06.03.2012 um 14:20 Uhr
Geschrieben von Voegi
FCB-SPOX-Standpunkte (XX)
Think positive!
Der 29. Februar 2000 war ein außergewöhnlicher Tag. Nicht nur weil uns Schalttage mit der Regelmäßigkeit Olympischer Sommerspiele heimzusuchen pflegen. Wahrhaft geschichtsträchtig war dieser 29. Februar vor allem für den FC Bayern, dem an jenem Tag die zweifelhafte Ehre zuteilwurde, im Estadio Santiago Bernabéu bei Real Madrid antreten zu dürfen. Ein durchaus fragwürdiges Privileg, war den Münchnern bis dato doch noch kein Sieg bei den Königlichen gelungen.
Doch Schalttage verfügen eben über ihre ganz eigene Magie. Und so kam es, dass dem FC Bayern erstmals in seiner Vereinsgeschichte ein Triumph bei dem erfolgreichsten Club Europas gelingen sollte. Es war jedoch weniger die Aura dieses besonderen Datums als vielmehr die eigene Klasse, die den ungeahnten Erfolg an jenem 29. Februar 2000 ermöglichte. Mit geradezu spielerischer Leichtigkeit und taktischer Konsequenz nahmen die Bayern Real förmlich auseinander und gewannen völlig verdient mit 4:2. Die Medien überschlugen sich daraufhin in ihren Lobeshymnen über den brillant aufspielenden Rekordmeister und ihren tricksenden Spielmacher Mehmet Scholl, der nicht nur wegen seines Treffers zum 1:0 das Spiel seines Lebens machte.
Der Architekt dieses beeindruckendes Sieges waren jedoch weder der wuselnde Scholl noch der dirigierende Effenberg, sondern vielmehr Coach Ottmar Hitzfeld, dem an diesem Abend ein kleines Meisterstück gelungen war. Das 4:2 der Bayern in Madrid war denn auch ein unmissverständliches Signal an die Fußballwelt: Der FC Bayern ist endgültig wie in der europäischen Spitze zurück, der CL-Finaleinzug 1999 war kein Zufallstreffer. Die Klasse der Münchener war nunmehr unübersehbar und sollte sich schließlich ein Jahr später im Gewinn der Champions League niederschlagen.
Führungsperson Hitzfeld
Ottmar Hitzfeld hatte es geschafft, den angeschlagenen Riesen wieder an den eigenen Anspruch, einer der Topclubs Europas zu sein, zurückzuführen. Nach den alles in allem enttäuschenden 90er Jahren, in den der FC Bayern eher die Boulevardmedien denn die Sportalmanache bediente und dabei den Anschluss an die internationale Spitze verlor, war es Hitzfelds Verdienst, der Mannschaft wieder Konturen und Selbstbewusstsein zu verleihen. Dabei war Hitzfeld kein taktischer Revoluzzer, kein visionärer Querdenker, sondern vielmehr die lang vermisste Respektsperson, die durch menschliche Führung zu überzeugen wusste.
Genau hierin lag, so hieß es später, als die sportlichen Erfolge seltener wurden, auch seine Schwäche. So sehr Hitzfeld Hochachtung und Respekt unter den Spielern genieße, so schwer fiele es ihm auch, nötigenfalls die Kicker mit der harten Hand zu führen und ihnen die Grenzen aufzuzeigen. Das Gerede vom lieben Hitzfeld ließ den Wunsch nach einer strengeren Autorität wachsen, einem Schleifer, der sich nichts mehr bieten lässt und die Millionäre an ihre professionellen Pflichten erinnert.
Fast folgerichtig wurde im Jahre 2004 dann Felix Magath verpflichtet, der offenkundige Gegenentwurf zu Ottmar Hitzfeld. Unter Magath, so hoffte man, würden wieder Disziplin und damit auch der sportliche Erfolg zurückkehren. Und in der Tat erschien die Verpflichtung des gebürtigen Aschaffenburgers zunächst als reiner Glücksfall, gelang den Bayern doch zweimal der Gewinn des nationalen Doubles. Doch dann war bereits Schluss mit der Magathschen Herrlichkeit. Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer erwies sich als unumkehrbar zerrüttet. Nach einigen schlechten Spielen in der Liga entschied sich man schließlich, Magath in seinem dritten Jahr wieder zu entlassen.
