Knapp über 2 Monate sind im Jahr 2014 schon ins Land gegangen und seit unserer letzten Ausgabe ist einiges an Wasser die Isar stromabwärts geflossen. Doch eines ist gleich geblieben. Das Tabellenbild der Fußball-Bundesliga. Der FC Bayern zieht unbeirrt und einsam seine Kreise. Was für die Konkurrenz langweilig erscheint, ist für eingefleischte Bayernfans ein Gefühl der Glückseligkeit. Als ersten Gast in der heutigen Runde begrüße ich den Korrespondenten von Goal.com und Schalke-Experten Hassan Talib Haji. Besonders freue ich mich LizasWelt (Alex Feuerherdt) hier willkommen zu heißen. Sein Name ist Programm. Er schreibt auf seinem eigenen Blog über Fußball und Politik und ist natürlich Anhänger des besten Klubs der Welt. Als dritten begrüße ich Voegi (Patrick Völkner), einen alten Bekannten und Community-Chef bei SPOX.com und last but not least sage ich Herzlich Willkommen zu SPOX-User Matthi10 (Matthias), der mir mit seinen CL-Spiel-Analysen oft den Tag versüßte

Los geht es wie gewohnt mit unserem Gast.

Servus Hassan: Zu Beginn der Rückrunde rieben sich alle Fußballexperten, und vielleicht auch du, verwundert die Augen. Schalke startete mit 4 Siegen und einem Remis und ist plötzlich wieder im Geschäft um die direkten CL-Plätze. Nun gab es gegen Madrid und Bayern zwei Dämpfer. Schildere uns doch ganz kurz das Schalke der Rückrunde. Was hat Jens Keller mit dem Team in der Winterpause gemacht?

Gegen einen schwachen HSV, der Schalke zu den Toren eingeladen hatte, zu gewinnen, war jetzt nicht die große Überraschung. Das Spiel gegen Wolfsburg hat gezeigt, dass die Mannschaft mitzog und jeder für den anderen rannte. Das offenbart einmal mehr, wie machtlos ein Trainer ist, wenn die Spieler nicht mitziehen oder nur recht spärlich. Keller hat von den Bossen in der Winterpause eine klare Ansage bekommen. Es liegt aber an den Spielern, wenn die sich um ihr eigenes Wohl kümmern und nicht mannschaftsdienlich arbeiten, kannst du keinen Erfolg haben und stehst blöd da. Wie Keller gegen Real und den FC Bayern.

Der allgemeine Tenor der Fans und Medien ist ja, der FC Bayern mache die Liga langweilig und uninteressant. Reichen euch neue Rekorde und eine sehr attraktive Spielweise unseres Klubs oder vermisst ihr den Kampf mit einem direkten Konkurrenten?

Matthias: Zunächst möchte ich mich herzlich für die Einladung in diese starke Runde bedanken.
Ehrlich gesagt ringen mir die Diskussionen auch ein Grinsen ab. Es ist gerade mal zwei Jahre her, da lautete der allgemeine Tenor, dass die Dominanz der Bayern beendet sei. Seit diesem Zeitpunkt wurde einfach vieles richtig gemacht. Sammer spielt eine große Rolle dabei. Aber man darf auch nicht vergessen, dass Spieler wie z.B. Lahm, Schweinsteiger, Robben oder Ribery zusätzlich zu ihrer Klasse auch noch jede Menge Erfahrung hinzugewonnen haben während der Leidenszeit . Die Kunst der nächsten Jahre liegt darin, die Entwicklung zur nächsten Führungsspielergeneration hinzubekommen. Das ist auch in der Vergangenheit den wenigsten Vereinen gelungen.Meistens stellt sich dann auch die Dominanz ein. Und zur Langeweile Auch wenn wir 1000 Spiele in Serie gewinnen, sehe ich es jedes Mal wieder gern. Schließlich ist Gewinnen das Ziel beim Leistungssport.

Patrick: Als Bayern-Fan genieße ich diese Zeit einfach. Es macht ungeheuren Spaß, sich die Spiele unserer Mannschaft anzuschauen - und es ist auch so entspannt wie noch nie. Natürlich fehlt etwas der Thrillfaktor - aber soll ich mich darüber beklagen? Das wäre Jammern auf höchstem Niveau. Ich kann es aber absolut nachvollziehen, dass einem die aktuelle Situation als neutraler Zuschauer nicht so wirklich gefällt.

