02.07.2010 um 12:45 Uhr
Geschrieben von AndreasRenner
Doof oder nicht doof?
Ja, ja, ich weiß, Diego Maradona hat nicht alle Tassen im Schrank. Der Typ spinnt, hat ein Rad ab und so weiter. Die Schlussfolgerung daraus scheint für viele zu sein: Der ist dumm und als Fußballtrainer überfordert. Nun, zu seinem bizarren Verhalten seien zwei Dinge angemerkt. Zum einen: Der Mann war drogensüchtig. Und Drogen machen seltsame Dinge mit Menschen, auch mit solchen, die eigentlich intelligent sind. Ich kenne zum Beispiel jemand, der einst im Vollsuff versuchte, mit Hilfe eines Streichholzes herauszufinden, wie viel Benzin er noch im Tank hatte. Er hat es überlebt und trotzdem das Abitur bestanden.
Zweitens: Diego Maradona ist in einer Umgebung aufgewachsen, die für einen Menschen extrem ungesund ist. Von frühester Kindheit an haben ihm alle zu Füssen gelegen, weil er so ein toller Fußballspieler war. Und dann hatte er seine Clique voller Ja-Sager und Speichellecker, die ihm täglich erzählten, wie toll er sei. Gerade für einen Menschen um die zwanzig ist so etwas extrem ungesund, weil es verhindert, dass sich eine realistische Selbsteinschätzung entwickelt.
Nun denn, Maradona hat in seinem Leben alle Tiefen ausgeschöpft, und zwar vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Nichts, was er noch sagen oder tun kann, würde seine öffentliche Wahrnehmung noch weiter ruinieren. Hier trifft das alte Motto voll zu: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert."
Deswegen muss der Mann aber nicht dumm sein. Vielleicht ist er es trotzdem, ich kann es nicht beurteilen. Tatsache ist aber, dass wir ihm einen Gefallen tun, wenn wir seine Mannschaft unterschätzen, weil wir denken, der Typ sei ein Idiot. Gestern hat etwa Lothar Matthäus in einem Interview bei den Kollegen vom "Kicker" verkündet, Argentinien habe ja gar kein richtiges System. Das ist genau die Sorte von Einschätzung, die dem Gegner in die Karten spielt. Natürlich haben die ein System und wenn es vielleicht auch nicht auf Maradonas Mist gewachsen sein mag, sondern auf dem seiner Berater, dann macht das für Deutschlands Fußballer null Unterschied. Jedenfalls hat der Mann Berater und offenbar hört er auch auf sie. Daraus schließe ich: Soooo doof kann er nicht sein, wenn er noch merkt, dass er Hilfe braucht.
Nun denn, die systemlosen und abwehrschwachen Argentinier haben uns ja schon beim Länderspiel im März gezeigt, was eine Harke ist. Chancenverhältnis 1:4 aus deutscher Sicht. Mit anderen Worten: Die hoch gelobte deutsche Offensive (mit Özil, Müller, Klose und Podolski) erspielte sich gegen die wacklige Gaucho-Verteidigung genau eine (!) Torchance. Nee, die wissen offensichtlich nicht, was sie tun und sind total unorganisiert. Im bisherigen Turnierverlauf stehen 13 Torchancen für die argentinischen Gegner zu Buche. Das sind im Schnitt knapp über drei pro Spiel.
Jedenfalls hat Argentinien defensiv eine klare Ausrichtung: Mit Heinze, Burdisso/Samuel, Demichelis und Otamendi stellt Maradona im Normalfall vier Spieler vom Typ Innenverteidiger in seine Viererkette. Offensiv sollen sich diese vier wenig bis gar nicht einschalten. Klingt in der Ära des offensiven Außenverteidigers vielleicht seltsam, aber wenn man sich Argentiniens Offensivpotential anschaut, dann brauchen die auch keine offensiven Verteidiger. Dafür steht vor der Abwehr mit Mascherano oft nur ein Sechser. Interessant wird sein, ob Maradona gegen Deutschland auch noch Veron in die Zentrale stellt und so eine Überzahl der Deutschen verhindert. Wenn nicht, dann hätte es Mascherano mit Özil und Khedira (als offensiverem der beiden deutschen Sechser) zu tun und das ist viel verlangt.
Insgesamt spielt Argentinien meist eine etwas schräge Raute im Mittelfeld, mit Messi als Zehner und zuletzt Maxi Rodriguez und Di Maria auf den Halbpositionen. Im ersten Spiel gegen Nigeria klebte Di Maria links vorne an der Außenlinie und machte so aus dem System offensiv ein 4-3-3. Weil er damit aber kaum noch am Spiel teilnahm, haben die argentinischen Coaches diese Variante im weiteren Turnierverlauf vernachlässigt.
