12.04.2011 um 20:45 Uhr
Geschrieben von Voegi
FCB-SPOX-Standpunkte (X)
Immer weiter machen
Manchmal ärgert es mich doch. Dass ich meinen alten VHS-Rekorder vor rund zwei Jahren entsorgt habe, verwehrt mir heute eine im Laufe der Jahre sehr lieb gewonnene Freude. Alte VHS-Videos zu schauen, war für mich als hoffnungslosen Nostalgiker eigentlich immer unverzichtbar. In regelmäßigen Abständen gab ich mir die Bundesliga-Rückblicke der 80er und 90er Jahre und schwelgte ein bisschen im Charme der guten alten Zeit. Doch damit ist nun Schluss. Kein Rudi Michel, kein Jörg Wontorra, kein Reinhold Beckmann mehr – sie alle verstummen auf den brachliegenden Tonspuren meines Friedhofs der Videokassetten, derer ich mich aus sentimentalen Gefühlen aber doch nicht entledigen kann.
Besonders leid tut es mir jedoch für die Videokassette zum 90. Geburtstag des FC Bayern, die – genau wie ihren Leidensgenossen – in irgendeinem Regal fernab der Greifbarkeit der Selbstzerstörung entgegen schimmelt. Auf jenem Geburtstagsvideo lassen die alten BR-Haudegen Rubenbauer & Hartmann die Vereinsgeschichte des FC Bayern Revue passieren und rufen dabei vor allem die großen Erfolge der 70er Jahre in Erinnerung.
Zum Ende der Rückschau wagt der damals 37jährige Bayern-Manager Uli Hoeneß einen Ausblick auf die 90er Jahre und hofft, der FC Bayern werde international endlich wieder an die großen Erfolge der Vergangenheit anknüpfen und den (damals noch dominanten) Italienern den Rang ablaufen können. Wir alle wissen, es sollte anders kommen. Zwar errang der FC Bayern 1996 mit dem Gewinn des UEFA-Cups den einzigen bis dahin im Trophäenschank noch fehlenden Pokal, blieb aber international zumeist hinter den eigenen Ansprüchen zurück.
Uli Hoeneß, so glaube ich, hatte im Jahre 1989 aber womöglich etwas anderes gemeint als die bloße Rückkehr auf das Siegerpodest des internationalen Fußballs. In Wirklichkeit verfolgte der damalige Bayern-Manager eine Vision, die Vision eines konzeptionell und nachhaltig arbeitenden FC Bayern, der klaren Leitlinien folgt und deshalb auf große Umbrüche würde verzichten können.
Sollte Hoeneß seinerzeit tatsächlich einen solchen Traum geträumt haben, so dürfte ihn die Realität eines Tages daraus erweckt haben. Denn leider kam alles doch ganz anders. Die 90er Jahre waren geprägt von ständigen Wechseln und Neuanfängen. So folgte auf Heynckes eine schier endlose Periode der Unstetigkeit, deren Ende genau genommen erst mit der Verpflichtung Ottmar Hitzfelds erreicht war.
Von Kontinuität war beim FC Bayern Mitte der 90er Jahre also wahrlich nichts zu spüren. Selbst die einzige Konstante, der vermehrte Einsatz junger, zum Teil selbstausgebildeter Kräfte wie Nerlinger, Frey oder Hamann wurde durch die Verpflichtung zahlreicher namhafter Topspieler zunehmend verwässert. In deren Folge verkam der Rekordmeister mehr und mehr zum FC Hollywood, der weniger durch sportliche Solidität denn durch boulevardeske Intrigen auf sich aufmerksam machte.
Unter Giovanni Trapattoni, der 1996 zum zweiten Mal an die Isar wechselte, spielten die Bayern zwar erfolgreicher, aber keinesfalls attraktiver. Von einer Rückkehr in die internationale Spitze konnte zudem vorerst keine Rede sein, wenngleich mit dem Einzug ins CL-Viertelfinale 1998 ein weiterer Achtungserfolg nach dem Erreichen des Halbfinales 1995 gelungen war. Das Ziel, international ganz vorne dabei zu sein und Kontinuität und Konzept in den Verein zu bringen, schien kurz vor Ende der 90er Jahre gleichwohl weiter entfernt denn je.