Alex: Diesem Tenor könnte man frei nach Uli Hoeneß entgegnen: Für die Scheißspannung seid doch ihr verantwortlich! Ansonsten schließe ich mich Voegi an: Ich genieße den Fußball der Bayern gerade sehr, das hat wirklich etwas von großem Kino. Klar, eine Last-Minute-Meisterschaft wie 2001 ist auf der emotionalen Ebene noch einmal eine ganz andere Sache, aber Spielzeiten wie die vergangene und bis jetzt auch diese werden mir genauso unvergesslich bleiben, weil der FC Bayern da in neue Dimensionen vorgestoßen ist.

Spätestens mit Beginn der Transferperiode im Sommer wird man sehen, was an den ganzen bisherigen Gerüchten dran war. Rummenigge sagte jüngst: Der FC Bayern sei ein Käuferverein und kein Verkäuferverein. Aktuell gibt es ja einige Personalien, über die spekuliert wird. An erster Stelle stehen hier Toni Kroos und Julian Draxler. Muss der FC Bayern im Sommer den Kader, auch aufgrund der WM, weiter verbessern? Wenn ja, auf welchen Positionen seht ihr Bedarf?

Alex: Ganz klar: Die Hintermannschaft ist personell zu dünn besetzt, vor allem auf den Außenpositionen. Rafinha macht das gerade zwar ganz wunderbar, aber trotzdem ist rechts hinten noch Luft. Und für Alaba wünsche ich mir nicht nur ein Backup, sondern einen Konkurrenten, schon deshalb, weil Alaba dann auch eine weitere taktische Option für das Mittelfeld wäre. Dürfte aber nicht so einfach sein, hier geeignetes Personal zu finden.

Patrick: In Nuancen, ja. Mit Robert Lewandowski haben wir ja schon einen Top-Mann verpflichtet. Handlungsbedarf sehe ich sonst nur noch im Defensivbereich. Auch für mich ist Contento kein adäquater Alaba-Ersatz. Und sollte Guardiola Lahm langfristig im Mittelfeld sehen, was ich inzwischen sogar begrüßen würde, wäre es auch angesagt, einen neuen Mann für die Rechtsverteidiger-Position zu holen. Rafinha macht seine Sache ordentlich, aber die Idealbsetzung ist er sicher nicht.

Hassan: Ihr solltet auf der Linksverteidigerposition etwas machen. Sollte David Alaba ausfallen, habt ihr da keinen adäquaten Ersatzmann. Contento hat nicht dasselbe Niveau, wie ich finde. Und in der Innenverteidigung muss man schauen, wie sich Holger Badstuber zurückkämpft. Einen Draxler braucht ihr diesen Sommer nicht wirklich, er ist Stand jetzt nicht so stark wie Shaqiri.

Matthias Ich sehe das alles etwas entspannter als ihr. Neuzugänge wird es immer geben. Mit Rode und Lewandowski sind zwei fix. Sicherlich passiert nochmal etwas. Dennoch bin ich der Meinung, dass es nahezu unmöglich ist, die Qualität im Gesamtkonstrukt zu steigern.
Ein besserer Einzelspieler als z.B. Rafinha muss das Team nicht zwangsläufig besser machen. Vor allem die Mischung macht unser Team momentan aus. Viel mehr geht es mir darum, dass man aufpasst, wen man holt und ob derjenige auch charakterlich zum Team passt. Die größte Leistung der laufenden und der letzten Spielzeit ist nämlich die interne Ruhe. Schaut euch Mal die Auswechselbank an. Da drehst doch durch...

Die Bayern und Dortmund spielten das Hinspiel in der Champions League recht souverän und stehen schon mit einem Bein im 1/4-Finale. Schalke und Leverkusen bekamen ordentlich auf die Mütze. Spiegelt dies die aktuelle Leistungsfähigkeit der Liga oder nur das finanzielle Kräfteverhältnis wider?

