09.03.2012 um 01:55 Uhr
Geschrieben von funkbarrio
Der Schöne und das Biest I/II
Fußball ist nur ein Spiel. Das sagt zumindest der gemeine Volksmund. Ein ehemaliger französischer Nationaltrainer sieht das anders. Für ihn kann ein Spieler zum „Mörder" einer ganzen Mannschaft werden, ein Interview zu einem „Verbrechen". Solche landen gemeinhin vor dem Richter und so kommt es auch in diesem Fall zum Prozess. Ein „Vergehen", dass selbst nach 18 Jahren scheinbar immer noch nicht verjährt ist.
Mit Herzproblemen ist nicht zu spaßen. Und so verkündete Gerard Houllier im Herbst sein mögliches Karriere-Ende als Trainer. Bereits 2001 hatte er einen schweren Eingriff über sich ergehen lassen und daraufhin eine fünfmonatige Pause einlegen müssen. Bei seiner womöglich letzten Trainerstation Aston Villa waren vor einem Jahr wieder Komplikationen aufgetreten. Der streitbare Franzose hat sich seither zurückgezogen. Trubel, Stress und das ständige Adrenalin sind zu viel. Es heißt Ruhe zu finden und mit 64 Jahren der Rente entgegenzusehen. Eine Sache hindert in jedoch daran. Seit rund 18 Jahren lässt ihn ein Abend und ganz besonders ein Spieler nicht zur Ruhe kommen. In seinem Buch hat er es mal wieder erwähnt. Nun trifft man sich vor Gericht.
"France - Bulgarie"
Der besagte Abend ist der 17. November 1993. Tatort: Parc des Princes. Hier spielt Frankreich im letzten und entscheidenden Spiel um das WM-Ticket in den USA. Dass es überhaupt soweit kommen konnte, liegt an der Mannschaft selbst. Vor den beiden letzten Spielen gegen Israel und Bulgarien brauchen die „bleus" nur einen Punkt. Beide Spiele finden in Paris statt und doch verliert man das erste Spiel in der letzten Minute mit 2:3. Bleibt das Spiel gegen Bulgarien. Es läuft erneut die 90. Minute, es steht 1:1 und es flankt ein gewisser David Ginola über alle Köpfe hinweg, statt den Ball an der Eckfahne zu halten. Ein Bulgare erläuft sich den Ball, spielt nach vorne, drei Stationen und Emil Kostadinov haut den Ball mit einem „Once-in-your-life"-Schuss unhaltbar unter die Latte. Der Trainer der französischen Mannschaft damals? Gerard Houllier. Sein Kommentar zum Spiel? „Ginola hat ein Verbrechen gegen die französische Mannschaft begangen"!
Die „Flanke" und das 1:2 (Quelle: TF1)
Die Flanke ist hierbei nur der berühmte Tropfen, der Houllier zum überlaufen bringt. Zuvor hat Ginola die Stimmung unnötig angeheizt, als er unzufrieden in seiner Rolle als Ersatzspieler die Rivalität zwischen Marseille- und Paris-Spielern in der Nationalelf mit Aussagen wie „Papin und Cantona sollten im Parc des Princes nicht für Frankreich spielen" auf die Spitze treibt. Resultat: Beide werden das gesamte Spiel vom Pariser Publikum ausgebuht. Und nun hat Houllier ihn in der 69. Minute ausgerechnet für Jean-Pierre Papin eingewechselt und er quittiert es mit dieser unsäglichen Flanke. Eine Flanke, die er rückblickend gerne ungeschehen machen würde. Eine Flanke, die ihm heute noch weh tut und die er für das „Wohl aller" lieber nicht geschlagen hätte. Eine Flanke, die heute noch in Frankreich als Synonym für missratene Hereingaben herhalten muss. Eine Flanke schließlich, die ihn ins „Exil" nach England bringen sollte.
David Ginola ist heute preisgekrönter Winzer, Werbeikone, französischer Dancing-Star, Tsunami-Überlebender und hat sich gerade von einem Skiunfall mit mehreren Knochenbrüchen erholt. Gut sieht er immer noch aus, der Charakterkopf von der Côte d’Azur. Die Haare sind kürzer, weißer, doch sein markantes Gesicht und der trainierte Oberkörper reichen immer noch für das Cover-Bild und eine Fotoserie im französischen Schwulenmagazin „Têtu". Seine Art auf Gerüchte über homophobe Aussagen in der Vergangenheit zu reagieren und dem Statement, dass er Coming Outs im Profi-Fußball unterstützen würde. 1993 gilt er als eigenwilliger, aber hochtalentierter Spieler von Paris Saint-Germain. Der damals 26jährige brilliert mit starkem Antritt, Beidfüßigkeit und starken Dribblings und wird Frankreichs Fußballer des Jahres. Ein Jahr später sogar Meister.
