21.02.2012 um 20:04 Uhr
Geschrieben von possessionplay
FCB-Gesichter XII (2)
Wie bereits erwähnt trat der allseits beliebte und enorm bedeutende Landauer wenige Monate nach der Machtergreifung vom Januar 1933 von seinem Amt zurück, blieb aber weiterhin in München und – durch den als Nachfolger installierten Siegfried Herrmann, einen Vertrauten –in enger Verbindung mit der Vereinsspitze.
Das Rührende an der Geschichte war nun die Reaktion der Mitglieder des FC Bayern auf die Machtergreifung der Nazis. Zwar bezeichnete sich der Klub keinesfalls selbst als solcher, zwar machten Juden unter 40 % der Mitglieder aus, doch für die Nazis und aus dem Blick von außen galt man (seit jeher) als Judenclub – weshalb die Herrschaft des NS-Regimes einen herben Nackenschlag für den Verein darstellte.
Viele Vereine aus der süddeutschen Umgebung boten den Nazis sofort Kooperationen an und schlugen sich aus Kalkül auf ihre Seite. Zu diesem Zwecke verfassten einige gar einen offiziellen Vertrag, in dem den Nazis die Mitarbeit der unterschreibenden Vereine angeboten wird.
Wie es dazu kam, dass auf dieser – in der Realität allerdings eher unbedeutenden – Urkunde auch der FC Bayern auftaucht, ist bis heute nicht ganz geklärt. Was unseren Verein allerdings von fast allen anderen jener Zeit unterschied, war die Tatsache, dass der FCB tatsächlich ein Verein des Widerstandes war.
Die Mehrzahl der Mitglieder war nämlich keinesfalls bereit, für das Einscheren auf die „politische Linie" ihre jüdischen Freunde und Kameraden aufzugeben oder im Stich zu lassen – 1935 kam es beispielsweise zu einer Schlägerei zwischen den Spielern und SA-Truppen. So gehörte man zu den am meisten von den Nazis verhassten Organisationen und bekam jegliche Unterstützung gestrichen. Zwar wurde versucht, den Verein zu infiltrieren, doch aufgrund des heftigen Widerstandes der Mitglieder konnten die Nazis erst nach fast 10 Jahren ein Parteimitglied als Bayern-Präsident durchdrücken. Stattdessen wurde der Verein immer noch mit Kurt Landauer assoziiert.
Dieser hatte zunächst ob der Zivilcourage seiner Mitstreiter großes Glück gehabt, dann aber doch seine eigene schwarze Geschichte durchmachen müssen. Im Zuge der Reichspogromnacht von 1938 wurde er festgenommen und ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Nachdem er zwei Monate Leid und Misshandlung überlebt hatte, wurde er freigelassen – aber nur, weil er im 1. Weltkrieg im Militär gedient hatte, sowie unter der Auflage, sofort auszuwandern. Wieder konnte er sich auf seine Freunde verlassen und mit ihrer Hilfe in die Schweiz fliehen, wo der Kontakt mit dem FCB bestehen blieb.
Noch im Jahr 1940 reiste die Mannschaft ebenfalls dorthin, bestritt ein Freundschaftsspiel gegen Genf – natürlich um dort ihren ehemaligen Präsidenten treffen zu können. Nach Spielende lief die Mannschaft geschlossen zur Tribüne, wo sie Landauer herzlich und froh in aller Öffentlichkeit demonstrativ begrüßte und herzte.
Nachdem die Gräuel von NS-Zeit und zweitem Weltkrieg vorbei waren, konnte Landauer schließlich nach München zurückkehren und wurde sogleich wieder zum Präsidenten gewählt. Natürlich sollte es nie mehr so werden wie vorher, doch er bedankte sich bei seinem Verein durch weitere Verdienste – mit gutem Verhandlungsgeschick konnte er die amerikanischen Besatzer von einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs überzeugen und finanzierte die dafür nötige Lizenz. Bis 1951 behielt Landauer sein Amt noch inne, ehe er am 21. Dezember 1961 schließlich starb.
Was bleibt?
