29.02.2012 um 15:30 Uhr
Geschrieben von Voegi
FCB-Gesichter (XIII)
Lothar Matthäus
Hätte man mich Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre nach meinem Fußball-Idol gefragt, so hätte ich nicht lange überlegen müssen. Ohne großes Zögern hätte ich ein tief überzeugtes „Lothar Matthäus" von mir gegeben – und wäre auf diese Antwort womöglich auch ziemlich stolz gewesen. Für einen zehnjährigen Knirps ist es doch eher unbedeutend, was sein Lieblingsspieler denn so treibt, wenn er ausnahmsweise einmal nicht auf dem Platz steht.
Heute würde es mir ungleich schwerer fallen, mich zu meiner Bewunderung für den Loddar zu bekennen. Weshalb, brauche ich wohl nicht weiter auszuführen. Der Rekordnationalspieler hat sich mit seinen Darbietungen abseits des Spielfeldes um all das gebracht, was er während seiner mehr als 20 Jahre währenden Karriere an Anerkennung und Respekt verdient hat. Seine abenteuerliches Englisch bot genauso wie sein – sagen wir – bemerkenswerter Umgang mit der Damenwelt hinreichend Angriffsfläche für Hohn, Spott und zuweilen gar Verachtung. Lothar Matthäus ist – machen wir uns nichts vor – noch immer irgendwie Kind geblieben und deshalb womöglich auch nicht geeignet für ein bedeutendes Traineramt.
Ich müsste lügen, würde ich behaupten, mir täte all das nicht auch ein bisschen leid. Mein Lothar, so jedenfalls habe ich in meiner kindlichen Naivität einst bezeichnet, ist heutzutage ein Spottobjekt des Boulevards, den man im Sport kaum mehr wirklich ernstnehmen mag. Dies ist umso bedauerlicher, als er fachlich durchaus etwas auf dem Kasten haben dürfte. Ein Jammer ist es aber, weil er auf dem Spielfeld ein echtes Genie war, der die Fußballwelt zum Staunen brachte.
Gewiss, Lothar Matthäus war kein maradonnesker Fallzauberer, wenn er auch mit Kugel durchaus gepflegt umzugehen wusste. Nein, die Stärken des Herzogenaurachers lagen in der Dynamik und der Kraft, die sein Spiel ausstrahlten, die gepaart mit einer gewissen Eleganz einen der wohl besten deutschen Fußballer aller Zeiten auszeichneten.
Genau diese Dynamik war es denn auch, die mich damals so stark faszinierte und zu einem der größten Loddar-Fans dieses Landes machte. Dabei will ich gar nicht erst versuchen, das Matthäus-Flair mit halbgaren Attributen zu umschreiben. Ich verweise einfach auf sein Tor zum 3:1 aus dem Spiel gegen Jugoslawien bei der WM 1990. Ein Treffer, der sinnbildlich für Matthäus‘ Qualitäten stand und für das irgendwann einmal in der Begriff „unnachahmlich" in den deutschen Wortschatz Eingang fand.
Doch natürlich waren es nicht alleine die spielerischen Qualitäten, die mich an Matthäus faszinierten. Meine Begeisterung für den FCB bedingte es, dass nur ein Bayern-Akteur mein Fußballherz erobern konnte. Dabei kickte Loddar zunächst einmal gar nicht so lange für die Münchener – jedenfalls wenn man berücksichtigt, dass ich mich erst 1987 so richtig für Fußball zu interessieren begann. Ein Jahr später bereits verließ Matthäus, der 1984 von Mönchengladbach nach München gewechselt war, die Bayern Richtung Mailand. Doch das eine Jahr, in dem ich Matthäus im Bayern-Trikot sah, genügte, um mich zu seinem Fan, zu seinem Bewunderer werden zu lassen.
Seinen Wechsel nach Italien nahm ich ihm nicht übel. Im Gegenteil, entwickelte ich doch jetzt eine gewisse Sympathie für Inter Mailand, wo neben Matthäus mit Klinsmann und Brehme ja noch zwei weitere Deutsche spielten. Und außerdem gab es ja noch die Nationalmannschaft, in der er das Spiel als Dreh- und Angelpunkt dirigierte.
Nach gut vier Jahren kehrte Matthäus dann schließlich nach München zurück. Eine schwere Verletzung ließ die Milanesen daran zweifeln, dass der damals 31jährige Deutsche noch einmal zur alten Form würde zurückfinden können. Uli Hoeneß sah dies anders und gab Matthäus eine zweite Chance. Zunächst sah dabei vieles danach aus, als sollte sich die Einschätzung der Inter-Verantwortlichen als richtig erweisen. Nur selten konnte Matthäus in den ersten Spielen überzeugen und wirkte dabei wie ein Schatten seiner selbst. Erst im Auswärtsspiel bei Bayer Leverkusen am 24. November 1992 war der alte Matthäus wieder zu erkennen. Mit einem fulminanten Volleytreffer, der später auch zum Tor des Jahres gewählt wurde, meldete er sich zurück und zeigte, wozu er noch imstande war.
