Am Ziel der Träume?
Nach einer vierjährigen Odyssee in Gonzaga und intensiven Wochen vor und nach des NBA Drafts 2013 scheint Elias Harris am Ziel seiner Träume. Am 26.07 unterschrieb er einen Zweijahresvertrag bei den Los Angeles Lakers, welcher im ersten Jahr zu großen Teilen garantiert sein soll. Der Traum eines Vertrages bei einem NBA Team wurde somit Wirklichkeit. Dennoch steht der mittlerweile 24 Jährige erst am Anfang seiner Reise, wenngleich die letzten 5 Jahre bereits reichen würden, um zahlreiche Seiten seiner Memoiren zu füllen.
Die frühen Jahre des Elias Harris
Juli 2009, Griechenland. Es läuft die U20 Basketball-Europameisterschaft und es ist das wohl erste Kapitel des kometenhaften Aufstiegs von Elias Harris, diesem unwiderstehlichen, athletischen jungen Forward aus Speyer. Der Sohn eines US-Soldaten und einer deutschen Mutter bekam das Basketballspielen bereits in die Wiege gelegt, beide Elternteile spielten ebenfalls professionell in Speyer Basketball. So war es nicht verwunderlich, dass der kleine Elias bereits mit sieben Jahren anfing seiner heutigen Passion nachzugehen und trotz des Störfeuers Fußball dem Basketball treu blieb. Ein gewaltiger Wachstumsschub im Alter von 15 Jahren verhalf ihm zu seinen ersten U-Nationalmannschaftsnominierungen ein Jahr später.
Während Jahrgangskollegen wie Pleiß und Benzing sich im Laufe der Jahre die Aufmerksamkeit der großen deutschen und auch internationalen Vereine erspielten, fristete Harris ein Schattendasein in der dritten deutschen Liga, in der er als Forward für die Bis Baskets Speyer groß aufspielte. Unbemerkt blieben seine Leistungen jedoch nicht: über Umwege weckte er das Interesse von Tommy Lloyd, dem Co-Trainer der Gonzaga Bulldogs. Als Harris sich schließlich für Gonzaga und gegen Mitbewerber wie Cincinnati oder die Washington Huskies entschied, fragten sich die Einwohner Spokanes verwundert, wer denn dieser unbekannte Deutsche sei und ob ein selbst in seinem Heimatland Unbekannter wirklich der Ersatz für Zags-Star Austin Daye sein sollte.
Trotz einer mannschaftlich enttäuschenden Leistung bei der oben angesprochenen U20 Europameisterschaft schaffte es Harris sich nachhaltig in die Notizblöcke der Scouts zu spielen und legte starke Zahlen auf (14P/6,4R pro Spiel). Dirk Bauermann, welcher Harris bereits vorher eine Nominierung für die Europameisterschaft in Polen in Aussicht stellte, nominierte ihn anschließend für den A-Nationalmannschaftskader. Mit immerhin 12 Minuten Spielzeit im Schnitt verabschiedete er sich Richtung Pazifikküste nach Spokane, der Hauptstadt des Bundesstaates Washington.
Hello Spokane
Den Start in das Abenteuer NCAA hätte sich Harris besser nicht erträumen können. Trotz seines Status als Freshman erkämpfte er sich die freie Stelle als Power Forward in der Starting Five und überzeugte auf Anhieb. Dank Highlite-Plays, unermüdlichem Einsatz an beiden Enden des Feldes und eines sympathischen und zurückhaltenden Auftretens abseits des Courts spielte er sich in die Herzen der Fans. Auch wenn Konstanz erwartungsgemäß ein Fremdwort für den Athlet Harris war, konnte er durch großartige Leistungen überzeugen. Spätestens Anfang Januar wurde Harris in sämtlichen Mockdrafts hoch geranked und bereits in Jahr eins entwickelte er sich zu einer Stütze des Teams, wie spätestens seine Fabelleistung gegen Illinois inklusive Overtime-Gamewinner bewies. Es folgten weitere starke Performances wie seine 31 Punkte gegen Saint Marys oder der 23P/8R Saisonabschluss im Tournament gegen Syracuse.
Chad Ford, seit Jahren hochangesehener Draft-Experte bei ESPN, bescheinigte ihm nach seiner überzeugenden Freshman-Saison gar Top10 Potential im Draft - Die Anmeldung zum Draft blieb aber aus. Er wolle nicht nur ein x-beliebiger Bankwärmer in der NBA werden, sondern zunächst weiter an seinem Spiel feilen, so Harris damalige Begründung.
