Ist es die Schönheit der Stadt München? Ist es die Aussicht, mit dem modernen Mythos unter den Trainern zu arbeiten? Ist die Tribüne der Allianz- wirklich schöner als der Platz der Commerzbankarena? Oder ist es so einfach, wie viele sagen, und es geht einfach ums Geld? Was will Sebastian Rode beim Rekordmeister?
Auf den ersten Blick ist die Sache klar: abkassieren. Von Spielzeit kann er ja nicht ausgehen, wenn er zurechnungsfähig ist. Seine Konkurrenten um den einzigen Sechser-Platz heißen Javi Martínez, Thiago Alcantara, (noch) Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos und Philipp Lahm. Von hinten drängt Emil Hojbjerg. Und das Rückkaufsrecht für Emre Can ist nicht das, was man ein Damoklesschwert nennt. Aber wenn man heute für mehrere Jahre unterschreibt, sollte ein vorsorgender Karriereplaner das im Hinterkopf behalten.
Die Frankfurter Eintracht hat sich dem Vernehmen nach bis zur Decke gestreckt, um den U-21-Nationalspieler zu halten. Es reichte nicht. Aber auch im Vergleich zu Bayer Leverkusen oder Borussia Dortmund reden wir hier von der Kellerdecke eines Hauses, in dem das Penthouse zur Vermietung steht. Und Champions League kann man auch in der BayArena oder im Signal-Iduna-Park spielen, wenn es normal läuft.
Rode sollte es besser wissen. Er ist ein guter Organisator, ein stabiler Zweikämpfer, besitzt Spielintelligenz, changiert an guten Tagen zwischen abkippendem Sechser und Ein-Mann-Pressing-Maschine. Aber Talent ist notwendige, nicht hinreichende Bedingung, um sich beim FC Bayern durchzusetzen. Dass man nicht in den Fokus des FC Bayern gerät, ohne über weit nordwärts des Durchschnitts liegendes Potential zu verfügen, ist wahr. Aber Qualität hatten sie alle, die hoffnungsvollen Jungstars, die als Tiger zum großen Karrieresprung ansetzten und bestenfalls als Leihspieler-Bettvorleger endeten.
Die Älteren werden sich an Michael Sternkopf, Tobias Rau oder Pablo Thiam erinnern. Die Namen Schlaudraff, Podolski, Baumjohann, mit Abstrichen Jansen und der gerade verliehene Jan Kirchhoff dürften auch der Generation Facebook präsent sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Rode in München als Stammkraft etabliert, ist minimal. Warum lässt er den Zwischenschritt aus und stürzt sich ins Abenteuer Bayern München? Mit zwei Worten: Hasan! Salihamidzic!
Es begab sich im Jahr 1998, als der damals gerade 21-jährige seinen auslaufenden Vertrag beim HSV nicht verlängerte und in die bayerische Landeshauptstadt wechselte. Die Vielseitigkeit und die sichtbar gute Einstellung, wohl entstanden aus seiner tragischen post-jugoslawischen Bürgerkriegsbiographie, sollen dem Bosnier auch Anfragen anderer großer Clubs eingetragen haben. Dem Einwand, mit der Entscheidung für den FCB organisiere er sich gegen fürstliche Honorierung mutwillig den großen Karierreknick, hielt er - mittlerweile sogar auf wikipedia nachzulesen - entgegen, der FC Bayern sei sein Traum gewesen, seit er Augenthaler und Co. 1991 gegen Roter Stern Belgrad spielen sah.
Das änderte nichts daran, dass das "Bürschchen" als Zaungast abgeschrieben wurde, bevor er einmal in rot gegen den Ball getreten hatte. Der Rekordmeister mag 1998 nicht die Qualität im Kader gehabt haben wie heute, aber ganz unbegründet war die Vermutung nicht, Hasan werde es schwer haben gegen all die Großkopferten. Als er den Verein nach neun Jahren verließ, hatte er allein 204 Bundesligaspiele und tausende Minuten auf dem Buckel mit der Nummer 20. Sowie alle nur gewinnbaren Titel im Gepäck. Louis van Gaal hätte gesagt: "Hasan spielt bei mir immer!" Und eine Art Publikumsliebling war er auch geworden, weil er keine unwichtigen Spiele kannte. Immer das Messer zwischen den Zähnen. Immer weiter. Immer 110 %. Ob Mailand oder Unterhaching. Hauptsache Fußball. Ständig den Finger in der Steckdose, wie Effenberg einst bemerkte.