In der Folge fand Matthäus immer besser zu seiner Form und entdeckte in der darauffolgenden Saison seine Traumposition: Loddar, der Libero, war geboren. Mit gutem Stellungsspiel und Überblick wusste er das Bayern-Spiel aus der Tiefe heraus zu lenken und avancierte auch bei seinem zweiten Engagement beim FC Bayern zu einer echten Führungspersönlichkeit – auf dem Feld.
Neben dem Platz gehörte Überblick nicht zu seinen Stärken (ein gutes Stellungsspiel in gewisser Hinsicht schon). Zahlreiche Eskapaden ließen sowohl die öffentliche Wertschätzung als auch das Standing innerhalb der Mannschaft immer weiter herabsinken. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Veröffentlichung seines gleichsam peinlichen wie unverschämten Tagebuchs, das Matthäus auch den Kapitänsposten beim FCB kosten sollte.
Bis zum März 2000 schließlich spielte Matthäus beim FC Bayern, um im hohen Alter von 38 Jahren zu den Metro Stars nach New York zu wechseln. Sein letztes Spiel für die Münchener bestritt er – zwei Wochen vor seinem 39. Geburtstag – beim Gastspiel in Stuttgart. Die Bayern verloren mit 0:2.
Matthäus gelang das Kunststück, in drei verschiedenen Jahrzehnten in der Bundesliga Tore zu erzielen. Dabei schoss er in jeder seiner 17 Bundesliga-Saisons mindestens einen Treffer. Er ist der einzige Fußballer der Welt, der an fünf WM-Endrunden teilnahm (1982 – 1998).
Und so liest sich auch seine Bilanz wahrhaft beeindruckend:
464 BL-Spiele (121 Tore), 115 Partien in der Serie A (40 Tore), mit 150 Spielen Deutschlands Rekordnationalspieler, 1 mal Weltmeister, 1 mal Europameister, 2 mal UEFA-Cup-Sieger, 6 Deutsche Meisterschaften, 2 mal Sieger im DFB-Pokal, 1 mal Italienischer Meister. Fehlt natürlich ein Titel, der im Mai 1999 jedoch bekanntlich zum Greifen nahe war. Aber das ist natürlich eine andere Geschichte. Das Amt des Greenkeepers beim FC Bayern dürfte ihm zudem Zeit Lebens verwehrt bleiben. Seine größten Erfolge als Trainer indes entstammen seiner Zeit bei Borussia Banana.
Bleibt das bittersüße Fazit: Lothar Matthäus war ein ganz Großer – mit Betonung auf „war". Ein Jammer, dass er seine Qualitäten nicht in die Nach-Profi-Zeit hat hinüberretten konnte. Und dennoch, wenn ich ganz ehrlich bin, ist und bleibt der Loddar mein Idol. Irgendwie. Und irgendwie auch nicht.
Der Loddar - Erfolgscoach von Borussia Banana
Aufrufe: 9428 | Kommentare: 20 | Bewertungen: 23 | Erstellt:29.02.2012
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KOMMENTARE
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12.03.2012 | 13:31 Uhr
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00Schneider :
Absolut meine Meinung! Ich finde Loddar steht noch gut im Saft. Er sollte mal ein, zwei Jahre aus den (unfussballerischen) Schlagzeilen verschwinden und dann wird es auch früher oder später ein Bundesligist wagen, ihn als Trainer zu installieren. Ich denke auch, dass er durchaus einigen an Kompetenz aufzuweisen hat.
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12.03.2012 | 13:09 Uhr
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Und es bitter, daß Mario Basler in Deutschland immer wieder Trainerjobs findet...
@mindreaper:
Wäre sein von ihm nach außen getragenes Privatleben kein Problem, hätte er zumindest in Italien locker einen Job finden müssen, der seiner sportlichen Kragenweite entspricht...
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12.03.2012 | 09:36 Uhr
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"Gutes Stellungsspiel" fand ich besonders gut.
Matthäus war ein grandioser Fussballer.
Leider hat er oder seine Berater es nie geschafft ein vernünftiges Bild in die Öffentlichkeit zu transportieren.
Er ist ja nun beileibe nicht der einzige Promi mit einer Vorliebe für junge Damen. Nur sollte man die nicht heiraten.
Ist ja alles leicht gesagt, ihr wisst doch wo das Blut hinfliesst und wo es dann fehlt.
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12.03.2012 | 07:39 Uhr
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zece22 : @Voegi
schön geschriebener Text - liest sich sehr flüssig. Einziges Manko: Ich hätte mir mehr Details gewünscht (Jugend - Gladbach - Inter - Bayern - Nationalmannschaft). Zwar hast du ein paar statistische Werte mit einfließen lassen, jedoch ist der Artikel für eine Loddar zu kurz geraten.
btw. hat "simon says" Recht, aber irgendwie auch wieder nicht:
Loddar ist nicht der einzige Spieler mit 5 WM-Teilnahmen. Es ist aber nicht der Brasilianer Cafu (1994 - 2006), sondern ein gewisser Mexikaner namens Antonio Carbajal. Dieser nahm von 1950 bis 1966 an fünf aufeinanderfolgenden WM-Endrunden teil.
