15.08.2011 um 10:55 Uhr
Geschrieben von donluka
Die Schönheit der Idee
Trampelpfade haben etwas Beruhigendes. Man weiß zum einen, worauf man sich einlässt, wenn man auf der großen, unübersichtlichen Wiese den Weg einschlägt, den bereits andere wählten und zum anderen kann man ja auch besser entspannen, weil man den Denkapparat ausschalten kann. Autopilot rules. Man muss sich nicht großartig orientieren, sondern kann sich einfach treiben lassen. Ähnlich wie auf Schienen einer Bahn, die – so lange keine Weggabelungen auftreten – einfach nur geradeaus zu fahren braucht.
Aber manchmal, da kann man sich eben nicht abgucken, wo man langlaufen muss. Manchmal, da ist das Gras hochgewachsen und man muss sich auf sich selbst verlassen. Auf seinen Instinkt, auf seine Erfahrungen und vielleicht auch auf ein wenig Glück. Man muss sich "durchschlagen" und dabei auf den durchschlagenden Erfolg hoffen. Man ist ein wenig ein Pionier und sollte man tatsächlich das Ziel erreichen, kann man schon ein wenig stolz sein. Wenn es nicht kühne Menschen gegeben hätte, die die noch nicht betrampelten Wege eingeschlagen wären, wie hätten wir dann die Welt entdecken sollen? Dann würden wir alle immer noch in unseren Verschlägen hocken und uns für das Zentrum der Erde halten.
Um die Überleitung zum Fußball zu schaffen: Nein, der Kölner hält sich nicht für den Nabel der Welt. Nicht der Kölner an sich (auch wenn die Vielzahl an kölschem Gesang etwas anderes vermuten ließe) und auch nicht der Effzeh-Fan, obwohl wir angeblich ja alle nur darauf warten, die Champions League zu stürmen.
Das oben beschriebene Phänomen des Neuen beinhaltet neben all den Chancen, die neue Wege bieten, auch große Risiken. Risiken, die dazu führen, dass der Mensch dazu neigt, eine kaum zu unterdrückende Angst zu entwickeln. Der amerikanische Schriftsteller Howard Philips Lovecraft sagte dazu einmal: "Die älteste und stärkste Form der Angst ist die Angst vor dem Unbekannten." Oder, noch einmal in den Worten der verbreiteteren Phrase: "Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht". Nicht umsonst brüllten vor nicht mal allzu langer Zeit die Kinder auf den Schulhöfen "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" und auch wenn sich dahinter (hoffentlich) keine rassistisch begründeten Ängste verbargen, so sehr drückt dieses Fang-Spiel etwas aus, was tief in uns sitzt: Die Angst vor Dingen, die wir nicht kennen, die wir nicht einschätzen können. Das Ungewisse, das nicht Vorherzusagende macht uns nervös.
Und, um dadurch wieder den Bogen zum Fußball zu spannen: Auch hier können neue Wege, neue Systeme Ängste auslösen. Sowohl bei den Spielern, als auch vor allem bei der zuguckenden Meute. Stellvertretend für das Missverständnis Bayern vs. Klinsmann seien hier die abgelutschten Buddha-Figuren genannt. Sie waren Symbol einer Anspannung, die dadurch ausgelöst wurde, dass man nicht genau wusste, wen oder was man sich mit der Trainerverpflichtung ins Haus geholt hatte. Revolutionär oder Zerstörer. Dass man Angst vor allzu großen Veränderungen hatte. Veränderungen, die die Seele eines Vereins betreffen können.
In Köln ist es so, dass unser Sportdirektor Finke mit dem Ziel angetreten ist, den Club zu professionalisieren. Und in seinen (und auch meinen) Augen gehört zu dem Prozess der Professionalisierung eine gewisse Ent-Emotionalisierung. Das darf man sicherlich nicht übertreiben, aber eine gezielte und gezügelte Rationalität und Sachlichkeit können jedem Verein der Welt gut tun. Und im Laufe dieser umfassenden Maßnahmen wurde mit Solbakken ein Trainer verpflichtet, der für vieles steht, nur eben nicht für Geklüngel oder Bauchentscheidungen. Vielmehr verkörpert Solbakken den Typus des kopfgesteuerten und mitunter auch etwas kühlen Trainers. Das sorgt natürlich für einen Kulturschock, in einem Umfeld, das von Brauchtümern und emotionalen Verästelungen geprägt ist. Und wenn dann dieser neue Trainer, der vielen auf den ersten Blick nicht ganz geheuer ist und der sich offenbar nicht viel aus dem Gemetzel des Sportboulevards macht, dann auch noch mit einem neuen System auftritt, dann wirkt das alles auf den ersten Blick sehr anders und führt bei dem Außenstehenden zu Angst. Zu Angst vor dem Unbekannten, vor dem Neuen, vor dem nicht Vorherzusagenden. Ich muss gestehen, dass ich mich auch mit Neuerungen und Veränderungen schwer tue. Ich bin da eher ein Gewohnheitstier und freue mich, wenn die Dinge ihren Lauf nehmen. Wenn es nach mir ginge, würde der Bodo immer noch im Tor des Effzeh stehen. Insofern kann ich mich derzeit auch nicht, vor allem nach dem missglückten Start, von einer gewissen Anspannung frei sprechen.
