Blogpokal 2009 / 10
06.05.2010 um 12:31 Uhr
Geschrieben von Bailey
Endspiel
Sein Handgelenk zitterte, als er auf seine Uhr sah.
In schlichten, schwarzen Digitalziffern stand da: 89:12.
Das letzte Mal, als er drauf gesehen hatte, waren es runde 10 Sekunden weniger gewesen. Und wenn er das nächste Mal drauf sehen wird werden es gerade 10 Sekunden mehr sein.
10 Sekunden, die ihm im Moment vorkommen wie eine Ewigkeit.
Er gäbe alles darum, die Zeit nur ein kleines bisschen nach vorne drehen zu können. Nur 1-2 Minuten, nur solange, dass doch endlich der Schlusspfiff kommt, der das Ergebnis, das hoch über seinem Kopf auf der großen Anzeigentafel flimmert endgültig zementiert. Der Schlusspfiff, der seinem VfL Bochum diesen 1:0-Sieg schenkt und ihn ans rettende Ufer des 15. Platzes krabbeln lässt. Der Pfiff, der seinen Gegner Hannover 96 endgültig in die Verdammnis der Zweiten Liga stürzt.
Wieder der Blick auf die Uhr. 89:25.
Er geht auf und ab wie ein Tiger in seinem Käfig.
Was würde er darum geben, jetzt auch auf dem Platz zu stehen und der Mannschaft, seiner Mannschaft helfen zu können? Nicht gefesselt sein an diese 3 Kreidelinien, die Coaching-Zone genannt werden.
Jede Faser seines Körpers schreit danach.
Doch er muss von außen zuschauen, ist zur Passivität verdammt.
Er stößt seine Hände in die Taschen seines Kapuzenpullis um nicht ständig wieder auf die Uhr zu schauen, um sich nicht ständig selbst zu quälen.
Seine Gedanken gehen 2 Stunden zurück.
Zurück in die Kabine.
Dort hatte er gerade seine Ansprache gehalten. Erst die Zweite als Cheftrainer. Und jetzt lehnte er an der Wand wo eine abgewetzte Stelle davon zeugte, dass dort schon mehrere gelehnt hatten, dort, zwischen Tür und erstem Spind.
Ob sein Vorgänger Heiko Herrlich dort auch gestanden hatte, wusste er nicht.
Aber seine Trainer hatten das immer getan. Auch der große Peter Neururer hatte die letzten Minuten vor dem Anpfiff seine Worte still wirken lassen.
Er blickte sich um, versuchte in die Augen der Spieler, seiner Spieler zu schauen, in ihren Gesichtern zu lesen.
Er sah nur eines.
Angst.
Die Angst zu versagen.
Die Angst abzusteigen.
Auch er spürte diese Angst.
Die Angst am Ende mit nichts dazustehen.
Doch er durfte sie nicht zeigen.
Er musste vorangehen.
Er war der Trainer, er war eine Spielerlegende in diesem Verein.
Verdammt, er war Dariusz Wosz!
Er hörte die Schritte des Unparteiischen, der an der Kabine vorbeiging.
Es war Zeit.
Er stieß sich von der Wand ab, baute sich in der Tür auf und brüllte nochmal seine Spieler an: Los jetzt Jungs! Ich will, Blut, ich will Schweiß, ich will Tränen sehen! Macht sie fertig! Das sind wir den Fans und uns schuldig! Geht jetzt da raus und macht einfach euren verdammten Job!
Er wusste nicht, ob er sie erreicht hatte, aber das Blitzen in den Augen des einen oder anderen ließ ihn zumindest hoffen.
Und jetzt, kurz vor Spielende wusste er: Er hatte sie erreicht.
Seine Mannschaft kämpfte, seine Mannschaft rannte, seine Mannschaft litt. Und es hatte sich ausgezahlt. Nach einer Ecke hatte Stanislav Sestak den Ball im Gewühl über die Linie gestochert.
1:0.
Schießt Bochum in Führung. Stanislav Sestak
Das wäre sie.
Die Rettung.
Dank Köln, das in Nürnberg in Führung lag.
Hannover war in der Folge wild angerannt, aber seine Männer hatten mit Mann und Maus verteidigt.
Bis jetzt, bis in die letzte Minute.
Wieder der Blick auf die Uhr. 89:47.
Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Der 4. Offizielle schritt mit der Tafel an den Spielfeldrand, hielt sie hoch und…nein…ließ eine rote 2 aufleuchten. 2 Minuten Nachspielzeit. 2 Minuten Zittern und Hoffen.
Der Ball befand sich im Mittelfeld, da, wo er keinen Schaden anrichten konnte. Ihr großes Glück war, dass auch Hannover nicht gerade taktisch feinen Fußball zu bieten hatte.
Doch plötzlich lief es ihm eiskalt den Rücken herunter.
Balitsch passte wunderbar in die Schnittstelle der Abwehr, Hanke nicht im Abseits, er hört sich brüllen HAU IHN UM! HAU IHN UM MANN!, Ist kurz über sich selbst erschrocken, blickt gebannt aufs Spielfeld, Hanke immer noch am Ball, er sieht Maltriz in Richtung Gegner sprinten, Hanke schlägt einen Haken, Maltriz schein das geahnt zu haben, fährt das Bein aus, erwischt den Ball, Hanke fällt, was zeigt der Schiedsrichter?
KEIN FOUL!
Schnell jetzt!
Maltriz zu Fuchs.
Er steht am äußersten Rand seines Kreidekäfigs.
Fuchs hat freie Bahn.
Wieder schreit er sich die Lunge aus dem Leib, hüpft dabei wie besessen auf und ab: GEH, SCHEIßE! GEEEH!!
Und Fuchs geht.
Fuchs geht über die ganze Seite.
Hannover war mit fast allen Mann vorne gewesen.
Jetzt oder nie.
Er schließt die Augen, kann nicht hinsehen.
Draußen zu stehen ist brutal.
Er öffnet die Augen wieder.
Fuchs an der Grundlinie, in der Mitte winkt Dedic, Fuchs spielt flach nach innen, Dedic und Fromlowitz gehen zum Ball…
Nein!
Das darf nicht wahr sein!
Er kann es nicht fassen!
Wütendes, verzweifeltes Geschrei von den Rängen.
Er sieht ohnmächtig, wie Fromlowitz mit dem Ball in den Händen aufsteht und diesen sofort abschlägt.
Er kann es einfach nicht glauben.
Das war sie, die Chance wirklich alles klar zu machen.
Und die war vergeben.
Einfach weg.
Wieder der Blick auf die Uhr: 91:09. Die letzte Minute lief.
Wieder Hannover, aber diesmal bleiben sie im Angriff stecken.
Er atmet tief durch, will die Anspannung loswerden, scheitert damit grandios.
Plötzlich entsteht auf den Rängen ein seltsames Gemurmel und Gebrumme. Setzt sich weiter fort, schwillt an. Wird lauter, und dann begreift er es: Das Spiel in Nürnberg ist aus, Köln rettet das 1:0 über die Zeit!
Wenn jetzt hier…
Seine Stimme ist schneller als seine Gedanken.
PFEIF AB! PFEIF ENDLICH AB! brüllt er und schlägt dabei auf seine Uhr, dass man Angst haben muss, sie könnte zerbrechen.
Immer noch Hannover am Ball, der Ball raus auf den Flügel, da ist Bruggink, sieht keine Lücke, dribbelt nach innen, immer noch keine Lücke, schießt aus Verzweiflung aus der Distanz…aber der Ball geht unter lautem Jubel der Fans weit am Pfosten vorbei.
Heerwagen lässt sich Zeit, gut so, nur keine Hektik mehr reinbringen, richtet den Ball aus, nimmt Anlauf, schlägt ihn so weit nach vorne wie er kann, Kopfballduell am Mittelkreis, der Ball fliegt wieder Richtung Bochumer Tor, Maltriz schlägt ihn wieder nach vorne…JETZT MACH SCHON!
Das nächste was er wahrnimmt ist ohrenbetäubender Jubel. Alles rennt an ihm vorbei aufs Spielfeld. Seine Spieler stehen mit erhobenen Armen auf dem Feld, jubeln ausgelassen, sein Co-Trainer fällt ihm um den Hals, drückt ihn an sich, es war vollbracht.
Sie hatten den Klassenerhalt geschafft, waren auf dem ersehnten 15. Tabellenrang.
Er blickt auf die Ränge, wildfremde Menschen liegen sich in den Armen, sie hatten es geschafft.
Das Spiel
es war
vorbei.
