko:
Das Team von Trainer Javier Aguirre trat bei der WM 2010 im 4-3-3-System an, genauer gesagt im 4-1-2-3. Allerdings wechselten sie je nach Spielsituation zwischen dieser Formation und dem 3-4-3 hin und her und spielten damit in etwa so wie der FC Barcelona.
Bei den Mexikanern bewegte sich Marquez, der Sechser, zurück in die Abwehr, wenn er musste, und die Außenverteidiger standen meistens extrem hoch, wobei einer der AV auch teilweise einrückte, um mehr Kontrolle über das Mittelfeldzentrum zu erlangen. Ein ganz zentraler Punkt des Systems war die ständige Bewegung der Spieler, ihre Rochaden, also die Fluidität. Sie spielten offensiv und wollten den Ball haben, waren aber dennoch flexibel und konnten zwischen zwei Systemen wechseln.
Chile:
Die Chilenen hatten in ihrer Spielweise sicherlich noch mehr Ähnlichkeit zu Barcelona als die Mexikaner, da sie ein ähnlich aggressives Pressing tief in des Gegners Hälfte betrieben. Auch Chile baute auf dynamisches, offensives Spiel und erzeugte ein extrem breites Feld. Ständiges, intensives Pressing und ständiger Angriff standen bei den Südamerikanern im Mittelpunkt. Mit ihrer offensiven Art dominierten sie nicht nur Honduras und die Schweiz, sondern bekamen wie Mexiko viele Sympathien. Der Stil der Chilenen zeichnete sich durch Dynamik und Intensität und somit auch durch Kräfteverschleiß aus. Vielleicht lag es daran, dass ihnen die Durchschlagskraft sowie die Konsequenz beim letzten Pass abgingen, obwohl stets 6 Spieler voll auf Angriff spielten. Dieser Stil beinhaltete natürlich auch ein gewisses Risiko (vor allem bei Kontern), weshalb Trainer Bielsa, ein ausgewiesener Fachmann, auch eine "Busquets-Rolle" in seinem Team hatte. Der Unterschied zu Mexiko und Barca war allerdings, dass jener "Libero" nicht aus dem Mittelfeld zurückrückte, sondern normalerweise dort spielte. Teilweise rückte er ins Mittelfeld vor und die extrem offensiven Außenverteidiger zurück, auch wenn sie selbst in diesem Szenario noch offensiv waren, wenn man es mit "normalen" AVs vergleicht.
Welches System spielte Chile? Ein 3-3-1-3: (sie konnten wie oben beschrieben aber auch zum 4-2-1-3-0 wechseln)
Es ist eine Variation des 4-2-1-3, im Unterschied zu den Mexikanern hat es vor der Dreierkette – wenn man die OAVs ausnimmt – nur einen Spieler (ein DM, während Mexiko zwei ZMs hatte), dafür aber noch einen zusätzlichen HS, der oft als vierter Stürmer operierte.
Das 3-3-1-3 der Chilenen erinnert aber an noch eine andere Mannschaft der Vergangenheit und ihren innovativen Trainer (in der Einleitung war damit nicht Guardiola gemeint):
Ajax Amsterdam und Louis van Gaal.
Fazit:
Mexiko und Chile zeigen, dass auch kleinere Teams (und auch von anderen Kontinenten) innovativ und modern spielen können. Für die Zukunft wird es immer wichtiger, auch in der Defensive variabel zu sein und z.B. zwischen 3er-Kette und 4er-Kette flexibel switchen zu können.
Jetzt wieder eure Meinungen, bitte!
Nächste Woche folgt Teil 4
Aufrufe: 21611 | Kommentare: 16 | Bewertungen: 5 | Erstellt:16.11.2010
ø 9.0
KOMMENTARE
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18.11.2010 | 09:19 Uhr
0
mrpink27 :
Drei Verteidiger und sieben Pressing-Spieler ist das Optimum wenn man echtes Pressing spielen will (im Vergleich zu den System wo nur zwei oder drei Spieler pressen). Ajax hat das schon in den 70ern gespielt.Ein weiterer Grund für eine Dreierkette ist das vor einigen Jahren viele Teams noch mit 2 Stürmern aufliefen.
