31.08.2010 um 15:25 Uhr
Geschrieben von Voegi
FCB-Kultkicker (II)
Sammy Kuffour
„Wir wolle rot-weiße Trikot. Rot-Weiße Trikot" – die flehentliche Bitte in Form eines kruden Gesangs auf dem Münchener Rathausbalkon dürfte den meisten Bayern-Fans noch immer im Ohr sein. Sie stammt von Sammy Kuffour, einer der wohl schillerndsten und beliebtesten Spielerpersönlichkeiten der Bayern aus den vergangenen 20 Jahren. Ein echter Typ, der in seinen zehn Jahren beim deutschen Rekordmeister alle Höhen und Tiefen des Fußballs wie des Lebens mitgemacht hat.
Kuffours Profi-Karriere begann früh. Bereits mit 15 Jahren verließ der Ghanaer seine afrikanische Heimat in Richtung Italien. Dort kickte er zwei Jahre lang für die Jugendmannschaft von Torino Calcio und wechselte schließlich im zarten Alter von 17 Jahren an die Isar. Unter Hermann Gerland absolvierte Kuffour seine ersten Spiele für die Amateurmannschaft des FC Bayern, um sich so für das Profiteam der Münchener anbieten zu können. Am 29. Oktober 1994 bestritt Kuffour schließlich sein erstes Bundesligaspiel (2:2 gegen den VfB Stuttgart), dem in den nächsten Jahren lediglich 174 weitere Einsätze folgen sollten.
Zwischen Weltklasse und Kreisliga
Schon Mitte der 90er bestand ein reger Personalaustausch zwischen den FC Bayern und dem Club aus Nürnberg. So wurde auch Sammy Kuffour für ein Jahr nach Nürnberg ausgeliehen, um dort vermehrt Spielpraxis sammeln zu können. Verletzungsbedingt reichte es jedoch lediglich zu zwölf Zweiligaeinsätzen, nach denen er wieder an die Isar zurückkehrte. Waren es zunächst die schwankenden Leistungen Kuffours, die regelmäßigen Einsätzen im Wege standen, so wurde dem Ghanaer später vor allem seine hohe Verletzungsanfälligkeit zum Verhängnis.
Gleichwohl sollte Kuffour zu keiner Zeit den Makel fehlender Konstanz wirklich abschütteln können. Seine Leistungen schwankten regelmäßig zwischen Weltklasse und Kreisliganiveau. Blitzsaubere Defensivdarbietungen wechselten sich mit haarsträubenden Leichtsinnsfehlern ab und brachten dem jungen Ghanaer den Ruf des schlampigen Genies ein. Doch anders als im Falle von Martin Demichelis, der mit einem ähnlichen Stigma zu kämpfen hat, genoss Kuffour bei den Bayern-Fans dauerhaft hohe Sympathie.
Kuffours Beliebtheit unter den eigenen Anhängern erklärt sich dabei weniger aus seiner Spielweise denn aus dem Typus Mensch, den er auf und neben dem Spielfeld verkörperte. Samuel Osei Kuffour, den alle stets nur „Sammy" nannten, war als Fußballer so etwas wie der tragische Held. Stets aufrichtig bemüht, mit großen Einsatzwillen und Herzblut ausgestattet, aber doch oftmals am infantilen Gemüt scheiternd – so kannte und mochte man den Spieler Kuffour. Allzu häufig schlugen beim jungen Sammy Motivation und Hingabe um in Übereifer und Unbesonnenheit – zwei Attitüden, die sich mit dem Anforderungsprofil eines Innenverteidigers gemeinhin nicht vertragen.
Unschuldiger Underdog
Die Unbeherrschtheit des Sammy Kuffour lässt sich auch statistisch belegen: In seinen 175 Erstliga-Einsätzen wurde der Bayern-Verteidiger insgesamt sechs Mal vom Platz gestellt. Zum Vergleich: Für Stefan Effenberg, dem Rekordhalter in dieser Kategorie, steht gerade mal ein Platzverweis mehr zu Buche – bei exakt doppelt so vielen Bundesligaspielen. Die höchste Quote an Hinausstellungen pro Spiel darf somit Kuffour für sich in Anspruch nehmen – eine Auszeichnung, auf die er und sein Verein sicher gerne verzichten würden.
