24.02.2012 um 09:54 Uhr
Geschrieben von funkbarrio
Die Emanzipation des Herrn Jo 1
Der südfranzösische Boden scheint seltsam fruchtbar für Fußballer mit dem gewissen Hauch des Genies und dem Schuss Wahnsinn des überbordendem Temperaments. Alain Giresse kommt aus Bordeaux, Djorkaeff aus Lyon, Cantona und Ginola von der Côte d’Azur. Beste Voraussetzungen also für eine Karriere als exzentrisch-genialer Spielmacher. Die Voraussetzungen sind also zunächst einmal ideal. Wäre da nicht ein weiterer Spieler aus dem Süden, in dessen Schatten sich Johan Micoud Zeit seines Lebens befinden sollte: Zinedine Zidane. Große Abschnitte ihrer Karrieren verliefen parallel. In Bremen war jedoch nur einer.
„Laaaa, laaaaaa, laaaaa, lalalalaaaa, lalalalaaaa, Micouuuud!" Am 23. April 2006 erschallt die Hommage der Bremer Fans zum vorerst letzten Mal im Weserstadion. Zur Melodie von „Hey Jude" der Beatles huldigen die nordischen Kehlen dem Mann, der den attraktiven Offensiv-Fußball nach Bremen brachte. Vier Jahre nehmen an diesem Tag ihr Ende. Vier Jahre in denen Klaus Allofs als französisch-sprechender Mentor einige Gespräche hat führen müssen. Mit Micoud, aber auch mit der Presse. Vier Jahre in denen aus einer anfänglichen Zweckgemeinschaft eine tiefe Verbundenheit zwischen Verein, Fans und Spieler wuchs. Johan Micoud verlässt den Norden Deutschlands für den Karriere-Auslauf und die Weinfelder rund um Bordeaux.
1987 singt sich die junge Vanessa Paradis mit „Joe, le taxi" in die weltweiten Charts. Der kleine Johan ist da wie sie gerade in der Pubertät und kann von einem Lied und „Jo, le Chef" nur träumen. In weiser Voraussicht haben ihm seine Eltern auch schon mit einem vorbelasteten Namen auf das Spielfeld „Leben" geschickt. Kein geringerer als der Lieblingsspieler des Vaters hält als Namenspatron her. Als Micoud 1973 das Licht der Welt erblickt, spielt sich ein gewisser Herr Cruyff in die Herzen aller Fußball-Ästheten. Da ist ein gewisser Karriere-Takt schon vorgegeben. Da ahnt der kleine Johan aber noch nicht, dass er seinen wahren „Fluch" erst in der Pubertät kennenlernen wird.
Immer einen Schritt zu spät
Wie eine Vielzahl hochbegabter französischer Spieler wie Patrick Vieira, Sébastien Frey und Gael Clichy kommt er in das Jugendzentrum seines Heimatvereins, dem AS Cannes. Hier trifft er zum ersten Mal auf Zinedine Zidane. Doch genauso schnell ist der wieder weg. Bereits mit 16 Jahren wird Zidane zum ersten Mal in einem Erstliga-Match eingewechselt. Als der ein Jahr jüngere Micoud mit 19 endlich den Sprung schafft, ist Zidane auch schon wieder weg und bereits nach Bordeaux gewechselt.
In Cannes macht Micoud derweil langsam aber sicher auf sich aufmerksam und übernimmt Zidanes Position. Gleiche Position, ähnliches Talent im Passspiel und der Fähigkeit das Spiel zu lesen. Der mittlerweile 1,85m große Spielmacher macht seine ersten Schritte. 1996, mit 23 Jahren, verlässt er die Heimatstadt und wechselt natürlich zu Bordeaux. Und natürlich ist Zidane da auch schon wieder weg. Nach dem verlorenen UEFA-Cup-Finale gegen Bayern München ist er aufgebrochen um sein Glück und Ziel „Weltstar werden" in Italien zu finden. Derweil steht Micoud vor einer schwierigen Aufgabe. Neben seinem Vorgänger verlassen insgesamt zehn(!) Spieler, darunter Schlüsselspieler wie Christophe Dugarry und Bixente LIzarazu, den Verein. Man steht vor dem kompletten Neuaufbau.
Den sieht Micoud scheinbar auch bei sich nötig und färbt sich seine nun kurzen Haare in einem fragwürdigen graublaumeliert. Der Schlumpfen-Clooney wird trotz pubertärer Haar-Experimente endlich erwachsen und führt seine Mannschaft in seiner oft lethargisch und teilnahmslos wirkenden Art zum Herzschlagfinale der Meisterschaft 1999. Sie entscheidet sich in der 89. Minute des letzten Spieltags, als der eingewechselte Feindouno zum 3:2 im Parc des Princes gegen Paris trifft. Micoud hat endlich seine eigene Duftmarke hinterlassen und Bordeaux liegt ihm zu Füßen.
