17.08.2010 um 14:40 Uhr
Geschrieben von Voegi
FCB-Kultkicker (I)
Lars Lunde
Ich grübele noch immer. Wahrscheinlich werde ich es nie herausfinden. Wann genau meine Bayern-Leidenschaft begann, wird für mich wohl ein ewiges Mysterium bleiben. Doch wenn ich schon nicht den Tag benennen kann, an dem mein Herz begann FCB zu schlagen, so weiß ich doch zumindest, in welchen Zeitraum es passiert sein muss. Denn am 22. April 1986, dem Tag des legendären Kutzop-Elfmeters, saß ich nur gelangweilt neben dem Fernseher und blickte verständnislos auf meinen Vater, der voller Spannung das Geschehen in Bremen verfolgte. Rund elf Monate später, am 28. März 1987, betrachtete ich das 2:1 der Bayern, die damals schon "meine" Bayern" waren, in Hamburg mit schweißnassen Händen und ekstatisch erhöhtem Puls. Ich fieberte mit, ich war Fan. Irgendwann zwischen dem 22. April 1986 und dem 28. März 1987 muss meine Bayern-Leidenschaft also geweckt worden sein.
Der Tag des Lars Lunde
Jenes Spiel in Hamburg ist mir nicht nur deshalb so gut in Erinnerung geblieben, weil es einen Meilenstein auf dem Weg zur zehnten (und meiner ersten) Bayern-Meisterschaft bedeutete. Nein, es war auch der Tag des Lars Lunde. Nach 26 Minuten brachte er uns mit einem wuchtigen Kopfball in Führung und ebnete so den Weg zum ungemein wichtigen Auswärtserfolg. Es war der erste Treffer des von den Young Boys Bern verpflichteten Dänen, der in seinen elf Liga-Einsätzen bis dahin nicht hatte überzeugen können. Hohn und Spott waren über das vermeintliche Supertalent aus Nyborg hereingebrochen. Kleiner glaubte mehr, dass der 23jährige Blondschopf bei Bayern würde Fuß fassen können. Doch als Lunde eine Woche nach seinem Treffer vom Hamburg auch im Heimspiel gegen den FCK erfolgreich war, schien sich das Blatt zu wenden. Der junge Däne, der ob seines schüchternen, zuweilen unbeholfenes Auftretens als zu weich für die Bundesliga galt, war dabei, seinen Platz bei den Bayern zu finden. So schien es – im März 1987. Doch es sollte anders kommen, genau so wie es die Kritiker die ganze Zeit prophezeit hatten.
In der Saison 86/87 gelang Lunde in der Folge kein weiterer Treffer mehr. Den Meistertitel erlebte der junge Däne als Pendler zwischen Stammelf und Ersatzbank, ohne selbst große Akzente setzen zu können. Das sollte auch in der Folgespielzeit so bleiben. Dabei gelang ihm gleich zu Beginn der neuen Saison ein weiteres Tor. Beim 3:1-Erfolg in Dortmund markierte der eingewechselte Lunde den Schlusspunkt und erlebte so einen durchaus gelungenen Saisonstart. Sein dritter Treffer im Bayern-Trikot sollte jedoch auch sein letzter bleiben. Lunde kam verletzungsbedingt nur auf neun Spiele und verließ die Heynckes-Elf in Richtung Schweiz. Beim FC Aarau und FC Zug bestritt er insgesamt 41 weitere Liga-Spiele und beendete seine Karriere bereits mit 26 Jahren. Grund waren die Nachwirkungen der schweren Verletzungen, die er als Folge eines schweren Verkehrsunfalls davon getragen hatte.
Hoffen und Scheitern
Begonnen hatte Lunde seine Profi-Karriere bei Bröndby Kopenhagen. Bereits nach einem Jahr wechselte er in die Schweiz und wurde dort gleich in seiner ersten Saison bei Young Boys Bern Torschützenkönig. Die 21 Treffer der Spielzeit 1984/85 waren der erste und letzte große Höhepunkt in Lundes Laufbahn, der die Bayern zur Verpflichtung des Dänen veranlasste. Ein Jahr später, im Sommer 1986, wechselte Lunde an die Isar und suchte fortan seine Form, ohne sie jemals so recht wieder zu finden.
