24.02.2012 um 10:09 Uhr
Geschrieben von funkbarrio
Die Emanzipation des Herrn Jo 2
Laut Allofs vermutet dieser Bremen „kurz vor dem Nordpol" und holt Informationen bei seinen französischen Kollegen Lizarazu und Sagnol ein. Die schwärmen ihm vom Offensiv-Fußballs der Bundesliga vor. Dem defensiv oftmals unmotivierten Micoud gefällt was er hört, was Allofs erzählt und was er schlussendlich auf seinem Kontoauszug sieht. Laut SportBild beträgt sein Anfangsgehalt bei Werder Bremen 2,5 Mio Euro plus Prämien. Hinzu gesellt sich ein Handgeld im Millionenbereich. Im Nachhinein eine sehr weise Entscheidung.
Johan Micoud von fcgb47
Micouds Karriere
Endlich Legende
Die Bremer Fans erwartet eine Version des fleischgewordenen Franzosen-Klischees. Auf den ersten Blick eher verschlossen und unnahbar. Eher träge in der Arbeit nach hinten und mit den Medien. Eher dem „savoir jouer" auf dem Platz verschrieben. Ein Mann für die großen Momente, für die Offensive und zwar die schöne Version. Das ist ungewohnt und irritiert so manchen Bremer. Micoud ist einer, der ein Spiel 70 Minuten verschlafen kann und dann doch noch entscheidend lenkt. Ein Mann, der die Mitspieler auf eine neue Ebene bringt, sie stärker aussehen lässt und auch selbst den Abschluss sucht und findet. Er knüpft an seine alte Bordeaux-Zeit an und führt Bremen aus dem Mittelfeld in die Champions League. Gleich in seinem ersten Spiel trifft er zum ersten Mal. Der UEFA-Cup wird knapp verpasst. Zur Saison 2003/2004 verpflichtet Allofs gleich den nächsten Franzosen. Valérien Ismael entpuppt sich schnell als großer Rückhalt in der Innenverteidigung und in Bezug auf Micoud als großer Streber im Sprachkurs.
Das Bremer-Team wächst zusammen und die Werder-Raute ist nicht mehr nur ein Wappen. Wie in seiner französischen Meistersaison trägt Micoud mit zehn Treffern entscheidend zum ersten Titelgewinn nach 11 Jahren bei. Kurz darauf schreibt man durch den Sieg im DFB-Pokal Endspiel gegen Alemannia Aachen Vereins-Geschichte mit dem ersten Double. Noch schöner war nur sein Tor in der Verlängerung des DFB-Pokal-Spiels gegen Wolfsburg. Die Champions League ist endlich da und das ungewohnte Verhalten des Bremer Stars verunsichert die Medien. Kein Deutsch, Presse-Boykott, Journalisten-Ohrfeige, Abwinken bei Ballverlust und im nächsten Moment leitet er zwei Tore in der Champions League gegen Anderlecht ein, lacht, explodiert auf dem Platz, geht auf die Fans zu und spricht laut Kollegen in der Kabine auch akzeptables Deutsch. Mit Ailton als medialen vereinsinternen Konterpart fällt es den Medien sichtbar schwer einen öffentlichkeitsscheuen Fußballer zu verstehen. Dass ein Spielmacher oftmals sensibel und schüchtern ist und sich falsch verstanden fühlt. Dass sich einer auch mit Regeln gerne mal schwer tut und eigenwillig interpretiert. Würde er es machen, wäre er vermutlich auch nur ein ganz „normaler" Spieler. Er steht für die Freiheit, seine „Meinungsfreiheit". Dabei gibt er seine Meinung lieber auf dem Platz als vor den Mikrofonen der Reporter breit.
Dass seine Meinung auf dem Platz zählt muss auch Fabian Ernst zu seiner Bremer Zeit feststellen. Im Trainingslager macht Micoud deutlich klar, wer nun „Le Chef" im Mittelfeld ist. Nach Nickeligkeiten verpasst er Ernst eine Kopfnuss. Wären wir wieder bei einem gewissen Zidane... Doch wir schreiben Anfang 2005 und Micoud ist endlich fragwürdiger Erster. Hätte Zidane nicht fünf Jahre zuvor dem HSV-Spieler Jochen Kientz einen Kuss mit der Stirn verpasst. Wieder nichts. Fabian Ernsts Platzwunde muss mit mehreren Stichen genäht werden. Ein halbes Jahr später ist er weg.
Nach der Meisterschaft 2003/2004 erweist sich die Mannschaft als etablierte Kraft und wird Dritter respektive Zweiter in den Folgejahren. Auf internationaler Ebene glänzt Micoud derweil nur im Verein. Auf eine Chance in der Nationalelf wartet er vergeblich. Selbst zur „Heim"-WM 2006 nimmt ihn Domenech nicht mit. Ein Grund hierfür könnte Micouds Sternzeichen „Löwe" gewesen sein. Der eigenwillige Trainer achtet beim Kader auch auf auf die Konstellation der Sternzeichen. Löwen sind in seinen Augen immer für „eine Dummheit gut". Auch diese skurille Methode dürfte sich spätestens seit Südafrika als falsch herausgestellt haben. Micoud kommt so auf gerade einmal 17 Länderspieleinsätze und einen gemeinsamen Auftritt mit Zidane gegen die Türkei.