Allerdings sind die Diskussionen, die momentan stattfinden, für mich dann doch ein wenig absurd. Wenn das große Ganze nach zwei Spieltagen in Frage gestellt wird, frage ich mich, wie die Bundesliga als Altherrenclub überhaupt neue Impulse von außen aufnehmen will, wenn man nicht einmal die Zeit bekommt, diese zumindest zu setzen. Sicherlich kann man festhalten, dass die Spielweise unseres Effzeh – vor allem in den beiden zweiten Halbzeiten – wenig Grund zur Euphorie liefert. Aber ist es für eine Generalabrechnung nicht zu früh?
Ein gewisser Kaiser (Ihr wisst schon, der, dem alles gelingt) war es übrigens, der seinerzeit, als er als Teamchef die Geschicke der Nationalmannschaft übernahm, mit einem sang- und klanglosen 1:3 gegen Argentinien seine Laufbahn als höchster Übungsleiter begann – wie die Geschichte ausging, ist bekannt. Gut, Weltmeister können wir jetzt nicht mehr werden, dafür ist unsere Bilanz schon zu schlecht. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir mit Solbakken einen Trainer verpflichtet haben, der weiß, was er tut. Leider verstehen ihn die Spieler noch nicht richtig, was man an der Orientierungslosigkeit, die sich teilweise auf dem Platz abspielt, erkennen kann. Sie haben offenbar momentan auch Angst. Aber: Lasst ihn doch bitte machen. Lasst Neues zu und Euch davon überraschen.
Auch wenn es unheimlich ist, auch wenn die Baslers der Welt schon die Klingen wetzen, auch alle schreien: "WIE? WIESO LÄSST DER DENN NICHT WIE ALLE ANDEREN TRAINIEREN? SKANDAL!!!", dann erinnert Euch daran, dass alles, was einmal toll wurde, an einem Punkt beginnen musste. Und Dinge, die beginnen, können in die Hose gehen. Wege, die noch nicht gegangen sind, können voller Dornen oder meinetwegen Treibsand sein. Doch wenn man die Angst vor dem Neuen etwas drosselt: Wer weiß, vielleicht erkennt man dann die Schönheit der neuen, bisher unbekannten Idee.
ComeOn Effzeh!!!!
Aber manchmal, da kann man sich eben nicht abgucken, wo man langlaufen muss. Manchmal, da ist das Gras hochgewachsen und man muss sich auf sich selbst verlassen. Auf seinen Instinkt, auf seine Erfahrungen und vielleicht auch auf ein wenig Glück. Man muss sich "durchschlagen" und dabei auf den durchschlagenden Erfolg hoffen. Man ist ein wenig ein Pionier und sollte man tatsächlich das Ziel erreichen, kann man schon ein wenig stolz sein. Wenn es nicht kühne Menschen gegeben hätte, die die noch nicht betrampelten Wege eingeschlagen wären, wie hätten wir dann die Welt entdecken sollen? Dann würden wir alle immer noch in unseren Verschlägen hocken und uns für das Zentrum der Erde halten.
Um die Überleitung zum Fußball zu schaffen: Nein, der Kölner hält sich nicht für den Nabel der Welt. Nicht der Kölner an sich (auch wenn die Vielzahl an kölschem Gesang etwas anderes vermuten ließe) und auch nicht der Effzeh-Fan, obwohl wir angeblich ja alle nur darauf warten, die Champions League zu stürmen.
Das oben beschriebene Phänomen des Neuen beinhaltet neben all den Chancen, die neue Wege bieten, auch große Risiken. Risiken, die dazu führen, dass der Mensch dazu neigt, eine kaum zu unterdrückende Angst zu entwickeln. Der amerikanische Schriftsteller Howard Philips Lovecraft sagte dazu einmal: "Die älteste und stärkste Form der Angst ist die Angst vor dem Unbekannten." Oder, noch einmal in den Worten der verbreiteteren Phrase: "Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht". Nicht umsonst brüllten vor nicht mal allzu langer Zeit die Kinder auf den Schulhöfen "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" und auch wenn sich dahinter (hoffentlich) keine rassistisch begründeten Ängste verbargen, so sehr drückt dieses Fang-Spiel etwas aus, was tief in uns sitzt: Die Angst vor Dingen, die wir nicht kennen, die wir nicht einschätzen können. Das Ungewisse, das nicht Vorherzusagende macht uns nervös.
