01.02.2013 um 10:53 Uhr
Geschrieben von Voegi
FCB-Augenblicke (XXI)
Erster Dämpfer für den Erfolgsfan
Uns Bayern-Anhängern eilt zumeist ja der Ruf voraus, die ultimativen Erfolgfans zu sein. Ein Vorwurf, den wir nicht so recht zu entkräften vermögen. Denn wer kann schon wissenschaftlich einwandfrei begründen, wieso er sich in grauer Vorzeit einmal für seinen Verein entschieden hat. Zumal es sich regelmäßig ja um keine Entscheidung, also keinen vernunftgetragen Abwägungsprozess handelt, sondern einen eher mystisch-verklärten Akt der Zuneigung.
Ich selbst würde nur allzu gern wissen, wieso ich im Herbst 1986 (irgendwann damals muss es gewesen sein) mein Herz an den FC Bayern verloren habe. Mit dem im Herzschlagfinale gewonnenen Meisterschaftstitel vom April desselben Jahres kann es jedenfalls nichts zu tun gehabt haben. Als die entscheidenden Szenen im Fernsehen liefen, überzeugte ich meinen Vater, doch bitte auf Bud Spencer umzuschalten. Für Fußball hatte ich da noch rein gar nichts übrig. Und auch sonst weise ich den Verdacht, mich nur des sportlichen Erfolges wegen für den FCB „entschieden" zu haben, mit aller Entschlossenheit zurück. Schließlich erlebte ich schon wenige Monate nach Beginn meines Fantums, was es heißt, eine schmerzhafte Niederlage hinnehmen zu müssen…
Nach einem furiosen Halbfinalduell gegen Real Madrid, in dem die Spanier sowohl auf als neben dem Platz alle Register der Gewalt zogen (Juanitos Tritt ins Gesicht von Lothar Matthäus wird wohl das brutalste Foul aller Zeiten bleiben), musste der FC Bayern im Europacup-Endspiel 1987 gegen den FC Porto ran. Damals schimpfte sich der Wettbewerb noch „Europapokal der Landesmeister", eine zugegebenermaßen etwas archaische Bezeichnung, deren klassischer Charme mir aber noch immer mehr zusagt als die moderne „Champions League". Ob Europapokal oder Champions League, die Bayern waren auch vor 26 Jahren schon klarer Favorit im Match gegen die Portugiesen.
So zweifelten wohl nur die wenigsten Anhänger, dass den Bayern nach dem Titel-Hattrick Mitte der 70er Jahre jetzt endlich der vierte Triumph im wichtigsten europäischen Wettbewerb gelingen würde. Echte Stars hatte die Mannschaft des FC Porto seinerzeit nicht aufzubieten und ging dementsprechend als krasser Außenseiter in das Duell mit dem deutschen Meister. Die 62.000 Zuschauer im ausverkauften Wiener Praterstadion erwartete gleichwohl ein Finale mit einer bemerkenswerten Dramaturgie, wie sie sich für die Münchner knapp zwölf Jahre später wiederholen sollte.
Die Bayern, die an diesem Tag wieder einmal in den modisch fragwürdigen hellblauen Hosen aufliefen, präsentierten sich in der ersten Halbzeit als die überlegene Mannschaft, die ihrer Favoritenstellung gerecht wurde. Ohne spielerische Glanzpunkte zu setzen, dominierte man den Gegner und kam nach 25 Minuten zur verdienten Führung: Ausgerechnet der eher torungefährliche Wiggerl Kögl war es, der die Bayern mit einem seiner ganz seltenen Kopfballtreffer in Führung brachte und damit anscheinend den Weg zum Titelgewinn ebnete.