Barcas 3er-Kette kommt also vom Pressing. van Gaals und Bielsas 3er-Kette weil sie einen Mann mehr in der Verteidigung haben wollten als der Gegner Stürmer hatte.
Ajax hat in den 90ern oft gegen 3-5-2 und 4-4-2 spielen müssen. Da die Gegner keine Flügelstürmer einsetzten lohnten sich Außenverteidiger wie wir sie heute kennen nicht. Jetzt setzt vG auch auf eine 4er-Kette weil sich der Fußball verändert hat. (Beckenbauer ist früher auch ins Mittelfeld gegangen. Vergleichbar mit Pique?)
Chiles 3-3-1-3 was natürlich ein sehr flexibles System, verlangte aber gerade von einigen Spielern enorme Laufarbeit (Vidal und Isla). Chile spielte zwar Pressing, war sich aber nicht zu schade auch mal ein Foul zu begehen um Zeit zu gewinnen sich wieder richtig zu positionieren.
Die einzelnen Punkte die du ansprichst sind richtig. Marquez spielte früher bei Barca und Mexicos System war dem nicht unähnlich. Chile dagegen spielt schon anders, nicht defensiv aber anders.
Interessant an Barca ist, dass sie viele Dinge machen die man hier und da schon gesehen hat und die auch seit Jahrzehnten zum Fußball gehören. Aber sie machen fast alles: Pressing, überzahlsituationen, angreifende AVs, nach hintenfallender DM, nach vorne gehender IV. Barca ist sehr konsequent mit der Umsetzung dieser Techniken.
Der Aussage Pep Guardiola hätte Mexiko und Chile inspiriert kann ich so nicht zustimmen.
0
17.11.2010 | 11:38 Uhr
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La_Pulga :
Bisher für mich der beste Teil Allerdings glaube ich auch nicht, dass Chile sich was bei Pep abgeguckt hat, es kann ja mehrere clevere Trainer geben...
Aber dieser Trend vom Halb IV wird in mehreren Mannschaften sichtbar, mal sehen wie es weitergeht...
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16.11.2010 | 20:31 Uhr
0
alle 3 teile richtig stark
freu mich schon auf den vierten
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16.11.2010 | 20:22 Uhr
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Romni :
Barcelona insperierte Chile, Guardiola insperierte Chile? wtf
Chile war Chile, so wie sie sind.
Langsam aber sicher geht mir dieses glorifizieren doch extrem weit....
6
16.11.2010 | 17:39 Uhr
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Taktiker :
Ich muss sagen, Deine Serie entwickelt sich wirklich super. Langsam werden auch die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Teilen deutlicher. Ich finde Deinen Ansatz sehr gut, und bin gespannt, in welche Richtung Deine Serie letzten Endes gehen wird, bis jetzt bin ich wirklich beeindruckt, weiter so!
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Statistik
...erstmal zur Blog-überschrift, die ja doch kritisiert worden ist:
Ich denke auch nicht, dass Chile und Mexiko bei Pep geklaut haben, womit meine Aussage sicherlich nicht wirklich korrekt ist. Der Grund weshalb ich sie gewählt habe, sind einheitliche überschriften für die Serie. Die sind aber wohl misslungen und waren bei allen 3 Teilen nicht ideal.
Dennoch möchte ich sagen, dass Barca aber schon eine Vorbildrolle einnimmt.
@ La_Pulga
Halb-IV ist auch ein guter Name, vielleicht ein überbegriff, während Falscher Sechser (schöne Bezeichnung wie ich finde) dann eine spezifizierte Rolle wäre.
@mrpink
inwieweit hat Chile denn anders gespielt?
Ansonsten super Ausführungen....
....stimme ich Dir zu