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FC Bayern München


Gründer: Tobi | Mitglieder: 965 | Beiträge: 253
16.01.2012 um 18:42 Uhr
Geschrieben von Voegi
FCB-Augenblicke (XV)


Vier sind einer zu viel

Die Bundesliga-Spielzeit 1994/95 hielt für Bayern-Fans nur wenige Highlights parat. Unter Neu-Coach Giovanni Trapattoni spielten die Bayern zumeist seltsam uninspiriert und konzeptlos. Eine echte Siegesserie wollte sich nicht einstellen. Stattdessen gab es Unentschieden im Überfluss. Spielerische Feinkost blieb denn auch Mangelware. Ein rarer Moment vorzeigbaren Bayern-Fußballs trug sich jedoch am 15. April 1995 beim Gastspiel im Frankfurter Waldstadion zu.

Die Bayern, die bis dahin nur zwei Siege in acht Rückrundenpartien hatten einfahren können, präsentierten sich an diesem Frühlingsnachmittag in blendender Verfassung. Zwar konnte die gastgebende Eintracht den frühen Rückstand bereits wenige Minuten später egalisieren und kurz vor Ende der ersten Halbzeit in Führung gehen. Doch den Gästen aus München gelang unmittelbar vor dem Pausenpfiff noch der Ausgleichstreffer durch Marcel Witeczek.

Im zweiten Spielabschnitt legten die Bayern dann richtig los und gingen in der 48. Minute durch Christian Ziege in Führung. Die im modisch fragwürdigen Gelb-Grün gekleideten Gäste kontrollierten das Spielgeschehen in der Folge und wussten – ausnahmsweise – auch auf spielerischem Niveau zu gefallen. Weitere Treffer waren ihnen jedoch zunächst nicht vergönnt. So musste sich der Bayern-Fan bis zur Schlussphase gedulden, ehe die entscheidenden Treffer fielen. Dieter Frey und Christian Ziege sorgten mit ihren Toren zum 2:4 und 2:5 für die Erlösung und versetzten die Bayern-Anhänger in kollektive Begeisterung.

Der Enthusiasmus wich jedoch schnell der Ernüchterung. Denn bereits vor Spielabpfiff machte die Erkenntnis die Runde, dass die Bayern die zwei Punkte (die Drei-Punkte-Regelung wurde erst in der Folgesaison eingeführt) nicht würden behalten können. Entgegen der Statuten des DFB hatten die Münchener vier statt der erlaubten drei Amateure eingesetzt. Neben Keeper Sven Scheuer und Verteidiger Sammy Kuffour, die zur Startelf der Gäste gehörten, agierten mit den eingewechselten Marco Grimm und Dietmar Hamann zwei weitere Vertragsamateure für die Profi-Elf des Rekordmeisters.

Keiner der Bayern-Offiziellen, weder Trainer Trapattoni noch Co Augenthaler und Manager Hoeneß, hatten das Unheil kommen sehen. Die Quintessenz war offensichtlich: Die wahrscheinlich beste Leistung der Saison 1994/95 würde nicht mit Punkten honoriert werden. Und genau so kam es letztlich auch. Der DFB zeigte sich unnachgiebig und sprach die Punkte der gastgebenden Eintracht zu.

Dabei waren Wechselfehler Mitte der 90er Jahre im deutschen Fußball fast gang und gäbe. Jeder Verein, der etwas auf sich hielt, ließ irgendwann einmal einen Akteur aufs Feld, der dort eigentlich nichts zu suchen hatte. Den bunten Reigen der Wechselfehler eröffnete 1992 ausgerechnet der Deutsche Meister aus Stuttgart, der beim Champions-League-Match in Leeds zwischenzeitlich vier Ausländer einsetzte und so den schon sicher geglaubten Einzug in die Gruppenphase verpasste. Die Eintracht aus Frankfurt wiederholte dieses Kunststück wenige Monate später beim Bundesliga-Spiel in Uerdingen und musste trotz 5:2-Auswärtssieg die Punkte liegen lassen. Zwei Jahre später dann erlebte die Hessen ein Déjà-vu unter umgekehrten Vorzeichen. Diesmal unterlag man selbst mit 5:2, durfte aber die Punkte diesmal behalten – Münchener Schusseligkeit sei Dank.

Trotz aller Beschwörungen zeigten sich die Bayern übrigens nicht geläutert und brillierten ein Jahr darauf mit einem weiteren Wechselmissgeschick. Beim abschließenden Bundesliga-Spiel der Saison 1995/96 gegen Fortuna Düsseldorf wechselte Klaus Augenthaler, der den lustlosen Franz Beckenbauer als Chef-Trainer vertrat, in der Halbzeitpause gleich vier Mal aus. Auch damals schon waren jedoch nur drei Umstellungen erlaubt. Der Fauxpas blieb diesmal jedoch ohne Konsequenzen. Die Fortuna aus Düsseldorf, der ein 2:2 im Olympiastadion gelungen war, verzichtete auf einen Protest. So blieb es bei dem Resultat, das auf dem Spielfeld erkämpft worden war.