Der Sturm ist unkonventionell: Higuain in der Zentrale ist klar, aber Tevez spielt entweder klar links oder klar rechts, wodurch das System schräg wird, weil eine Seite nominell unbesetzt bleibt und von Higuain mitbearbeitet werden muss. Argentinien überlädt also eine Offensivseite und welche das gegen Deutschland sein wird ist eine sehr interessante Frage: Attackieren die Argentinier links und zwingen damit Lahm, die Offensive zu vernachlässigen? Oder schießen sie sich auf Boateng (oder wer auch immer links verteidigt) ein, weil sie in ihm eine Schwachstelle vermuten? In beiden Fällen würde es Sinn ergeben, wenn der dynamische Gutierrez ins Team käme, zum Beispiel für Maxi Rodriguez, und Tevez auf seiner Seite offensiv unterstützen würde.
Tja, und dann ist da noch Messi. Der davon profitiert, dass vor ihm zwei Stürmer spielen, die von der deutschen Innenverteidigung irgendwie bearbeitet werden müssen. Damit wird der Großteil der Aufgabe "Messi" den deutschen Sechsern und damit vor allem Schweinsteiger zufallen. Was dessen Offensivpotential entscheidend beschneiden könnte.
Bleibt natürlich noch die Frage, wie vorsichtig beide Teams die Sache angehen werden. Legt man das Spiel vom März in München zugrunde, dann lautet die Antwort: Sehr! Wie mutig lässt Löw seine Außenverteidiger attackieren? Mit Lahm vorne und einer eventuellen Überzahl in der Zentrale sollte es Deutschland gelingen, die Spielkontrolle an sich zu reißen. Aber dann aufgepasst auf die Konter! Denn so toll wir bis jetzt die Gegenstöße gefahren haben, das können die Argentinier auch. Wenn beide das Risiko scheuen (und dafür gibt es gute Gründe), dann wird das Ganze vermutlich nicht viel unterhaltsamer als die Partie im März. Ich hoffe nur, dass sie nicht so viel Respekt vor einander haben, dass sie schon vom Anpfiff weg auf ein Elfmeterschießen spekulieren.
Bis bald,
Andreas
Zweitens: Diego Maradona ist in einer Umgebung aufgewachsen, die für einen Menschen extrem ungesund ist. Von frühester Kindheit an haben ihm alle zu Füssen gelegen, weil er so ein toller Fußballspieler war. Und dann hatte er seine Clique voller Ja-Sager und Speichellecker, die ihm täglich erzählten, wie toll er sei. Gerade für einen Menschen um die zwanzig ist so etwas extrem ungesund, weil es verhindert, dass sich eine realistische Selbsteinschätzung entwickelt.
Nun denn, Maradona hat in seinem Leben alle Tiefen ausgeschöpft, und zwar vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Nichts, was er noch sagen oder tun kann, würde seine öffentliche Wahrnehmung noch weiter ruinieren. Hier trifft das alte Motto voll zu: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert."
Deswegen muss der Mann aber nicht dumm sein. Vielleicht ist er es trotzdem, ich kann es nicht beurteilen. Tatsache ist aber, dass wir ihm einen Gefallen tun, wenn wir seine Mannschaft unterschätzen, weil wir denken, der Typ sei ein Idiot. Gestern hat etwa Lothar Matthäus in einem Interview bei den Kollegen vom "Kicker" verkündet, Argentinien habe ja gar kein richtiges System. Das ist genau die Sorte von Einschätzung, die dem Gegner in die Karten spielt. Natürlich haben die ein System und wenn es vielleicht auch nicht auf Maradonas Mist gewachsen sein mag, sondern auf dem seiner Berater, dann macht das für Deutschlands Fußballer null Unterschied. Jedenfalls hat der Mann Berater und offenbar hört er auch auf sie. Daraus schließe ich: Soooo doof kann er nicht sein, wenn er noch merkt, dass er Hilfe braucht.
Nun denn, die systemlosen und abwehrschwachen Argentinier haben uns ja schon beim Länderspiel im März gezeigt, was eine Harke ist. Chancenverhältnis 1:4 aus deutscher Sicht. Mit anderen Worten: Die hoch gelobte deutsche Offensive (mit Özil, Müller, Klose und Podolski) erspielte sich gegen die wacklige Gaucho-Verteidigung genau eine (!) Torchance. Nee, die wissen offensichtlich nicht, was sie tun und sind total unorganisiert. Im bisherigen Turnierverlauf stehen 13 Torchancen für die argentinischen Gegner zu Buche. Das sind im Schnitt knapp über drei pro Spiel.