Aber diese Biographien sind selten. Die meisten Tellerwäscher im Bayernkader bleiben genau das. Auch wenn sie dafür Millionen kriegen. Rode wird entgegnen, dass man die Chance auf einen Wechsel zum erfolgreichsten deutschen Verein nur einmal bekommt. Wenn man nicht gerade Robert Lewandowski heißt. Aber wäre der Zwischenschritt zu einem ambitionierten Club wie Schalke 04 oder Bayer Leverkusen nicht trotzdem besser gewesen? Michael Ballacks Karriere wäre wohl anders verlaufen, hätte er nicht diesen Zwischenschritt gemacht. Er kam dann später mit der Gravitas eines gestandenen Nationalspielers nach München und wurde der einzige deutsche Superstar der Nuller Jahre.
Rode hat kein Alleinstellungsmerkmal. Er kann nichts, was in diesem Kader der Hochbegabten nicht jemand anders mindestens genauso gut kann. Er ist Teil eines Überangebotes mit Ansage. Eines Überangebotes, dessen Sinn sich mir nicht erschließen will. Womit wir bei der Käuferseite sind. Muss man den Schreihälsen unbedingt Futter geben, die rufen, die Bayern wollten neben der eigenen Stärkung vor allem die Rest-Liga schwach kaufen? Rode ist fraglos ein großes Talent. Internationale Wettbewerbsfähigkeit hat er in Ansätzen in der Europa League nachgewiesen. Aber ein Jahrhunderttalent wie Götze ist er nicht.
Vorsorge kann kein Argument sein. Außer Schweinsteiger werden die etablierten potentiellen Sechser das bayerische Mittelfeld noch auf Jahre dominieren können. Und dann ist da ja auch noch Hojbjerg. Die Konkurrenzsituation ist mehr als ausreichend und der Transfer des Frankfurters wird die alte Hackordnung nicht pulverisieren. Siehe Kirchhoff. Vielleicht kann er sich hinten rechts eine Nische organisieren. Das hätte dann in der Tat was von Salihamidzic, der sogar als Offensivspieler kam und als Eliteverteidiger ging.
Von dem Gedanken, der Champions League Sieger müsste jeden großen deutschen Perspektivspieler unter Vertrag haben, wird man sich verabschieden müssen. Dank guter Nachwuchsarbeit in der Breite gibt es davon mittlerweile einfach zu viele. Und warum zählen eigentlich auch in München die Propheten im eigenen Land weniger? Abgesehen vom wirtschaftlichen Aspekt verstehe ich den Can-Verkauf vor dem Hintergrund des Rode-Transfers noch weniger. Und erwähnte ich eigentlich schon Hojbjerg? Welche Variable Rode in der einst aufgemachten Transferrechnung "Jedes Jahr ein Weltklassespieler von außen und ein eigenes Talent einbauen" ausfüllt, will mir erst recht nicht einleuchten.
Ich bin weit weg von "Koan Rode" und ähnlichem Mumpitz. Wahrscheinlich sehen die Bayern-Allgewaltigen etwas, das ich nicht sehe. Dennoch sage ich es offen und ehrlich: der Transfer ist Wasser auf die Mühlen derer, die den Bayern die Organisation schottischer Verhältnisse vorwerfen. Er ist sportlich nicht sinnvoll. Er ist eher Pablo (Thiam) als Brazzo (Salihamidzic). Und sollte es wirklich so sein, dass Kirchhoff und Rode "Sammer-Transfers", Götze ein "Hoeneß/Rummenigge-Transfer" und Thiago ein "Pep-Transfer" waren, dann ist das keine schmeichelhafte Bilanz für den Ex-Feuerkopf.
Allgemein ist es doch (häufig, nicht immer) so: wenn ein Spieler irgendwo scheitert und in der Versenkung verschwindet, war er schlicht zu schlecht. Beim FCB ist es dann aber böse Absicht seitens des Vereins. Einige Leute verstehe ich einfach nicht.
---
Wer ist eigentlich so dämlich, den FCB als Karrieresprungbrett anzusehen?