Hassan: Letzteres in Teilen. Natürlich war das für Schalke heftig. Man sollte, trotz der Höhe, etwas relativieren. Bei Madrid spielen meist fertige Spieler. Wenn ich mich nicht irre, dann war Gareth Bale mit 24 Jahren der jüngste in der Startelf von Ancelotti. Schalke spielte mit 18. 19, 20 und 22-Jährigen. Die Leader-Typen, die S04 hat, haben allerdings auch versagt. Dazu kommen die Verletzungsprobleme und ein Jens Keller, dessen Taktik (mal wieder) nicht aufging.

Patrick: Doch, das spiegelt die Leistungsfähigkeit durchaus wider. Bayern und BVB sind in der Liga das Maß der Dinge und die einzigen Teams, die auch international wirklich was reißen können. Schalke und Leverkusen traue ich das nicht zu. Wenngleich ich von den Auftritten gegen Real und PSG dann schon schockiert war.


Matthias: Grundsätzlich kann ich mit diesen ligenübergreifenden Vergleichen nichts anfangen. Wir haben eine geile Liga in Deutschland mit sehr guten Strukturen und coolen Vereinen. Aber die großen Liegen in Europa haben alle ihren Reiz. Warum muss man immer vergleichen und den besten Wählen?! In allen Ligen gibt es teilweise sehr große Diskrepanzen innerhalb der Liga. Das ändert sich so schnell auch nicht mehr.Ziel der kleinen Vereine muss eine stetige Entwicklung über mehrere Jahre sein. Der BVB und Gladbach zeigen die Möglichkeiten beispielsweise auf. Dennoch bin ich auf die Achtelfinalhinspiele bezogen ähnlicher Meinung wie Voegi. Verlieren ok Aber beide Heimniederlagen der deutschen Clubs waren in dieser Höhe völlig Unnötig. Über Bayern ist alles gesagt und Dortmund habe ich wieder ganz dick auf der Rechnung. In der Champions-League können die einfach ihr Spiel durchdrücken.

Alex: Natürlich spielen da auch die unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten eine gewichtige Rolle, aber man muss sich trotzdem nicht so dermaßen vorführen lassen und in Ehrfurcht erstarren wie Schalke und Bayer 04. Da sind Fehler im taktischen und im läuferischen Bereich gemacht worden, die sich nicht bloß mit einem Hinweis auf den niedrigeren Etat erklären lassen. Grundsätzlich ist es derzeit aber wohl tatsächlich so, dass nur die Bayern konstant in allen Wettbewerben mitmischen können. Bei Dortmund ging in den vergangenen Jahren entweder die Liga auf Kosten der Champions League oder umgekehrt.

Hassan: Der BVB zehrt daran die zweite Kraft in Deutschland zu sein und zu bleiben. Natürlich haben die Gelben drei Jahre vom Allerfeinsten gehabt. Aber den Tenor zu schlagen, dass sie derzeit Bayerns einziger Konkurrent in der Liga sind, und nichts anderes ist es ja, zu sagen, dass sie in der Liga zum Maß aller Dinge gehören, ist imo falsch. Das ist derzeit leider keiner.

Was seit geraumer Zeit sehr positiv auffällt, ist das Verhältnis zwischen Fans und Verein. Scheinbar hat es von beiden Seiten her ein Umdenken gegeben. Ich zitiere hier mal Finanzvorstand Dreesen, der auf die Frage, ob die Anzahl der Stehplätze erhöht werden soll, Folgendes sagte: "Ja, überwiegend. Wenn wir die Kapazitätserhöhung genehmigt bekommen sollten, werden wir eine echte Stehplatztribüne in der Südkurve bauen also nicht nur in den Blöcken 112 und 113, sondern im gesamten Unterrang der Südtribüne" - Jan-Christian Dreesen im Bayern-Magazin 12|65. ­
Rückblickend, wie seht ihr inzwischen das Verhältnis zwischen Fans und Verein?