Lundes Karriere ist mithin keine beeindruckende Geschichte von Glanz und Glamour, vielmehr ein tragisches Rührstück vom Hoffen und Scheitern. So hoch die Erwartungen waren, die man in den jungen Dänen immer wieder setzte, so tief waren die Stürze, die er in der Folge erlebte. Absoluter Tiefpunkt war zweifelsohne der Unfall im April 1988. Lunde hatte das Rotlicht an einem unbeschrankten Bahnübergang missachtet und kollidierte daraufhin mit einem Zug. Er fiel in ein 240-stündiges Koma und erlangte nie wieder die Koordinationsfähigkeit zurück, die es ihm erlaubte, dauerhaft im Profi-Fußball aktiv sein zu können.
Fall Null und soziales Exempel
Und dennoch ist Lars Lunde gleich in zweifacher Hinsicht ein typischer Bayern-Spieler. Er steht gewissermaßen sinnbildlich für eine unglückliche Einkaufspolitik der Bayern, die Mitte der 80er Jahre ihren Anfang nahm. Böse Zungen behaupten gar, er sei der Fall Null in der Riege der Bayern-Stürmer aus dem Ausland gewesen, die sich alsbald nach ihrer Verpflichtung als Fehleinkauf erwiesen. Ob Ekström, McInally, Mihajljovic, Valencia oder Papin, alle seien sie irgendwie nur billige Blaupausen des gescheiterten Dänen.
Am Beispiel Lundes lässt sich aber auch eine ganz andere Seite des FC Bayern zeigen. Familiensinn und soziales Bewusstsein, beides Werte, die Uli Hoeneß wie kaum ein anderer im Profi-Fußball verinnerlicht hat, haben wohl selten eine solch nachhaltige Bedeutung erlangt wie im Fall des Lars Lunde. Denn als dieser schwerverletzt aus dem Koma erwachte, war es Uli Hoeneß, der sich Lundes annahm, obwohl dieser längst nicht mehr Angestellter des FC Bayern war. Hoeneß organisierte die medizinische Versorgung des Dänen und nahm ihn nach seiner Genesung für mehrere Monate im eigenen Hause auf, wo er von Gattin Susanne wie ein drittes Kind betreut wurde. So beschreibt es Lunde noch heute selbst, der dem heutigen Bayern-Präsidenten unverändert dankbar ist. Vielleicht wäre es zu viel, in Hoeneß eine Vaterfigur für Lunde zu sehen. Mehr als ein Freund ist er aber allemal.
Heute arbeitet Lunde als Pfleger in einem Krankenaus in Aarau. Er trainiert nebenbei die B-Junioren des FC Wangen bei Olten. Mit dem Profi-Fußball hat er nichts mehr zu tun. Die Spiele der großen Mannschaften verfolgt Lunde nur noch im Fernsehen und fiebert noch immer mit, wenn "seine" Bayern auf dem Platz stehen. Denn auch wenn das derzeitige Team nichts mehr mit der Mannschaft von damals zu tun hat, so verbindet ihn doch zumindest die Person Uli Hoeneß weiterhin mit dem Club, für den er von 1986 bis 1988 die Fußballschuhe schnürte. So ist Lunde noch heute Teil der großen Bayern-Familie und wird dies wohl auch immer bleiben.
Lars Lunde – heute Krankenpfleger in Aarau.
In FCB-Kultkicker werden in unregelmäßig erscheinenden Ausgaben bemerkenswerte Spieler aus der Vereinshistorie des FC Bayern proträtiert. Dabei geht es nicht um die großen Superstars, sondern um stille Helden, tragische Figuren und verschrobene Originale, an die es sich zu erinnern lohnt.
Ich grübele noch immer. Wahrscheinlich werde ich es nie herausfinden. Wann genau meine Bayern-Leidenschaft begann, wird für mich wohl ein ewiges Mysterium bleiben. Doch wenn ich schon nicht den Tag benennen kann, an dem mein Herz begann FCB zu schlagen, so weiß ich doch zumindest, in welchen Zeitraum es passiert sein muss. Denn am 22. April 1986, dem Tag des legendären Kutzop-Elfmeters, saß ich nur gelangweilt neben dem Fernseher und blickte verständnislos auf meinen Vater, der voller Spannung das Geschehen in Bremen verfolgte. Rund elf Monate später, am 28. März 1987, betrachtete ich das 2:1 der Bayern, die damals schon "meine" Bayern" waren, in Hamburg mit schweißnassen Händen und ekstatisch erhöhtem Puls. Ich fieberte mit, ich war Fan. Irgendwann zwischen dem 22. April 1986 und dem 28. März 1987 muss meine Bayern-Leidenschaft also geweckt worden sein.