Der Karriereknick
Was zunächst nachvollziehbar klang, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem folgenschweren Fehler, zumindest was seine NBA-Perspektive anbelangte. Die mit Spannung erwartete zweite Saison von Harris in der NCAA entwickelte sich zu einem wahren Albtraum für den deutschen Überflieger. Nach einem wenig überzeugenden Sommer bei der Nationalmannschaft plagte er sich zu Saisonbeginn mit zahlreichen kleineren Verletzungen herum. Insbesondere bei einem Athleten wie Harris entpuppten sich die Verletzungen als Karrierestopper. Erschwerend kam hinzu, dass nach dem Abgang von Playmaker Bouldin die Zags Offensive unkreativ und steif agierte, die Würfe somit zunehmend schwerer wurden. Trotz leichter Verbesserungen im Postgame, in der Defense und im Rebounding wurden die Zweifel ob Harris Zukunftsaussichten größer. Zwar spielte er seine gesamte Karriere einen starken Part als Power Forward und konnte die mangelnde Größe unter anderem dank exzellenter Sprungkraft kaschieren, aber die Fragezeichen bezüglich seiner Position in der NBA wurden größer. Insbesondere die mangelhafte Entwicklung der SF-Skills inklusive eines drastischen Rückgangs der Dreierquote standen seinen NBA-Hoffnungen im Weg. Obwohl er in den Mocks durchaus als Secondrounder galt, entschied er sich, ein weiteres Jahr in Spokane zu bleiben.
Jahr drei sollte einen Neustart bedeuten. Endlich gesund wollte der Fanliebling wieder zurück zu alter Stärke und seine NBA-Hoffnungen zementieren. Doch die hohen Erwartungen der Coaches, Fans, Medien und vor allem ihm selbst wurden bitter enttäuscht. Auch wenn er statistisch ansprechend spielte, verfestigte sich der Eindruck, dass seine Leistungen gegen größere, stärkere NBA-Forwards ohne seine damaligen Athletik-Vorteile nicht 1:1 umsetzbar sein würden. Er entwickelte sich zwar zu einem der besten NCAA Power Forwards, eine große Rolle in der NBA traute ihm auf dieser Position aber niemand zu. Auch in Jahr drei schien er die Entwicklung seiner Perimeter-Skills zu vernachlässigen, womit ihm spätestens jetzt der Stempel des klassischen Tweener-Problems angeheftet wurde.
Jahr Nummer Vier
Trotz des abgeklungenen Hypes und der berechtigten Zweifel von Scouts und Experten glaubte Harris weiter an seine NBA-Chancen und investierte in seiner letzten Offseason als Gonzaga Spieler so viel Arbeit wie nie zuvor. Nach dem Abgang von Frontcourt Partner und engem Freund Robert Sacre sollte er der Fixpunkt im Postgame der Zags werden.
Die erwartete Show stahl ihm allerdings ein anderer: Kanadier Kelly Olynyk, der im Vorjahr freiwillig aussetzte und nun bei den Boston Celtics unter Vertrag steht, überragte im Laufe der Saison und stahl talentierten Spielern wie Harris oder Pangos das Spotlight. Mannschaftlich erlebte Harris getragen von seinen starken Mitspielern und seiner mannschaftsdienlichen Spielweise noch nie zuvor erlebte Höhen. Zwar war Gonzaga lange Jahre der Dominator in der eigenen Conference, landesweit nachhaltigen Eindruck verschaffte man sich allerdings nie. Nach einer beeindruckenden Siegesserie wurden die Gonzaga Bulldogs Anfang März zum ersten Mal in ihrer Teamgeschichte als #1 Team in dem sog. Associated Press Top 25 Poll, einer Rangliste der landesweit besten College-Teams, gewählt. Erste Stimmen wurden laut, dass der Zags Kader auch im Tournament für Furore sorgen werde, die Hoffnungen der Fans stiegen ins Unermessliche.
Im Schatten all dieser Nebenfaktoren entwickelte sich Harris zu einem collegemäßig kompletten Power Forward. Egal ob Defense, Rebound, Back to the Basket, Midrange, Hustle oder anderen Dingen, die ein PF heutzutage beherrschen sollte, Harris zeigte in seinen Spielen bei den Zags sein gesamtes Repertoire und legte persönliche Bestzahlen auf. Nichtsdestotrotz blieben große Zweifel an seiner NBA-Zukunft aufgrund der oben aufgeführten Faktoren, sodass seinen guten Leistungen von den Medien keinerlei große Beachtung geschenkt wurde.