Die Münchener spielten in der Folge so, wie man es von ihnen in den 80er Jahren im Falle einer Führung kannte: Abgeklärt, ruhig, mitunter lässig, ohne den ganz großen Offensivdrang. So beherrschte man das Geschehen auch im zweiten Spielabschnitt, ohne große Akzente mehr im Spiel nach vorne setzen zu können. Und wie so oft nahm die Selbstsicherzeit Züge von Überheblichkeit an, in deren Folge man in die eine oder andere heikle Situation geriet.
Es kam also, wie es kommen musste. Die selbstgefälligen Bayern berauschten sich an sich selbst und ihrer Führung und nahmen den Gegner nicht mehr ernst. Der aber hatte sich nicht aufgegeben und setze in den letzter Viertelstunde zu einem grandiosen Schlussspurt an – mit bitterem Ende für den Deutschen Meister.
Einem gewissen Rabah Madjer, fünf Jahre zuvor für Algerien im WM-Spiel gegen Deutschland erfolgreich, war der Ausgleichstreffer vorbehalten. Die Konfusion in der Bayern-Abwehr nutzte er zu einem spektakulären Hackentreffer, der vielen Bayern-Fans noch heute in schmerzhafter Erinnerung sein dürfte. Die Bayern standen nunmehr komplett neben sich und sahen kurze Zeit später den nächsten Angriff auf sich zu rollen. Gegen die paralysierte Münchener Deckung gelang Portos Juary ein nicht minder spektakulärer Treffer. Mit dem Bauch bugsierte er das Leder über die Linie und schoss seine Mannschaft zum ersten Europapokal-Triumph ihrer Geschichte.
Juary trifft per Bauch zum 2:1 und schickt die Bayern-Fans ins Tal der Tränen
Denn obwohl noch zehn Minuten zu spielen waren, gab es keinen Zweifel: Diese Bayern würden nicht mehr zurückkommen. Zu selbstsicher, zu lethargisch hatte man in der zweiten Spielhälfte agiert, als dass hier mit einer Schlussoffensive zu rechnen war. Nach dem bitteren 0:1 gegen Aston Villa hatte man nun das zweite Europapokalfinale in Folge verloren – es sollte nicht das letzte bleiben…
Für mich persönlich war dies nach wenigen Monaten schon eine der bittersten nur denkbaren Niederlagen, die ich mit einer gehörigen Portion schlechter Laune und einer ordentlichen Menge Tränenflüssigkeit zu verarbeiten versuchte. Schon früh lernte ich dabei, dass man auch als Fan des FC Bayern mit schmerzhaften Pleiten leben musste, selbst wenn man allenthalben als Erfolgsfan gilt.
Bis heute hat sich daran nichts geändert.
Uns Bayern-Anhängern eilt zumeist ja der Ruf voraus, die ultimativen Erfolgfans zu sein. Ein Vorwurf, den wir nicht so recht zu entkräften vermögen. Denn wer kann schon wissenschaftlich einwandfrei begründen, wieso er sich in grauer Vorzeit einmal für seinen Verein entschieden hat. Zumal es sich regelmäßig ja um keine Entscheidung, also keinen vernunftgetragen Abwägungsprozess handelt, sondern einen eher mystisch-verklärten Akt der Zuneigung.
Ich selbst würde nur allzu gern wissen, wieso ich im Herbst 1986 (irgendwann damals muss es gewesen sein) mein Herz an den FC Bayern verloren habe. Mit dem im Herzschlagfinale gewonnenen Meisterschaftstitel vom April desselben Jahres kann es jedenfalls nichts zu tun gehabt haben. Als die entscheidenden Szenen im Fernsehen liefen, überzeugte ich meinen Vater, doch bitte auf Bud Spencer umzuschalten. Für Fußball hatte ich da noch rein gar nichts übrig. Und auch sonst weise ich den Verdacht, mich nur des sportlichen Erfolges wegen für den FCB „entschieden" zu haben, mit aller Entschlossenheit zurück. Schließlich erlebte ich schon wenige Monate nach Beginn meines Fantums, was es heißt, eine schmerzhafte Niederlage hinnehmen zu müssen…
Nach einem furiosen Halbfinalduell gegen Real Madrid, in dem die Spanier sowohl auf als neben dem Platz alle Register der Gewalt zogen (Juanitos Tritt ins Gesicht von Lothar Matthäus wird wohl das brutalste Foul aller Zeiten bleiben), musste der FC Bayern im Europacup-Endspiel 1987 gegen den FC Porto ran. Damals schimpfte sich der Wettbewerb noch „Europapokal der Landesmeister", eine zugegebenermaßen etwas archaische Bezeichnung, deren klassischer Charme mir aber noch immer mehr zusagt als die moderne „Champions League". Ob Europapokal oder Champions League, die Bayern waren auch vor 26 Jahren schon klarer Favorit im Match gegen die Portugiesen.