Kurt Landauer
Kurt Landauers Leistungen kann man wohl gar nicht hoch genug einschätzen und seine Vereinsverbundenheit ist eine der wohl sympathischsten FC-Bayern-Stories, „Little Dombi" war Innovator und der Baumeister der ersten Meisterschaft, die den Verein sportlich wie ideell „anstieß", und überhaupt war diese „dunkle Zeit" eine sehr prägende für den ganzen FC Bayern.
Der Politologe Thomas Hauzenberger schrieb in einer wissenschaftlichen Hausarbeit: „Es mag eine wilde Idee sein, aber man könnte sich die Frage stellen, ob die Polemik, die notorisch gegen den FC Bayern vorgebracht wird, unwissentlich auf das Repertoire antisemitischer Topoi zurückgreift: das so genannte Bonzentum, der Vorwurf, dass die Erfolge der Bayern erkauft und nicht erkämpft sind, die Tatsache, dass der Verein niemals ein eigenes Stadion in einem bestimmten Stadtteil besaß, was man wiederum mit dem Topos der jüdischen Wurzellosigkeit assoziieren könnte – weltläufig statt beheimatet.
Man muss nicht dieser in der Tat ziemlich wilden Meinung sein, doch eines sollte doch als Fazit sicher festgehalten werden können, wenn man auf unsere Vereinsgeschichte in der Zeit des „Dritten Reiches" zurückschaut: Hier hat die Geschichte von unserer vielschichtigen Identität ihre Wurzeln, hier nahm die polarisierende Wirkung des Klubs ihren Anfang.
Wie geht der Verein selbst damit um? Vermarktet hat man diese Zeit nie, verschwiegen aber auch nicht. Von manchen Seiten gibt es Kritik für diese Methode, Uli Hoeneß wird oftmals sein einstiges Zitat: „Ich war zu der Zeit nicht auf der Welt" vorgeworfen, doch mittlerweile praktiziert man das Gedenken nicht mehr nur in normalem Umfang, sondern gar sehr intensiv.
Zum 125. Geburtstag Landauers 2009 nahm der Vorstand an einer großen Gedenkmesse teil und trieb eine Ausstellung zum Thema voran, bald wird in der Allianz-Arena die große Erlebniswelt eröffnet, in der auch diese Epoche einen detaillierten Platz finden wird, indem man – nicht wie noch im Nachruf auf Landauer 1962, als sein Fehlen von ´33 bis ´47 mit „politischen Gründen" schwammig begründet wird – genau auf das Schicksal der Juden im Verein eingehen wird.
Ganz besonders sollte man in diesem Zusammenhang die viel gescholtene „Schickeria" loben. Seit Jahren veranstaltet sie den „Kurt-Landauer-Pokal", in dessen Rahmen Aktionen gegen Rassismus und Antisemitismus durchgeführt werden, und zeigte die Geschichte im großen Rahmen in aller Öffentlichkeit.
Und das ist wohl der Unterschied – die einen gedenken nur der Geschichte, die anderen „zeigen" sie. Der Vereinsführung kann man das beileibe nicht vorwerfen, dass sie nicht andauernd sich als Judenclub hinstellt, aber die Fans sollten sich diesen Ursprung doch immer wieder vor Augen halten: FCB – Der Judenclub, ein weltoffener, kosmopolitischer, liberal geprägter, etwas abgehobener, als elegant geltender und als versnobt verrufener ("Bonzen" -)Verein aus Schwabing, einem von Künstlern, Denkern und Intellektuellen geprägten Stadtviertel.
Das Rührende an der Geschichte war nun die Reaktion der Mitglieder des FC Bayern auf die Machtergreifung der Nazis. Zwar bezeichnete sich der Klub keinesfalls selbst als solcher, zwar machten Juden unter 40 % der Mitglieder aus, doch für die Nazis und aus dem Blick von außen galt man (seit jeher) als Judenclub – weshalb die Herrschaft des NS-Regimes einen herben Nackenschlag für den Verein darstellte.
Viele Vereine aus der süddeutschen Umgebung boten den Nazis sofort Kooperationen an und schlugen sich aus Kalkül auf ihre Seite. Zu diesem Zwecke verfassten einige gar einen offiziellen Vertrag, in dem den Nazis die Mitarbeit der unterschreibenden Vereine angeboten wird.
