Blogpokal 2009 / 10
20.11.2009 um 09:22 Uhr
Geschrieben von eshkeeya
Chaosgang gegen Geldfabrik
Köln gegen Hoffenheim.
Tradition gegen Geld,
Metropole gegen Provinzdorf,
Grottenkick gegen Angriffsfussball.
Duell der Gegensätze also.
1899 Hoffenheim hat ja viele Seiten an sich, die vielen Leuten in Fussballdeutschland missfallen. Das ganze drückt sich dann meistens so aus:
Hoffenheim,Pfui!
Keine Tradition!
Neureiche Geldsäcke!
Beleidigungen gegen Dietmar Hopp in allen Variationen!
Vornehmlich das Bezeichnen seiner Mutter als Prostituierte!
Die weit verbreitete Antipathie gegenüber der Hintergrundgeschichte des Retortenclubs hat zwar durchaus ihre Berechtigung (außer natürlich die Berufsunterstellung der Frau Hopp senior), im Grunde offenbart sie aber nur den sportlichen Erfolg und die fussballerische Attraktivität Hoffenheims.
Wenn Frauen Sylvie v.d.V. beim Supertalent so als Jurorin rumsitzen sehen, sagen viele von ihnen auch:
"Boah, die ist doch strohdumm! Welches Talent besitzt die denn bitte? Aber dann das Supertalent aussuchen dürfen! Nee is klar!!"
Sie würden aber nie darauf kommen, so etwas zu sagen wie:
"Die sieht doch scheisse aus! Mein Gott, was ne Hackfresse!!!"
So ist das mit Personen bzw. in unserem Fall mit Fussballclubs, denen man nichts gönnen will: Man sucht sich die Angriffspunkte aus und greift sie an. Die positiven Seiten des Verschmähten blendet man einfach mal gekonnt aus.
Und genau so wird es auch am Samstag ablaufen. Man wird Schmähplakate zu sehen und Schmähgesänge zu hören bekommen:
Tod und Hass der TSG!
Dietmar Hopp du Sohn einer....
Das Übliche eben. Und auf dem Platz?
Wie könnte der FC denn Hoffenheim schlagen?
So aussichtslos es scheint, probieren wir es mal:
Lange Bälle auf Novakovic? Simunic meint nein.
Hinten machen Geromel und Mohamad zu, vorne hilft der liebe Gott? 2 Tore in den letzten 6 Spielen. Bitter.
Am naheliegsten erscheint da dann doch das Modell Brechtstange, das der FC bisher eigentlich immer gegen die SAP-Boys auspackte.
Klingt aber auch vielversprechend: Wir hauen die Schönspieler einfach mal so lange um, bis die keinen Bock mehr haben.
Ist im Fussball schließlich ein weit verbreitetes und bewährtes Mittel gegen technisch starke Gegner. Hat erst letztes Wochenende bei meinem Teamkollegen Mehmet geklappt, einen Kung-Fu-Kick später ist er nun ein halbes Jahr lang gesperrt.
Dumm nur, dass eben jenes Rezept schon beim Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften vor einem Jahr grandios gescheitert ist:
Köln holzte, Hoffenheim holzte einfach mal zurück, Hoffenheim gewann, Daum und Rangnick holzten auf der Pressekonferenz munter weiter.
Und damit hat es sich ja leider schon an möglichen zu ziehenden Registern der Kölner. Dabei sollte ja dieses Jahr alles anders werden! Sprach zwar schon vor der Saison nicht viel dafür, aber hey, der Poldi, immerhin! Der macht das schon!
Die Gegenwart aber sieht anders aus: Chaos beim FC. FC im Mittelmaß.
Poldi mosert (merkt allmählich, auf was er sich eingelassen hat), Novakovic träumt (von der Nationalmannschaft und europäischen Mittelklasseclubs), Soldo schweigt (schon immer).
Und wenn der Boulevard schon die Krisennamen-Keule auspackt (Prinz Frust, Sorgen-Soldo), heißt das ja sowieso meistens nichts Gutes.
Da kommt Hoffenheim gerade unrecht.
Hoffenheim ist Angriffsfussball, unbekümmert, schnell und direkt nach vorne, zack, zack, zack, keine Schnörkel, keine Faxen, jeder immer anspielbar, immer in Bewegung, Forechecking und Pressing immer und überall.
Man kann Ralf Rangnick mögen oder nicht, aber der Mann versteht sein Handwerk und hat mit den Softwaremillionen des Mäzens innerhalb weniger Jahre eine junge Mannschaft geformt, die einen hochmodernen und attraktiven Fussball spielt.
Rangnick weiß über die Verunsicherung auf Kölner Seite genau Bescheid und wird diese zu nutzen wissen, denn:
Die Spielweise Hoffenheims, nämlich das permanente Unter-Druck-Setzen des Gegners und das blitzschnelle Umschalten bei gewonnenem Ballbesitz, könnte am Samstag nicht besser passen.
Auf den Außenverteidigerpositionen ist Köln ja besonders wacklig:
Ehret/Matip/Brecko/McKenna gegen Ba/Obasi/Maicosuel/Salihovic? Oh je.
Klarer Fall von Kaninchen vor der Schlange. Die Hilflosigkeit des FC angesichts der überlegenen Spielkultur und Taktik des Gegners steht schon fest, bevor beide Teams den Rasen betreten haben.
Man kann die Sache mit dem Geld drehen und wenden wie man will, durch den Fall Hoffenheim steht fest:
Geld schießt eben doch Tore. Geld spielt auch echt schönen und erfolgreichen Fussball. Zumindest wenn das viele Geld mit einem fachkundigen Trainer und einer vernünftigen Vereinsplanung gepaart wird.
Tradition schießt aber leider keine Tore. Tradition gepaart mit aktuellem Mittelmaß und zu hohen Erwartungen des Umfelds ergibt...nun ja, Mittelmaß und Enttäuschung.
Vor zehn Jahren hätte Hoffenheim von einem Sieg gegen den FC Köln nur geträumt.
Am Samstag werden sie die Kölner in deren Stadion wegklatschen.
Wie sich die Zeiten doch ändern...
Hier geht es zu gartenzwergs Blog, hier zu des Rätsels Lösung
Aufrufe: 92559 | Kommentare: 43 | Bewertungen: 40 | Erstellt:20.11.2009
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