Somit ist Loddar auch nicht der erste gewesen, leider
8. Pkt...
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12.03.2012 | 00:02 Uhr
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haen27 :
"Ist er etwa ein schlechter Mensch, nur weil er mit über 50 noch Mitt-20ger klären kann? Ist es seine Schuld, dass er eine Medienpersönlichkeit geworden ist? (Daran seid ihr Fans, die jeden Bericht über ihn aufsaut, Schuld."aus meiner sicht absolut falsch. das lothar stammgast bei rtl-exclusiv, neben "persönlichkeiten" wie paris hilton und konsorten ist, kann man ihn getrost selbst zuschreiben. der muss nicht mediengeil besessen auf jeden noch so peinlichen roten teppich springen. dafür gibts auch hier mediennu**en genug. rtl bildet die im dschungel schließlich in aller regelmäßgigkeit selbst aus.
merke das immer, wenn ich meine mutter treffe. ich boykottiere sowas wie exclusiv-weekend. meine mutter schaut sowas immer und fragt mich dann, was mit matthäus los sei. die weiss wahrscheinlich mehr über sein privatleben als seine teenie-affärren. rtl sei dank........
ich schaue sportsendungen. in denen ist der lothar selten präsent. warum nur?
der beklagt sich noch ernsthaft, keine vernünftigen angebote zu bekommen? welcher verein ist so dumm und verpflichtet mit matthäus gleichzeitig noch die redaktion von rtl-exclusiv und frauke ludowig? die vereine haben schon genug mit medien zu kämpfen. da wäre lothar die denkbar falscheste lösung. daran ist matthäus einzig und allein selber schuld, zumindest meiner meinung nach.
fachlich hat er manchmal garnicht so ganz schlechte ansichten. aber das haben viele andere auch, die keinen trainerjob bekommen.
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11.03.2012 | 23:48 Uhr
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mindreaper : Über den Mensch Matthäus
braucht man nicht viel sagen?! Das ist ja mal wieder die typisch deutsche unlockere Art. Ist er etwa ein schlechter Mensch, nur weil er mit über 50 noch Mitt-20ger klären kann? Ist es seine Schuld, dass er eine Medienpersönlichkeit geworden ist? (Daran seid ihr Fans, die jeden Bericht über ihn aufsaut, Schuld.) Kann er was dafür dass seine Generation kein Englisch in der Schule lernen musste?
Ich persönlich finde, dass er dafür das beste aus seiner Situation macht. Er ist reich, kann sich mit schönen Frauen vergnügen und war ein überaus erfolgreicher Fußballer.
In anderen Ländern würde man ihn für diese drei Sachen verehren, in Italien sogar zum Staatsoberhaupt machen. Desweiteren finde ich, dafür dass er Englisch erst mit Ende dreißig gelernt hat, mittlerweile realtiv gut spricht.
Nun ja um zum Ende zukommen: jeder der den Fußballer Matthäus verehrt, sollte ihm seine Tochter, Schwester, Ehefrau, Freundin oder Mutter zur Verfügung stellen, damit Fußball Deutschland ein Heer an talentierten Nachwuchs Kickern beschert wird.
Jedes verdammte mal wenn Matthäus Sex hat, sollten in ganz Deutschland die Kirchenglocken läuten und alle Fans beten, dass ein Knabe mit ähnlichem Talent gezeugt wird!
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11.03.2012 | 19:52 Uhr
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" Er ist der einzige Fußballer der Welt, der an fünf WM-Endrunden teilnahm (1982 – 1998)."
er war der erste, aber cafu hat das inzwischen auch geschafft! 1990-2006! und er war in 3 endspielen, hat 2 gewonnen!
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03.03.2012 | 13:39 Uhr
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Ich habe den Spieler Matthäus schlackenrein bewundert, aber er ging mir auch damals schon fürchterlich auf die Nerven.
Leider haben sich meine Erwartungen an ihn, für die Zeit nach seiner Karriere als Aktiver mehr als bewahrheitet.
Wäre er im April 2000 in den Flieger nach New York gestiegen, und nie mehr wiedergekommen, er wäre heute noch ein Idol, und nicht der "dumme Junge", der er leider (geworden?) ist.
Aber sorry, mir tut es um die arrogante und überhebliche Person des Lothar M.nicht die Bohne leid...
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03.03.2012 | 10:51 Uhr
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Ich bin mit meinen 22 Lenzen erst seit 97 Bayern-Fan - und kenne daher eigentlich nur den von dir beschriebenen Dirigenten, der zu dieser Zeit so wichtig für das Bayernspiel war.
Mal schauen, wie lange sein Rekord für die meisten Länderspiele noch hält - seine 25-WM-Einsätze dürften aber noch eine Weile Rekord bleiben!
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