Unter dem neuen Trainer Ottmar Hitzfeld sollte sich aber doch eine positive Veränderung einstellen. Hitzfeld erfand das Rotationssystem und bewies ein gutes Händchen bei der Führung schwieriger Charaktere. Der FC Hollywood machte Platz für einen gleichsam soliden wie erfolgreichen neuen FC Bayern, der national und international in die Erfolgsspur zurück fand. Dem Meisterschaftshattrick folgte der so sehnlich begehrte Gewinn der Champions League. Anfang des Jahrtausends war der FC Bayern damit endlich wieder da, wo er sich die ganzen Jahre über sah. Dabei – und das gehört auch zur historischen Wahrheit – lag Hitzfelds Erfolgsrezept eher in behutsamer Menschenführung denn in einem innovativen Taktikkonzept.
Zum Verhängnis wurde Hitzfeld schließlich aber sein väterlich-freundschaftliches Verhältnis zu den Spielern. Die Vereinsführung glaubte, den Spielern mehr Druck und Härte zumuten zu müssen. Mit Felix Magath wurde daraufhin ein Trainer verpflichtet, dessen Schleifer-Philosophie kaum Schnittmengen zu Hitzfelds Soft Skill-Mantra aufwies. Wieder einmal setzte man zu Lasten der Kontinuität auf einen großen Umbruch. Und wieder einmal sollte das Experiment nicht lange vorhalten. Denn trotz der beiden Doubles, die man unter Magath einfahren konnte, erkannte man, dass ein Typ wie Magath auf lange Sicht nicht zum FC Bayern passen würde. Es wurden neue, moderne Optionen ausgelotet und mit Jürgen Klinsmann der vermeintlich ideale Repräsentant eines innovativen Konzeptes gefunden. Auch dieser Versuch scheiterte und veranlasste Hoeneß & Co. abermals zu einem Umdenken. Ein Umdenken, das unter Louis van Gaal, wie wir nunmehr wissen, nicht zu einem erfolgreichen Ende geführt wurde.
Seit dem Hoeneß-Interview aus dem Jahre 1989 sind nun mehr als 20 Jahre vergangen. 20 Jahre, die – abgesehen von den ersten Jahren der Ära Hitzfeld – von Veränderungen, Neuorientierungen und Umdenken geprägt waren. 20 Jahre ohne echte Kontinuität und ohne durchgehaltenes Konzept. 20 Jahre, die mehr oder minder auch meine Bayern-Fanzeit abdecken und die mich natürlich zum Nachdenken anregen. Denn eigentlich war es immer mein Wunsch, dass „meine" Bayern ein schlüssiges und langfristiges Konzept verfolgen.
Mir wäre es inzwischen fast gleich, wie dieses Konzept nun aussähe, ob es nun auf stürmischen Hurra-Fußball oder eher auf vorsichtige Defensive ausgerichtet wäre – Hauptsache es gäbe eines. Aber das scheint eben wohl doch nicht so einfach zu sein. Inzwischen kam mir denn auch der resignative Gedanke, doch einfach die Konzeptlosigkeit selbst zum Konzept zu erheben. Also keinen Hehl daraus zu machen, dass eine nachhaltige Konzeption eh nicht durchzuhalten ist und man somit ganz offensiv und ehrlich das Gesetz des kurzfristigen Erfolges zum alleinigen Maßstab erheben solle.
Doch Resignation war noch immer ein schlechter Berater. Einfach die eigenen Ansprüche aufzugeben, kann nicht des Rätsels Lösung sein. Ich halte es da lieber mit Olli Kahn: Immer weiter machen! Scheitern ist eben keine Schande, wenn man es denn weiter versucht. Es sollte daher die Aufgabe aller Beteiligten sein, zusammen mit Jupp Heynckes ein spielerisch-taktisches Konzept zu erarbeiten, das den FC Bayern langfristig (und damit auch unter dem Folgetrainer) auf die Erfolgsspur zurückbringt. Ob dies dann allerdings auch gelingt, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Aufrufe: 24236 | Kommentare: 92 | Bewertungen: 48 | Erstellt:12.04.2011
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KOMMENTARE
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13.04.2011 | 15:55 Uhr
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Dome_Messi : lixx
In England und in Italien spielen die Reservemannschaften in einer eigenen Liga.
