Vor einigen Jahren gab es in den Stuttgarter Nachrichten einen sehr guten Kommentar zu lesen. Als VfB Fan habe man es relativ leicht, hieß es da. Der Verein steigt nie ab, alle zehn Jahre hat man einen Titel zu befeiern, man sieht meist ansehnlichen Fußball und darf zahlreiche europäische Städte zwischen UEFA-Cup und Champions League besuchen.
Wie sich herausstellt, hatte der Autor Unrecht. Wie sich herausstellte, darf insbesondere der VfB Fan leiden, wie sich herausstellte, kann man auch in Stuttgart konstanten Rumpelfußball spielen. Wie sich herausstellte, kann auch der VfB absteigen.
In einem Punkt aber hatte er unrecht: 3283 Tage nach der Meisterschaft gibt es in Cannstatt endlich wieder einen Titel zu befeiern - einen für die Ewigkeit! Wir sind der dümmste Absteiger aller Zeiten, herzlichen Glückwunsch!
Bei allem Respekt vor Mannschaften wie Bremen, Hamburg, Hertha, Mainz, Augsburg, Darmstadt, Ingolstadt, Köln und Frankfurt, aber der VfB hat die besseren Spieler. Was er aber nicht hatte, war die bessere Mannschaft. Man schafft es - einmal mehr - nicht die Qualität, die in den Beinen der Spieler steckt, in zählbares auf dem Platz zu verwandeln. Fußballerische Qualität ist genug vorhanden, um ins internationale Geschäft einzuziehen. Mentale ist kaum auf Zweitliga-Niveau vorhanden.
Es ist immer das Gleiche: Im vollen Bewusstsein ob der eigenen Stärke lässt die Mannschaft, der ganze Verein, sich einlullen, stürzt darauf in einen psychologischen Teufelskreis. Die letzten Jahre hat man sich immer mit einem unfassbaren Kraftakt aus diesem noch gerettet. Dieses Jahr kam der Kraftakt zu früh.
Nach 21 Spieltagen schlägt man die Hertha, ist gerade einmal 5 Punkte hinter Gladbach, 6 hinter Mainz und Schalke. Statt aber die Geilheit auf den Erfolg zu entwickeln, statt alle Kräfte von Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen um diesen Rückstand aufzuholen, fällt man wieder in eine grenzenlose Arroganz zurück, lässt sich von der eigenen Qualität blenden und verliert in einer selbstbewussten Sicherheit ein Spiel nach dem anderen bis ängstliche und blutleere Auftritte in Augsburg und gegen Mainz den letzten Nagel in den Sarg treiben. Für einen zweiten Kraftakt war nicht genug Zeit, für einen zweiten Kraftakt fehlte vermutlich auch die Stärke.
Ein schleichender und lethargischer Prozess, der perfekt widerspiegelt, was in diesem Verein seit einem Jahrzehnt falsch läuft. Neben einer sportlichen Struktur und inkompetent besetzten Schlüsselpositionen - nur mal so am Rande, der vorherige Finanzvorstand hielt nichts von Computern und konsequenterweise nutzte er diese auch nicht - hat man eine herrliche Wohlfühloase für die Spieler kreiert. Der VfB zahlt gut, man spart sich lästige Städtetouren durch Osteuropa, Historie und Stahlkraft sind immer noch riesig und Spätzle köstlich. Neue Spieler kommen, um ein halbes Jahr alles in Grund und Boden zu spielen (Beispiele an dieser Stelle seien Molinaro, Sakai, Okazaki, Klein, Gruezo, Maxim, Kvist, Ibisevic, Maza, ...) um dann nach und nach ebenfalls der allumfassenden Lethargie zum Opfer zu fallen, um am Ende als Altlast auf Bank und Tribüne das permanent angespannte Budget zu belasten.
Erneut meine These: Das sind und waren alles Spieler, die sich in ihrer Karriere im Dunstkreis ihrer jeweiligen Nationalmannschaften bewegen, die fußballerische Qualität ist absolut vorhanden um in dieser erneut sehr schwachen Liga eine gute Rolle zu spielen! Die mentale Qualität ist aber offenbar nicht vorhanden.
Man kann von Zorniger und Bobic halten, was man möchte - ich persönlich halte viel von beiden - aber beide haben eben jener Allgemeinzufriedenheit entgegengesteuert. Ein gesundes Selbstvertrauen und eine Geilheit auf Erfolg kennt man in Stuttgart nicht. Man kennt totale Verunsicherung und absolute Arroganz!