Es ist jedoch weniger die Zahl der Platzverweise als vielmehr ihr Zustandekommen, welches Aufschluss gibt über die Eigenart Kuffours. Beispielhaft sei hier nur auf die Gelb-Rote Karte aus dem November 1994 hingewiesen: Zu Behandlungszwecken hinter die Seitenlinie verwiesen, kehrte der ungeduldige Kuffour ins Spiel zurück, ohne das Okay des Schiedsrichters abzuwarten. Die fällige Verwarnung mit dem daraus resultierendem Platzverweis beantwortete der damals 18Jährige mit einer beleidigten Schimpftirade, wie man sie sonst nur von uneinsichtigen Kindergartensprösslingen kennt. Kuffour galt fortan als unreifer Naivling, dem man seine Fehler ob seiner kindlichen Seele nicht so recht übelnehmen wollte. Ein Ruf, den Kuffour – wie Thomas Helmer einst anmerkte – für seine Zwecke zu nutzen wusste. Kuffour gefiel sich in der Rolle des unschuldigen Underdogs und wollte dieses Vorurteil für sich fruchtbar machen. Seine Rechnung, den Schiedsrichter zu Gnade und Nachsicht zu bewegen, sollte allerdings nur selten aufgehen.
Titelsammler Kuffour
Auch wenn es anders scheinen mag: Kuffour war für den FC Bayern mehr als nur ein skurriler Sympathikus. Sportlich hat er den Münchnern oftmals entscheidend weitergeholfen. Sein Tor zum 1:0 war es, das die Bayern im Dezember 2001 zum Weltpokalsieger machte. Vor allem aber hatte Kuffour mit zuweilen herausragenden Abwehrleistungen großen Anteil an den Triumphen der Bayern – auch und gerade auf internationaler Ebene. Mit umsichtigem Stellungsspiel und entschiedenem Zweikampfverhalten hat der Ghanaer stets Akzente setzen können. Das Spiel der Bayern in den späten 90er Jahren und im beginnenden Jahrtausend hat er so entscheidend mitgeprägt. Und als er München im Jahre 2005 in Richtung Rom verließ, konnte Kuffour auf eine durchaus beeindruckende Titelsammlung zurückschauen: Sechs Meisterschaften, vier Pokalsiege und je einmal Champions League und Weltpokal.
Nach seinem Rückzug aus der Bundesliga wurde es stiller um Kuffour. Stationen in Rom und Livorno folgte ein kurzes Engagement bei Ajax Amsterdam, wo er seine Europa-Karriere schließlich beendete. Inzwischen lebt Kuffour wieder in Ghana und hat, abgesehen von ein paar gelegentlichen Freizeitkicks, mit Fußball nichts mehr zu tun.
Abgründe
So sehr Kuffour in seiner Profilaufbahn zwischen den Extremen pendelte, so sehr kennt er auch die Abgründe des Lebens. Im Januar 2003 fiel seine damals 15 Monate alte Tochter Godiva in den hauseigenen Swimmingpool und ertrank. Kuffour erfuhr in München von dem tragischen Ereignis und flog umgehend in seine ghanaische Heimat zurück. Beim ersten Rückrundenspiel, drei Wochen später, saß er jedoch wieder auf der Bank und wurde von Trainer Hitzfeld eingewechselt. Den Schmerz des Todes der eigenen Tochter wollte er mit der Rückkehr zur Normalität bekämpfen. Am 3. Mai desselben Jahres erzielte Kuffour sein sechstes (und vorletztes) Bundesligator. Im Interview nach dem Spiel wirkte er befreit und blickte zurück: Es war eine schwere Zeit. Aber es geht mir besser.
Sammy Kuffour, im Fußball wie im Leben, ein tragischer Held, dem die Sympathien der Menschen stets sicher waren, gehört zweifelsohne zu den Kultkickern des FC Bayern, obwohl oder besser weil bei ihm nicht alles so lief, wie er es sich vorgenommen hatte. Aber gerade das macht die wahren Typen eben doch auch aus.
Kuffours größter Triumph, der Gewinn der Champions League 2001.
„Wir wolle rot-weiße Trikot. Rot-Weiße Trikot" – die flehentliche Bitte in Form eines kruden Gesangs auf dem Münchener Rathausbalkon dürfte den meisten Bayern-Fans noch immer im Ohr sein. Sie stammt von Sammy Kuffour, einer der wohl schillerndsten und beliebtesten Spielerpersönlichkeiten der Bayern aus den vergangenen 20 Jahren. Ein echter Typ, der in seinen zehn Jahren beim deutschen Rekordmeister alle Höhen und Tiefen des Fußballs wie des Lebens mitgemacht hat.
Kuffours Profi-Karriere begann früh. Bereits mit 15 Jahren verließ der Ghanaer seine afrikanische Heimat in Richtung Italien. Dort kickte er zwei Jahre lang für die Jugendmannschaft von Torino Calcio und wechselte schließlich im zarten Alter von 17 Jahren an die Isar. Unter Hermann Gerland absolvierte Kuffour seine ersten Spiele für die Amateurmannschaft des FC Bayern, um sich so für das Profiteam der Münchener anbieten zu können. Am 29. Oktober 1994 bestritt Kuffour schließlich sein erstes Bundesligaspiel (2:2 gegen den VfB Stuttgart), dem in den nächsten Jahren lediglich 174 weitere Einsätze folgen sollten.