Bayerns Déjà-vu
Der Übergang von Hitzfeld zu Magath mit dessen späteren Scheiten sollte dabei kein einmaliges Phänomen bleiben, sondern initiierte vielmehr ein bedenkliches Strickmuster, das sich an der Säbener Straße mehr und mehr zum Déjà-vu entwickelte: Wann immer sich die Bayern von einem Trainer trennten, suchte man einen Nachfolger, dessen Persönlichkeitsprofil möglichst wenig mit dem seines Vorgängers zu tun hatte.
So griff man, nachdem man erkannt hatte, dass ein harter Schleifer dem FC Bayern dauerhaft nicht bekommt, in der Folge wieder auf den bewährten Hitzfeld zurück, den netten Ottmar, der so gut mit Spielern konnte und so gar nichts vom fiesen Magath hatte. Irgendwann jedoch erschien auch Hitzfeld nicht mehr zeitgemäß, so dass man nach einem jungen, innovativen Coach suchte, der den Rekordmeister wieder neu beleben sollte. Man fand ihn in Jürgen Klinsmann, musste aber sehr schnell einsehen, dass so viel Innovationsgeist den eigenen Club überforderte. Gesucht wurde nun ein Anti-Klinsmann, ein echter Fußball-Lehrer vom alten Schlag, ein Fahrensmann mit Expertise und Renommee. Die Lösung hieß Louis van Gaal, der ungehobelte Sonderling, der die Bayern zunächst tatsächlich wieder in die Erfolgsspur brachte, in der Folge aber dann doch an seinem selbstgefälligen Auftreten scheiterte. Was die Bayern – the same procedure as every time – dazu veranlasste, wieder mal nach einem Gegenentwurf des Vorgängers zu suchen, den man in Jupp Heynckes nunmehr gefunden zu haben glaubt.
Das Negativmuster
Ob Heynckes wirklich die optimale Besetzung für den FC Bayern ist, wird man wohl frühestens nach Abschluss dieser Spielzeit sagen können. Doch schon jetzt bestehen leise Zweifel, ob die Rückbesinnung auf den alten Freund Jupp wirklich die optimale Lösung für die sportlichen Geschicke der Münchener war. In jedem Fall aber muss die Systematik, mit der man beim FC Bayern seit nun mehr bald zehn Jahren versucht, den idealen Trainer zu finden, befremden. Immer wieder fällt Hoeneß & Co. nichts Besseres ein, als einen Gegenentwurf zum bisherigen Coach zu suchen, dessen Fehler und charakterliche Mängel als negative Ausschlusskritierien für den Neuen herangezogen werden. Für weitsichtigte Planungen besteht dabei weder Zeit noch Interesse.
Warum also agiert man an der Säbener konsequent negativ? Wieso versucht man es nicht mal mit positivem Denken und klopft die letzten Trainer auf ihre Stärken (statt auf ihre Schwächen) ab? Natürlich wird es schwer sein, einen Coach mit der Persönlichkeit eines Ottmar Hitzfeld, der Autorität eines Felix Magath, dem Revoluzzergeist eines Jürgen Klinsmann und der Erfahrung eines Louis van Gaal zu finden. Aber immer nur nach dem Negativmuster vorzugehen, zeugt eben nicht von langfristiger Strategie.
Im Sinne des FC Bayern wäre ein positive Herangehensweise, die eben nicht von den Negativerfahrungen der vergangenen Jahre geleitet ist, in jedem Falle absolut wünschenswert. Und vielleicht wird der Coach, der Jupp Heynckes eines (fernen oder nahen) Tages in seinem Amt beerben wird, den FC Bayern mit einer auf längere Sicht angelegten Konzeption auf Kurs bringen. Ganz gleich, ob er nun Jürgen Klopp, Rafael Benítez oder vielleicht gar Mirko Slomka heißt.
Aufrufe: 15482 | Kommentare: 44 | Bewertungen: 24 | Erstellt:06.03.2012
ø 9.0
KOMMENTARE
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06.03.2012 | 14:29 Uhr
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fcbm007 :
sehr guter Standpunkt dem ich eigentlich nichts mehr beifügen kann!
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Ich würde jetzt aber mal eine These in die Runde werfen. Muss man eigentlich nicht feststellen das Hitzfeld der einzig richtige Volltreffer seit über 20 Jahren war? Das in diesem Blog beschriebene Muster wurde doch eigentlich auch schon vor Hitzfeld angewandt.