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Taktikecke


Gründer: Taktiker | Mitglieder: 190 | Beiträge: 21
23.11.2010 um 14:10 Uhr
Geschrieben von possessionplay
Blog-Reihe: Taktik-Entwicklung 4
Teil 4: Wie Pep Guardiola das 2-3-2-3 und den Ajax-Geist (re)produzierte

Bisher wurde Spaniens Entwicklung vom 4-1-4-1 zum asymmetrischen 4-2-3-1 und die von Bara beleuchtet, welche ein Hybrid aus 4-1-2-3 und 4-2-1-3 spielen und zu einem 3-4-3 switchen können.

Barcelonas 3-4-3 mit einem in die Abwehr gerückten Busquets ist allerdings noch nicht das Ende der Entwicklungen. Die "Dreierkette" ist normalerweise gegen Gegner mit nur 1 Stürmer eine Verschwendung, doch dieses Problem stellt sich nicht wirklich, da die Dreierkette ja aus einer Viererkette entstanden ist und somit durch ihre Flexibilität sich wieder zurückverwandeln kann - wenn nötig. Auch kann Busquets sich nur vor die IVs fallen lassen, wie zuletzt auch häufiger zu sehen war. Und dann entsteht ein 2-5-3 oder aufgedröselt ein 2-3-2-3 mit den beiden IVs, Busquets und den OAVs davor sowie 2 ZMs und 3 Stürmern. So spielt Barca. Eigentlich ist es ja nichts anderes als ein 4-1-2-3, aber die Außenverteidiger spielen auch bei gegnerischem Ballbesitz sehr hoch und pressen, weshalb die Schreibweise 2-3-2-3 durchaus angebracht ist. Barca spielt also eine Art Mischform zwischen 3-4-3 und W-W.
Beim 2-3-2-3 kann man auch die vielzitierten Dreiecke schön verdeutlichen:


Einfach beeindruckend das Pressing...
Auch hierbei verwenden sie ihre Dreiecke und man sieht auch, wie hoch und offensiv die AVs (in diesem Fall einer) pressen (bzw. presst).

In dieser 2-3-2-3-Formation können sich dann Busquets und Pique auch abwechseln, d. h. dass wenn Letzterer ins Mittelfeld mal vormaschiert, Busquets dann zurückrückt. Das ganze System erlaubt also eine Fülle an Variationsmöglichkeiten.

Im letzten Teil habe ich auch über Chiles 3-3-1-3 berichtet. Bei diesem System fällt einem Ajax aus den 90ern ein. War das das Gleiche? Nein.
Der Unterschied ist, dass der zentrale Spieler der zweiten Dreierreihe (also der DM) eigentlich gar keiner war, sondern Innenverteidiger Frank Rijkaard, der aus der Abwehr ins DM vorrückte und im Mittelfeld die beiden ZMs ergänzte. Zudem gab es bei Ajax mit den beiden Außenstürmern nur 2 Außen, bei Chile 4 (die AS und Vidal und Isla). Im Grundsatz war es ein 4-2-1-3/4-2-4 bzw. 3-3-1-3/3-3-4-System. Die Rolle des hängenden Stürmers gab es sowohl bei Ajax als auch bei Chile: Jari Litmanen und Jean Beausejour(wobei Litmanen bei Ajax der Haupttorjäger war)
Gegen den damals populären 2er-Sturm hatte Ajax-Dreierkette leichtes Spiel, da sie immer einen Zusatz-Spieler hatten. Das ist auch bei Bielsas Chile ein wichtiger Faktor, je nach Gegner wird zwischen 3-3-1-3 und 4-2-1-3 gewechselt, um sich auf einen 1er/3er-Sturm oder eine Doppelspitze einstellen zu können.
Bei einem langen Ball auf einen Stürmer konnte Rijkaard diesen entweder gut abfangen oder von hinten doppeln, Blind war immer noch eine Zusatz-Absicherung.