Und, um dadurch wieder den Bogen zum Fußball zu spannen: Auch hier können neue Wege, neue Systeme Ängste auslösen. Sowohl bei den Spielern, als auch vor allem bei der zuguckenden Meute. Stellvertretend für das Missverständnis Bayern vs. Klinsmann seien hier die abgelutschten Buddha-Figuren genannt. Sie waren Symbol einer Anspannung, die dadurch ausgelöst wurde, dass man nicht genau wusste, wen oder was man sich mit der Trainerverpflichtung ins Haus geholt hatte. Revolutionär oder Zerstörer. Dass man Angst vor allzu großen Veränderungen hatte. Veränderungen, die die Seele eines Vereins betreffen können.
In Köln ist es so, dass unser Sportdirektor Finke mit dem Ziel angetreten ist, den Club zu professionalisieren. Und in seinen (und auch meinen) Augen gehört zu dem Prozess der Professionalisierung eine gewisse Ent-Emotionalisierung. Das darf man sicherlich nicht übertreiben, aber eine gezielte und gezügelte Rationalität und Sachlichkeit können jedem Verein der Welt gut tun. Und im Laufe dieser umfassenden Maßnahmen wurde mit Solbakken ein Trainer verpflichtet, der für vieles steht, nur eben nicht für Geklüngel oder Bauchentscheidungen. Vielmehr verkörpert Solbakken den Typus des kopfgesteuerten und mitunter auch etwas kühlen Trainers. Das sorgt natürlich für einen Kulturschock, in einem Umfeld, das von Brauchtümern und emotionalen Verästelungen geprägt ist. Und wenn dann dieser neue Trainer, der vielen auf den ersten Blick nicht ganz geheuer ist und der sich offenbar nicht viel aus dem Gemetzel des Sportboulevards macht, dann auch noch mit einem neuen System auftritt, dann wirkt das alles auf den ersten Blick sehr anders und führt bei dem Außenstehenden zu Angst. Zu Angst vor dem Unbekannten, vor dem Neuen, vor dem nicht Vorherzusagenden. Ich muss gestehen, dass ich mich auch mit Neuerungen und Veränderungen schwer tue. Ich bin da eher ein Gewohnheitstier und freue mich, wenn die Dinge ihren Lauf nehmen. Wenn es nach mir ginge, würde der Bodo immer noch im Tor des Effzeh stehen. Insofern kann ich mich derzeit auch nicht, vor allem nach dem missglückten Start, von einer gewissen Anspannung frei sprechen.
Allerdings sind die Diskussionen, die momentan stattfinden, für mich dann doch ein wenig absurd. Wenn das große Ganze nach zwei Spieltagen in Frage gestellt wird, frage ich mich, wie die Bundesliga als Altherrenclub überhaupt neue Impulse von außen aufnehmen will, wenn man nicht einmal die Zeit bekommt, diese zumindest zu setzen. Sicherlich kann man festhalten, dass die Spielweise unseres Effzeh – vor allem in den beiden zweiten Halbzeiten – wenig Grund zur Euphorie liefert. Aber ist es für eine Generalabrechnung nicht zu früh?
Ein gewisser Kaiser (Ihr wisst schon, der, dem alles gelingt) war es übrigens, der seinerzeit, als er als Teamchef die Geschicke der Nationalmannschaft übernahm, mit einem sang- und klanglosen 1:3 gegen Argentinien seine Laufbahn als höchster Übungsleiter begann – wie die Geschichte ausging, ist bekannt. Gut, Weltmeister können wir jetzt nicht mehr werden, dafür ist unsere Bilanz schon zu schlecht. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir mit Solbakken einen Trainer verpflichtet haben, der weiß, was er tut. Leider verstehen ihn die Spieler noch nicht richtig, was man an der Orientierungslosigkeit, die sich teilweise auf dem Platz abspielt, erkennen kann. Sie haben offenbar momentan auch Angst. Aber: Lasst ihn doch bitte machen. Lasst Neues zu und Euch davon überraschen.
