10.10.2011 um 09:31 Uhr
Geschrieben von vanGaalsNase
Das Wesen des Passspiels I
Im Fußball unterscheidet man den Moment des gegnerischen Ballbesitzes (Defensive) von dem des eigenen (Offensive). Insbesondere seit den überragenden Erfolgen des FC Barcelona und der spanischen Nationalmannschaft liegt der Fokus speziell auf der Offensive. Denn gerade in der Verteidigungsarbeit gibt es durch das allgegenwärtige ballorientierte Verschieben kaum noch unbekannte Aspekte, sodass man mittlerweile von einem „defensiven Weltstandard" (Ch. Biermann, Die Fußball-Matrix, S. 137) sprechen kann. Daraus ergeben sich aber neue Probleme für das Offensivspiel. Denn schon Louis van Gaal wies immer wieder darauf hin, dass eine auf Ballbesitz ausgelegte Spielweise die schwierigste ist. Welche Wege und Mittel sind dabei aber die sinnvollsten? Die beste Antwort lieferten die Spanier, die ein exakt durchdachtes Kurz- und Flachpassspiel (Tiqui-taca) zelebrieren und so zum Maß aller Dinge im Weltfußball wurden.
Beim Tiqui-taca geht es hauptsächlich darum, das Spiel zu beherrschen. Das soll mittels einfachen Pässen erfolgen, welche ein geringes Risiko aufweisen. Je geringer das Risiko, desto geringer ist auch der Zufall. Teams, die ein starkes auf Kurzpässen ausgerichtetes Spiel bevorzugen, schließen den Zufall weitestgehend aus und machen ihren Erfolg planbar.
Grundlagen des Tiqui-taca
Das Tiqui-taca ist eine extreme Form des aus dem Voetbal Total der Niederländer entwickelten Variante des Positionsspiels, bei dem Räume durch feste Positionen besetzt werden. Dabei werden einige Grundprinzipien festgelegt: Der eigene Ballbesitz gilt als Defensivmaßnahme, weil nur diejenige Mannschaft ein Tor erzielen kann, die auch den Ball hat. Daher muss es das ständige Ziel sein, den Ball sicher in den eigenen Reihen zu halten oder ihn schnell zu erobern, wenn der Gegner ihn hat. Weitere Grundprinzipien ergeben sich aus den Zielen der Offensive. Ganz oben steht natürlich das Schießen von Toren. Der Weg dorthin führt aber über die drei Zwischenziele:
1.) Sicherung des Ballbesitzes
2.) Raumgewinn/Ballvortrag
3.) Erspielen von Torchancen.
Die drei Zwischenziele dürfen nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern gehen ständig einher. So darf der Ballvortrag nicht zulasten der Sicherung des Ballbesitzes gehen. Aus dieser Sicht wird bereits deutlich, dass lange, hohe und somit risikoreiche Pässe mit Vorsicht zu genießen sind. Denn diese Art des Passes führt wegen der Unkontrolliertheit oft zum Ballverlust. Da aber die Sicherung des Ballbesitzes eine grundlegende Rolle im Tiqui-taca spielt, sind kurze Pässe über nicht mehr als 15m bevorzugt zu nutzen. Außerdem müssen sie flach und bestenfalls in den Fuß gespielt erfolgen, damit sie sofort vom Ballempänger in der offenen Stellung kontrolliert werden können. Für diese Grundsätze gibt es jedoch Ausnahmen, wenn es möglich ist, schnellen Raumgewinn auf risikoarme Art zu erreichen etwa bei Seitenwechseln, wenn Gegner weit ins Zentrum verschoben hat oder wenn ein Pass in den freien Raum hinter die Abwehr möglich ist.
Der Pass
Im Laufe eines Spiels wird etwa 400-500 Mal pro Mannschaft gepasst. Damit ist der Pass das am häufigsten vorkommende technisch-taktische Mittel im Fußball. Ein Pass ist die Abgabe des Spielgerätes innerhalb einer Mannschaft zu einem Mitspieler. Er dient dem Überwinden der Spielfeldfläche, um die Ziele und Zwischenziele in der Offensive zu erreichen. Neben dem Dribbling ist er das einzige Mittel (mit Ball), das zur Umsetzung einer erfolgreichen Offensive eingesetzt werden kann. Jedoch weist das Dribbling wesentliche Nachteile auf. So erfolgt der Raumgewinn langsamer, was es dem Gegner erleichtert, zu verteidigen. Des Weiteren fehlt hier der mannschaftliche Charakter, was gerade beim Passspiel eine positive Komponente ist, weil es nunmehr immer wichtiger wird, dass alle Spieler derselben Mannschaft an der Offensive teilnehmen können. Reine Rollenspieler (Spielmacher, Torjäger, Manndecker etc.) gibt es dabei nicht. Durch Pässe werden im Gegensatz zum Dribbling Zweikämpfe umgangen, deren Ausgang eher dem Zufall überlassen sind.