Nach dem Sommer verabschiedet sich Micoud trotz laufenden Vertrags bis 2007 Richtung Bordeaux. Mit insgesamt 31 Liga-Toren und 38 Vorlagen in 123 Spielen, aber vor allem dem Double und der neuen Bremer Eigenschaft „attraktives Offensivspiel" verabschiedet „Le Chef" sich standesgemäß. Der Karriereabschluss verläuft durchwachsen. Gleich in seiner ersten Saison holt er zwar den Liga-Pokal und bereitet das entscheidende Tor per Eckball vor, doch Bordeaux und Trainer Blanc haben mehr erwartet und sägen ihn langsam zugunsten Yoann Gourcuffs ab.
Pomerol und Rock'n'Roll
Statt in die USA oder in den arabischen Raum zu wechseln entspricht er einmal mehr einem französischen Klischee und beteiligt sich mit seinem Freund Mathieu Chalmé an einem Weingut. Außerdem gründet er das Label „Virage Rock" und bringt die Compilation „Pop’n Foot" mit namhaften Sängern zum Thema Fußball raus. Zum Release wird er viel und "gern" interviewt und arbeitet jetzt sogar als Experte für das französische Fernsehen. Dabei brilliert er mit exakten Analysen und großem Sachverstand. Zidane ist jetzt weit weg. Der Vergleich hat ihn immer „irritiert", sieht er doch ihre einzige Gemeinsamkeit in der gleichen Position. Ein zweiter Blick auf ihre Karrieren zeigt jedoch, dass sie viel mehr Gemeinsamkeiten haben als es bei einem ersten zunächst scheint. Der große Unterschied mag im ultimativen Ehrgeiz liegen. Sein ewiger Widersacher und Bewunderer Zidane hat 2006 auf Spiegel.de den Bayern Micouds Dienste empfohlen. Er sei ein ganz Großer, das einzige was ihm fehle, sei "einen Tritt in den Hintern, um sein phantastisches Potenzial zu nutzen. Hätte er das bislang immer getan, würde er längst bei Bayern spielen - oder bei einem noch größeren Club". So wurde Herr Micoud "nur" zu einer Legende an der Weser. Nächste Woche werden die nordischen Kehlen noch einmal ertönen und sein Lied anstimmen. Beim Länderspiel wird "Le Chef" die alte Wirkungsstätte beehren.
Johan Micoud von fcgb47
Micouds Karriere
Endlich Legende
Die Bremer Fans erwartet eine Version des fleischgewordenen Franzosen-Klischees. Auf den ersten Blick eher verschlossen und unnahbar. Eher träge in der Arbeit nach hinten und mit den Medien. Eher dem „savoir jouer" auf dem Platz verschrieben. Ein Mann für die großen Momente, für die Offensive und zwar die schöne Version. Das ist ungewohnt und irritiert so manchen Bremer. Micoud ist einer, der ein Spiel 70 Minuten verschlafen kann und dann doch noch entscheidend lenkt. Ein Mann, der die Mitspieler auf eine neue Ebene bringt, sie stärker aussehen lässt und auch selbst den Abschluss sucht und findet. Er knüpft an seine alte Bordeaux-Zeit an und führt Bremen aus dem Mittelfeld in die Champions League. Gleich in seinem ersten Spiel trifft er zum ersten Mal. Der UEFA-Cup wird knapp verpasst. Zur Saison 2003/2004 verpflichtet Allofs gleich den nächsten Franzosen. Valérien Ismael entpuppt sich schnell als großer Rückhalt in der Innenverteidigung und in Bezug auf Micoud als großer Streber im Sprachkurs.
Das Bremer-Team wächst zusammen und die Werder-Raute ist nicht mehr nur ein Wappen. Wie in seiner französischen Meistersaison trägt Micoud mit zehn Treffern entscheidend zum ersten Titelgewinn nach 11 Jahren bei. Kurz darauf schreibt man durch den Sieg im DFB-Pokal Endspiel gegen Alemannia Aachen Vereins-Geschichte mit dem ersten Double. Noch schöner war nur sein Tor in der Verlängerung des DFB-Pokal-Spiels gegen Wolfsburg. Die Champions League ist endlich da und das ungewohnte Verhalten des Bremer Stars verunsichert die Medien. Kein Deutsch, Presse-Boykott, Journalisten-Ohrfeige, Abwinken bei Ballverlust und im nächsten Moment leitet er zwei Tore in der Champions League gegen Anderlecht ein, lacht, explodiert auf dem Platz, geht auf die Fans zu und spricht laut Kollegen in der Kabine auch akzeptables Deutsch. Mit Ailton als medialen vereinsinternen Konterpart fällt es den Medien sichtbar schwer einen öffentlichkeitsscheuen Fußballer zu verstehen. Dass ein Spielmacher oftmals sensibel und schüchtern ist und sich falsch verstanden fühlt. Dass sich einer auch mit Regeln gerne mal schwer tut und eigenwillig interpretiert. Würde er es machen, wäre er vermutlich auch nur ein ganz „normaler" Spieler. Er steht für die Freiheit, seine „Meinungsfreiheit". Dabei gibt er seine Meinung lieber auf dem Platz als vor den Mikrofonen der Reporter breit.