Unter großem Jubel wurde er von den Fans an seinem Senior Day verabschiedet, mit großen Erwartungen reisten die Zags zum Turnier - doch erneut erlebte der Deutsche die Tiefen seines sportlichen Lebens. Beim NCAA Tournament spielte er persönlich schwach, noch gravierender war allerdings die enttäuschende mannschaftliche Leistung. Als #1 Seed in dem West Regional Turnierviertel in Los Angeles gesetzt, musste man sich bereits in der zweiten Runde gegen die Shockers aus Wichita State geschlagen geben. Zuvor mühte man sich bereits gegen den #16 Seed, die Southern Jaguars, zu einem wenig überzeugenden Zittersieg.
Pre-Draft Workouts und Summer League
Nach dem enttäuschenden Abschluss seiner sportlichen Karriere in Gonzaga begann für Harris endgültig das Abenteuer NBA, bzw. NBA-Draft. Als College Senior war er automatisch zum Draft angemeldet, für die Workouts bei den verschiedenen NBA-Teams bereitete er sich per Spezialprogramm in Chicago vor. Trotz des positiven Feedbacks der NBA-Teams, bei denen er ein Workout absolvierte(Denver, Chicago, Orlando, Sacramento, Houston, Dallas, Los Angeles, Memphis, Phoenix), rief Adam Silver seinen Namen beim NBA Draft in Brooklyn nicht auf. Ein erneuter Rückschlag für Harris, welcher allerdings den positiven Nebeneffekt hatte, dass er sich sein Summer League Team aus zahlreichen Offerten selbst heraussuchen konnte.
Letztendlich entschied er sich dafür mit seinem alten Kumpel aus Gonzaga Zeiten, Rob Sacre, bei den Lakers zu spielen. Die Summer League in Vegas entwickelte sich hierbei zu einem einzigen Erfolg für Harris. Zwar wirkte er teilweise im 4Out Offensivsystem der Lakers als Strech4 verloren, nachhaltigen Eindruck hinterließ er ob seines Einsatzes und seiner ordentlichen Stats dennoch. Die meiste Spielzeit aller Lakers-Summer League Spieler war bereits ein Indikator dafür, dass Harris bei den Lakers, bei denen er ein Pre-Draft Workout absolvierte, einen Fürsprecher zu haben scheint. Mit 10.2 Punkten und 5.6 Rebounds pro Spiel reichte er auch per Statistiken einen Bewerbungsantrag für einen der zwei freien Rosterplätze bei den Los Angeles Lakers ein.
Welcome to Los Angeles
Am 26.07 verriet uns dann dieser Tweet, dass Harris am vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere angekommen ist und einen Zweijahresvertrag bei den Lakers erhält.
Y! Sports: Undrafted rookie forward Elias Harris agrees to free agent deal with the Lakers, per @amespriority. http://t.co/9KRIAWBKX5 Adrian Wojnarowski (@WojYahooNBA) July 27, 2013
Die im Vorspann angesprochene Odyssee auf dem Weg zu seinem NBA-Vertrag scheint er somit erfolgreich gemeistert zu haben. Nichtsdestotrotz wird auch Harris wissen, dass dies nur der Anfang seiner Karriere sein kann und man sich keinesfalls auf dem Erreichten ausruhen darf. Eine Garantie langfristig in der NBA Fuß zu fassen, ist die Vertragsunterschrift keinesfalls. Die Art und Weise wie Harris in den letzten Wochen und Monaten seinen Fuß in die sich schließende NBA-Tür klemmte, kann allerdings als gutes Vorzeichen gesehen werden, dass Harris alles tun wird, um seinen Traum am Leben zu halten.
Das Signing mag vielleicht das Ende eines steinigen Weges in die größte Profiliga der Welt sein, der Start eines weiteren Abenteuers, dem der NBA, steht aber bereits kurz bevor.
Nun kämpft Elias John Michael Harris darum, auch in der NBA die Position zu erhalten, die er größtenteils sein ganzes Leben lang mit sich herum schleppte - Die des wenig beachteten und vielfach unterschätzten Schattenspielers.