Das Anbieten
Eine oftmals unterschätzte Komponente im Passspiel ist das Freilaufen bzw. Anbieten zum Ball, damit man überhaupt anspielbar ist. Wer nicht freisteht, kann auch keinen Pass erfolgen. Daher kommt IMMER das Anbieten vor dem eigentlichen Pass! Je mehr Passoptionen für den Ballführer bestehen, desto schwieriger kann der Gegner verteidigen. Darum muss sich jeder Spieler der offensiven Mannschaft genötigt sehen, sich für einen Pass anzubieten. Bestenfalls in alle Richtungen. Da ein Akteur pro Partie nur etwa 1-2 Minuten am Ball ist, ist die enorme Bedeutung des Spiels ohne Ball erkennbar.
Um sich für den Ballführer anzubieten, müssen die Mitspieler ohne Ball (Mitspieler in Hilfestellung; MiH) einige Referenzpunkte beachten:
1.) Wie ist meine Position zum Ball?
2.) Wo sind meine Mitspieler?
3.) Wo stehen die gegnerischen Spieler?
Auch bei diesen drei Punkten ist die Bewertung nicht getrennt voneinander vorzunehmen sondern simultan. Wenn ein MiH zwar so weit vom eigenen Ballführer entfernt steht, dass er nicht angespielt werden kann, aber dennoch genügend andere MiH in Ballnähe sind, braucht sich dieser MiH nicht anzubieten. Schließlich könnte er den ballnahen Raum der eigenen Mannschaft verengen, was es dem Gegner ermöglicht, den Ball zu erobern. Natürlich müssen stets die Gegenspieler beachtet werden. Stellen sie einen MiH zu, übersehen sie einen oder kann ein Mitspieler in eine 1-gegen-1-Situation gebracht werden?
Anhand der genannten Referenzpunkte müssen die Spieler Entscheidungen treffen, wie sie weiter verfahren. Wird ins Dribbling gegangen oder ein Pass gespielt? Wohin erfolgt der Pass und auf wen? Die Entscheidungsfindung muss sich stets danach richten, welche Option die sicherste ist. Der Spieler muss also gedanklich (schnell) die jeweilige Situation analysieren und entsprechend handeln. Reine Instinkthandlungen oder völlig planlose Aktionen sind unbedingt zu vermeiden. Diese Verfahrensweise nennt man percentage play.
Eine weitere Überlegung, die oftmals vergessen wird, ist die Tatsache, dass JEDE Handlung der ballbesitzenden Mannschaft eine Reaktion des Gegners zur Folge hat. Und jede Reaktion resultiert darin, dass irgendwo Raum frei wird. Oft ist dieser freie Raum nur sehr kurz geöffnet oder gar nicht erst erreichbar, weshalb es gilt, den Gegner ständig in Bewegung zu halten, damit er sich permanent umordnen muss, bis irgendwann genügend Raum für einen Tempowechsel oder den finalen Pass frei wird. Daher muss ständig gepasst werden, um das Spiel stets zu verlagern, Druck auf und ab zu bauen. Dabei kann es augenscheinlich zu einer endlosen Aneinanderreihung von Alibipässen kommen, die aber durchaus den Sinn haben, "Sich den Gegner zurecht zu legen”.
Teil 2
Beim Tiqui-taca geht es hauptsächlich darum, das Spiel zu beherrschen. Das soll mittels einfachen Pässen erfolgen, welche ein geringes Risiko aufweisen. Je geringer das Risiko, desto geringer ist auch der Zufall. Teams, die ein starkes auf Kurzpässen ausgerichtetes Spiel bevorzugen, schließen den Zufall weitestgehend aus und machen ihren Erfolg planbar.
Grundlagen des Tiqui-taca
Das Tiqui-taca ist eine extreme Form des aus dem Voetbal Total der Niederländer entwickelten Variante des Positionsspiels, bei dem Räume durch feste Positionen besetzt werden. Dabei werden einige Grundprinzipien festgelegt: Der eigene Ballbesitz gilt als Defensivmaßnahme, weil nur diejenige Mannschaft ein Tor erzielen kann, die auch den Ball hat. Daher muss es das ständige Ziel sein, den Ball sicher in den eigenen Reihen zu halten oder ihn schnell zu erobern, wenn der Gegner ihn hat. Weitere Grundprinzipien ergeben sich aus den Zielen der Offensive. Ganz oben steht natürlich das Schießen von Toren. Der Weg dorthin führt aber über die drei Zwischenziele:
1.) Sicherung des Ballbesitzes
2.) Raumgewinn/Ballvortrag
3.) Erspielen von Torchancen.
Die drei Zwischenziele dürfen nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern gehen ständig einher. So darf der Ballvortrag nicht zulasten der Sicherung des Ballbesitzes gehen. Aus dieser Sicht wird bereits deutlich, dass lange, hohe und somit risikoreiche Pässe mit Vorsicht zu genießen sind. Denn diese Art des Passes führt wegen der Unkontrolliertheit oft zum Ballverlust. Da aber die Sicherung des Ballbesitzes eine grundlegende Rolle im Tiqui-taca spielt, sind kurze Pässe über nicht mehr als 15m bevorzugt zu nutzen. Außerdem müssen sie flach und bestenfalls in den Fuß gespielt erfolgen, damit sie sofort vom Ballempänger in der offenen Stellung kontrolliert werden können. Für diese Grundsätze gibt es jedoch Ausnahmen, wenn es möglich ist, schnellen Raumgewinn auf risikoarme Art zu erreichen etwa bei Seitenwechseln, wenn Gegner weit ins Zentrum verschoben hat oder wenn ein Pass in den freien Raum hinter die Abwehr möglich ist.