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13.04.2011 | 15:54 Uhr
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mfranky :
Wo ist da ein Widerspruch? Der Trainer hat sein Konzept und sollte dafür alle Freiheiten bekommen sie umzusetzen. Bei ManU ist das der Fall, beim FC Bayern nicht, da der Vorstand mitreden will.Geradezu lächerlich, dass als Hauptgrund für die Entlassung von VG das gelten des Leistungsprinzips (Kraft rein, Butt raus) angeführt wird. Stattdessen sollte nach vereinspolitischen Überlegungen aufgestellt werden. Eigentlich unfaßbar!
Die Konzeptlosigkeit zeigt sich vor allem in unserer Transfer- und Trainerauswahl.
Hitzfeld raus zu weich -> Magath rein zu hart -> Hitzfeld weg (Kritik Rotation) -> Klinsmann (zu unerfahren) -> Jupp Heynckes -> VG auf Empfehlung von Jupp Heynckes -> dann wieder Jupp
Vorallem geradezu paradox ist, dass man immer überrascht wurde. Magath zuviel Schleifer, Klinsmann zu unerfahren, VG zu stur .... das hätte man alles vorher rausfinden können und hätte sich die Überraschung ersparen können.
Ich finde es auch unglaublich, dass VG ständig die Transferpolitik vorgeworfen wird. Sind schon die Jahre vor VG vergessen. Die Kahn-Nachfolge ist bis heute nicht geklärt, seit dem Sagnol Ende haben wir nur einen AV, bei LVG Amtsantritt war mit Olic ein einziger Linksfuß im Kader, die Abwehr ist eine Problemzone seit dem CL Sieg (und es wird ständig versucht mit den Abwehrchefs anderer Bundesligisten zu lösen: Ismael, VB), Hummels weg Breno rein, ...
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13.04.2011 | 15:51 Uhr
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13.04.2011 | 15:43 Uhr
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Tronde :
@mrfranky:
Du widersprichst dir in deinen Aussagen ja selber
Einerseits siehst du Manchester als das Leuchtende Beispiel - obwohl dort, genauso wie beim FCB, eine "One Man Show" vorliegt..und ebenfalls wie UH neigt SAF dazu auch verbal vieles zu erzählen..etwas was du wahrscheinlich UH auch vorhälst - bei SAF aber "gut" findest - oder nicht kennst
Desweiteren ist die Äusserung das "Geld schiesst Tore, Taktik ist unwichtig" ohne jedweden Beleg sind - ausser man zählt dein Wunschdenken als Beleg.
Konzept liegt immer im Auge des Betrachters. Der FCB will National führend sein und International auf sich aufmerksam machen. Beides hat in den letzten 30 Jahren recht häufig geklappt - International sicherlich nicht gänzlich..aber die Anzahl der erreichten Halbfinale/Finale in der CL sind nun wahrlich kein geringer Wert. Insbesondere wenn man bedenkt mit welchen Mitteln der FCB im Verglech zu dem ein oder anderen "leuchtendem" Beispiel arbeitet.
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13.04.2011 | 15:40 Uhr
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Lixxx : dome messi
ok, hast recht! sorry dafür..ich hatte in erinnerung etwas gelesen zu haben, das die reserve mannschaften der spanischen teams in einer eigenen liga spielen, also außerhalb eines richtigen wettbewerbs! aber vielleicht verwechsle ich das gerade mit nem anderen land!
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13.04.2011 | 15:39 Uhr
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Tronde :
@Giro:
Was "Europäische Spitze" bedeutet oder nicht ist sicherlich, ein Stück weit, auch Definitionssache. Allerdings wird regelmäßig das Ziel "Viertelfinale" ausgegeben - und das wird, normalerweise, auch erreicht. Nur weil für dich "Europäische Spitze" etwas anderes bedeutet - heisst dies nicht automatisch das dies auch für den Verein FCB gelten muss
Wie gesagt. Die Offensive ist, wenn RibRob fit sind, gänzlich von diesen Spielern abhängig. Wenn diese Spieler aus dem Spiel genommen werden (bei Ribery gelingt das seltener als bei Robben) hat die Offensive ein Problem - dazu kommt dann eben die lachhafte Defensive Einstellung.