Alex: Wenn mir jemand zu Beginn der Saison gesagt hätte, dass der Vorstand im März den Umbau des Südkurven-Unterrangs in einen reinen Stehplatzbereich ankündigen wird, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Damals war ja noch die Rede von einem Austausch des Publikums in der Kurve, und es gab in den ersten Heimspielen aus für mich gut nachvollziehbaren Gründen so gut wie keinen Support. Die Fronten schienen völlig verhärtet. Aber beide Seiten haben sich zusammengerissen, wobei ich dem Klubvorstand, ehrlich gesagt, so viel Beweglichkeit gar nicht zugetraut hätte.

Matthias: Ich denke der Verein hat erkannt, wie wichtig dieses Thema ist, sich vernünftig damit auseinander gesetzt und versucht das jetzt und auch künftig über Dialoge mit den Fangruppen zu lösen. Theoretisch super. Ich hoffe es klappt auch weiterhin.

Patrick: Ich finde, das sind gute Zeichen und Ansätze. Zurücklehnen sollte man sich da aber besser nicht, sonst poppen demnächst wieder neue Baustellen auf. Kommunikation ist eben ein langwieriger und manchmal schwieriger Prozess, der viel Ausdauer benötigt. Aber immerhin: Es geht in die richtige Richtung.

Am 10.März beginnt der Prozess gegen Uli Hoeneß. Seit Bekanntwerden wurde viel spekuliert, geschrieben und teilweise auch einige Unwahrheiten verbreitet. Nur ganz kurz, was erwartet ihr von diesem Prozess?

Matthias: Puuh Das schwierigste Thema der letzten Jahre. Straftat bleibt Straftat und gehört auch bestraft. Wie für jeden anderen auch Emotional sieht das anders aus. Uli Hoeneß bleibt Uli Hoeneß. Ich denke uns Fans kann man zur oft erwähnten FC Bayern Familie zählen. Und in einer Familie steht man auch zueinander, wenn jemand den größten Mist baut. Hört sich vielleicht übertrieben an, ist aber mein Ernst.

Hassan: Vor allem erwarte ich, dass er fair behandelt wird. Nicht wie ein Promi, sondern wie jeder andere. Auch weil dieser Fall so hohe Wellen schlägt, hoffe ich nicht, dass sich irgendwer daran profilieren will und an Hoeneß ein Exempel statuiert. Das soll eine faire Angelegenheit werden und Hoeneß soll eine gerechte Strafe bekommen.

Patrick: Was ich davon erwarte? Puh. Einen fairen Prozess. Nicht mehr und nicht weniger. Am Ende soll ein gerechtes Urteil gesprochen werden. Doch ganz gleich wie es ausfällt, es wird eine Menge Geschrei geben. Ich gebe zu: Seit dem Fall Mollath ist mein Vertrauen in die bayrische Justiz nicht gerade das größte.Hoffen wir, dass es einen sachlichen Prozess gibt, den die Medien möglichst nüchtern begleiten. Wobei diese Hoffnung wohl eher eine Illusion sein dürfte.

Alex: Ich bin gespannt auf das Strafmaß. Wie ich verschiedentlich gelesen habe, ist es wohl das erste Mal, dass darüber befunden wird, ob auch eine unvollständige Selbstanzeige ein Milderungsgrund bei der Strafzumessung sein kann. Ansonsten würde ich mir vor allem mehr Gelassenheit und Unaufgeregtheit im Umgang mit dieser Causa wünschen, egal, wie sie ausgeht. Aber das bleibt wohl ein Wunsch, so oder so.

Zum Schluss zwei simple Fragen. Wie wird nach dem 34. Spieltag der Einlauf unter der ersten vier Mannschaften sein und wer muss den Gang in Liga 2 antreten?

Hassan: Bayern, Dortmund, Schalke, Leverkusen - Abstieg bzw. Relegation: Braunschweig, Freiburg - HSV vs St. Pauli in der Relegation

Patrick: Bayern, Dortmund, Leverkusen, Schalke. Freiburg und Braunschweig steigen ab. Für den VfB gehts in die Relegation.

Alex: Teil 1 der Frage: siehe Hassan. Teil 2 der Frage: siehe Voegi. Danke. Bitte.

Matthias: Bayern, Dortmund, Schalke, Wolfsburg
Braunschweig und Freiburg direkt
Relegation: Hannover Das habe ich vor der Saison schon gesagt und dabei bleibe ich.