Auch wenn es unheimlich ist, auch wenn die Baslers der Welt schon die Klingen wetzen, auch alle schreien: "WIE? WIESO LÄSST DER DENN NICHT WIE ALLE ANDEREN TRAINIEREN? SKANDAL!!!", dann erinnert Euch daran, dass alles, was einmal toll wurde, an einem Punkt beginnen musste. Und Dinge, die beginnen, können in die Hose gehen. Wege, die noch nicht gegangen sind, können voller Dornen oder meinetwegen Treibsand sein. Doch wenn man die Angst vor dem Neuen etwas drosselt: Wer weiß, vielleicht erkennt man dann die Schönheit der neuen, bisher unbekannten Idee.
ComeOn Effzeh!!!!
Aufrufe: 4193 | Kommentare: 26 | Bewertungen: 30 | Erstellt:15.08.2011
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KOMMENTARE
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15.08.2011 | 16:18 Uhr
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Trotzdem ich nach den letzten beiden Spielen zunächst nicht nur Angst sondern auch Panik verspüre, so komme ich kurz darauf auch wieder auf deine "Trampelpfad-Theorie" zurück. "Lasst uns ersteinmal den eingeschlagenen Weg weiter beschreiten. Evt. führt er uns doch an die Lichtung mit dem Paradies vor Augen."
Und sollte nach 10 Spielen nichts zum Vorschein kommen, ja dann, dann können wir unseren Scout evt. mal fragen, ob wir nicht wieder auf bereits ausgeschilderte Wege zurückkehren wollen.
Aber bis dahin gehe ich mit dem Norweger mit. Und ihr/wir zusammen auch!
Und ich hoffe, die Kicker Schlagzeile "Systemabsturz" kommt in den Saisonrückblick als die "Fehleinschätzung der Saison"
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15.08.2011 | 16:18 Uhr
0
JojoKp :
Wow! Super Text mit viel Wahrheit!
Hoffen wir mal, dass es nächste Woche gegen den FCK 3 Punkte gibt, damit die Angst vorm schwarzen Mann etwas nachlässt...
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15.08.2011 | 15:36 Uhr
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Ein spanischer Dichter namens Calderón hat mal geschrieben;
Caminante, no hay camino, se hace el camino al andar! Das heißt ungefähr so viel wie: Wanderer, es gibt keinen Weg, der Weg entsteht erst beim Gehen.
Hoffen wir, dass der FC einen guten neuen Weg begeht, auch wenn er erst mal sehr uneben wirkt, damit wir dann endlich bald die Champions-League...
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15.08.2011 | 15:24 Uhr
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Zyrock :
Don, wie immer schaffst du es, die Probleme einfach und klar auf den Punkt zu bringen, an den vielleicht noch nicht alle gedacht haben. Und das, ohne dabei zu sehr zu simplifizieren (warum ist gerade dieses Wort eigentlich so schwierig?). Bravo!
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15.08.2011 | 14:23 Uhr
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taneu :
@Clonelow: deine Bitte wurde erhört.@don: Fantastisch.
Mehr gibt es nciht zu sagen. Doch: COMEONEFFZEH:
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15.08.2011 | 13:52 Uhr
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Rheodred :
Ganz starkes Ding!
Man sollte es zu Einen den üblichen Verdächtigen übermitteln, zum Anderen auf die EffZeh HP tackern.
Klasse!
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15.08.2011 | 12:44 Uhr
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donluka :
Zunächst einmal: Danke für die netten Rückmeldungen!
Zudem: Ich meinte auch eher, wie er rüberkommen mag. Ich kann mir auch vorstellen, dass er im persönlichen Umgang nahbar ist, aber mir ging es in dem Punkt um das Kontrastprogramm, das zumindest durch sein Auftreten nach außen entsteht.
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15.08.2011 | 12:42 Uhr
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Mobody :
Super geschreiben! Lässt sich prima runterlesen und bringts gut auf den Punkt!Das meiste würde ich so unterschreiben, auch dass es gut ist, dass ein Finke mit seiner Rationalität eine professionalisierung voranbringt. Allerdings ist Solbakken für mich kein unemotionaler Mensch, wie er von manchen dargestellt wird. Teilweise wirkt er zwar kühl und gelassen, aber mir scheint er besitzt trotzdem eine hohe emotionale Intelligenz im Umgang mit den Spielern. Z. B. hat er sich vor und nach der Kapitänsebntscheidung viel Zeit genommen mit Poldi zu reden und es gibt viele Bilder aus den Trainings, wo er mit den Spielern scherzt und sie auch mal in den Arm nimmt zur Aufmunterung. Das sind ja auch Emotionen, die er da zeigt, oder nicht?
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Naja, was soll ich noch sagen? Du hast ja schon alles gesagt...