So zweifelten wohl nur die wenigsten Anhänger, dass den Bayern nach dem Titel-Hattrick Mitte der 70er Jahre jetzt endlich der vierte Triumph im wichtigsten europäischen Wettbewerb gelingen würde. Echte Stars hatte die Mannschaft des FC Porto seinerzeit nicht aufzubieten und ging dementsprechend als krasser Außenseiter in das Duell mit dem deutschen Meister. Die 62.000 Zuschauer im ausverkauften Wiener Praterstadion erwartete gleichwohl ein Finale mit einer bemerkenswerten Dramaturgie, wie sie sich für die Münchner knapp zwölf Jahre später wiederholen sollte.
Die Bayern, die an diesem Tag wieder einmal in den modisch fragwürdigen hellblauen Hosen aufliefen, präsentierten sich in der ersten Halbzeit als die überlegene Mannschaft, die ihrer Favoritenstellung gerecht wurde. Ohne spielerische Glanzpunkte zu setzen, dominierte man den Gegner und kam nach 25 Minuten zur verdienten Führung: Ausgerechnet der eher torungefährliche Wiggerl Kögl war es, der die Bayern mit einem seiner ganz seltenen Kopfballtreffer in Führung brachte und damit anscheinend den Weg zum Titelgewinn ebnete.
Die Münchener spielten in der Folge so, wie man es von ihnen in den 80er Jahren im Falle einer Führung kannte: Abgeklärt, ruhig, mitunter lässig, ohne den ganz großen Offensivdrang. So beherrschte man das Geschehen auch im zweiten Spielabschnitt, ohne große Akzente mehr im Spiel nach vorne setzen zu können. Und wie so oft nahm die Selbstsicherzeit Züge von Überheblichkeit an, in deren Folge man in die eine oder andere heikle Situation geriet.
Es kam also, wie es kommen musste. Die selbstgefälligen Bayern berauschten sich an sich selbst und ihrer Führung und nahmen den Gegner nicht mehr ernst. Der aber hatte sich nicht aufgegeben und setze in den letzter Viertelstunde zu einem grandiosen Schlussspurt an – mit bitterem Ende für den Deutschen Meister.
Einem gewissen Rabah Madjer, fünf Jahre zuvor für Algerien im WM-Spiel gegen Deutschland erfolgreich, war der Ausgleichstreffer vorbehalten. Die Konfusion in der Bayern-Abwehr nutzte er zu einem spektakulären Hackentreffer, der vielen Bayern-Fans noch heute in schmerzhafter Erinnerung sein dürfte. Die Bayern standen nunmehr komplett neben sich und sahen kurze Zeit später den nächsten Angriff auf sich zu rollen. Gegen die paralysierte Münchener Deckung gelang Portos Juary ein nicht minder spektakulärer Treffer. Mit dem Bauch bugsierte er das Leder über die Linie und schoss seine Mannschaft zum ersten Europapokal-Triumph ihrer Geschichte.