Jedenfalls hat Argentinien defensiv eine klare Ausrichtung: Mit Heinze, Burdisso/Samuel, Demichelis und Otamendi stellt Maradona im Normalfall vier Spieler vom Typ Innenverteidiger in seine Viererkette. Offensiv sollen sich diese vier wenig bis gar nicht einschalten. Klingt in der Ära des offensiven Außenverteidigers vielleicht seltsam, aber wenn man sich Argentiniens Offensivpotential anschaut, dann brauchen die auch keine offensiven Verteidiger. Dafür steht vor der Abwehr mit Mascherano oft nur ein Sechser. Interessant wird sein, ob Maradona gegen Deutschland auch noch Veron in die Zentrale stellt und so eine Überzahl der Deutschen verhindert. Wenn nicht, dann hätte es Mascherano mit Özil und Khedira (als offensiverem der beiden deutschen Sechser) zu tun und das ist viel verlangt.
Insgesamt spielt Argentinien meist eine etwas schräge Raute im Mittelfeld, mit Messi als Zehner und zuletzt Maxi Rodriguez und Di Maria auf den Halbpositionen. Im ersten Spiel gegen Nigeria klebte Di Maria links vorne an der Außenlinie und machte so aus dem System offensiv ein 4-3-3. Weil er damit aber kaum noch am Spiel teilnahm, haben die argentinischen Coaches diese Variante im weiteren Turnierverlauf vernachlässigt.
Der Sturm ist unkonventionell: Higuain in der Zentrale ist klar, aber Tevez spielt entweder klar links oder klar rechts, wodurch das System schräg wird, weil eine Seite nominell unbesetzt bleibt und von Higuain mitbearbeitet werden muss. Argentinien überlädt also eine Offensivseite und welche das gegen Deutschland sein wird ist eine sehr interessante Frage: Attackieren die Argentinier links und zwingen damit Lahm, die Offensive zu vernachlässigen? Oder schießen sie sich auf Boateng (oder wer auch immer links verteidigt) ein, weil sie in ihm eine Schwachstelle vermuten? In beiden Fällen würde es Sinn ergeben, wenn der dynamische Gutierrez ins Team käme, zum Beispiel für Maxi Rodriguez, und Tevez auf seiner Seite offensiv unterstützen würde.
Tja, und dann ist da noch Messi. Der davon profitiert, dass vor ihm zwei Stürmer spielen, die von der deutschen Innenverteidigung irgendwie bearbeitet werden müssen. Damit wird der Großteil der Aufgabe "Messi" den deutschen Sechsern und damit vor allem Schweinsteiger zufallen. Was dessen Offensivpotential entscheidend beschneiden könnte.
Bleibt natürlich noch die Frage, wie vorsichtig beide Teams die Sache angehen werden. Legt man das Spiel vom März in München zugrunde, dann lautet die Antwort: Sehr! Wie mutig lässt Löw seine Außenverteidiger attackieren? Mit Lahm vorne und einer eventuellen Überzahl in der Zentrale sollte es Deutschland gelingen, die Spielkontrolle an sich zu reißen. Aber dann aufgepasst auf die Konter! Denn so toll wir bis jetzt die Gegenstöße gefahren haben, das können die Argentinier auch. Wenn beide das Risiko scheuen (und dafür gibt es gute Gründe), dann wird das Ganze vermutlich nicht viel unterhaltsamer als die Partie im März. Ich hoffe nur, dass sie nicht so viel Respekt vor einander haben, dass sie schon vom Anpfiff weg auf ein Elfmeterschießen spekulieren.
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 5811 | Kommentare: 15 | Bewertungen: 10 | Erstellt:02.07.2010
ø 9.0
KOMMENTARE
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03.07.2010 | 13:05 Uhr
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Tagon :
Sehr schöne Analyse, Andreas. :) Nur könntest Du vielleicht das "Füssen" im zweiten Absatz bitte zu "Füßen" korrigieren? ;)
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03.07.2010 | 12:48 Uhr
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midget :
honk machst du hier den diego?hast du drogen genommen?
ist das dein ernst was du da redest?
ich hoffe nicht! denn ich dachte doch immer ich sei der ohne ahung :D
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03.07.2010 | 12:34 Uhr
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Dr_D :
@HonkPoldi schwach? Eindeutiges Jein. Aber wenn er fit ist wird er spielen...Immer... Und das ist auch gut so.