Noch einmal wiederhole ich mich, diesmal was ich nach der Bobic-Entlassung gesagt habe: Der Verein krankt nicht an einzelnen Personalien, er krankt an seiner kompletten Struktur, v.a. an seiner Mentalität. Kompetente Leute abseits des grünen Rasens, wie beispielsweise der jetzige Kölner Sportdirekter Wehrle, die halbe Leipziger Jugendabteilung oder auch der einstige Jugendtrainer Thomas Tuchel, werden in Stuttgart nicht gehalten, gefordert und schließlich gefördert, sondern ziehen von dannen. Es gibt keine kompetenten Kontrollgremien, die erkennen, wenn ein (finanzielles) Risiko von Nöten ist um, oder aber heldt'schen Verkaufsräuschen freie Hand gewähren. Wie man so hört, gibt es intern noch nicht einmal vernünftige Kommunikationswege - von einer funktionierenden Vereinsphilosophie einmal ganz abgesehen.
Wieso gibt es keine ordentliche Doppelfunktion auf der Manager-Position, wie in genug Vereinen praktiziert? Ein Aushänge-Schild fürs Grobe, wie Sammer, Völler, Watzke, Eichin und Co, während ihnen Reschke, Boldt, Schröder und Kumpanen zuarbeiten? Und jetzt bitte nicht einen Schneider in den Ring werfen.
Zorniger war ja schon mal der richtige Ansatz, nur falsch umgesetzt. Man entwickelte nicht eine Philosophie für den Verein, aufgrund der der Trainer ausgesucht wurde, man holte ein Trainer mit einer bestimmten Philosophie, und ordnet dem Verein dieser unter. Ein kleiner Unterschied, mit gigantischen Folgen. Denn, nur ein paar Monate nachdem sämtliche Junioren-Mannschaften auf überfallartigen Angriffsfußball gedrillt wurden, kommt der Gegenentwurf. Das Vereinskonzept also erneut umstellen? Oder möglicherweise einfach versuchen zu agieren, den zum Verein passenden Trainer wählen, statt nur auf Umstände zu reagieren.
Man muss aber noch nicht einmal so weit gehen. Man braucht keinen Blick hinter die Kulissen oder in die geschlagenen Wurzeln zu CL-Zeiten zu werfen, man kann all das ausblenden und dennoch eine plausible Erklärung für den Abstieg liefern. Abseits von abstrakten Spiel- und Kaderphilosophien und Besetzungsstrategien in der jüngeren Vergangenheit, von obskuren Geldverschwendungen und Sparmaßnahmen, von Politik und Imagepflege einzelner auf Kosten des Vereins ist die Grundlage für den Abstieg sehr leicht zu erkennen. Blendet man all das aus, betrachtet einzig und allein diese Saison, so kann die Ursache dennoch sehr leicht erkannt werden: 1/3 Pech, 2/3 Dummheit.
Sicher kann man anmerken, dass die Abwehr nicht unbedingt ein italienisches Prunkstück ist. Aber zu Klavan, Abrahan, Russ, Sulu oder Bicakcic besteht sicher nicht der häufig beschworene Klassenunterschied. Und insbesondere Insua, Klein und auch Niedermeier in der Vergangenheit bewiesen, dass sie mehr als nur Zweitliga-Niveau haben. Die Gegentorflut kann und darf nicht an individueller Qualität einzelner Spieler ausgemacht werden, sondern muss als Abwehrschwäche und mangelnder taktischer und mentaler Einstellung des vollständigen Teams betrachtet werden. Einfach zu sagen, die Spieler sind nicht stark genug ist zu einfach und zu kurz gegriffen, v.a. wenn man sich diverse Statistiken, wie das Verhältnis zwischen kreierter und gegnerischer Torchancen anschaut, da jene Spieler in der Vergangenheit besseres bewiesen haben und da die Konkurrenz auch nicht stärker ist.
Ein Drittel Pech: Der stärkste Stürmer zieht sich nicht eine, sondern zwei schwere Verletzungen zu, der zweitbeste taumelt zwischen Formkrise und Krankenhaus, auch Die, Barba, Großkreutz haben mittelschwere Probleme im Saisonendspurt, Gentner, Rupp, Didavi und Kostic haben immer wieder mit Blessuren zu kämpfen. Bei Ginczek könnte man noch halbwegs argumentieren, dass man als Verein auf seinen Ausfall besser vorbereitet hätte sein müssen - was aber erneut zu kurz gegriffen wäre - der Rest ist schlicht und ergreifend Pech.