Über Italien in den hohen Norden
Ein Jahr später entscheidet sich Micoud zum nächsten Karriereschritt. „Weltstar"? Warum nicht! Wo war Zidane noch hin gewechselt? Wie könnte es anders, heuert Micoud nach Bordeaux in der italienischen Serie A an. Der damals noch sehr erfolgreiche Klub AC Parma wird sein neuer Arbeitgeber. Und Zidane? Der spielt sogar noch in Italien, verlässt die „Alte Dame" allerdings ein Jahr später Richtung Real Madrid. Für Micoud verläuft die Zeit in Parma nicht wirklich rund. Zwar gewinnt er den italienischen Pokal, doch unter anderem fristet er, auch aufgrund von Differenzen mit Vereinsmitgliedern, ein dreimonatiges Dasein auf der Reservistenbank. Dann kommt die Finanzkrise der Serie A und sein Vertrag wird nach der Saison 2002 aufgelöst.
Und nebenbei läuft es auch in der Nationalmannschaft mäßig bis gar nicht. Denn dort spielt wieder Zidane auf seiner Position. Auch hier bleibt ihm nur die zweite Geige, ist er nur der Nachzügler. In Deutschland würde man 1b-Lösung sagen, wenn er denn wirklich Ansprüche geltend machen würde. So wird er zwar Europameister, doch spielt nur einmal im bedeutungslosen Vorrunden-Match gegen Holland, wo er ganz nebenbei zwei Tore vorbereitet. Bei der WM 2002 ist er wieder Zidanes Backup, doch Jacques Santini, Frankreichs Coach, berücksichtigt ihn trotz Zidane-Ausfall im schmachvollen Spiel gegen Senegal nicht. Während die ganze Grande Nation den Oberschenkel Zidanes in die Abendgebete einschließt, spielt Micoud zwar im zweiten Spiel gegen Uruguay. Er bleibt aber genauso wirkungslos wie der Rest der französischen Elf. Nach dem WM-Aus zeichnet sich ein Vereins-Wechsel ab. Konsequenterweise hätten sich spanische Vereine wie Barcelona oder Valencia melden müssen. Stattdessen liebäugelt er mit dem FC Liverpool, doch es kommt zu Verzögerungen. Man will ihn, man will ihn nicht.
Klaus Allofs, Werder Bremens Manager und seit seiner Zeit als Profi der französischen Sprache mächtig, wittert seine Chance. Seinem Verein geht es nicht gut. Schlechter Saisonstart, vor neun Jahren die letzte Meisterschaft gefeiert. Ein ständiges Auf und Ab, ein Abonnement auf einen Mittelfeldplatz, Missverständnisse namens Aad de Mos, Dixie Dörner und Wolfgang Sidka, die Abgänge des Spielmachers Andreas Herzog und anderer namhafter Spieler wie Marco Bode, Claudio Pizarro und Thorsten Frings. Ein Fußball der wie die Weser gemächlich vor sich hinplätschert. Baumeister Allofs hat so manche Baustelle, als Polier soll der Franzose beim Wiederaufbau helfen.
Hier zu Teil 2
„Laaaa, laaaaaa, laaaaa, lalalalaaaa, lalalalaaaa, Micouuuud!" Am 23. April 2006 erschallt die Hommage der Bremer Fans zum vorerst letzten Mal im Weserstadion. Zur Melodie von „Hey Jude" der Beatles huldigen die nordischen Kehlen dem Mann, der den attraktiven Offensiv-Fußball nach Bremen brachte. Vier Jahre nehmen an diesem Tag ihr Ende. Vier Jahre in denen Klaus Allofs als französisch-sprechender Mentor einige Gespräche hat führen müssen. Mit Micoud, aber auch mit der Presse. Vier Jahre in denen aus einer anfänglichen Zweckgemeinschaft eine tiefe Verbundenheit zwischen Verein, Fans und Spieler wuchs. Johan Micoud verlässt den Norden Deutschlands für den Karriere-Auslauf und die Weinfelder rund um Bordeaux.
1987 singt sich die junge Vanessa Paradis mit „Joe, le taxi" in die weltweiten Charts. Der kleine Johan ist da wie sie gerade in der Pubertät und kann von einem Lied und „Jo, le Chef" nur träumen. In weiser Voraussicht haben ihm seine Eltern auch schon mit einem vorbelasteten Namen auf das Spielfeld „Leben" geschickt. Kein geringerer als der Lieblingsspieler des Vaters hält als Namenspatron her. Als Micoud 1973 das Licht der Welt erblickt, spielt sich ein gewisser Herr Cruyff in die Herzen aller Fußball-Ästheten. Da ist ein gewisser Karriere-Takt schon vorgegeben. Da ahnt der kleine Johan aber noch nicht, dass er seinen wahren „Fluch" erst in der Pubertät kennenlernen wird.
Immer einen Schritt zu spät
Wie eine Vielzahl hochbegabter französischer Spieler wie Patrick Vieira, Sébastien Frey und Gael Clichy kommt er in das Jugendzentrum seines Heimatvereins, dem AS Cannes. Hier trifft er zum ersten Mal auf Zinedine Zidane. Doch genauso schnell ist der wieder weg. Bereits mit 16 Jahren wird Zidane zum ersten Mal in einem Erstliga-Match eingewechselt. Als der ein Jahr jüngere Micoud mit 19 endlich den Sprung schafft, ist Zidane auch schon wieder weg und bereits nach Bordeaux gewechselt.