Doch in dieser Nacht will ihn Houllier, der ehemalige Amateurfußballer, im Hotel aus der Mannschaft werfen. Aufgebracht beschimpft er Ginola als „Mörder der Mannschaft" und kann nur schwerlich durch den Assistenten Aimé Jacquet beruhigt werden. Er übersieht dabei, dass zwischen Flanke und Tor fast die gesamte Mannschaft Frankreichs Zeit hatte einzuschreiten. Kurz darauf tritt er selbst zurück und überlässt Jacquet den Platz. Er wird technischer Direktor und Jugendtrainer im französischen Verband und feiert den größten Triumph 1998 im Hintergrund. Nach der Weltmeisterschaft wird er Ginola auf die Insel folgen.
Im Exil
Der linke Flügelspieler hat da schon einen großen Namen im „Mutterland des Fußballs" und führt die Premier League-Ära der spektakulären Franzosen nach Cantonas Rücktritt weiter. Zunächst wechselt er für 3 Mio Euro zu Newcastle United. Ein Wechsel der nicht wirklich absehbar war. Nachdem er einer der Hauptakteure in den jeweils siegreichen Europapokal-Partien zwischen Paris und Real Madrid sowie dem FC Barcelona ist, wird er von der spanischen Presse „El Magnifico" getauft. Der katalanische Klub möchte sich nicht zum letzten Mal seine Dienste sichern. Doch am Ende landet er bei Newcastle United und dem Trainer Kevin Keegan, das große Idol seines Vaters und ausschlaggebend für den damals neunjährigen David überhaupt Profi-Fußballer zu werden. Vor ihm steht ein langer Weg. Mit 14 will ihn der AC Mailand verpflichten, mit 16 teilt ihm der Trainer von Nizza mit, dass er nicht das Zeug zum Profi hat, mit 18 schließlich sein Debüt bei Sporting Toulon.
Nun ist er 28 und wechselt zu dem Klub, der sich mit begeisterndem Offensiv-Fußball den Namen „The Entertainers" erspielt hat. Perfekt für den defensiv eher faulen Ginola. Der Mann, der aus einem Mantel- und Degenfilm entsprungen scheint, integriert sich schnell, obwohl die meisten seiner neuen Team-Kollegen noch nie etwas von ihm gehört haben. Man schließt die beiden folgenden Jahre knapp als jeweils Zweiter die Premier League ab und Ginola spielt sich in die Herzen der Fans. Leicht- und Beidfüßigkeit, Körpertäuschungen, Schusstechnik, die perfekte Brustannahme – Ginola fügt sich perfekt in das Spielsystem seines Idols und die Herzen der männlichen und weiblichen Fans.
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Mit Herzproblemen ist nicht zu spaßen. Und so verkündete Gerard Houllier im Herbst sein mögliches Karriere-Ende als Trainer. Bereits 2001 hatte er einen schweren Eingriff über sich ergehen lassen und daraufhin eine fünfmonatige Pause einlegen müssen. Bei seiner womöglich letzten Trainerstation Aston Villa waren vor einem Jahr wieder Komplikationen aufgetreten. Der streitbare Franzose hat sich seither zurückgezogen. Trubel, Stress und das ständige Adrenalin sind zu viel. Es heißt Ruhe zu finden und mit 64 Jahren der Rente entgegenzusehen. Eine Sache hindert in jedoch daran. Seit rund 18 Jahren lässt ihn ein Abend und ganz besonders ein Spieler nicht zur Ruhe kommen. In seinem Buch hat er es mal wieder erwähnt. Nun trifft man sich vor Gericht.
"France - Bulgarie"
Der besagte Abend ist der 17. November 1993. Tatort: Parc des Princes. Hier spielt Frankreich im letzten und entscheidenden Spiel um das WM-Ticket in den USA. Dass es überhaupt soweit kommen konnte, liegt an der Mannschaft selbst. Vor den beiden letzten Spielen gegen Israel und Bulgarien brauchen die „bleus" nur einen Punkt. Beide Spiele finden in Paris statt und doch verliert man das erste Spiel in der letzten Minute mit 2:3. Bleibt das Spiel gegen Bulgarien. Es läuft erneut die 90. Minute, es steht 1:1 und es flankt ein gewisser David Ginola über alle Köpfe hinweg, statt den Ball an der Eckfahne zu halten. Ein Bulgare erläuft sich den Ball, spielt nach vorne, drei Stationen und Emil Kostadinov haut den Ball mit einem „Once-in-your-life"-Schuss unhaltbar unter die Latte. Der Trainer der französischen Mannschaft damals? Gerard Houllier. Sein Kommentar zum Spiel? „Ginola hat ein Verbrechen gegen die französische Mannschaft begangen"!