Der Rest ist einfach Jubel
In schlichten, schwarzen Digitalziffern stand da: 89:12.
Das letzte Mal, als er drauf gesehen hatte, waren es runde 10 Sekunden weniger gewesen. Und wenn er das nächste Mal drauf sehen wird werden es gerade 10 Sekunden mehr sein.
10 Sekunden, die ihm im Moment vorkommen wie eine Ewigkeit.
Er gäbe alles darum, die Zeit nur ein kleines bisschen nach vorne drehen zu können. Nur 1-2 Minuten, nur solange, dass doch endlich der Schlusspfiff kommt, der das Ergebnis, das hoch über seinem Kopf auf der großen Anzeigentafel flimmert endgültig zementiert. Der Schlusspfiff, der seinem VfL Bochum diesen 1:0-Sieg schenkt und ihn ans rettende Ufer des 15. Platzes krabbeln lässt. Der Pfiff, der seinen Gegner Hannover 96 endgültig in die Verdammnis der Zweiten Liga stürzt.
Wieder der Blick auf die Uhr. 89:25.
Er geht auf und ab wie ein Tiger in seinem Käfig.
Was würde er darum geben, jetzt auch auf dem Platz zu stehen und der Mannschaft, seiner Mannschaft helfen zu können? Nicht gefesselt sein an diese 3 Kreidelinien, die Coaching-Zone genannt werden.
Jede Faser seines Körpers schreit danach.
Doch er muss von außen zuschauen, ist zur Passivität verdammt.
Er stößt seine Hände in die Taschen seines Kapuzenpullis um nicht ständig wieder auf die Uhr zu schauen, um sich nicht ständig selbst zu quälen.
Seine Gedanken gehen 2 Stunden zurück.
Zurück in die Kabine.
Dort hatte er gerade seine Ansprache gehalten. Erst die Zweite als Cheftrainer. Und jetzt lehnte er an der Wand wo eine abgewetzte Stelle davon zeugte, dass dort schon mehrere gelehnt hatten, dort, zwischen Tür und erstem Spind.
Ob sein Vorgänger Heiko Herrlich dort auch gestanden hatte, wusste er nicht.
Aber seine Trainer hatten das immer getan. Auch der große Peter Neururer hatte die letzten Minuten vor dem Anpfiff seine Worte still wirken lassen.
Er blickte sich um, versuchte in die Augen der Spieler, seiner Spieler zu schauen, in ihren Gesichtern zu lesen.
Er sah nur eines.
Angst.
Die Angst zu versagen.
Die Angst abzusteigen.
Auch er spürte diese Angst.
Die Angst am Ende mit nichts dazustehen.
Doch er durfte sie nicht zeigen.
Er musste vorangehen.
Er war der Trainer, er war eine Spielerlegende in diesem Verein.
Verdammt, er war Dariusz Wosz!
Er hörte die Schritte des Unparteiischen, der an der Kabine vorbeiging.
Es war Zeit.
Er stieß sich von der Wand ab, baute sich in der Tür auf und brüllte nochmal seine Spieler an: Los jetzt Jungs! Ich will, Blut, ich will Schweiß, ich will Tränen sehen! Macht sie fertig! Das sind wir den Fans und uns schuldig! Geht jetzt da raus und macht einfach euren verdammten Job!
Er wusste nicht, ob er sie erreicht hatte, aber das Blitzen in den Augen des einen oder anderen ließ ihn zumindest hoffen.
Und jetzt, kurz vor Spielende wusste er: Er hatte sie erreicht.
Seine Mannschaft kämpfte, seine Mannschaft rannte, seine Mannschaft litt. Und es hatte sich ausgezahlt. Nach einer Ecke hatte Stanislav Sestak den Ball im Gewühl über die Linie gestochert.
1:0.
Schießt Bochum in Führung. Stanislav Sestak
Das wäre sie.
Die Rettung.
Dank Köln, das in Nürnberg in Führung lag.
Hannover war in der Folge wild angerannt, aber seine Männer hatten mit Mann und Maus verteidigt.
Bis jetzt, bis in die letzte Minute.
Wieder der Blick auf die Uhr. 89:47.
Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Der 4. Offizielle schritt mit der Tafel an den Spielfeldrand, hielt sie hoch und…nein…ließ eine rote 2 aufleuchten. 2 Minuten Nachspielzeit. 2 Minuten Zittern und Hoffen.