Der Tag des Lars Lunde
Jenes Spiel in Hamburg ist mir nicht nur deshalb so gut in Erinnerung geblieben, weil es einen Meilenstein auf dem Weg zur zehnten (und meiner ersten) Bayern-Meisterschaft bedeutete. Nein, es war auch der Tag des Lars Lunde. Nach 26 Minuten brachte er uns mit einem wuchtigen Kopfball in Führung und ebnete so den Weg zum ungemein wichtigen Auswärtserfolg. Es war der erste Treffer des von den Young Boys Bern verpflichteten Dänen, der in seinen elf Liga-Einsätzen bis dahin nicht hatte überzeugen können. Hohn und Spott waren über das vermeintliche Supertalent aus Nyborg hereingebrochen. Kleiner glaubte mehr, dass der 23jährige Blondschopf bei Bayern würde Fuß fassen können. Doch als Lunde eine Woche nach seinem Treffer vom Hamburg auch im Heimspiel gegen den FCK erfolgreich war, schien sich das Blatt zu wenden. Der junge Däne, der ob seines schüchternen, zuweilen unbeholfenes Auftretens als zu weich für die Bundesliga galt, war dabei, seinen Platz bei den Bayern zu finden. So schien es – im März 1987. Doch es sollte anders kommen, genau so wie es die Kritiker die ganze Zeit prophezeit hatten.
In der Saison 86/87 gelang Lunde in der Folge kein weiterer Treffer mehr. Den Meistertitel erlebte der junge Däne als Pendler zwischen Stammelf und Ersatzbank, ohne selbst große Akzente setzen zu können. Das sollte auch in der Folgespielzeit so bleiben. Dabei gelang ihm gleich zu Beginn der neuen Saison ein weiteres Tor. Beim 3:1-Erfolg in Dortmund markierte der eingewechselte Lunde den Schlusspunkt und erlebte so einen durchaus gelungenen Saisonstart. Sein dritter Treffer im Bayern-Trikot sollte jedoch auch sein letzter bleiben. Lunde kam verletzungsbedingt nur auf neun Spiele und verließ die Heynckes-Elf in Richtung Schweiz. Beim FC Aarau und FC Zug bestritt er insgesamt 41 weitere Liga-Spiele und beendete seine Karriere bereits mit 26 Jahren. Grund waren die Nachwirkungen der schweren Verletzungen, die er als Folge eines schweren Verkehrsunfalls davon getragen hatte.
Hoffen und Scheitern
Begonnen hatte Lunde seine Profi-Karriere bei Bröndby Kopenhagen. Bereits nach einem Jahr wechselte er in die Schweiz und wurde dort gleich in seiner ersten Saison bei Young Boys Bern Torschützenkönig. Die 21 Treffer der Spielzeit 1984/85 waren der erste und letzte große Höhepunkt in Lundes Laufbahn, der die Bayern zur Verpflichtung des Dänen veranlasste. Ein Jahr später, im Sommer 1986, wechselte Lunde an die Isar und suchte fortan seine Form, ohne sie jemals so recht wieder zu finden.
Lundes Karriere ist mithin keine beeindruckende Geschichte von Glanz und Glamour, vielmehr ein tragisches Rührstück vom Hoffen und Scheitern. So hoch die Erwartungen waren, die man in den jungen Dänen immer wieder setzte, so tief waren die Stürze, die er in der Folge erlebte. Absoluter Tiefpunkt war zweifelsohne der Unfall im April 1988. Lunde hatte das Rotlicht an einem unbeschrankten Bahnübergang missachtet und kollidierte daraufhin mit einem Zug. Er fiel in ein 240-stündiges Koma und erlangte nie wieder die Koordinationsfähigkeit zurück, die es ihm erlaubte, dauerhaft im Profi-Fußball aktiv sein zu können.
Fall Null und soziales Exempel
Und dennoch ist Lars Lunde gleich in zweifacher Hinsicht ein typischer Bayern-Spieler. Er steht gewissermaßen sinnbildlich für eine unglückliche Einkaufspolitik der Bayern, die Mitte der 80er Jahre ihren Anfang nahm. Böse Zungen behaupten gar, er sei der Fall Null in der Riege der Bayern-Stürmer aus dem Ausland gewesen, die sich alsbald nach ihrer Verpflichtung als Fehleinkauf erwiesen. Ob Ekström, McInally, Mihajljovic, Valencia oder Papin, alle seien sie irgendwie nur billige Blaupausen des gescheiterten Dänen.