Wie es dazu kam, dass auf dieser – in der Realität allerdings eher unbedeutenden – Urkunde auch der FC Bayern auftaucht, ist bis heute nicht ganz geklärt. Was unseren Verein allerdings von fast allen anderen jener Zeit unterschied, war die Tatsache, dass der FCB tatsächlich ein Verein des Widerstandes war.
Die Mehrzahl der Mitglieder war nämlich keinesfalls bereit, für das Einscheren auf die „politische Linie" ihre jüdischen Freunde und Kameraden aufzugeben oder im Stich zu lassen – 1935 kam es beispielsweise zu einer Schlägerei zwischen den Spielern und SA-Truppen. So gehörte man zu den am meisten von den Nazis verhassten Organisationen und bekam jegliche Unterstützung gestrichen. Zwar wurde versucht, den Verein zu infiltrieren, doch aufgrund des heftigen Widerstandes der Mitglieder konnten die Nazis erst nach fast 10 Jahren ein Parteimitglied als Bayern-Präsident durchdrücken. Stattdessen wurde der Verein immer noch mit Kurt Landauer assoziiert.
Dieser hatte zunächst ob der Zivilcourage seiner Mitstreiter großes Glück gehabt, dann aber doch seine eigene schwarze Geschichte durchmachen müssen. Im Zuge der Reichspogromnacht von 1938 wurde er festgenommen und ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Nachdem er zwei Monate Leid und Misshandlung überlebt hatte, wurde er freigelassen – aber nur, weil er im 1. Weltkrieg im Militär gedient hatte, sowie unter der Auflage, sofort auszuwandern. Wieder konnte er sich auf seine Freunde verlassen und mit ihrer Hilfe in die Schweiz fliehen, wo der Kontakt mit dem FCB bestehen blieb.
Noch im Jahr 1940 reiste die Mannschaft ebenfalls dorthin, bestritt ein Freundschaftsspiel gegen Genf – natürlich um dort ihren ehemaligen Präsidenten treffen zu können. Nach Spielende lief die Mannschaft geschlossen zur Tribüne, wo sie Landauer herzlich und froh in aller Öffentlichkeit demonstrativ begrüßte und herzte.
Nachdem die Gräuel von NS-Zeit und zweitem Weltkrieg vorbei waren, konnte Landauer schließlich nach München zurückkehren und wurde sogleich wieder zum Präsidenten gewählt. Natürlich sollte es nie mehr so werden wie vorher, doch er bedankte sich bei seinem Verein durch weitere Verdienste – mit gutem Verhandlungsgeschick konnte er die amerikanischen Besatzer von einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs überzeugen und finanzierte die dafür nötige Lizenz. Bis 1951 behielt Landauer sein Amt noch inne, ehe er am 21. Dezember 1961 schließlich starb.
Was bleibt?
Kurt Landauer
Kurt Landauers Leistungen kann man wohl gar nicht hoch genug einschätzen und seine Vereinsverbundenheit ist eine der wohl sympathischsten FC-Bayern-Stories, „Little Dombi" war Innovator und der Baumeister der ersten Meisterschaft, die den Verein sportlich wie ideell „anstieß", und überhaupt war diese „dunkle Zeit" eine sehr prägende für den ganzen FC Bayern.
Der Politologe Thomas Hauzenberger schrieb in einer wissenschaftlichen Hausarbeit: „Es mag eine wilde Idee sein, aber man könnte sich die Frage stellen, ob die Polemik, die notorisch gegen den FC Bayern vorgebracht wird, unwissentlich auf das Repertoire antisemitischer Topoi zurückgreift: das so genannte Bonzentum, der Vorwurf, dass die Erfolge der Bayern erkauft und nicht erkämpft sind, die Tatsache, dass der Verein niemals ein eigenes Stadion in einem bestimmten Stadtteil besaß, was man wiederum mit dem Topos der jüdischen Wurzellosigkeit assoziieren könnte – weltläufig statt beheimatet.
Man muss nicht dieser in der Tat ziemlich wilden Meinung sein, doch eines sollte doch als Fazit sicher festgehalten werden können, wenn man auf unsere Vereinsgeschichte in der Zeit des „Dritten Reiches" zurückschaut: Hier hat die Geschichte von unserer vielschichtigen Identität ihre Wurzeln, hier nahm die polarisierende Wirkung des Klubs ihren Anfang.