Der Ball befand sich im Mittelfeld, da, wo er keinen Schaden anrichten konnte. Ihr großes Glück war, dass auch Hannover nicht gerade taktisch feinen Fußball zu bieten hatte.
Doch plötzlich lief es ihm eiskalt den Rücken herunter.
Balitsch passte wunderbar in die Schnittstelle der Abwehr, Hanke nicht im Abseits, er hört sich brüllen HAU IHN UM! HAU IHN UM MANN!, Ist kurz über sich selbst erschrocken, blickt gebannt aufs Spielfeld, Hanke immer noch am Ball, er sieht Maltriz in Richtung Gegner sprinten, Hanke schlägt einen Haken, Maltriz schein das geahnt zu haben, fährt das Bein aus, erwischt den Ball, Hanke fällt, was zeigt der Schiedsrichter?
KEIN FOUL!
Schnell jetzt!
Maltriz zu Fuchs.
Er steht am äußersten Rand seines Kreidekäfigs.
Fuchs hat freie Bahn.
Wieder schreit er sich die Lunge aus dem Leib, hüpft dabei wie besessen auf und ab: GEH, SCHEIßE! GEEEH!!
Und Fuchs geht.
Fuchs geht über die ganze Seite.
Hannover war mit fast allen Mann vorne gewesen.
Jetzt oder nie.
Er schließt die Augen, kann nicht hinsehen.
Draußen zu stehen ist brutal.
Er öffnet die Augen wieder.
Fuchs an der Grundlinie, in der Mitte winkt Dedic, Fuchs spielt flach nach innen, Dedic und Fromlowitz gehen zum Ball…
Nein!
Das darf nicht wahr sein!
Er kann es nicht fassen!
Wütendes, verzweifeltes Geschrei von den Rängen.
Er sieht ohnmächtig, wie Fromlowitz mit dem Ball in den Händen aufsteht und diesen sofort abschlägt.
Er kann es einfach nicht glauben.
Das war sie, die Chance wirklich alles klar zu machen.
Und die war vergeben.
Einfach weg.
Wieder der Blick auf die Uhr: 91:09. Die letzte Minute lief.
Wieder Hannover, aber diesmal bleiben sie im Angriff stecken.
Er atmet tief durch, will die Anspannung loswerden, scheitert damit grandios.
Plötzlich entsteht auf den Rängen ein seltsames Gemurmel und Gebrumme. Setzt sich weiter fort, schwillt an. Wird lauter, und dann begreift er es: Das Spiel in Nürnberg ist aus, Köln rettet das 1:0 über die Zeit!
Wenn jetzt hier…
Seine Stimme ist schneller als seine Gedanken.
PFEIF AB! PFEIF ENDLICH AB! brüllt er und schlägt dabei auf seine Uhr, dass man Angst haben muss, sie könnte zerbrechen.
Immer noch Hannover am Ball, der Ball raus auf den Flügel, da ist Bruggink, sieht keine Lücke, dribbelt nach innen, immer noch keine Lücke, schießt aus Verzweiflung aus der Distanz…aber der Ball geht unter lautem Jubel der Fans weit am Pfosten vorbei.
Heerwagen lässt sich Zeit, gut so, nur keine Hektik mehr reinbringen, richtet den Ball aus, nimmt Anlauf, schlägt ihn so weit nach vorne wie er kann, Kopfballduell am Mittelkreis, der Ball fliegt wieder Richtung Bochumer Tor, Maltriz schlägt ihn wieder nach vorne…JETZT MACH SCHON!
Das nächste was er wahrnimmt ist ohrenbetäubender Jubel. Alles rennt an ihm vorbei aufs Spielfeld. Seine Spieler stehen mit erhobenen Armen auf dem Feld, jubeln ausgelassen, sein Co-Trainer fällt ihm um den Hals, drückt ihn an sich, es war vollbracht.
Sie hatten den Klassenerhalt geschafft, waren auf dem ersehnten 15. Tabellenrang.
Er blickt auf die Ränge, wildfremde Menschen liegen sich in den Armen, sie hatten es geschafft.
Das Spiel
es war
vorbei.
Der Rest ist einfach Jubel
Aufrufe: 4289 | Kommentare: 31 | Bewertungen: 63 | Erstellt:06.05.2010
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