Der FCB zählt gemeinhin zum Ende der Stange, nicht als das Sprungbrett dorthin.
Eher sollte man den Mythos mal aufrollen, dass ein Spieler seine Karriere dort zerstört hat.
Das kann man maximal von Breno behaupten, der in einem anderen Umfeld vielleicht sein Haus nicht niedergebrannt hat.
Einem Rode wird das aber bestimmt eher nicht passieren
---
Nenn mir 3.
ganz ehrlich ob man jetzt bei schalke, bvb oder wolfsburg spielt ist für die karriere ziemlich egal. selbst hannover gladbach und co. find ich bei ner langfristigen planung nicht schlimm. wenn man wirklich gut ist wechselt man da nach 2 jahren dann wieder weg.
unter nem wechsel der die "karriere zerstört" versteh ich einen nach dem man danach keine stelle mehr in der 1. liga, pl, pd etc bekommt. und das ist nach ein paar jahren bayern sicher nicht der fall.
Sollte Rode nicht spielen und Bayern verkauft ihn nach ein paar Jahren, dann kann man sich über eine Ablöse freuen, die das gezahlte Gehalt decken kann. Aber um einen Rode "gewinnbringend" zu verkaufen, dann müsste er sich sportlich schon entwickeln. Und das nicht im Training oder in der zweiten Mannschaft.
Der Punkt Karrieresprungbrett wurde von NFLallstar schon hinreichend kritisiert. Man kann die List noch ergänzen: Schlaudraff zu 96, Podolski zu Köln... mir fällt kein Beispiel ein, wo Bayern wirklich ein Karrieresprungbrett war, wenn ein Jungspieler dort gescheitert ist.
Setzt er sich durch und spielt, dann haben wir einen guten Spieler mehr für 0,00 Euro. Schafft er nicht den Sprung und spielt wenig, dann kriegen wir sicher irgendwas zwischen 5-10 Mios für ihn und er geht zu einem anderen Namenhaften Verein.
Sehe das eher undramatisch
Ballack, der einzige deutsche Superstar der 00er Jahre? Ich sage nur Kahn!
Ich glaube wirklich nicht, dass Bayern einem Rode spürbar mehr Geld zahlt als Dortmund, Schalke, Leverkusen oder Wolfsburg Spielern dieser Klasse zahlt.
Zu Can: Can wollte weg und Bayern stellt keinem Spieler Steine in den Weg und man hat die Rückkaufoption.
Ist dir vielleicht auch die einfachste aller Erklärungen gekommen: Rode will sich schlichtweg mit den Besten messen? Davon träumt doch jeder Fußballer, der halbwegs ambitioniert ist. Natürlich weiß er das viele scheitern, aber diese Chance nicht zu nützen würde er sich vermutlich ein Leben lang vorwerfen. Und Bayern profitiert, da sie ein gratis Toptalent verpflichten, welches in jedem Training min. 100 % gibt.
Wie das aus seiner Sicht ausschaut - naja, erstens kann mir das als FCB-Fan egal sein, was er sich dabei denkt. Das ist nicht Sache des FCB. Zweitens hilft es eben doch, im Lebenslauf "FC Bayern" stehen zu haben (wie gesagt, *falls* er geht). Das heißt ja, dass einem die Verantwortlichen von selbigem zugetraut haben, gut genug zu sein, und das öffnet durchaus Türen. Zwar natürlich nicht von alleine, aber wenn ein Neuzugang zu Gladbach kommt mit der Empfehlung "Der war mal bei Barca unter Vertrag", springt die Hälfte hier vor Freude im Kreis. War er bei Atletico und hat sich da nicht ganz durchgesetzt, aber eben mehr als bei Barca, heißt es "Mal schauen was der kann, bin skeptisch." Dazu wird ihm selbst ein Jahr mit wenig Spielpraxis nicht die Karriere zerstören. Dass es vielleicht(!) einen Knick gibt, ist das Risiko, aber um weiterzukommen, muss man Risiken eingehen. Er hätte auch in der Bezirksliga spielen können, dann wäre er unumstrittener Stammspieler. Ist aber wohl eher nicht sein Ziel. Und so oft fragt der FC Bayern auch nicht an, also für beide Seiten ein zumindest nicht unlogischer Transfer.