Die „Flanke" und das 1:2 (Quelle: TF1)
Die Flanke ist hierbei nur der berühmte Tropfen, der Houllier zum überlaufen bringt. Zuvor hat Ginola die Stimmung unnötig angeheizt, als er unzufrieden in seiner Rolle als Ersatzspieler die Rivalität zwischen Marseille- und Paris-Spielern in der Nationalelf mit Aussagen wie „Papin und Cantona sollten im Parc des Princes nicht für Frankreich spielen" auf die Spitze treibt. Resultat: Beide werden das gesamte Spiel vom Pariser Publikum ausgebuht. Und nun hat Houllier ihn in der 69. Minute ausgerechnet für Jean-Pierre Papin eingewechselt und er quittiert es mit dieser unsäglichen Flanke. Eine Flanke, die er rückblickend gerne ungeschehen machen würde. Eine Flanke, die ihm heute noch weh tut und die er für das „Wohl aller" lieber nicht geschlagen hätte. Eine Flanke, die heute noch in Frankreich als Synonym für missratene Hereingaben herhalten muss. Eine Flanke schließlich, die ihn ins „Exil" nach England bringen sollte.
David Ginola ist heute preisgekrönter Winzer, Werbeikone, französischer Dancing-Star, Tsunami-Überlebender und hat sich gerade von einem Skiunfall mit mehreren Knochenbrüchen erholt. Gut sieht er immer noch aus, der Charakterkopf von der Côte d’Azur. Die Haare sind kürzer, weißer, doch sein markantes Gesicht und der trainierte Oberkörper reichen immer noch für das Cover-Bild und eine Fotoserie im französischen Schwulenmagazin „Têtu". Seine Art auf Gerüchte über homophobe Aussagen in der Vergangenheit zu reagieren und dem Statement, dass er Coming Outs im Profi-Fußball unterstützen würde. 1993 gilt er als eigenwilliger, aber hochtalentierter Spieler von Paris Saint-Germain. Der damals 26jährige brilliert mit starkem Antritt, Beidfüßigkeit und starken Dribblings und wird Frankreichs Fußballer des Jahres. Ein Jahr später sogar Meister.
Doch in dieser Nacht will ihn Houllier, der ehemalige Amateurfußballer, im Hotel aus der Mannschaft werfen. Aufgebracht beschimpft er Ginola als „Mörder der Mannschaft" und kann nur schwerlich durch den Assistenten Aimé Jacquet beruhigt werden. Er übersieht dabei, dass zwischen Flanke und Tor fast die gesamte Mannschaft Frankreichs Zeit hatte einzuschreiten. Kurz darauf tritt er selbst zurück und überlässt Jacquet den Platz. Er wird technischer Direktor und Jugendtrainer im französischen Verband und feiert den größten Triumph 1998 im Hintergrund. Nach der Weltmeisterschaft wird er Ginola auf die Insel folgen.
Im Exil
Der linke Flügelspieler hat da schon einen großen Namen im „Mutterland des Fußballs" und führt die Premier League-Ära der spektakulären Franzosen nach Cantonas Rücktritt weiter. Zunächst wechselt er für 3 Mio Euro zu Newcastle United. Ein Wechsel der nicht wirklich absehbar war. Nachdem er einer der Hauptakteure in den jeweils siegreichen Europapokal-Partien zwischen Paris und Real Madrid sowie dem FC Barcelona ist, wird er von der spanischen Presse „El Magnifico" getauft. Der katalanische Klub möchte sich nicht zum letzten Mal seine Dienste sichern. Doch am Ende landet er bei Newcastle United und dem Trainer Kevin Keegan, das große Idol seines Vaters und ausschlaggebend für den damals neunjährigen David überhaupt Profi-Fußballer zu werden. Vor ihm steht ein langer Weg. Mit 14 will ihn der AC Mailand verpflichten, mit 16 teilt ihm der Trainer von Nizza mit, dass er nicht das Zeug zum Profi hat, mit 18 schließlich sein Debüt bei Sporting Toulon.
Nun ist er 28 und wechselt zu dem Klub, der sich mit begeisterndem Offensiv-Fußball den Namen „The Entertainers" erspielt hat. Perfekt für den defensiv eher faulen Ginola. Der Mann, der aus einem Mantel- und Degenfilm entsprungen scheint, integriert sich schnell, obwohl die meisten seiner neuen Team-Kollegen noch nie etwas von ihm gehört haben. Man schließt die beiden folgenden Jahre knapp als jeweils Zweiter die Premier League ab und Ginola spielt sich in die Herzen der Fans. Leicht- und Beidfüßigkeit, Körpertäuschungen, Schusstechnik, die perfekte Brustannahme – Ginola fügt sich perfekt in das Spielsystem seines Idols und die Herzen der männlichen und weiblichen Fans.
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Aufrufe: 6968 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 3 | Erstellt:09.03.2012
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schöne geschichte, aber der gute emil hatte auch ein gutes stück glück bei dem hammer
und die ganze schuld auf einen spieler abzuladen ist auch eine frechheit, da hätte so gut wie jeder noch dazwischen gehen können.