Auch ein Jahr zuvor hoffte man kurzzeitig, dass es doch bei dem 5:2-Auswärtstriumph würde bleiben können. Der eingeschaltete Anwalt Reinhard Rauball wagte einen tiefen Griff in die Kiste des Winkeladvokatentums und argumentierte, dass der Einsatz eines vierten Vertragsamateurs zwar einen Antrag beim DFB voraussetze, aber nirgendwo geschrieben stehe, dass ein solcher Antrag vorab gestellt werden müsse. So beantragten die Münchener einfach nachträglich den Einsatz eines zusätzlichen Vertragsamateurs und scheiterten damit – vollkommen zurecht.

Gleichwohl erscheint die Konsequenz, den Spielausgang zugunsten der Eintracht zu werten, aus heutiger Sicht keinesfalls zwingend. Denn anders als die Ausländerbeschränkung sollte die Begrenzung der Amateurspieler eben nicht verhindern, dass sich eine Mannschaft unangemessene Vorteile verschaffte. Vielmehr sollte mit dieser Regel der Amateurfußball geschützt werden. Für eine Profi-Mannschaft bedeutete dass Zurückgreifen auf Amateurspieler auch damals schon eher eine Schwächung. Von daher hätte eine Geldstrafe wohl näher gelegen als ein Punktabzug.

Der DFB zeigte sich jedoch unnachgiebig und beraubte die Bayern eines seiner wenigen glanzvollen Triumphe dieser Saison. Wenngleich man die Schuld bei selbstkritischer Betrachtung doch wohl eher in den Reihen der Bayern-Verantwortlichen suchen sollte.

Zum Glück blieb am Ende nicht mehr als der Ärger über ein am Grünen Tisch verlorenes Spiel. Tiefgreifende Konsequenzen hatte der peinliche Wechselfehler gleichwohl nicht. Die Bayern erreichten am Ende der Saison noch Platz 6 und qualifizierten sich damit, da die Gladbacher Borussia den Pokal gewinnen konnten, für den UEFA-Cup, den man in der Folgesaison dann auch erstmalig gewinnen konnte. Man darf dieses skurrile Kapitel der Bayern-Geschichte also durchaus mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen.
Aufrufe: 7060 | Kommentare: 7 | Bewertungen: 11 | Erstellt:16.01.2012
ø 9.0
KOMMENTARE
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Gotti1963
18.01.2012 | 20:17 Uhr
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Gotti1963 : 
18.01.2012 | 20:17 Uhr
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Gotti1963 : 
Es war damals sogar so, dass die Bayern und die Eintracht, sich auf ein Wiederholungsspiel geinigt hatten, bzw. einigen wollten, um eine Entscheidung auf dem Fußballplatz herbeizuführen, aber auch dies war dem DFB nicht genehm!
Ja, das war ein echt schwacher Auftritt der Bayern Bank, und Auge legte 13 Monate später noch nach!
Schön, dass auch dies ein Augenblick wurde! Gut so!
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E_Jay
18.01.2012 | 14:35 Uhr
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E_Jay : 
18.01.2012 | 14:35 Uhr
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E_Jay : 
Klasse Geschichte

Wobei mir bei Wechselfehler immer zuerst Kaiserslautern, Otto Rehagel und Hany Ramzy einfällt... :-D

Aber mal ehrlich, da macht man sich doch unter einem Spiel wirklich keine Gedanken darüber oder? ^^
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kratze
18.01.2012 | 14:32 Uhr
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kratze : 
18.01.2012 | 14:32 Uhr
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kratze : 
war es otto rehagel der bei kaiserslautern seinen fehler kurz darauf bemerkte und minuten später wieder zurück wechseln wollte..?? hany ramzy war der spieler der erst eine verletzung vortäuschte um dann ausgwechselt zu werden,zusammen mit dem sat 1 ran kommentator eine sehr lustige geschichte..
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Byrni
18.01.2012 | 13:16 Uhr
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Byrni : 
18.01.2012 | 13:16 Uhr
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Byrni : 
damals war ich 10 und saß mit meinem Vater und meinem Cousin im Stadion. Geiles Spiel, aber dann die Enttäuschung.... Hach damals... :)
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Gnanag
17.01.2012 | 15:56 Uhr
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Gnanag : 
17.01.2012 | 15:56 Uhr
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Gnanag : 
Klasse Blog. Das war wirklich eine absurde Situation damals, bestimmt eine der "komischsten" Begebenheiten der Bayern-Geschichte.
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Schnumbi
16.01.2012 | 19:12 Uhr
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Schnumbi : 
16.01.2012 | 19:12 Uhr
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Schnumbi : 
ja das spiel in frankfurt hatte ich auch live verfolgt

war keine glanzleistung unserer bank damals.

das mit düsseldorf hingegen ist völlig an mir vorbei gegangen. vielen dank für diesen informativen blog voegi.
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