Der Pass
Im Laufe eines Spiels wird etwa 400-500 Mal pro Mannschaft gepasst. Damit ist der Pass das am häufigsten vorkommende technisch-taktische Mittel im Fußball. Ein Pass ist die Abgabe des Spielgerätes innerhalb einer Mannschaft zu einem Mitspieler. Er dient dem Überwinden der Spielfeldfläche, um die Ziele und Zwischenziele in der Offensive zu erreichen. Neben dem Dribbling ist er das einzige Mittel (mit Ball), das zur Umsetzung einer erfolgreichen Offensive eingesetzt werden kann. Jedoch weist das Dribbling wesentliche Nachteile auf. So erfolgt der Raumgewinn langsamer, was es dem Gegner erleichtert, zu verteidigen. Des Weiteren fehlt hier der mannschaftliche Charakter, was gerade beim Passspiel eine positive Komponente ist, weil es nunmehr immer wichtiger wird, dass alle Spieler derselben Mannschaft an der Offensive teilnehmen können. Reine Rollenspieler (Spielmacher, Torjäger, Manndecker etc.) gibt es dabei nicht. Durch Pässe werden im Gegensatz zum Dribbling Zweikämpfe umgangen, deren Ausgang eher dem Zufall überlassen sind.
Das Anbieten
Eine oftmals unterschätzte Komponente im Passspiel ist das Freilaufen bzw. Anbieten zum Ball, damit man überhaupt anspielbar ist. Wer nicht freisteht, kann auch keinen Pass erfolgen. Daher kommt IMMER das Anbieten vor dem eigentlichen Pass! Je mehr Passoptionen für den Ballführer bestehen, desto schwieriger kann der Gegner verteidigen. Darum muss sich jeder Spieler der offensiven Mannschaft genötigt sehen, sich für einen Pass anzubieten. Bestenfalls in alle Richtungen. Da ein Akteur pro Partie nur etwa 1-2 Minuten am Ball ist, ist die enorme Bedeutung des Spiels ohne Ball erkennbar.
Um sich für den Ballführer anzubieten, müssen die Mitspieler ohne Ball (Mitspieler in Hilfestellung; MiH) einige Referenzpunkte beachten:
1.) Wie ist meine Position zum Ball?
2.) Wo sind meine Mitspieler?
3.) Wo stehen die gegnerischen Spieler?
Auch bei diesen drei Punkten ist die Bewertung nicht getrennt voneinander vorzunehmen sondern simultan. Wenn ein MiH zwar so weit vom eigenen Ballführer entfernt steht, dass er nicht angespielt werden kann, aber dennoch genügend andere MiH in Ballnähe sind, braucht sich dieser MiH nicht anzubieten. Schließlich könnte er den ballnahen Raum der eigenen Mannschaft verengen, was es dem Gegner ermöglicht, den Ball zu erobern. Natürlich müssen stets die Gegenspieler beachtet werden. Stellen sie einen MiH zu, übersehen sie einen oder kann ein Mitspieler in eine 1-gegen-1-Situation gebracht werden?
Anhand der genannten Referenzpunkte müssen die Spieler Entscheidungen treffen, wie sie weiter verfahren. Wird ins Dribbling gegangen oder ein Pass gespielt? Wohin erfolgt der Pass und auf wen? Die Entscheidungsfindung muss sich stets danach richten, welche Option die sicherste ist. Der Spieler muss also gedanklich (schnell) die jeweilige Situation analysieren und entsprechend handeln. Reine Instinkthandlungen oder völlig planlose Aktionen sind unbedingt zu vermeiden. Diese Verfahrensweise nennt man percentage play.
Eine weitere Überlegung, die oftmals vergessen wird, ist die Tatsache, dass JEDE Handlung der ballbesitzenden Mannschaft eine Reaktion des Gegners zur Folge hat. Und jede Reaktion resultiert darin, dass irgendwo Raum frei wird. Oft ist dieser freie Raum nur sehr kurz geöffnet oder gar nicht erst erreichbar, weshalb es gilt, den Gegner ständig in Bewegung zu halten, damit er sich permanent umordnen muss, bis irgendwann genügend Raum für einen Tempowechsel oder den finalen Pass frei wird. Daher muss ständig gepasst werden, um das Spiel stets zu verlagern, Druck auf und ab zu bauen. Dabei kann es augenscheinlich zu einer endlosen Aneinanderreihung von Alibipässen kommen, die aber durchaus den Sinn haben, "Sich den Gegner zurecht zu legen”.
Teil 2
Aufrufe: 1664 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 1 | Erstellt:10.10.2011
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