Zwischen Weltklasse und Kreisliga
Schon Mitte der 90er bestand ein reger Personalaustausch zwischen den FC Bayern und dem Club aus Nürnberg. So wurde auch Sammy Kuffour für ein Jahr nach Nürnberg ausgeliehen, um dort vermehrt Spielpraxis sammeln zu können. Verletzungsbedingt reichte es jedoch lediglich zu zwölf Zweiligaeinsätzen, nach denen er wieder an die Isar zurückkehrte. Waren es zunächst die schwankenden Leistungen Kuffours, die regelmäßigen Einsätzen im Wege standen, so wurde dem Ghanaer später vor allem seine hohe Verletzungsanfälligkeit zum Verhängnis.
Gleichwohl sollte Kuffour zu keiner Zeit den Makel fehlender Konstanz wirklich abschütteln können. Seine Leistungen schwankten regelmäßig zwischen Weltklasse und Kreisliganiveau. Blitzsaubere Defensivdarbietungen wechselten sich mit haarsträubenden Leichtsinnsfehlern ab und brachten dem jungen Ghanaer den Ruf des schlampigen Genies ein. Doch anders als im Falle von Martin Demichelis, der mit einem ähnlichen Stigma zu kämpfen hat, genoss Kuffour bei den Bayern-Fans dauerhaft hohe Sympathie.
Kuffours Beliebtheit unter den eigenen Anhängern erklärt sich dabei weniger aus seiner Spielweise denn aus dem Typus Mensch, den er auf und neben dem Spielfeld verkörperte. Samuel Osei Kuffour, den alle stets nur „Sammy" nannten, war als Fußballer so etwas wie der tragische Held. Stets aufrichtig bemüht, mit großen Einsatzwillen und Herzblut ausgestattet, aber doch oftmals am infantilen Gemüt scheiternd – so kannte und mochte man den Spieler Kuffour. Allzu häufig schlugen beim jungen Sammy Motivation und Hingabe um in Übereifer und Unbesonnenheit – zwei Attitüden, die sich mit dem Anforderungsprofil eines Innenverteidigers gemeinhin nicht vertragen.
Unschuldiger Underdog
Die Unbeherrschtheit des Sammy Kuffour lässt sich auch statistisch belegen: In seinen 175 Erstliga-Einsätzen wurde der Bayern-Verteidiger insgesamt sechs Mal vom Platz gestellt. Zum Vergleich: Für Stefan Effenberg, dem Rekordhalter in dieser Kategorie, steht gerade mal ein Platzverweis mehr zu Buche – bei exakt doppelt so vielen Bundesligaspielen. Die höchste Quote an Hinausstellungen pro Spiel darf somit Kuffour für sich in Anspruch nehmen – eine Auszeichnung, auf die er und sein Verein sicher gerne verzichten würden.
Es ist jedoch weniger die Zahl der Platzverweise als vielmehr ihr Zustandekommen, welches Aufschluss gibt über die Eigenart Kuffours. Beispielhaft sei hier nur auf die Gelb-Rote Karte aus dem November 1994 hingewiesen: Zu Behandlungszwecken hinter die Seitenlinie verwiesen, kehrte der ungeduldige Kuffour ins Spiel zurück, ohne das Okay des Schiedsrichters abzuwarten. Die fällige Verwarnung mit dem daraus resultierendem Platzverweis beantwortete der damals 18Jährige mit einer beleidigten Schimpftirade, wie man sie sonst nur von uneinsichtigen Kindergartensprösslingen kennt. Kuffour galt fortan als unreifer Naivling, dem man seine Fehler ob seiner kindlichen Seele nicht so recht übelnehmen wollte. Ein Ruf, den Kuffour – wie Thomas Helmer einst anmerkte – für seine Zwecke zu nutzen wusste. Kuffour gefiel sich in der Rolle des unschuldigen Underdogs und wollte dieses Vorurteil für sich fruchtbar machen. Seine Rechnung, den Schiedsrichter zu Gnade und Nachsicht zu bewegen, sollte allerdings nur selten aufgehen.