Am Beispiel Lundes lässt sich aber auch eine ganz andere Seite des FC Bayern zeigen. Familiensinn und soziales Bewusstsein, beides Werte, die Uli Hoeneß wie kaum ein anderer im Profi-Fußball verinnerlicht hat, haben wohl selten eine solch nachhaltige Bedeutung erlangt wie im Fall des Lars Lunde. Denn als dieser schwerverletzt aus dem Koma erwachte, war es Uli Hoeneß, der sich Lundes annahm, obwohl dieser längst nicht mehr Angestellter des FC Bayern war. Hoeneß organisierte die medizinische Versorgung des Dänen und nahm ihn nach seiner Genesung für mehrere Monate im eigenen Hause auf, wo er von Gattin Susanne wie ein drittes Kind betreut wurde. So beschreibt es Lunde noch heute selbst, der dem heutigen Bayern-Präsidenten unverändert dankbar ist. Vielleicht wäre es zu viel, in Hoeneß eine Vaterfigur für Lunde zu sehen. Mehr als ein Freund ist er aber allemal.
Heute arbeitet Lunde als Pfleger in einem Krankenaus in Aarau. Er trainiert nebenbei die B-Junioren des FC Wangen bei Olten. Mit dem Profi-Fußball hat er nichts mehr zu tun. Die Spiele der großen Mannschaften verfolgt Lunde nur noch im Fernsehen und fiebert noch immer mit, wenn "seine" Bayern auf dem Platz stehen. Denn auch wenn das derzeitige Team nichts mehr mit der Mannschaft von damals zu tun hat, so verbindet ihn doch zumindest die Person Uli Hoeneß weiterhin mit dem Club, für den er von 1986 bis 1988 die Fußballschuhe schnürte. So ist Lunde noch heute Teil der großen Bayern-Familie und wird dies wohl auch immer bleiben.
Lars Lunde – heute Krankenpfleger in Aarau.
In FCB-Kultkicker werden in unregelmäßig erscheinenden Ausgaben bemerkenswerte Spieler aus der Vereinshistorie des FC Bayern proträtiert. Dabei geht es nicht um die großen Superstars, sondern um stille Helden, tragische Figuren und verschrobene Originale, an die es sich zu erinnern lohnt.
Aufrufe: 33974 | Kommentare: 24 | Bewertungen: 71 | Erstellt:17.08.2010
ø 9.6
KOMMENTARE
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17.08.2010 | 21:49 Uhr
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schlibbedewitz : 10 punkte
fantastischer blog
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17.08.2010 | 21:04 Uhr
0
Lufdbomp : SUUUUPER
Blog @ Voegi
Das Du klasse schreiben kannst, wusste ich ja schon länger, aber dieser Blog übersteigt ob des Themas alles bisher da gewesene.
Mir fällt da noch so eine tragische Figur des FC Bayern ein: Kalle Delhaye!!!
Kam mit riesen Vorschusslorbeeren von Gladbach, konnte aber nie wirklich Fuß fassen. Hatte der nicht auch einen Autounfall?
Michael Sternkopf s Karriere endete zwar nicht so dramatisch, aber auch er passt gut in die Riege derer, für die der FC Bayern einfach ne Nummer zu groß war.
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17.08.2010 | 20:40 Uhr
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aaaaaaaaaaaber, es heißt immer noch Bröndby IF und NICHT Bröndby Kopenhagen!
0
17.08.2010 | 20:35 Uhr
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Sehr ansprechend geschrieben, prima recherchiert und ein richtig interessanter Blickwinkel.
Vielen Dank, war ein Genuß zu lesen.
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17.08.2010 | 20:18 Uhr
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ueber den Manager Hoeness kann man ja geteilter Meinung sein, sein soziales Engagement ist vorbildlich!
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17.08.2010 | 18:48 Uhr
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UliFan :
Schöner Blog und eine schöne Geschichte , 10 PNur kurz noch:
@ siled
*klugscheißermoduson*
Das Scholl bei Hoeneß nach seiner Scheidung mal gewohnt hat ist so ein Gerücht dass immer umgeht. Stimmt aber nicht, er hat es ihm wohl angeboten aber Scholl blieb doch lieber in seinen eigenen 4 Wänden
*klugscheißermodusoff*
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17.08.2010 | 18:46 Uhr
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m0km0k :
Schön geschrieben .. habs letzens auch mal in der Hoeneß Doku gesehen
1
17.08.2010 | 16:03 Uhr
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fcbm007 :
stimmt, kann mich da meinen Vortextern nur anschließen... Stark geschriebener Blog der auch mal den "Aussenstehenden" einen Einblick erlaubt, wie familiär es beim FCB (hier insbesondere bei Uli Hoeness) zugeht und sich um Spieler gekümmer wird !
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