Blind war der defensivste Mann, die AVs etwas weiter vorne, welche die gegnerischen Stürmer bewachten (teilweise Manndeckung). Rijkaard spielte als DM leicht hinter den beiden gestalterischen ZMs bzw. als IV, der sehr weit aufrückte und dann dauerhaft Mittelfeld spielte, Litmanen füllte die Trequartista-Rolle, vor ihm gab es noch die drei Stürmer, wobei die beiden Außen extrem an der Linie klebten.
Zu Rijkaard ist noch zu sagen, dass er den Ball teilweise von hinten abholte und Antreiber, spielmachender Libero vor der Abwehr und Staubsauger in einem war, aber in der Defensive auch mal zum Innenverteidiger wurde (bspw. bei einem seltenen Dreiersturm oder wenn der Gegner über Außen kam, dann schob ein Verteidiger raus, während Rijkaard sich fallen ließ und den freien Stürmer abdeckte) oder für die gelegentlichen Offensivaktionen von Blind oder einem der beiden anderen Verteidiger absicherte.
Somit ist eigentlich seine Position nicht zu definieren, eine Verschmelzung aus IV und DM, was ja auch dazu passt, dass van Gaal meistens einen abräumenden (van Buyten) und einen aufbauenden IV (Badstuber) einsetzt.
Im letzten Drittel und in der entscheidenden Angriffsvorbereitung wurde Rijkaard extrem offensiv und war dort für den finalen Pass zuständig.
Es war ein geniales System mit genialen Spielern, einem genialem Trainer und traumhaftem Fußball (typischer LvG-Stil), was dem Standard klar überlegen war.
Viel Bewegung, Rochaden im Positionsspiel, viele Kurzpässe, also typisches possessionplay mit vielen Verlagerungen, der flexible Rijkaard (ein umgekehrter Busquets), die ZMs, die bei offensiven Außen des Gegners zu AVs wurden, der Mittelstürmer, der sich fallen ließ, um den von Litmanen so geliebten Raum zu öffnen. Der wiederum war intelligent genug, auch mal das Mittelfeld zu stärken, spielte also ZM, OM, Schattenspieler und MS in einem, dazu waren die Offensiven Wandspieler, es gab sehr viele Doppelpässe und Bälle, die klatschen gelassen wurden, außerdem eine hohe Abwehr, Konteranfälligkeit, Offensivpressing.

Das 3-3-1-3, in welcher Variante auch immer, ist für mich ein sehr interessantes System. Es hat zudem Ähnlichkeit zum 4-2-4, was Barca aktuell spielt. Allerdings beinhaltet deren Variante wieder die doppelte Besetzung der Außenpositionen. Zieht man beim 4-2-4 die AVs nach vorne und den defensiveren ZM (meistens Busquest) nach hinten (Falscher Sechser), so ergibt sich ein 3-3-4 bzw. ein 3-3-1-3, wenn man den als Falsche Neun agierenden Messi leicht tiefer einordnet, da er sich im 4-2-4 oft fallen lässt.

Als van Gaal einige Jahre später dann selbst bei Barcelona tätig war, spielte seine Mannschaft ein ähnliches 3-3-1-3-System (eigentlich ja fast schon 3-3-4), in welchem der Brasilianer Rivaldo die Trequartista-Rolle von Litmanen ausfüllte. Und in dieser Zeit baute van Gaal auch zwei junge Herren in die Mannschaft ein: Xavi und Iniesta. Auch passte van Gaal die von Cruyff nach Katalanien importierte Idee des totalen Fußballes nach seinen Vorstellungen an, seine Nachfolger verfeinerten das Ganze, ohne van Gaal wäre das wohl nicht möglich gewesen, er legte die Grundlage und das sollte man noch einmal würdigen.

Fazit: Van Gaal´s Ajax war seiner Zeit voraus und spielte sehr modern. Der Trainer festigte anschließend bei Barca das Grundgerüst, das heute deren Erfolg trägt.
Sind van Gaal und Ajax Vorreiter gewesen und Barcelona ihre (der Zeit angepassten) Erben?
Aufrufe: 15368 | Kommentare: 13 | Bewertungen: 4 | Erstellt:23.11.2010
ø 7.0
KOMMENTARE
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possessionplay
23.11.2010 | 14:36 Uhr
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possessionplay : @ La_Pulga
23.11.2010 | 14:36 Uhr
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possessionplay : @ La_Pulga
Zur Grafik:
Sorry, du hast recht, Messi spielt natürlich zentral als False Nine, ich habe die Grafik schon vor etwas längerer Zeit gemacht....

Ja, ich hoffe, mit der Fragestellung eine Diskussion anregen zu können, an der sich viele beteiligen: Du hast ja schonmal angefangen.
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La_Pulga
23.11.2010 | 14:26 Uhr
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La_Pulga : 
23.11.2010 | 14:26 Uhr
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La_Pulga : 
Interessante Fragestellung am Ende...

Klar hat van Gaal ein Fundament gelegt, aber trotzdem ist das was momentan passiert auf Guariolas Mist gewachsen! Es sind ja nicht nur die vorrückendes AV's sondern auch die ständigen Positionswechsel, die Falsche-Neun, der Halb IV- Halb DM usw usf...

Ich hab noch eine Bitte: Zeichne Messi in den nächsten Grafikten doch bitte in die Mitte, Villa nach links und Pedro nach rechts, so spielt es Barca nämlich aktuell, auch wenn die Psotionen natürlich ständig getauscht werden...
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possessionplay
23.11.2010 | 14:13 Uhr
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possessionplay : Kürzungen
23.11.2010 | 14:13 Uhr
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possessionplay : Kürzungen
Leider musste ich etwas kürzen, einige kurze Erläuterungen und Anmerkungen musste ich rauslassen, ging nicht anders.

Bei Fragen einfach fragen

Und Kommentare und Feedback, Lob und Kritik wie immer äußerst gerne.

Und Teil 5 folgt dann - wie gewohnt - nächste Woche.
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