Dass seine Meinung auf dem Platz zählt muss auch Fabian Ernst zu seiner Bremer Zeit feststellen. Im Trainingslager macht Micoud deutlich klar, wer nun „Le Chef" im Mittelfeld ist. Nach Nickeligkeiten verpasst er Ernst eine Kopfnuss. Wären wir wieder bei einem gewissen Zidane... Doch wir schreiben Anfang 2005 und Micoud ist endlich fragwürdiger Erster. Hätte Zidane nicht fünf Jahre zuvor dem HSV-Spieler Jochen Kientz einen Kuss mit der Stirn verpasst. Wieder nichts. Fabian Ernsts Platzwunde muss mit mehreren Stichen genäht werden. Ein halbes Jahr später ist er weg.
Nach der Meisterschaft 2003/2004 erweist sich die Mannschaft als etablierte Kraft und wird Dritter respektive Zweiter in den Folgejahren. Auf internationaler Ebene glänzt Micoud derweil nur im Verein. Auf eine Chance in der Nationalelf wartet er vergeblich. Selbst zur „Heim"-WM 2006 nimmt ihn Domenech nicht mit. Ein Grund hierfür könnte Micouds Sternzeichen „Löwe" gewesen sein. Der eigenwillige Trainer achtet beim Kader auch auf auf die Konstellation der Sternzeichen. Löwen sind in seinen Augen immer für „eine Dummheit gut". Auch diese skurille Methode dürfte sich spätestens seit Südafrika als falsch herausgestellt haben. Micoud kommt so auf gerade einmal 17 Länderspieleinsätze und einen gemeinsamen Auftritt mit Zidane gegen die Türkei.
Nach dem Sommer verabschiedet sich Micoud trotz laufenden Vertrags bis 2007 Richtung Bordeaux. Mit insgesamt 31 Liga-Toren und 38 Vorlagen in 123 Spielen, aber vor allem dem Double und der neuen Bremer Eigenschaft „attraktives Offensivspiel" verabschiedet „Le Chef" sich standesgemäß. Der Karriereabschluss verläuft durchwachsen. Gleich in seiner ersten Saison holt er zwar den Liga-Pokal und bereitet das entscheidende Tor per Eckball vor, doch Bordeaux und Trainer Blanc haben mehr erwartet und sägen ihn langsam zugunsten Yoann Gourcuffs ab.
Pomerol und Rock'n'Roll
Statt in die USA oder in den arabischen Raum zu wechseln entspricht er einmal mehr einem französischen Klischee und beteiligt sich mit seinem Freund Mathieu Chalmé an einem Weingut. Außerdem gründet er das Label „Virage Rock" und bringt die Compilation „Pop’n Foot" mit namhaften Sängern zum Thema Fußball raus. Zum Release wird er viel und "gern" interviewt und arbeitet jetzt sogar als Experte für das französische Fernsehen. Dabei brilliert er mit exakten Analysen und großem Sachverstand. Zidane ist jetzt weit weg. Der Vergleich hat ihn immer „irritiert", sieht er doch ihre einzige Gemeinsamkeit in der gleichen Position. Ein zweiter Blick auf ihre Karrieren zeigt jedoch, dass sie viel mehr Gemeinsamkeiten haben als es bei einem ersten zunächst scheint. Der große Unterschied mag im ultimativen Ehrgeiz liegen. Sein ewiger Widersacher und Bewunderer Zidane hat 2006 auf Spiegel.de den Bayern Micouds Dienste empfohlen. Er sei ein ganz Großer, das einzige was ihm fehle, sei "einen Tritt in den Hintern, um sein phantastisches Potenzial zu nutzen. Hätte er das bislang immer getan, würde er längst bei Bayern spielen - oder bei einem noch größeren Club". So wurde Herr Micoud "nur" zu einer Legende an der Weser. Nächste Woche werden die nordischen Kehlen noch einmal ertönen und sein Lied anstimmen. Beim Länderspiel wird "Le Chef" die alte Wirkungsstätte beehren.
Aufrufe: 7899 | Kommentare: 23 | Bewertungen: 35 | Erstellt:24.02.2012
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