Das mit dem Tausch der beiden AV hat was, in der Theorie zumindest.
Badstuber auf links ist keine gute Idee, den er ist einfach zu langsam.
Ich bin jetzt schon nervös...es kribbelt...aber ich ich zuversichtlich...
Ich hoffe nur es wird nicht ganz so nervenzerfetzend wie gestern Uruguay gegen Ghana..
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03.07.2010 | 12:25 Uhr
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xxlhonk :
@groundceroBadstuber hat die ganze Zeit LINKS gespielt?
Nein.
immer wenn der Junge aus der IV auf Links musste, wurde er vorgeführt.
LV ist definitiv nicht seine Position, auch wenn ich ihn mag.
HSV-Fan hin oder her.
Die Achse macht den Unterschied.
Aber keine Sorge, der Jogi lässt Poldi ran.
Auch wenn das kein schlechter Witz ist, wenn ich Poldi eher schwach gesehen habe.
Der hätte viel mehr aus seinen Chancen machen müssen.
Nicht nur gegen Serbien.
Aber bevor hier das wüste Pöbeln los geht:
Poldi wird spielen.
Garantiert.
Ist ja Löws Darling.
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03.07.2010 | 12:21 Uhr
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03.07.2010 | 12:07 Uhr
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xxlhonk :
@JoshCool wäre es, wenn Löw den LV spielen lässt, der als einziger die ganze Saison als LV gespielt hat.
Und das sind weder Boateng, noch Jansen und schon gar nicht Lahm.
Cool wäre es, wenn der Löw auf Links mit Aogo und Jansen spielen lassen würde (für poldi und Boateng).
Denn die beiden haben, als sie so zusammen gespielt haben, die BL hergespielt. OK, meistens war der Jansen verletzt, aber wenn, dann hat das prima geklappt.
Und Poldi würde eine Pause auch mal gut tun.
Aber das wird der Jogi definitiv nicht machen.
Den Poldi draussen lassen.
Und damit steht uns auf unserer linken Seite der meiste Stress bevor.
Die Gauchos werden mit aller Wucht die Defensivschwächen von Poldi ausnutzen und damit den Schweinsteiger dazu zwingen aus der zentralen Position nach links auszuweichen. Und damit öffnen sich die Räume für Tevez und Co.
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03.07.2010 | 11:06 Uhr
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Josh9 :
das mit der linken Seite glaube ich auch.wäre cool vom Löw wenn er in der Aufstellung Lahm auf rechts belässt und
sobald das Spiel losgeht tauschen Lahm und Boateng die Seiten.
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03.07.2010 | 10:40 Uhr
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xxlhonk :
Maradona macht so oder so eines richtig.Er zieht die gesamte Aufmerksamkeit auf sich und gibt der Mannschaft damit die Ruhe um sich ungestört auf die Spiele vorzubereiten und nimmt ganz nebenbei auch noch den Druck von ihr.
Das hat er sich entweder von Mourinho abgeschaut oder er ist einfach so.
Das kann ich nicht beurteilen.
Aber ihm ist klar, dass er, wenn er heute ausscheidet, derjenige ist, dem die Vorwürfe der argentinischen und der Hohn der Welt-Presse entgegen schlagen wird.
Und das weiß er und dennoch macht er das ganz bewusst.
Wie gesagt:
Ist der Ruf erst...
Und was ich auch großartige an ihm finde ist der Umgang mit den Spielern.
Diego kann sich 100%ig sicher sein, dass sich jeder der Spieler für ihn zerreißen und alles geben wird.
Ich sehe die Nummer eher so, dass er den Job so oder so nicht ewig machen wird.
Entweder fliegt er, weil die Gauchos rausfliegen oder er wird Weltmeister und dann wird er gehen.
Auch das wird er wissen.
Genauso wie er wissen wird, dass er uns über unsere linke Seite (und damit Messis Lieblingsseite) knacken kann und muss.
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03.07.2010 | 08:16 Uhr
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Auch ich bin der Meinung, dass die Schwäche der Gauchos in der Defenisve stecken. Wenn Klose, Poldi, Müller und Özil (oder wer auch immer die Chancen bekommen wird) ihre Chancen nicht sorglos versemmeln, sondern kaltblütig zuschlagen, ist ein Sieg keinesfalls unmöglich.
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so ungefähr meinte ich das.
;)) das ging gut
@honk: du hättest wohl auch Trochowski aufgestellt oder?;))