Wie geht der Verein selbst damit um? Vermarktet hat man diese Zeit nie, verschwiegen aber auch nicht. Von manchen Seiten gibt es Kritik für diese Methode, Uli Hoeneß wird oftmals sein einstiges Zitat: „Ich war zu der Zeit nicht auf der Welt" vorgeworfen, doch mittlerweile praktiziert man das Gedenken nicht mehr nur in normalem Umfang, sondern gar sehr intensiv.
Zum 125. Geburtstag Landauers 2009 nahm der Vorstand an einer großen Gedenkmesse teil und trieb eine Ausstellung zum Thema voran, bald wird in der Allianz-Arena die große Erlebniswelt eröffnet, in der auch diese Epoche einen detaillierten Platz finden wird, indem man – nicht wie noch im Nachruf auf Landauer 1962, als sein Fehlen von ´33 bis ´47 mit „politischen Gründen" schwammig begründet wird – genau auf das Schicksal der Juden im Verein eingehen wird.
Ganz besonders sollte man in diesem Zusammenhang die viel gescholtene „Schickeria" loben. Seit Jahren veranstaltet sie den „Kurt-Landauer-Pokal", in dessen Rahmen Aktionen gegen Rassismus und Antisemitismus durchgeführt werden, und zeigte die Geschichte im großen Rahmen in aller Öffentlichkeit.
Und das ist wohl der Unterschied – die einen gedenken nur der Geschichte, die anderen „zeigen" sie. Der Vereinsführung kann man das beileibe nicht vorwerfen, dass sie nicht andauernd sich als Judenclub hinstellt, aber die Fans sollten sich diesen Ursprung doch immer wieder vor Augen halten: FCB – Der Judenclub, ein weltoffener, kosmopolitischer, liberal geprägter, etwas abgehobener, als elegant geltender und als versnobt verrufener ("Bonzen" -)Verein aus Schwabing, einem von Künstlern, Denkern und Intellektuellen geprägten Stadtviertel.
Aufrufe: 7667 | Kommentare: 12 | Bewertungen: 14 | Erstellt:21.02.2012
ø 9.4
KOMMENTARE
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28.05.2012 | 10:38 Uhr
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jeedaai :
bayern=judenclubsehr starker blog mit vielen, für mich, neuen informationen.
zwar kannte ich den namen "judenclub" in bezug auf bayern, aber keine details.
vielen dank dafür.
ansonsten finde ich es gut, dass man es nicht vermaktet, aber gedenken sollte man dieser zeit doch regelmässig. übrigens sehr stark von der schickeria. muss man auch mal erwähnen.
10 punkte...
P.S.: war dieser blog damals eigentlich auf der startseite?
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14.03.2012 | 12:58 Uhr
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Sehr gut geschrieben und sehr interessante Geschichte!
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26.02.2012 | 08:59 Uhr
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Gnanag :
Da muss ich mit einiger Verspätung auch noch meinen herzlichen Dank ausprechen!Wirklich ein unglaublicher, toll recherchierter, super geschriebener, herausragender Blog. Wie Voegi sagt, einer der Besten, wenn nicht der Beste Blog unserer Gruppe!
Hut ab possensionplay und tausend Dank!
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23.02.2012 | 20:34 Uhr
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Vielen Dank!
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22.02.2012 | 16:15 Uhr
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22.02.2012 | 10:10 Uhr
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Kaiser01 :
Das ist wirklich einer - wenn nicht sogar DER - beste Blog hier in der Gruppe! Wahnsinnig toll geschrieben, stark recherchiert und einfach nur super!
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22.02.2012 | 09:50 Uhr
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Ein highlight!!! 10 Punkte, und meinen großen Dank dafür!
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22.02.2012 | 09:33 Uhr
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Schnumbi :
Kann mich da meinen Vorrednern nur anschließen. Vor allem weil es eine Zeit ist, die einem logischerweise nicht so im Gedächtnis ist.Vielen dank dafür. Jetzt hast du mich richtig neugierig gemacht und ich werde mir auch, dass vom Ulifan, angesprochene Buch kaufen
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21.02.2012 | 21:53 Uhr
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unglaublich, grandios, überragend geschrieben!
also nicht nur das zitat.
der ganze blog!
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Nein, war nicht auf der Home, soweit ich mich erinnern kann.