Wir haben die meissten Tore in der Liga - das ist richtig. Aber wir sehen ja was es uns bringt. Ich kann mir den Abstand zur Spitze gar nicht merken - weil er eben so gross ist (ich glaube 14 Punkte waren es). Seltsamerweise ist das Team auf Platz 1 das Team das MIT ABSTAND die wenigsten Gegentore kassiert hat Du siehst sicherlich worauf ich hinausmöchte
Der Vorstand wird immer versuchen mit dem Trainer zusammenzuarbeiten - wer das nicht tut macht sich abhängig von Trainern wie Felix Magath und hat nach deren Abgang ein Problem (siehe Wolfsburg)...das kann bei einem Verein wie Wolfsburg das Ziel sein - aber nicht beim FCB.
Zu behaupten der FCB pfeift auf die 2. Mannschaft ist schon eine sehr einseitige und oberflächliche Analyse. Das Team steht diese Saison, zum ersten Mal seit langem, am Ende der Tabelle. Dies hat mehrere Gründe..zum einen die Ausleihungen von talentierten Spielern damit sie weiterkommen, zum anderen den Abgang bzw. die Verletzungen von wichtigen Spielern. Jeder der sich das Team des FCB anschaut weiss das der FCB immer auf die Jugend achtet. Nun steigen sie eben ab. Das geht vielen anderen 2.Liga Mannscahften auch so - und bedeutet nicht automatisch eine schlechte Jugend
Und Bayern kann sich nicht den Stil von Barcelona leisten - der ist nämlich auf Schulden aufgebaut
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13.04.2011 | 15:31 Uhr
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giro :
Ja es war ein kleiner Widerspruch in meiner Aussage als ich Chelsea unterstellte ein Konzept zu haben. Aber wenn man auf Teufel komm raus einkaufen ein Konzept nennen will, dann haben sie eins.Und das Bayern nur eine von wenigen 2. Mannschaften in der Regionalliga spielen zeigt doch nur, dass die Profiteams sich keine 2. Mannschaft leisten können oder wollen bzw. sofort die Leistungsträger rausgezogen bzw. verkauft werden. Das ist nicht eben nicht nachhaltig.
Und mit Verlaub Barca hat serwohl eine 2. Mannschaft im Profibereich und die sind in der 2. spanischen Liga auf Platz 3 mit dem besten Sturm. Soviel dazu! Und da ist der älteste Spieler 26. Der Schnitt liegt auch um unteren 20er Bereich. Und da ist es schon eine Frage von reiner Mathematik, dass da nach und nach neue Talente zu den Profis kommen und auch wieder große Spieler dabei rauskommen. Einen Messi gibts so schnell nicht noch einmal, aber er ist ja auch noch sehr jung. Xavi und Iniesta sind zweifelsfrei super Spieler, aber keinesfalls unersetzbar.
Und wenn du dir mal anschaust wo die Spieler herkommen, dann wird dir auffallen, dass 2/3 aller Barca-Spieler aus der 2. Mannschaft kommen. Also das nenn ich Konzept mit nachhaltigkeit!
Und nochmal erwähnt bitte nicht Barca und Chelsea oder Real in einem Atemzug. Real hat schon allein deswegen keine 2. Mannschaft weil sie sich einen Dreck um Talente scheren. Sie kaufen nur ein. Da schau ich mir den Kader von Real an und die haben 2-3 Ersatzspieler von der eignen Jugend. Sehr traurig.
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13.04.2011 | 15:28 Uhr
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Ich weiss es tut jetzt nicht zur Sache, jedoch spielt die 2. Mannschaft von Barcelona in der 2. Liga.
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13.04.2011 | 15:17 Uhr
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sukram : Konzept des FC Bayern
Das Konzept der oberen Herren des FC Bayern ist ganz einfach: wir wollen das letzte Wort haben, auch in sportlichen Dingen. Wenn van Gaal im Januar der Meinung war, Thomas Kraft ist der bessere Torwart, dann hat van Gaal recht gehabt, Kraft ins Tor zu setzen. Heute weiß jeder, daß dies den Herren Rummenigge und Hoeness missfallen hat und sich dazu äußerten, daß dies nicht mit ihnen abgesprochen gewesen sei. Muss ein Trainer eine personelle Entscheidung mit den oberen absprechen? Und am Montag hat Rummenigge im "Blickpunkt Sport" gesagt, daß keiner Einfluss auf die Entscheidung von Jonker auf die Torwartfrage nehmen würde. Welcher User glaubt dran, dass Jonker tatsächlich Kraft ins Tor stellen DARF?
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