Ein Drittel Dummheit Part I.: Wenn man sich nur die ersten fünf Spieltage anschaut. 17 Vereine in der Liga gehen, wenn sie solche Leistungen zeigen, mit 15 Punkten und 20:5 Toren aus diesen Partien. Nicht so der VfB, der selbstverständlich eine Sonderposition einzunehmen hat. Denn der schafft es, fünf Spiele absolut zu dominieren und dennoch null Punkten und 5:13 Toren mitzunehmen. Diese Verschwendung zieht sich durch die komplette Saison und sie zeigt zweierlei: a) der VfB hat das Spielermaterial um nahezu jeden Gegner innerhalb der Liga zu schlagen und b) er weigert sich regelrecht es zu nutzen. Man bettelt regelrecht danach, unten reinzurutschen, um nach und nach in den oben bereits genannten Teufelskreis zu versinken. Eine der ältesten Fußballweisheiten wird nicht nur über ein einzelnes Spiel, sondern über eine vollständige Saison in einer beinahe schon beeindruckenden Konstanz bewiesen.
Ganz amüsant dabei ist, wie der VfB, nach diesem furiosen Saisonstart, wieder in ein faszinierendes Muster verfällt, das bereits unter Labbadia zu beobachten war. Man passt sich dem Niveau des Gegners an. Gegen Bayern und Dortmund werden einige tolle Spiele abgebrannt, gegen Paderborn, Darmstadt und Augsburg zeigt man ähnlichen Rumpelfußball. In den 2010er Jahren gibt es verhältnismäßig wenige Spiele, wo man im Anschluss schlicht und ergreifend sagen muss, heute war der Gegner besser und basta.
Ein Drittel Dummheit Part II.: Man belohnt sich wieder und wieder nicht für die eigene Arbeit und für die guten Spiele, sinkt vollständig unten rein, kämpft sich aus dem Loch und dem sicher geglaubten Abstieg, kommt sogar in Schlagdistanz auf Europa. Und dann? Selbstverständlich versemmelt man einen Matchball nach dem andern. Hannover ist ein Ausrutscher, kann mal passieren. Gladbach hat eigentlich andere Ambitionen, da ist eine Niederlage verkraftbar, ebenso gegen Bayer - es kommen schließlich noch genug Spiele. Darmstadt und Ingolstadt haben sich sehr gut gewehrt, da darf man auch mal mit `nem Punkt zufrieden sein, gegen FCB und BVB kann man eh nichts einplanen, ein blamabler Auftritt gegen Augsburg hat ja beinahe schon Tradition - und urplötzlich brennt an einem Montagabend der Baum lichterloh. Man schleicht dem eigenen Scheiterhaufen entgegen und dreht sich noch genüsslich eine Zigarre, während die fliegenden Funken diesen längst in Brand setzen
Ein großer Teil von mir hat heute den Bremern die Daumen gedrückt. Die Hoffnung auf das Wunder mit Bremer Rettung und Stuttgarter Relegation dank zweier Schützenfeste war stärker, als der Wunsch Weder in den Absturz zu stürzen um selber die Klasse via Relegation zu halten. Denn im Vergleich zum VfB, abseits der großen Sympathie die ich für diesen Verein hege, hat Werder den Abstieg einfach nicht verdient. Werder holt einiges aus seinen geringen Möglichkeiten - und den mMn eindeutig schlechteren Kader - heraus, während der VfB kaum einen Bruchteil seines vorhandenen Potentials nutzt! Und, um das klarzustellen, hier ist die Sprache vom unmittelbar in der Mannschaft enthaltenen spielerischen Potential, nicht von seiner geographischen Lage in einem der reichsten Gebiete Europas und all seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten, von der geringen Konkurrenzdichte und von seiner mit der Historie verbundenen Stahlkraft!
Es mag etwas paradox erscheinen, wenn ich fehlende Kaderqualität als Ausrede abtue und nicht gelten lassen möchte, dann aber als die beiden Hauptgründe - bei isolierter Betrachtung dieser Saison! - Pech und Dummheit anbringe. Mangelnde Qualität als Hauptgrund anzubringen ist aber nicht genug, ist zu schwach!
Hannovers Kader ist nicht stark genug für die erste Liga, ebenso wie der von Darmstadt und Ingolstadt. Ein Abstieg ist irgendwo erwart- und vertretbar. Bei ihnen zieht dieser Punkt, wer es nicht besser kann, muss sich nichts vorwerfen lassen.
Die Stuttgarter Mannschaft hat aber das Spielermaterial um eine sehr gute Rolle in der Liga zu spielen! Und am Ende macht das aus dem Abstieg - das Prädikat 'vermeidbar' wäre an dieser Stelle untertrieben - eine Schande!
Und am Ende muss man leider konsternieren, dass dieser in seiner Summe hochverdient ist. Nicht weil der VfB die zweitschlechteste Saison gespielt hat, sondern weil er sich in grenzenloser Dummheit selber geschlagen hat.