Titelsammler Kuffour
Auch wenn es anders scheinen mag: Kuffour war für den FC Bayern mehr als nur ein skurriler Sympathikus. Sportlich hat er den Münchnern oftmals entscheidend weitergeholfen. Sein Tor zum 1:0 war es, das die Bayern im Dezember 2001 zum Weltpokalsieger machte. Vor allem aber hatte Kuffour mit zuweilen herausragenden Abwehrleistungen großen Anteil an den Triumphen der Bayern – auch und gerade auf internationaler Ebene. Mit umsichtigem Stellungsspiel und entschiedenem Zweikampfverhalten hat der Ghanaer stets Akzente setzen können. Das Spiel der Bayern in den späten 90er Jahren und im beginnenden Jahrtausend hat er so entscheidend mitgeprägt. Und als er München im Jahre 2005 in Richtung Rom verließ, konnte Kuffour auf eine durchaus beeindruckende Titelsammlung zurückschauen: Sechs Meisterschaften, vier Pokalsiege und je einmal Champions League und Weltpokal.
Nach seinem Rückzug aus der Bundesliga wurde es stiller um Kuffour. Stationen in Rom und Livorno folgte ein kurzes Engagement bei Ajax Amsterdam, wo er seine Europa-Karriere schließlich beendete. Inzwischen lebt Kuffour wieder in Ghana und hat, abgesehen von ein paar gelegentlichen Freizeitkicks, mit Fußball nichts mehr zu tun.
Abgründe
So sehr Kuffour in seiner Profilaufbahn zwischen den Extremen pendelte, so sehr kennt er auch die Abgründe des Lebens. Im Januar 2003 fiel seine damals 15 Monate alte Tochter Godiva in den hauseigenen Swimmingpool und ertrank. Kuffour erfuhr in München von dem tragischen Ereignis und flog umgehend in seine ghanaische Heimat zurück. Beim ersten Rückrundenspiel, drei Wochen später, saß er jedoch wieder auf der Bank und wurde von Trainer Hitzfeld eingewechselt. Den Schmerz des Todes der eigenen Tochter wollte er mit der Rückkehr zur Normalität bekämpfen. Am 3. Mai desselben Jahres erzielte Kuffour sein sechstes (und vorletztes) Bundesligator. Im Interview nach dem Spiel wirkte er befreit und blickte zurück: Es war eine schwere Zeit. Aber es geht mir besser.
Sammy Kuffour, im Fußball wie im Leben, ein tragischer Held, dem die Sympathien der Menschen stets sicher waren, gehört zweifelsohne zu den Kultkickern des FC Bayern, obwohl oder besser weil bei ihm nicht alles so lief, wie er es sich vorgenommen hatte. Aber gerade das macht die wahren Typen eben doch auch aus.
Kuffours größter Triumph, der Gewinn der Champions League 2001.
Aufrufe: 23278 | Kommentare: 42 | Bewertungen: 61 | Erstellt:31.08.2010
ø 9.8
KOMMENTARE
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02.09.2010 | 12:29 Uhr
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hotte70 : Unvergessen
Eine absolute FCB-Legende! Unvergessen natürlich seine Mund-zu-Mund Beatmung beim Kahn....muahahahaha....Oder seine Bankettrede nach dem CL-Sieg 2001.......übrigens Super Blog!
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02.09.2010 | 10:50 Uhr
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jaja, früher gab es wirklich noch Persönlichkeiten....
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02.09.2010 | 08:12 Uhr
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sensemc :
Auch als Nicht-Bayernfan erinnere ich mich gerne an den Sammy.Einen Kommentar zu einer gefährlichen Spielszene im eigenen Strafraum Sammys von Günter Koch werde ich mein Leben lang nicht vergessen:
"Und wos mocht der Sämmy? Er schlägt a Kerzn!"
Weltklasse! Danke Sammy
P.S. 9 Punkte!
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02.09.2010 | 07:36 Uhr
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ein Klasse Typ ! 10 Voegi was sonst !
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02.09.2010 | 07:30 Uhr
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Ich erinner mich da auch an ein Spiel, als er die rote Karte sah und vollkommen fassungslos die Karte ansah und dann weinend vom Platz ging. Einfach ein Spieler, der immer mit Herzblut bei der Sache war, was ihm, wie du schon schreibst, auch oft genug zum Verhängnis wurde.
Klasse Blog über einen der großartigsten Typen, der je in den Reihen des FCB stand.
Aber du hast ganz vergessen zu erwähnen, dass er es sogar mal geschafft hat unseren Titan auszuknocken.
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02.09.2010 | 06:39 Uhr
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Als nächsten Blog dann bitte Stefan Effenberg
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01.09.2010 | 22:01 Uhr
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01.09.2010 | 21:58 Uhr
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BubiRoni :
Bei mir heißt ein grober, leichtsinniger Abwehrschnitzer heute noch "das war ein echter Kuffur"0
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RICHTIG gut ! 10P und Respeckt meinerseits!