In Cannes macht Micoud derweil langsam aber sicher auf sich aufmerksam und übernimmt Zidanes Position. Gleiche Position, ähnliches Talent im Passspiel und der Fähigkeit das Spiel zu lesen. Der mittlerweile 1,85m große Spielmacher macht seine ersten Schritte. 1996, mit 23 Jahren, verlässt er die Heimatstadt und wechselt natürlich zu Bordeaux. Und natürlich ist Zidane da auch schon wieder weg. Nach dem verlorenen UEFA-Cup-Finale gegen Bayern München ist er aufgebrochen um sein Glück und Ziel „Weltstar werden" in Italien zu finden. Derweil steht Micoud vor einer schwierigen Aufgabe. Neben seinem Vorgänger verlassen insgesamt zehn(!) Spieler, darunter Schlüsselspieler wie Christophe Dugarry und Bixente LIzarazu, den Verein. Man steht vor dem kompletten Neuaufbau.
Den sieht Micoud scheinbar auch bei sich nötig und färbt sich seine nun kurzen Haare in einem fragwürdigen graublaumeliert. Der Schlumpfen-Clooney wird trotz pubertärer Haar-Experimente endlich erwachsen und führt seine Mannschaft in seiner oft lethargisch und teilnahmslos wirkenden Art zum Herzschlagfinale der Meisterschaft 1999. Sie entscheidet sich in der 89. Minute des letzten Spieltags, als der eingewechselte Feindouno zum 3:2 im Parc des Princes gegen Paris trifft. Micoud hat endlich seine eigene Duftmarke hinterlassen und Bordeaux liegt ihm zu Füßen.
Über Italien in den hohen Norden
Ein Jahr später entscheidet sich Micoud zum nächsten Karriereschritt. „Weltstar"? Warum nicht! Wo war Zidane noch hin gewechselt? Wie könnte es anders, heuert Micoud nach Bordeaux in der italienischen Serie A an. Der damals noch sehr erfolgreiche Klub AC Parma wird sein neuer Arbeitgeber. Und Zidane? Der spielt sogar noch in Italien, verlässt die „Alte Dame" allerdings ein Jahr später Richtung Real Madrid. Für Micoud verläuft die Zeit in Parma nicht wirklich rund. Zwar gewinnt er den italienischen Pokal, doch unter anderem fristet er, auch aufgrund von Differenzen mit Vereinsmitgliedern, ein dreimonatiges Dasein auf der Reservistenbank. Dann kommt die Finanzkrise der Serie A und sein Vertrag wird nach der Saison 2002 aufgelöst.
Und nebenbei läuft es auch in der Nationalmannschaft mäßig bis gar nicht. Denn dort spielt wieder Zidane auf seiner Position. Auch hier bleibt ihm nur die zweite Geige, ist er nur der Nachzügler. In Deutschland würde man 1b-Lösung sagen, wenn er denn wirklich Ansprüche geltend machen würde. So wird er zwar Europameister, doch spielt nur einmal im bedeutungslosen Vorrunden-Match gegen Holland, wo er ganz nebenbei zwei Tore vorbereitet. Bei der WM 2002 ist er wieder Zidanes Backup, doch Jacques Santini, Frankreichs Coach, berücksichtigt ihn trotz Zidane-Ausfall im schmachvollen Spiel gegen Senegal nicht. Während die ganze Grande Nation den Oberschenkel Zidanes in die Abendgebete einschließt, spielt Micoud zwar im zweiten Spiel gegen Uruguay. Er bleibt aber genauso wirkungslos wie der Rest der französischen Elf. Nach dem WM-Aus zeichnet sich ein Vereins-Wechsel ab. Konsequenterweise hätten sich spanische Vereine wie Barcelona oder Valencia melden müssen. Stattdessen liebäugelt er mit dem FC Liverpool, doch es kommt zu Verzögerungen. Man will ihn, man will ihn nicht.
Klaus Allofs, Werder Bremens Manager und seit seiner Zeit als Profi der französischen Sprache mächtig, wittert seine Chance. Seinem Verein geht es nicht gut. Schlechter Saisonstart, vor neun Jahren die letzte Meisterschaft gefeiert. Ein ständiges Auf und Ab, ein Abonnement auf einen Mittelfeldplatz, Missverständnisse namens Aad de Mos, Dixie Dörner und Wolfgang Sidka, die Abgänge des Spielmachers Andreas Herzog und anderer namhafter Spieler wie Marco Bode, Claudio Pizarro und Thorsten Frings. Ein Fußball der wie die Weser gemächlich vor sich hinplätschert. Baumeister Allofs hat so manche Baustelle, als Polier soll der Franzose beim Wiederaufbau helfen.
Hier zu Teil 2
Aufrufe: 12756 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 7 | Erstellt:24.02.2012
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