Juary trifft per Bauch zum 2:1 und schickt die Bayern-Fans ins Tal der Tränen
Denn obwohl noch zehn Minuten zu spielen waren, gab es keinen Zweifel: Diese Bayern würden nicht mehr zurückkommen. Zu selbstsicher, zu lethargisch hatte man in der zweiten Spielhälfte agiert, als dass hier mit einer Schlussoffensive zu rechnen war. Nach dem bitteren 0:1 gegen Aston Villa hatte man nun das zweite Europapokalfinale in Folge verloren – es sollte nicht das letzte bleiben…
Für mich persönlich war dies nach wenigen Monaten schon eine der bittersten nur denkbaren Niederlagen, die ich mit einer gehörigen Portion schlechter Laune und einer ordentlichen Menge Tränenflüssigkeit zu verarbeiten versuchte. Schon früh lernte ich dabei, dass man auch als Fan des FC Bayern mit schmerzhaften Pleiten leben musste, selbst wenn man allenthalben als Erfolgsfan gilt.
Bis heute hat sich daran nichts geändert.
Aufrufe: 3829 | Kommentare: 8 | Bewertungen: 5 | Erstellt:01.02.2013
ø 10.0
KOMMENTARE
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03.02.2013 | 17:26 Uhr
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ausLE :
Europapokalabende waren damals etwas richtig besonderes für mich und meine Freunde. Egal wer gespielt hat. Ob Werder, Bayern, Köln oder Lok und Dynamo.Leider durfte ich genau dieses Spiel nicht sehen.
Schöner Blog Voegi, ob Erfolgsfan oder nicht
@Gotti: Ich hoffe, daß Du wenigstens 2001 in Mailand warst
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03.02.2013 | 14:18 Uhr
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Lufdbomp :
Wie immer schön geschrieben, super zu lesen und ... tja leider alles genau so geschehen.Der FC Bayern hat gerade im Europapokal einige ganz üble Niederlagen hinnehmen müssen (z.B. auch das Halbfinal-Aus gegen Roter Stern Belgrad mit Auges Eigentor ((obwohl Aumann den hätte halten müssen!))).
Habe das Spiel am Schreibtisch meiner Studentenbude miterlebt und bin bei Madjers Ausgleich regelrecht zusammen gebrochen
Aber Kögls Kopfballtor war geil! Ca. von der Strafraumgrenze ... das ist nicht vielen gelungen
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02.02.2013 | 21:44 Uhr
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Ähnliches habe ich Gestern beim Lesen dieses blogs auch gedacht!
Sogar beim Inter Finale könnte man die "was wäre wenn" Karte ziehen!
Hätte Müller 20 Sekunden nach Wiederanpfiff das Ding versenkt, dann...
Na ja, hätte Inter auf jeden Fall nicht 2:0 gewonnen! Aber klar, diese Pleite war verdient!
Alle anderen Finalpleiten im Meistercup/CL hatten ihre besondere Geschichte...
Ich hab bis auf die Pleite gegen Villa alle Spiele live im Stadion miterleben dürfen...
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02.02.2013 | 15:10 Uhr
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Schönes Ding
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01.02.2013 | 11:34 Uhr
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Schnumbi :
Ich habe das Spiel in meinem schönen DDR RFT Fernseher angeschaut. Und ja dieses Hackentor ist legendär.
Schöner Augenblick, wenn auch mit einem blöden Ausgang
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01.02.2013 | 11:27 Uhr
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Mir sind vor allem 2 Dinge von diesem Spiel auch 26 Jahre danach immer noch so präsent, als ob es erst am 19.05.2012 passiert wäre...
- Die unterirdisch schwache Leistung von Lothar Matthäus!
- Die Tatsache, dass in den knapp 15 Minuten nach dem 1:2 nicht das Geringste an Aufbäumen oder Willen zu sehen war!
Memo an Gotti: Auch "Typen" können Endspiele vergeigen!
Wie immer Voegi ein schöner blog!
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Über Barcelona 99 hab ich mal einen blog verbrochen. Nicht über das Spiel, sondern mehr über die Nacht danach...
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