Der Vfb hätte nicht absteigen müssen. - sehe ich auch so
"Bei allem Respekt vor Mannschaften wie Bremen, Hamburg, Hertha, Mainz, Augsburg, Darmstadt, Ingolstadt, Köln und Frankfurt, aber der VfB hat die besseren Spieler."
- Beschreibt das Problem perfekt und ist der Grund für den Abstieg nämlich Arroganz. In der Summei st der Vfb nicht schlechter aber auch nicht besser aufgestellt als die genannten. Selbstverständlich gibt es Unterschiede auf einzelnen Positionen. Genau die Eigenwahrnehmung des Vfb führte zu einer Spielanlage die direkt in die 2. Liga geführt hat.
Wie von Vielen bereits festgestellt wurde - höchst verdient!
Der VfB ist absolut verdient aufgrund eigener Fehler abgestiegen, und nicht wegen einer höheren Gewalt! (Auch wenn man den Fußballgott in Stuttgart in jüngerer Vergangenheit recht gerne verflucht)
Meine Meinung über diese mittel- und langfristigen Ursachen hab ich in ein, zwei Absätzen angeschnitten (v.a. Struktur und Mentalität innerhalb des Vereins), der Großteil, so auch der Abschnitt mit "Pech" als Grund, widmet sich dieser Saison
die Formulierung "gute Rolle" ist bewusst wage
Ingolstadt hat eine sehr gute Rolle gespielt diese Saison, Hertha eine gute, Schalke nicht, um mal ein paar Beispiele zu nennen, wie ich diesen Begriff verstehe
und wie gesagt, ich denke nicht dass die Kader - was die Individualspieler angeht - in Berlin oder Mainz stärker sind und diese Mannschaften waren gerade mal 5 Pkt von der CL-Quali am Ende entfernt
@akarl
fußballerische Kompetenz in den Vorstand, anschließender Reinigungsprozess von oben nach unten - ja, ich bin ein unverbesserlicher Optimist
@valo
da werden wir vermutlich anderer Meinung bleiben
ich spreche nicht von Spielerverpflichtungen. Bobic hatte eine gewisse Grundaggressivität, die ich weder bei Heldt, noch bei Schneider und erst recht bei Dutt sehe. FB war, was die öffentliche Darstellung angeht, häufig so ein Mini-Hoeneß oder Sammer, der sich nichts gefallen lässt und auch zurückschießt
das lässt sich selbstverständlich kaum belegen oder beweisen, v.a. da wir die internen Vorgänge kaum kennen, so war aber zumindest mein Eindruck
@Darmzotte
okay, hast mich überzeugt
@earls
danke erstmal
vllt. ein Missverständnis: Pech hat innerhalb dieser Saison eine wichtige Rolle gespielt, v.a. in dem viele Schlüsselspieler zu wichtigen Zeitpunkten ausfallen
der VfB ist aber nicht - zumindest wenn man nach Ursachen schaut - diese Saison abgestiegen, sondern fast schon zu Heldts Endzeit, da man gewisse Entwicklungen einfach verschlafen hat und dieses Versäumnis nicht aufgeholt werden konnte. Es war bereits mit Labbadia nur eine Frage der Zeit, da alle Vereine Fortschritte machten, nur der VfB auf der Stelle trat
eine dieser Entwicklungen ist, dass weniger die Spieler entscheiden, sondern die Mannschaft als geölte Maschine funktionieren muss. Ich sehe in deinem Kommentar keinen Widerspruch zu meiner These. Die Spieler hier sind besser, bringen das aus manigfaltigen Gründen aber nicht auf den Platz - und das ist eigentlich eine Schande
Die Abwehr ist nicht mal zweitligatauglich. Baumgartl, Sunjic, Barba, Tyton und wie sie alle heißen - GRAUENVOLL.
Absteigen hätte man nicht müssen, aber wenn man mehrere Jahre gegen den Abstieg spielt, kann nur ein Verblendeter von Europa reden.
Bin gespannt wie es weitergeht.
Diese von dir erwähnte Arroganz "Wir schaffen es eh immer" habe ich auch in der 5er Kette angesprochen, denn das war überdeutlich zu spüren
Dazu kommt noch das es innerhalb der Mannschaft richtige Stinkstiefel gibt, die die Stimmung versauen! Sowas ist für mich auch im Bereich Qualität eines Spielers einzuordnen! Fussball spielen können alle in der Bundesliga - vor allem wenn es mal läuft - die grössere individuelle Klasse zeichnet sich iwann vor allem durch nen starken Charakter aus....
Es tut mir echt leid für all die vielen Stuttgart-Fans, aber bei soviel Dummheit innerhalb der Mannschaft, muss diese Truppe einfach in die zweite Liga. Wenn es wen anderes getroffen hätte, dann wäre das vollkommen unverdient gewesen!